Samstag, 22. Juni 2019

„Hüte Deine Zunge!“ - 2. Timotheus 2,14-17a

[Predigt als MP3]

Inhalt

Beim Durcharbeiten des Textes hat sich die folgende Struktur der Predigt ergeben:

  • Einleitung
  • Text
  • Das Problem
    • Was war passiert? Was war das Problem?
    • Die Motivation hinter dem Problem
    • Die Folgen des Problems
    • Die Lösung: 
      • Was sollte passieren? Was ist das Ziel?
      • Wie geht man mit so einem Problem um? Was ist der Weg?
      • Was ist die Motivation für diesen Weg? 
  • Und zu guter Letzt: Was heißt das für mich? 2 Fragen an Dein Herz


Einleitung

Kennt ihr den Unterschied zwischen einem Messer und einem Messer? Überlegt mal: Wenn ich mit einem Messer herumfuhrwerke, um zu töten, wird wahrscheinlich etwas anderes dabei herauskommen, als wenn ich versuche, damit in Ruhe Kartoffeln zu schälen. Das Messer selber ist dabei nur ein Werkzeug. Ebenso verhält es sich mit Worten: ich kann mit ihnen herumhantieren, um vor einem Publikum Eindruck zu schinden oder ich kann sie verwenden, um Menschen aus Liebe im Glauben aufzurichten, um sie zu ermuntern, Gutes zu tun. Meine Worte sind dabei nur ein Werkzeug. Die Motivation und das Ziel dahinter aber bestimmen über das Ergebnis; nicht das Instrument, mit dem ich hantiere. Von daher müsste unsere heutige Predigt eigentlich heißen: „Hüte Dein Herz!“ Aber als mir das aufgefallen ist, war es schon zu spät... ;)

Das, was in unserem Herzen ist, bestimmt also darüber, wie wir mit unseren Worten umgehen – und damit darüber, was unsere Worte anrichten – oder was sie Gutes tun. Oder, um es mit den Worten von Jesus zu sagen: „Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken [...]“ (Mt 15,18f)

Ich möchte in dieser Predigt daher nicht allein auf den Inhalt der in Ephesus grassierenden Irrlehren eingehen, oder auf die griechische Vorliebe für Diskussionen und Philosophie (also auf die konkreten Worte oder Instrumente), sondern ich möchte vor allem den Streitern und falschen Lehrern ins Herz schauen, von denen Paulus hier spricht. Ich möchte mit Euch hineinschauen in das Herz von Paulus und das Ziel seiner Aufforderungen an Timotheus.  Wir werden also nicht nur sehen, was in Ephesus alles schief gelaufen ist, sondern uns auch das Ziel und die Motivation dahinter anschauen.

Dabei denke ich, dass es im heutigen Text – sozusagen „hinter den Kulissen“ – um 2 verschiedene Motivationen oder Ziele geht: um die Prahlerei und um die Liebe. Im 1. Korintherbrief lesen wir dazu im 8. Kapitel: „Die Erkenntnis bläht auf; aber die Liebe baut auf.“ (1Kor 8,1) – und im 13. Kapitel: „die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern [...] sie freut sich aber an der Wahrheit;“ (1Kor 13,4-6).

Die Frage ist also nicht nur: "Was genau ist eigentlich in Ephesus passiert?" Sondern auch: "Was war das Motiv der Irrlehrer?" Und: "Was sollte Timotheus‘ Motiv und Ziel sein?" Oder mit anderen Worten: Was ist eigentlich das Problem? Und wie kann man es lösen? Diese Fragen werden uns am Ende zu der Frage führen: "Was hat das alles mit mir zu tun?" 

Aber der Reihe nach.  Lesen wir erst einmal den Text...

Unser Text (2Tim 2,14-17a)

dort heißt es: „Daran erinnere sie und ermahne sie inständig vor Gott, daß sie nicht um Worte streiten, was zu nichts nütze ist, als die zu verwirren, die zuhören. Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht austeilt. Halte dich fern von ungeistlichem losem Geschwätz; denn es führt mehr und mehr zu ungöttlichem Wesen, und ihr Wort frißt um sich wie der Krebs.“  (2Tim 1,14-17a)

Das Problem – Was war passiert?

Ungeistliches loses Geschwätz: Bei der Formulierung „ungeistliches, loses Geschwätz“ musste ich erst an Gerüchte, anzügliche Witze oder sexistische Bemerkungen denken. Einige Bibelkommentare später ist mir dann aufgefallen, dass der Kontext das gar nicht hergibt. Denn hier geht es ja ganz konkret um Häresien und Sonderlehren.

Und die entstehen ganz offenbar nicht im „luftleeren Raum“, sondern hinter ihnen steht eine treibende Kraft: die Zurschaustellung der eigenen „Kompetenz“. Und so eine schiefe Motivation macht auch die beste Theologie kaputt. Wo ich mich nicht mehr bemühe, Gottes Wort zu verstehen und mir von ihm etwas sagen zu lassen, sondern vielmehr versuche, vor anderen etwas darzustellen – am besten indem ich etwas modernes oder neues von mir gebe, weil das einfach besser wirkt, als dieses altmodische „Wort Gottes“, da geht alles den Bach runter, was dieses Wort Gottes eigentlich bezwecken will – oder wie der Schweizer Reformator es ausdrückte: «[...] wo sich ein ehrgeiziger Wunsch nach Wohlgefallen durchsetzt, gibt es keinen starken Wunsch nach Erbauung mehr.» (Calvin) 

Das falsche Motiv zerstört also das gewünschte Ergebnis: Am Ende steht dann der Beifall der Menge – statt dem Glauben und dem Trost für den Anderen oder die Gemeinde. 

Um Worte streiten: Um zu verstehen, was in Ephesus geschehen war, hilft ein Blick in den 1. Brief des Paulus an den Timotheus – dort steht: „Du weißt, wie ich dich ermahnt habe, in Ephesus zu bleiben, als ich nach Mazedonien zog, und einigen zu gebieten, daß sie nicht anders lehren, auch nicht achthaben auf die Fabeln und Geschlechtsregister, die kein Ende haben und eher Fragen aufbringen, als daß sie dem Ratschluß Gottes im Glauben dienen.“ (1Tim 1,3-4)

Zum einen ging es also in Ephesus um völlig irrelevante theologische Randgebiete und außerhalb des Glaubens befindliche Sonderlehren. Dem stellt Paulus das eigentliche Ziel des Glaubens gegenüber: „Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben.“ (1Tim 1,5)

Weiter ist im 1Timotheusbrief zu lesen, „daß das Gesetz gut ist, wenn es jemand recht gebraucht, weil er weiß, daß dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, sondern den Ungerechten und Ungehorsamen, den Gottlosen und Sündern, den Unheiligen und Ungeistlichen  [...]“ (1Tim 1,9)

Es ging in Ephesus also auch darum, dass das Gesetz missbraucht wurde. Gesetzesgerechtigkeit kann dabei viele Blüten treiben. So zum Beispiel die, dass Gläubige das ganze Gesetz zu halten hätten. Gerecht vor Gott werden wir aber nicht, weil wir seine Gebote perfekt halten, sondern einzig und allein dadurch, dass Jesus - stellvertretend für uns - am Kreuz den Preis für unsere Schuld bezahlt hat und dass Er – der Auferstandene – uns mit dem Glauben an Ihn Seine vollkommene Gerechtigkeit schenkt. Umsonst! Ohne Leistung!

Zu guter Letzt lesen wir dann in 1Tim 6,3-5: „Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die dem Glauben gemäß ist, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern hat die Seuche der Fragen und Wortgefechte. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubt sind, die meinen, Frömmigkeit sei ein Gewerbe.“ (1Tim 6,3-5)

Es ging in Ephesus also auch darum, dass falsche Lehrer aufgetreten waren, die – wie heutzutage einige Fernsehprediger – der Ansicht waren, das Evangelium zu predigen sei vor allem profitabel. Es ging also in Ephesus – statt um die gute Nachricht, dass Gott uns liebt und uns unsere Schuld vergibt – um Sonderlehren und Irrlehren (z.B., dass die Auferstehung schon geschehen sei; siehe 2Tim 2,18) – um Werkgerechtigkeit und um prahlerische Zurschaustellung und um Profit.

All das führte zu endlosen Wortgefechten und zu Zank und Streit in der Gemeinde.

Das Problem – Die Motivation dahinter

Die Frage ist jetzt natürlich: warum streiten sich Menschen um Worte? Das Wort, was Paulus hier gebraucht, könnte man auch übersetzen mit „Krieg der Worte“ oder „Wortgefecht“. Es ging also bei den Streitereien gar nicht um die Wahrheit – um das „Vorbild der heilsamen Worte“ – also um das Evangelium. 

Es geht bei solchen Wortgefechten meist um kleinkarierte Wortklaubereien und spitzfindige Auslegungen, die nur die Selbstprofilierung und Angeberei der Streitenden zum Ziel haben – nicht aber die Erbauung des Nächsten oder der Gemeinde – und schon gar nicht geschieht ein solches Wortgefecht aus Liebe – oder in Liebe.

Das eigentliche Motiv hinter einem „Wortgefecht“ ist meistens Frage, wer dieses Gefecht gewinnt, also die Frage: „Wer hat Recht?“ – und vor allem: „Wer behält Recht?“ – „Wer steht am Ende besser da?“ – „Wer sieht nachher klüger aus?“ – „Wer gewinnt?“ Das eigentliche Motiv hinter der ganzen Streiterei sind Hochmut und Besserwisserei. – Und die führen nicht nur zu Streit, sondern – weil das Motiv schief ist – am Ende auch zu einer „schiefen Theologie“. Das richtige Ergebnis wird durch den Missbrauch der Mittel verfehlt. So, wie beim Küchenmesser... Streiten macht also schlechte Theologen!

Die Lösung – Das Ziel

Die beste Chance auf Heilung bei Krebs ist bekanntlich immer noch, ihn so früh, wie möglich zu erkennen und zu behandeln. Und dafür hat Paulus drei ganz konkrete Methoden parat:
  • Die Aufforderung, die Gemeinde an das Evangelium zu erinnern und es zu predigen
  • Die inständige Ermahnung, sich nicht zu streiten
  • Die Aufforderung, den Besserwissern aus dem Weg zu gehen

Daran erinnere sie: Wenn Paulus sagt: „Daran erinnere sie“, dann meint er damit das Evanglium (Vers 8). Das Evangelium von Gottes Wesen und Werk – unserer Sünde und unserer Begnadigung – von Gottes unfassbarer Liebe am Kreuz – und von der absoluten Glückseligkeit und ewigen Herrlichkeit, die auf uns warten. 

Und es ist wichtig, dass wir an das Evangelium erinnert werden. Wir sind nämlich sehr vergesslich. Kaum haben wir am Sonntag die Predigt gehört, haben wir sie auch schon wieder vergessen. Darum haben wir es nötig, dass die wichtigsten Dinge – immer und immer wieder – wiederholt werden. So prägen sie sich über die Zeit dann doch ein – trotz unserer Vergesslichkeit. 

Das Wort der Wahrheit recht austeilen: Und wenn es um das Evangelium geht, dann ist es Paulus wichtig, dass es so gepredigt wird, wie es ist. Ohne Gesetzlichkeit und ohne Gesetzlosigkeit. Ohne Angst vor dem Gericht und ohne Lauheit in der Heiligung. Was Paulus sich wünscht ist, dass Timotheus das Evangelium „gerade schneidet“. So, dass es am Ende nicht krumm und schief wird. 

Damit es von Gottes Wahrheit im Evangelium am Ende nicht heißen muss «Einige verstümmeln sie, andere zerreißen sie, andere foltern sie, andere zerbrechen sie in Stücke, andere halten sie an der Außenseite, (wie wir gesagt haben) kommen nie zum Kern der Lehre.» (Calvin)  Der Kern der Lehre aber ist die Liebe!

und ermahne sie inständig vor Gott: Paulus will aber nicht nur, dass Timotheus die Gemeinde an das Evangelium erinnert – und dass er das Evangelium dabei nicht verzerrt –, er will auch, dass er die Gemeinde ermahnt – sie inständig ermahnt! 

Die Geschwister sollen sich nicht über Nichtigkeiten oder gar Irrlehren streiten. Das ist ihm so superwichtig, weil er weiß, dass nicht nur das komplette Gemeindeklima und das harmonische Zusammenleben darunter leiden, sondern das bei Irr- und Sonderlehren vor allem der Frieden im Gewissen und der Trost des Glaubens in Gefahr sind.  

Die Lösung – Das Ziel

Halte Dich fern: Zu guter Letzt aber hilft nicht nur das erinnern und ermahnen der Guten, es ist auch wichtig, mit den Bösen richtig umzugehen. Jetzt könnte man mit Adolf Schlatter fragen: «Könnte man ihren Verfechtern nicht helfen, wenn man ihre Meinungen eingehend mit ihnen verhandelte? Paulus verneint das. Ihre Wurzel ist krank, und aus dieser wird nichts Gesundes erwachsen.“ Daher „braucht [Timotheus] solche Theorien nicht zu ewägen oder zu widerlegen. Je weniger Aufmerksamkeit ihnen gewährt wird, um so besser.» (Adolf Schlatter)

Die goldene Regel im Umgang mit christlichen Posern ist also: „Nimm nicht an ihren Wortgefechten teil; gehe ihnen einfach dem aus dem Weg!“ {Beispiel: Peter, mein alter Exec VP: Er sagte einmal auf meine Frage, warum er auf eine gewisse Unverschämtheit nicht reagiert habe: „Darauf antworte ich gar nicht. So viel Aufmerksamkeit hat der gar nicht verdient.“ Und siehe da, das Thema beruhigte sich.}

Selbstverständlich muss man, was den Umgang mit geistlichen Fragen angeht, die Motive gut unterscheiden, denn – ich zitiere noch mal Schlatter –: «ob die Anstöße und Bedenken aus treuem Herzen kommen und ein aufrichtiger Sinn zweifelt oder ob ein gottloser Wille theologisiert, dazu braucht es den bewährten Arbeiter und jene geschickte Hand, die „gerade schneidet“.» (Adolf Schlatter)

Die Lösung – Die Motivation

Bemühe dich: Erinnern, ermahnen und aus dem Weg gehen. Das sind die Anweisungen von Paulus in einer solchen Situation. Doch was soll die Motivation hinter diesen Anweisungen sein? 

Es ist – wer hätte das gedacht – das Gegenteil von Menschenfurcht und Prahlerei: es sind die Ehrfurcht vor Gott und der Wunsch, ihm zu gefallen. «Kurz gesagt, [Paulus] bittet Timotheus fleißig zu arbeiten, damit er sich vor Gott nicht schämen muss; während ehrgeizige Menschen nur diese Art von Scham fürchten, um nichts von ihrem Ruf für Scharfsinn oder tiefes Wissen zu verlieren.» (Calvin) 

Rechtschaffen und untadelig: Mit „rechtschaffen“ und „untadelig“ meint Paulus dabei, sich so zu verhalten, dass man vor Gott ein gutes Gewissen haben kann. So zu leben, dass man sich vor Gott nicht schämen muss; – nicht rot zu werden braucht. Wir müssen uns nicht, wie die ungeistlichen Streiter davor fürchten, in einem Streit den Kürzeren zu ziehen – oder etwas nicht zu wissen. Es kann uns Wurscht sein, was die Menschen über uns denken. Wichtig und entscheidend ist nur, das wir aus Lieben handeln – und was Gott dann über uns denkt! 

Das also ist die alles entscheidende Frage: Was ist Dein Motiv? 

Willst Du vor Gott gut dastehen oder vor den Menschen? Willst Du Recht behalten oder willst Du in der Liebe bleiben? (2x)

Die Entscheidung liegt allein bei Dir!

2 Fragen an Dein Herz

  • Ist mein Motiv die Liebe? 
    • Strebe ich nach Wahrheit, Heilung und Hilfe? 
    • Oder will ich nur Recht behalten und gut dastehen?
  • Wo bin ich beteiligt an unnützem Streit? 
    • Was  will ich konkret tun, damit dieser Krebs nicht
      weiter wächst und Charakter und Glauben zerfrisst?

„Die Liebe ist langmütig und freundlich [...] 
Sie eifert nicht [...] 
sie bläht sich nicht auf [...] 
Sie sucht nicht das Ihre“  
(1Kor 13,4-5)


„Für‘s Evangelium leiden?!“ - 2. Tim 2,9-13

Struktur

[Predigt als MP3]
  • Einleitung
  • Predigt
  •  - Unser Text
  •  - Geduld
  •  - Der Zweck
  •  - Das Ziel
  •  - Der Weg
  •  - Die Kraft
  • Zwei Fragen an Dein Herz


Einleitung: „Brand im Notre Dame & Münchner Waisenhaus“

Am 1. Mai 2019 hat es im Münchner Waisenhaus gebrannt. – Aber keine Angst: Alle Kinder wurden gerettet. Aber stellt Euch einfach nur mal vor, es wäre so gelaufen: die Leute vom Waisenhaus rufen bei der Feuerwehr an, jemand nimmt den Hörer ab – und gibt so eine Antwort: 

"Wie? Es brennt?! So ein Quatsch! Sowas wie Feuer und Brände gibt’s doch gar nicht! Legen Sie sich mal ruhig wieder schlafen!" Oder so: "Also hören Sie mal! Wieso rufen Sie hier an?! Wissen Sie, wie spät es ist?" Oder so: "Wie? Es brennt?! Ja, was geht mich das an?! Hab ich das gelegt?! Löschen Sie‘s doch selber ihr olles Feuer!!" Oder so: "Wie? Feuer?! Wissen Sie, wie gefährlich das ist?! Nee, lassen Sie mal, das ist mir echt zu heiß!" Oder sogar so: "Wie? Es brennt?! Jetzt machen Sie mal keine Panik! Das wird schon..."

Erwarten wir nicht, wie selbstverständlich folgendes: Dass die Feuerwehr allzeit bereit ist? Bereit auch Leid zu ertragen? Weil die Feuerwehrleute wissen, dass löschen eine gute Sache ist? Weil sie wissen, wie schön das Leben ist - und es denen wünschen, die im Feuer gefangen sind? Weil sie wissen, dass ihr Dienst Leben rettet? Weil sie wissen, dass genau das am Ende ihre Ehre ist: dass sie ihr Leben für die Freude anderer gewagt haben? Weil sie wissen, dass es für ihren Dienst einfach keine Alternative gibt? (wohl wissend: letztlich ist alles in Gottes Hand)?


Unser Text - 2. Timotheus 2, 9-13

[...] nach meinem Evangelium, 9 für welches ich leide bis dahin, dass ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden. 10 Darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit.

11 Das ist gewisslich wahr: 
Sterben wir mit, so werden wir mit leben; 
12 dulden wir, so werden wir mit herrschen; 
verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen; 
13 sind wir untreu, so bleibt er doch treu; 
denn er kann sich selbst nicht verleugnen.


Aktive Geduld – Drunter bleiben – Vers 9+10 „Darum dulde ich alles...“

Der Kontext: Paulus liegt – weil er das Evangelium weiter gegeben hat – im Gefängnis in Rom – angekettet, wie ein Verbrecher – und wartet wohl auf seinen Tod. 

Bei der Vorbereitung der Predigt habe ich mich gefragt: „Wie würde ich wohl reagieren, wenn mir das passieren würde?!“ Dabei ist mir eine Phrase – und in dieser Phrase ein kleines Wort – besonders ins Gesicht gesprungen: „Darum dulde ich alles...“ Das Wort, was hier für „dulden“ steht, heißt: „ὑπομένω“ – es setzt sich zusammen aus den Wörtern „ὑπο“ (unter) und „μένω“ (bleiben) – heißt also: „ darunter bleiben, ertragen, erdulden“.

Als ich das Wort las und – in dieser Zusammensetzung – seine Bedeutung verstand, musste ich an eine Begegnung von vor vielen Jahren denken (es muss auf einer Freizeit in Wiedenest gewesen sein oder auf Besuch bei Freunden in der Nähe von Rotenburg, ich weiß es nicht mehr genau),  da sprach ich mit einem (damals für mich) „älteren“ Bruder über das Thema „Geduld“. Er gab mir dann Zeugnis von seinem eigenwilligen und rebellischen Wesen und wie Gott den Zusammenbruch seiner Firma benutzt hatte, um ihn Demut zu lehren – und zu lehren, dass es Gott ist, der in allem den ersten Platz einnehmen sollte, der voran geht, den Weg vorgibt und dem wir im Vertrauen und im Gehorsam nachfolgen sollen. Und in eben diesem Zusammenhang benutzte er diese Formulierung: „drunter bleiben“.

Heute sehe ich, wo er diese Phrase her hatte – und warum sie so wichtig für uns ist: im Angesicht von Anfechtung und Leid ist es unsere alte Natur, die aufbegehren und rebellieren will: – sie will nicht leiden – sie will nicht „drunter bleiben“ – sie will ihren Willen – und zwar „jetzt gleich!“ – Nicht so Paulus: er bleibt aktiv/freiwillig(!) „drunter“.


Die Freude der anderen – Um der Auserwählten willen... – Vers 10 „...um der Auserwählten willen, damit auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit.“

Aber wie bringt Paulus das fertig? Wieso randaliert er nicht gegen Gott? Wieso zetert und lamentiert er nicht in seiner Zelle und fragt: „Mein Gott, warum?!“ Wie kann er so was sagen: „Darum dulde ich das alles...“? Wie bringt er das fertig?

Ich denke, dass uns Paulus in diesem Text mindestens 3 Gründe darauf angibt, was ihn zu dieser Haltung befähigt – und hinter diesen 3 Hinweisen steht – so glaube ich – wohl noch etwas 4. – was all diesen Hinweisen gemeinsam ist.

Den ersten dieser Gründe habe ich „Den Zweck“ genannt. Er beantwortet die Frage „wozu“ Paulus dieses Leiden auf sich nimmt. Was ist der „Mehrwert“? Was „bringt“ es, dass Paulus so leidet? Die Antwort von Paulus ist ziemlich klar: „damit auch die Auserwählten die Seligkeit erlangen – in Christus – mit ewiger Herrlichkeit“. Paulus ist offensichtlich klar, dass Erlösung kein „Selbstläufer“ ist – er weiß: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ (Römer 10,17). Im Bilde von der Feuerwehr: ihm ist klar, dass er die Ungläubigen nicht sich selbst überlassen kann und sagen „Wie? Es brennt?! Jetzt machen Sie mal keine Panik! Das wird schon... (von ganz alleine)“. 

Und ganz offensichtlich ist ihm auch noch etwas anderes klar: nämlich, was passieren würde, wenn er sagen würde: „Wie? Es brennt?! So ein Quatsch! Sowas gibt’s doch gar nicht! Legen Sie sich mal ruhig wieder schlafen.“ Denn: „...ohne Glauben ist's unmöglich, Gott zu gefallen“ (Hebr 11,6). Jesus hat das ganz klar gepredigt: „fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ (Mt 10,28). Die Frage ist nur: glauben wir das? Also letztlich: dass der Glaube aus der Predigt kommt - und ohne Glauben niemand den Himmel erreicht?


Das eigene Lohn – Um seiner selbst willen... – Verse 11f „Sterben wir mit, werden wir mitleben; dulden wir, werden wir mitherrschen“

Paulus hat noch einen 2. Grund, der ihn motiviert, das Evangelium weiter zu sagen. Einen 2. Grund, der ihn motiviert, auch dann nicht damit aufzuhören, wenn das Leiden bedeutet: Er hat begriffen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen unserem Handeln und dem, was uns im Himmel erwartet. Er hat begriffen, dass das, was uns im Himmel erwartet, kein Automatismus ist – sondern absolut damit zu tun hat, was wir auf Erden getan haben.

In 1Kor 3,8b-15 beschreibt er das so: „Jeder aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.“.

Paulus war also klar: „Von nichts kommt nichts!“. – Ihm war aber auch klar, wie unfassbar überschwänglich unser Lohn sein wird: Römer 8:18 schreibt er: „...ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ – Ich denke, es ist nicht zu viel, zu sagen, dass Paulus davon überzeugt war, dass „das bisschen, was es hier zu leiden gibt“ in überhaupt gar keinem Verhältnis steht zu dem, was an Lohn in der Herrlichkeit dafür auf uns wartet.  „Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit...“ (2Kor 4,16)


Der schmale Weg – Weil es nicht anders sein kann... – Vers 12+13 „verleugnen wir, wird er uns auch verleugnen; sind wir untreu, bleibt er doch treu; “

Der 3. Grund, den Paulus nennt, warum er das Evangelium weiter gibt – auch, wenn das für ihn Leiden bedeuten sollte – finden wir in den Versen 12 und 13: Paulus macht hier 2 Dinge ganz unmissverständlich klar: den Ernst und die Güte Gottes – von denen er in Römer 11,22 schreibt: „Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden. “

Paulus sagt damit ganz klar, dass 1. „vom Glauben abfallen“ keine Option ist, denn es hätte – wenn es denn überhaupt möglich wäre – zur Folge, „abgehauen“ zu werden. Das ist ja auch logisch: Wenn es tatsächlich „ohne Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen“ (Hebr 11,6) und wenn tatsächlich ohne Glauben „Leib und Seele in der Hölle verderben“ (Mt 10,28), dann ist auch klar, warum es keine Option ist, den Glauben angesichts von Leiden aufzugeben. Oder wie Jesus es sagt: „Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel.“ (Lukas  9,26)

Zum 2. macht Paulus aber auch klar, dass unsere Erlösung letzten Endes nicht auf unseren Schultern ruht –hier öffnet sich im Text für uns ein Blick direkt in das Herz Gottes hinein! – ein Blick auf Seine Treue und Barmherzigkeit – auf Seine Geduld mit uns und Seine Gnade: 
Sind wir einmal „untreu, bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“
Da, wo wir – entgegen dem Wollen unseres neuen Menschen – versagen, da trägt uns Seine Gnade. Jesus weiß: „Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.“ (Mt 26,41) Darum hat er uns versprochen: „Wenn wir [...] unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ (1Jo 1,9). Nur darum kann Paulus seine eigene Frage „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?“ beantworten mit: „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!“ (Rö 7,24-25)


Die Kraft Gottes – Der Blick nach oben... – Verse 10-13 „Seligkeit [...] ewige Herrlichkeit. [...] mitleben [...] mitherrschen [...] bleibt treu.

Paulus ist willig, für die Predigt des Evangeliums zu leiden, weil er 3 gute Gründe hat: 

Zum 1. möchte er, dass die von Gott Auserwählten das Evangelium hören und zum Glauben finden und so für alle Ewigkeit gerettet werden vor dem gerechten Zorn Gottes über ihre Sünden – ja, dass sie – vielmehr noch! – für alle Ewigkeit glücklich und selig werden – ja, dass sie eine ewige Herrlichkeit erlangen.

Zum 2. ist ihm wichtig, dass auch er selbst dahin kommt, mit Christus zu leben und zu herrschen – weil ihm klar ist, dass das, was im Himmel auf ihn wartet, nicht allein ein Geschenk ist (das wäre schon ein Leben in Ewigkeit ohne Schmerz und Sünde), sondern dass es etwas zu tun hat mit dem Lohn für seine Werke hier auf Erden (wohl wissend, dass es „Gott ist, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“ (Phil 2,13)

Zum 3. haben wir gesehen, dass Paulus klar war, dass es auch gar nicht anders sein kann, als dass er das Evangelium predigt. Zum einen, weil die Verleugnung Christi keine Option ist – und zum anderen, weil Er sich von Gottes Gnade getragen weiß.

Hinter all diesen Gründen zeichnet sich für mich ein 4. Grund ab – der alle anderen Gründe in sich schließt. Der Grund, der Paulus die Kraft gibt, das alles auszuhalten – es ist der „Blick nach oben“ – auf Christus, auf die Herrlichkeit, in die Ewigkeit, auf den so übergroßen Lohn und auf die ewige und unbeschreibliche Freude, die uns erwartet. Darum sagt Hebräer 12,1-2 : „Deshalb lasst nun auch uns, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, jede Bürde und die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen und mit Ausdauer laufen den vor uns liegenden Wettlauf, indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.“


Zwei Fragen an Dein Herz

Was möchtest Du ändern, um Gottes Herrlichkeit (noch) tiefer zu begegnen?
Wo (noch) kannst Du Gottes Evangelium mit anderen teilen?


„So spiegeln wir alle
mit aufgedecktem Angesicht
die Herrlichkeit des Herrn wieder. 
Und wir werden seinem Bild 
immer ähnlicher, 
denn seine Herrlichkeit 
verwandelt uns.“ 

(2. Korinther 3,18)

Montag, 10. Juni 2019

„Wunderbare Sehnsucht“ (Matthäus 5,6)

 [Predigt als MP3]

Einleitung

Wir feiern heute Erntedank. Doch warum? Wir feiern Erntedank, weil es nicht selbstverständlich ist, dass unsere Bauern eine Ernte einzufahren hatten. Vielen Menschen auf der Erde geht es nicht so gut, wie uns. Viele von Ihnen leiden Hunger und Durst. Und viele würden vor Freude jubeln, wenn Sie unsere Regale voller Brot und Früchte, Wein und anderen leckeren Sachen sehen würden. 

Ich selber habe in meinem Leben nur zwei oder dreimal Hunger gehabt. Das eine Mal war auf einer Überlebensausbildung für Offiziere bei der Bundeswehr. Das zweite Mal war nach 3 Wochen wirklich hartem Fasten: nur Suppe und Getränke. Das dritte mal war diese Woche. Aber eigentlich war es nur der Hauch eines Schattens einer Ahnung von Hunger. Und das war letzten Mittwoch:

3 Tage lang hatte ich gefastet und versucht, mich nur mit Obst über Wasser zu halten. Frühstück: nix! Mittag: 2 Äpfel. Abend: 1 Banane. Am dritten Tag sagte ich zu meiner Frau – die ich extra gebeten hatte, nichts für mich zu kochen! – : „Habibi“ (das ist arabisch und heißt „mein Liebling“) – „Habibi, ich hab‘ sooo Hunger!“ Woraufhin sie mich verschmitzt fragte: „Warum machst Du Dir dann nicht einfach eine Pizza?!“ --- Da war es dann vorbei mit der Diät... 

Allein diese Vorstellung! Pizza! Dieser Duft! Und der leckere Belag! Salami! Hmmm!  Ich liebe Pizza! Und ich behaupte: Wie lecker so eine Pizza schmeckt, das kann nur derjenige wirklich beurteilen, der vorher 3 Tage gefastet hat! Wirklich!

Und das hat eine Menge mit unserem Thema heute zu tun.


Inhalt

Unseren Text heute – Matthäus 5,6 – also aus den Seligpreisungen – habe ich unter die Überschrift gestellt: „Wunderbare Sehnsucht“. Warum, das werden wir im Laufe der Predigt sehen.

Zuerst einmal möchte ich mir dazu mit Euch gemeinsam die einzelnen Aspekte dieser Seligpreisung anschauen: 

  • Zum Ersten möchte ich mit uns den Text lesen und uns dann fragen:
  • Was heißt hier eigentlich „selig“? Danach möchte ich mit Euch anschauen, von 
  • was für einer Art geistlichem Hunger Jesus hier eigentlich spricht – und letztlich:
  • Welche Hoffnung inmitten dieses Hungers verborgen liegt: warum uns Jesus „selig“ nennt

Und ganz zum Schluss möchte ich uns einige Ermutigungen mit auf den Weg geben von denen ich hoffe, dass sie uns hilfreich sind in unserem Streben nach Gerechtigkeit.

Nun also zuerst zu unserem Text:


Unser Text

„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Matthäus 5,6)

In der 4. Seligpreisung – am Beginn der Bergpredigt – lesen wir: 

„ Selig sind, 

die da hungert und dürstet 

nach der Gerechtigkeit; 

denn sie sollen satt werden.“ 

Wie wir sehen werden, berührt dieser Text gleich zwei Aspekte unserer Gemeindevision, nämlich: „Bewegt werden“ und „Leben teilen“.

Doch der Reihe nach:


Was heißt hier ‚selig‘ ?

Was heißt hier eigentlich „selig“? Geht es hier um irgendwelche römisch-katholischen Seliggesprochenen? Was meint Jesus damit, wenn er sagt: „Selig sind...“?

Das Wort μακάριος (makarios) heißt im griechischen erst einmal nichts anderes, als "glücklich". Ganz simpel. Nichts klingt in diesem Wort mit von Heilig- oder Seligsprechungen oder sonst einer Form religiöser Überhöhung des Begriffes. Es heißt auch nicht "gesegnet" (das wäre eulegomenos), obwohl das nicht falsch wäre. Gottes Kinder sind ja in der Tat von Ihm gesegnet. Sondern das Wort bedeutet wirklich ganz einfach dies: "glücklich". So, wie in dem Satz: "Ich bin heute so richtig total glücklich!“

Aber zugegeben: in dem Wort schwingt noch etwas anderes mit: "Bereits im Alten Testament benutzt es die Septuaginta als moralische Qualität." schreibt Robertson. "Hinter dieser Aussage" so schreibt er weiter "liegt das klare Verständnis der Sünde als dem Ursprung allen Leides, und von Heiligkeit als letztendliche und effektive Heilung für jedes Übel.“ Was in dem Wort also schon ein bisschen mitschwingt, ist die wichtige Erkenntnis, das jedes wahres Glücklichsein etwas mit der Abwesenheit von Sünde zu tun hat. Aber ansonsten heißt dieses Wort nichts weiter, als ganz einfach das: „glücklich“.

Aber was soll das in diesem Zusammenhang bedeuten? Wir sind ja schon ein bisschen gewohnt den Illustrierten und der Werbung zu glauben - oder? Also, dass die wahrhaft Glücklichen dieser Welt diejenigen sind, die schon alles haben, die in Saus und Braus leben und ein leichtes und blühendes und erfolgreiches Leben führen?

Doch wie schaut es dagegen bei uns aus in unserem Glauben? 


Geistlicher Hunger

Geht es Dir im Glaubensleben nicht auch immer wieder mal so? : "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?" (Psalm 42,2-4). 

Wie dieser Psalm sehr plastisch beschreibt, sind Hunger und Durst ein körperliches und auch seelisches Empfinden und eine Art von Schmerz. Sie sind Warnsignale und sie sind sehr stark. Sie treiben uns dazu, etwas zu essen oder zu trinken zu suchen, koste es, was es wolle. Und das ist alles andere - aber nicht angehem! Da geht kein Weg dran vorbei. Schlatter nennt Hunger und Drust sogar: "das stärkste, quälendste Verlangen, das unser natürliches Leben kennt.“

Ebenso hat Gott uns - zusammen mit dem neuen, ewigen Leben und dem Heiligen Geist - einen Hunger und einen Durst nach Gerechtigkeit in unsere Seele gepflanzt - einen Hunger und einen Durst, an dem kein Weg vorbei geht. Aber wie kann Jesus dann sagen "Selig sind, die da hungert und dürstet ...?" Wie kann Jesus behaupten, dass diejenigen, die solche Gefühle haben, glückliche Menschen sind? Wir werden sehen. 

Schauen wir uns erst mal an, was das für eine Art von Hunger und Durst ist: Der Hunger und der Durst, um den es hier geht, nennt Jesus Hunger und Durst nach Gerechtigkeit. Robertson übersetzt das als einen "Hunger und Durst nach Gutsein, nach Heiligkeit". ||: Der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, über den Jesus hier spricht hat, glaube ich mindestens 3 Seiten: zwei davon sind nach außen gerichtet, die 3. nach innen. :|| 

1. Außen – Die Welt: Lasst uns zuerst einmal nach außen schauen. Wo fehlt es da an Gerechtigkeit? Wo spüren wir in uns ein starkes Verlangen nach wahrer Gerechtigkeit in der Welt? Bei mir sind das folgende Themen: •  Christenverfolgung / •  Abtreibung  / •  Zunehmende Gewalt, Okkultismus und Pornografie in den Medien / •  Abnehmende Fähigkeit zur nüchternen, faktenbezogenen Urteilsbildung / •  Zunehmende Trends der Polemisierung und Radikalisierung der Gesellschaft / •  Zunehmende, sprachliche Verrohung und Gleichgültigkeit in der Gesellschaft / •  und so weiter und so fort ...

Asaf hat das damals im AT so erlebt: "ich ereiferte mich [...] da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging. Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib. Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt. Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel. Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst, sie tun, was ihnen einfällt. Sie höhnen und reden böse, sie reden und lästern hoch her. Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. Darum läuft ihnen der Pöbel zu und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen." (Psalm 73,1-10) 

Trotz allem Hunger und Durst nach Gerechtigkeit in der Welt mahnt Gott uns aber zur Geduld: "Sei stille dem HERRN und warte auf ihn. Entrüste dich nicht über den, dem es gut geht, der seinen Mutwillen treibt. Steh ab vom Zorn und lass den Grimm, entrüste dich nicht, dass du nicht Unrecht tust. Denn die Bösen werden ausgerottet; die aber des HERRN harren, werden das Land erben." (Psalm 37,7-9)

Das bringt mich zum 2. Punkt:

2. Außen – mein Beitrag: Und wenn wir schon bei äußerer Gerechtigkeit sind, dann geht es ja nicht nur immer um die anderen, sondern ja auch um uns selbst. Um mich und auch um Dich. Es geht um unsere eigene "äußere Gerechtigkeit": Denn: dieser Ungerechtigkeit in der Welt sollte ich ja etwas entgegen setzen. Und zwar, weil es im Evangelium ja ganz klar heißt: "So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Mt 5,16) 

Doch was stelle ich fest? Ich stelle fest, dass es mir geht, wie Paulus: "Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist. So tue ich das nicht mehr selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. [...] Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?" (Römer 7:15-19;24). 

Statt meinen Beitrag zu leisten zum Bau von Gottes Reich muss ich oft feststellen, dass ich das Gute unterlasse und dagegen vielmehr das Schlechte tue. Ich weiß nicht, was es bei Dir ist?: •  Feigheit in der Verkündigung des Evangeliums? / •  Faulheit und Bequemlichkeit in der Diakonischen Nächstenliebe? / •  Lauheit in der Bekämpfung von offenbarem Unrecht? / •  Mangelnde Nachsicht und Vergebungsbereitschaft? / •  Richtgeist, Hochmut und Arroganz? / •  Genervt-Sein und Unbeherrschtheit? / • ein Mangel an Unterordnung und Demut? / •  ja, vielleicht sogar eigenen Beiträge zum Unrecht in der Welt? / •  etc. pp. ...

All das aber wiederum bringt mich auf eine dritte Form von Gerechtigkeit – diesmal auf der Innenseite – ...

3. Innen – mein Zustand: ... nämlich dem starken Verlangen, ja regelrecht der Sehnsucht nach eigener Heiligung. Schlatter schreibt dazu: "Mit der Kraft des Hungers oder Durstes sollen wir uns nach der Gerechtigkeit strecken. Das tun die Reuigen, denen es unerträglich ist, daß Gott ihr Verhalten verwirft und als Unrecht haßt. Das tun auch die, die Gott lieben und danach begehren, daß sein Wille von ihnen getan und sein Dienst durch sie ausgerichtet werde.“ Und Paulus formuliert das so: "auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes." (Römer 8,23) 

Je länger ich mit Jesus gehe, desto mehr erkenne ich von der eigentlichen Ursache meiner äußerlich so mangelhaften Gerechtigkeit: es ist meine mangelnde innere Heiligung: die Tatsache, dass da immer noch ein „alter Mensch“ in mir ist, der dauernd gegen den Heiligen Geist Gottes in mir kämpft. Ich weiß nicht, was die Effekte bei Dir sind - ist es: •  Unglaube gegenüber Gottes Wort im Angesicht der Übel in der Welt? / •  Zweifel an Gottes Güte? / •  Lauheit und Mangel an Liebe zu Gott? / •  Ungeduld und eine fordernde Haltung? / •  Lieblosigkeit, Unwirschheit und Zorn? / •  Mangelnde Demut und Rebellion? / •  Unfähigkeit und Unwilligkeit zum Gebet? / •  Mangel an Geduld und Nächstenliebe? / •  Sündige Lust & tägliche Sünden allgemein?

Was es auch ist: wir leiden also, während wir noch hier auf der Erde sind, unter unserer Unzulänglichkeit und unter unserer so lückenhaften Heiligung. 


Unsere Hoffnung

Und über all diesem Leiden übersehen wir manchmal eben genau das, was Jesus gemeint hat mit "Selig sind...": nämlich den Grund unseres Leidens. 

Der Witz ist: Gott hat uns längst gerecht gesprochen. ER hat uns längst Seinen Heiligen Geist gegeben. ||: Wäre das nicht so, wir würden diesen Hunger gar nicht haben! :|| 

Gott hat uns nämlich nicht nur geboten: "So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Mt 5,16). Sondern ER hat uns auch versprochen: „Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.“ (Hes 36,27). ER wird uns verwandeln in das Bild Christi, wie es heißt: "[...] wir werden verwandelt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist." (2 Kor 3,18) Darum heißt es "Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen." (Phil 2,13)

Manchmal passiert es uns ja schon, dass wir Gottes gute Werke wirken - manchmal vielleicht sogar ohne, dass wir es überhaupt merken. Ich muss dabei immer an die Stelle im Evangelium denken, wo es heißt: "Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?" (Mt 25:37+38)  Und das mit unserer fortschreitenden Heiligung wird immer besser werden. Dazu heißt es in den Sprüchen: "Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag." (Sprüche 4,19). 

Ja, Jesus sagt sogar: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten." (Joh 6,35) Wir haben das große Versprechen von Jesus, dass einmal der Tag kommen wird - wirklich kommen wird - wo wir verherrlicht sein werden und wo unser Hunger und unser Durst ein Ende haben. Paulus schreibt: "denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes." (Rö 8:21) Es wird der Tag kommen, wo unser Hunger und unser Durst vollkommen gestillt werden: In den Psalmen heißt es dazu: "Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden; / und die nach dem HERRN fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben." (Psalm 22,27) Es wird der Tag kommen, wo wir mit einem himmlischen, herrlichen, sündlosen Leib überkleidet werden. Im Korintherbrief steht darüber: "Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft." (1 Kor 15,42+43).

Und in der Offenbarung lesen wir zuletzt: "Und eine Stimme ging aus von dem Thron: Lobt unsern Gott, alle seine Knechte und die ihn fürchten, Klein und Groß! Und ich hörte etwas wie eine Stimme einer großen Schar und wie eine Stimme großer Wasser und wie eine Stimme starker Donner, die sprachen: Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat seine Herrschaft angetreten! Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet. Und es wurde ihr gegeben, sich zu kleiden in Seide, glänzend und rein. – Die Seide aber ist das gerechte Tun der Heiligen. Und er sprach zu mir: Schreibe: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind. Und er sprach zu mir: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes. " (Offenbarung 19,5-9)

Ihr Lieben! Genau so sicher, wie wir heute unter der Ungerechtigkeit der Welt leiden – genau so sicher, wie wir unter unserer eigenen mangelnden äußeren Gerechtigkeit leiden – genau so sicher, wie wir unter unserer eigenen so mangelhaften inneren Heiligung leiden – genau so sicher wird es mit den Jahren in Jesu Nachfolge besser mit uns werden – und genau so sicher wird der Tag kommen, an dem wir mit Freudenschreien Gott die Ehre geben werden – weil ER uns völlig erlöst hat – von dieser Welt und von unserer alten Natur. DARUM sagt Jesus: „Selig sind die da hungern und dürsten“ – „denn sie sollen satt werden!“ Wir WERDEN satt werden, ihr Lieben. PAPPSATT! Darum glaube ich, dass die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die wir so oft verspüren eine ganz WUNDERBARE SEHNSUCHT ist. Und dass wir „selig“ sein können: GLÜCKLICH, dass wir sie spüren dürfen!

Praktische Anwendung

Und weil das so ist: weil wir allen Grund haben uns zu freuen, darum möchte ich Dich um etwas bitten: Bevor Du das nächste Mal Gott (zu Recht!) klagst, wo es noch überall an Dir mangelt (übrigens: ER weiß das ja sowieso schon - und liebt Dich trotzdem!), geh' doch mal in Dich und überlege, wie wunderbar es ist, dass ER dir diesen Hunger nach Gerechtigkeit überhaupt gegeben hat! Wie wunderbar das ist – weil Du eben genau deswegen weißt: ER hat Dir ewiges Leben gegeben! Eine ewige Hoffnung!

Bei mir führt dieser Wechsel der Blickrichtung zur Freude und zur Dankbarkeit, für das was ich schon habe – für das, was ich in Gottes Augen längst bin: SEIN KIND! LÄNGST GERECHT GESPROCHEN in Seinen Augen. Mit einer HOFFNUNG OHNE GLEICHEN! Weil Jesus meine Strafe schon getragen hat. Weil ER mit Seinem Blut am Kreuz das Lösegeld für meine Schuld bezahlt hat! 

In diesem Bewusstsein kann ich dann (ohne unter dieser Last zu zerbrechen) Gott ganz konkret um Hilfe bitten für all die Mängel, die ich noch in mir sehe. Und in diesem Bewusstsein – Gottes GELIEBTES KIND zu sein – kann ich dann auch fragen: Wo in der Welt - genauer: in meinem persönlichen Umfeld - gibt es eine Not in die Du, mein Gott, mich rufen willst, um an Deiner Seite Linderung zu schaffen? In Deiner Kraft? Mit Deiner Hilfe?

Ihr Lieben! Lasst mich das bisher Gesagte in 3 einfache Ermunterungen für Eure Herz gießen:

Ermutigungen für Dein Herz

  1. Freu' Dich: Du bist zwar noch nicht "fertig" - aber Du wirst es werden. Ganz bestimmt!

  2. Bete: Bitte Gott, Dich zu verändern in Sein Bild: Heilig, gerecht und gut!

  3. Hilf mit: Wen legt Dir Gott grad jetzt aufs Herz; der eben jetzt Deine Unterstützung so dringend brauchen könnte?

„Selig sind,
die da hungern und dürsten
nach der Gerechtigkeit;
denn sie werden satt werden.“

(Matthäus 5,6)