Sonntag, 17. Februar 2013

Von Reinheit und Unreinheit (Mt 15:1-20)

Text

1 Da kamen zu Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte aus Jerusalem und sprachen: 2 Warum übertreten deine Jünger die Satzungen der Ältesten? Denn sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen. 3 Er antwortete und sprach zu ihnen: Warum übertretet denn ihr Gottes Gebot um eurer Satzungen willen? 4 Denn Gott hat geboten (2. Mose 20,12; 21,17): »Du sollst Vater und Mutter ehren; wer aber Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben. « 5 Aber ihr lehrt: Wer zu Vater oder Mutter sagt: Eine Opfergabe soll sein, was dir von mir zusteht, 6 der braucht seinen Vater nicht zu ehren. Damit habt ihr Gottes Gebot aufgehoben um eurer Satzungen willen. 7 Ihr Heuchler, wie fein hat Jesaja von euch geweissagt und gesprochen (Jesaja 29,13): 8 »Dies Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir; 9 vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind. « 10 Und er rief das Volk zu sich und sprach zu ihnen: Hört zu und begreift's: 11 Was zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein; sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein. 12 Da traten seine Jünger zu ihm und fragten: Weißt du auch, daß die Pharisäer an dem Wort Anstoß nahmen, als sie es hörten? 13 Aber er antwortete und sprach: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, die werden ausgerissen. 14 Laßt sie, sie sind blinde Blindenführer! Wenn aber ein Blinder den andern führt, so fallen sie beide in die Grube. 15 Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Deute uns dies Gleichnis! 16 Und Jesus sprach zu ihnen: Seid denn auch ihr noch immer unverständig? 17 Merkt ihr nicht, daß alles, was zum Mund hineingeht, das geht in den Bauch und wird danach in die Grube ausgeleert? 18 Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein. 19 Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung. 20 Das sind die Dinge, die den Menschen unrein machen. Aber mit ungewaschenen Händen essen macht den Menschen nicht unrein.

Kommentar

Zusammenfassung
Dieser Abschnitt lehrt uns die Unerschrockenheit Jesu, mit der er die von Gier und Lieblosigkeit zerfressenen Pharisäer in ihrer Irrlehre korrigiert und seinem Volk samt seinen Jüngern Erkenntnis der Wahrheit vermittelt: dass allein das menschliche Herz, als Sitz von Motivation und Wille, die Quelle wahrer Reinheit oder Unreinheit ist, die sich im gesprochenen Wort offenbart. Und dass wir uns vor Gott weder durch Speisen und Getränke, noch durch irgendwelche rituellen Handlungen verunreinigen können.


Struktur
1-9 Jesus hinterfragt die tote Religiosität der kleinkarierten Gefolgschaft liebloser, geldgieriger Pharisäer, die extra aus Jerusalem kamen, um Jesu Jüngern das Händewaschen beizubringen.

10-14
Jesus korrigiert die Irrlehre der Pharisäer und deutet, furchtlos vor deren Zorn, auf deren Gericht: sie werden zugrunde gehen - nicht durch ein Urteil von außen, sondern aufgrund ihrer selbstgewählten, gierigen Egomanie

15-20
Jesus erläutert noch einmal, dass allein die durch seine Worte sich offenbarende Herzenshaltung einen Menschen zu verunreinigen vermag, nicht jedoch der Konsum von Lebensmitteln oder die Nichteinhaltung rein religiöser Verordnungen.


Inhalt
1-9 Schon die ersten drei Verse dieses Abschnitts offenbaren den brennenden Eifer, die Arroganz und die Blindheit der Pharisäer und Schriftgelehrten. Sie, die führenden Köpfe der damaligen Staatsreligion, machten sich vom fast 160 km entfernten Jerusalem auf den Weg, um den Sohn Gottes(!), der sich noch in Genezareth aufhielt, wegen einer unwesentlichen Übertretung der Regularien ihres Hohen Rates zu rügen. Eine Übertretung zudem, die er nicht einmal selbst begangen und damit persönlich zu vertreten hatte, sondern seine Jünger. Doch der Rat der Ältesten, der jüdische Senat, heute wohl am ehesten vergleichbar mit einer Mischung aus Bischofskonferenz und Bundesrat, hatte es auf Jesus persönlich abgesehen. Nur, um fragen zu lassen, warum sich die Jünger Christi vor dem Brotgenuss nicht die Hände wüschen, wurde eigens eine Gefolgschaft aus dem Tagereisen entfernten Jerusalem entsandt. Was für ein Aufwand für solch eine Lappalie!

Doch Jesus schaut hinter die Fassade der Religiösität und beantwortet ihre Frage nach der rituellen und nur äußerlichen Reinheit mit einer Gegenfrage nach der beziehungsmäßigen und damit inneren Unreinheit ihrer von Geldgier zerfressenen Herzen. Er hält ihnen vor, dass sie, um ihre selbstsüchtigen Regeln einzuhalten, das 4. Gebot des Ewigen achtlos übertreten: Anstatt die eigenen Eltern in der Hilflosigkeit des Alters liebevoll zu versorgen, halten sie die religiösen Massen an, mit ihrem Geld die Opferstöcke ihrer Synagogen zu füllen.

Sie sind religiös, nicht gläubig. Sie lehren menschliche Regeln, nicht Gottes Gebote. Sie ehren Gott mit äußerlichen, kalten Lippenbekenntnissen, nicht mit innerlicher, herzlicher Liebe. Darum ist, wie es der Prophet Jesaja bereits von Ihnen vorhergesagt hat, auch ihr Gottesdienst vergeblich.

10-14
Nachdem er die Pharisäer zurechtgewiesen hat, ruft Jesus die Bürger Genezareths zu sich, um die Irrlehre der Pharisäer zurechtzurücken. Dazu ermahnt er die Menge, ihm nicht nur zuzuhören, sondern mitzudenken, um zu verstehen, was er sie lehren will: dass nämlich wahre Reinheit eine innerliche und keine äußerliche Angelegenheit ist und dass sie nicht von außen zerstört werden kann, etwa durch etwas, das der Mensch isst oder trinkt. Vielmehr ist es so, dass das, was ein Mensch äußert und von sich gibt, anzeigt, wes Geistes Kind er ist: Das gesprochene Wort offenbart die Reinheit oder Unreinheit des menschlichen Herzens; nicht, was er isst oder trinkt.

Aber genau diese Wahrheit ist es, diese Wahrheit, welche die Sinnlosigkeit der rein äußerlichen Satzungen seiner Zeit offenbart, über die die machthabenden Pharisäer sich so aufregen, weil sie ihr System aus religiöser Macht, Psycho-Druck und Geldgier unterminiert. Und so fragen seine Jünger Jesus, ob er sich dieser gefährlichen Tatsache überhaupt bewusst sei. Doch Jesus, anstatt sich vor dieser in Bälde tatsächlich lebensbedrohlichen Reaktion seiner Feinde zu fürchten, blickt in die Zukunft und sieht das wahre Ende dieser Konfrontation: die Pharisäer werden wie Unkraut aus dem Weinberg Gottes gerissen. Und so weist er seine Jünger an, sich nicht weiter um die verärgerten Kontrahenten zu kümmern, sondern sie, zur ungehinderten Entfaltung des Gerichtes Gottes, sich selbst zu überlassen. In ihrer geistlichen Blindheit werden sie so zwar ihren Willen bekommen, das ist, sich als Führer anderer Blinder zu etablieren, doch genau diese Freiheit in der Ausübung ihres ungehorsamen Willens wird es sein, die sie letzlich ins Verderben stürzen wird. Das ist ein hartes und tiefes Wort und verdient unsre doppelte Aufmerksamkeit.

15-20 Zwar hatte Jesus das Volk und mit ihm auch seine Jünger ermahnt, ihm nicht allein zuzuhören, sondern auch aktiv mitzudenken, um zu verstehen, was er sie lehrte, doch Petrus stand irgendwie noch auf dem Schlauch und so wünscht er sich eine genauere Erklärung dessen, was er für ein Gleichnis hält.

Jesus, ein wenig überrascht über die Kurzsichtigkeit seiner Schüler, nimmt sich die Zeit und macht sich mit schier endloser Geduld und ohne Vorwurf auf, ihnen nochmals zu erklären, was er bereits erklärt hatte: dass alles Verspeiste durch den Verdauungstrakt wandert und letztlich im Klärwerk landet. Und dass das, was den Menschen wirklich verunreinigt, aus seinem Herzen kommt und sich in seiner Sprache verrät. Und er erklärt es noch genauer: was den Menschen aus Gottes Sicht verunreinigt, das ist seine Herzenshaltung.

Denn alle unsere Sünden, seien es die des Mörders, des Ehebrechers oder des Wüstlings oder die des Diebes, des Lügners oder des Blasphemikers, sie alle entspringen unserem Innersten: unserer von der Sünde verbogenen Neigung, in rebellischer, egozentrischer Autonomie das Böse zu wollen, anstatt in stillem, liebenden Gehorsam das Gute zu tun, das Gott uns geboten hat. Aus genau diesem Grunde warnt schon König Salomo der Weise seinen Sohn "Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben!" (Spr 4,23).

Und, als ob er ganz sicher gehen wollte, richtig verstanden worden zu sein, sagt Jesus es noch einmal ganz ausdrücklich: "mit ungewaschenen Händen essen macht den Menschen nicht unrein" oder mit anderen Worten: Die Äußerlichkeit ritueller Handlungen - und dazu zählen auch für uns heute Gottesdienstbesuche oder Spenden - haben keinen Einfluss auf die Reinheit unseres Herzens.


Praktische Anwendung

1. Bewahre Dein Herz rein und achte auf verräterische Worte Deines Mundes
2. Prüfe Deine Motive, Ziele und Entscheidungen jederzeit an Gottes Wort
3. Freue Dich an Gottes Gaben: lebe befreit von rein menschlichen Zwängen


[Predigt als MP3]