Sonntag, 6. November 2022

Ohne Gebet ist alles Nichts - 2. Wie funktioniert Gebet? (Matthäus 6,5-13)

[Predigt als MP3]

Guten Morgen, ihr Lieben. Ich weiß nicht, ob ihr euch noch erinnern könnt. Das ist ja jetzt der zweite Teil einer Serie, die hoffentlich noch ein paar mehr Teile hat.

Was bisher geschah

Und im ersten Teil, da ging es um das Geheimnis vom geistlichen Sieg. Das war die Geschichte von Paulus und Silas im Kerker. Und damals war die Frage Warum ist Gebet so wichtig? Da hatten wir gesehen. Gebet ist deswegen so wichtig, weil es unseren Blick weg lenkt von den Problemen hin auf Gott. Weil Gott eben Situationen komplett verändern kann. Einmal: Paulus und Silas sind aus dem Kerker freigekommen. Ich weiß nicht, ob ihr euch an die Geschichte noch erinnern könnt, wo ich im Urlaub in Frankreich war, mit einem Motorrad, keine Bremse lieferbar war und ich dann trotzdem noch eine bekommen habe. Gebet ist also der Schlüssel zum geistlichen Sieg in unserem Leben. Und ich denke, Gebet ist auch der Schlüssel dazu, dass unsere Gemeindevision Wirklichkeit wird. "Gott begegnen, bewegt werden, Leben teilen."

Und damals hatten wir auch die erste Staffel von den Gebetskarten ausgegeben; die stehen hier vorne. Wenn ihr noch keine habt, dürft ihr euch gerne eine nehmen oder wenn euch eure bisherige gerade langweilig geworden ist, könnt ihr euch auch gerne eine neue holen. So. So viel einmal zu dem, was bisher geschah.

Was ist heute dran? In der heutigen Predigt wird es um die Frage gehen "Wie funktioniert Gebet?" Also nicht warum, sondern wie eigentlich? Und als Text habe ich uns Matthäus 6, Verse 5 bis 13 mitgebracht, der in der Lutherübersetzung überschrieben ist mit "Vom Beten".

Und ich denke, die Quintessenz, das nehme ich jetzt schon mal vorweg, die wird sein, Gott zentriert und begegnungsorientiert zu beten. Untertitel: Gebet ist keine Zauberei. Es ist auch kein leistungsorientierter Kuhhandel. Es ist kein bittstellerisches Betteln, sondern im Gebet geht es vorrangig um die Begegnung mit Gott, und zwar mit Gott, unserm Vater. Der sich um uns kümmert, weil wir seine Kinder sind. Und ich denke und hoffe, diese Erkenntnis wird uns herausführen aus irgendwelchen unnötigen Ängsten hinein ins Danken. Gebet ist, Gott zu begegnen als dem Allwissenden. Dem, der längst weiß, was wir brauchen. Und ich hoffe, das führt uns heraus aus Erklärungen hinein in die Gemeinschaft. Und last but not least Begegnung mit Gott als dem Allmächtigen, dessen Möglichkeiten da anfangen, wo unsere längst enden. Und auch das führt heraus aus der Enge, der Begrenzung unserer eigenen Sicht hinein in Gottes Weite. Kurz und gut: Es geht um das Gebet als Begegnung mit Gott, der nicht unsere Leistung sucht, sondern sich Gemeinschaft mit uns wünscht. Gebet, das uns herausführt aus dem Krampf der Werke hinein in die Freiheit der Gnade. 

So! Beim Text habe ich ein bisschen geschummelt, das muss ich zugeben, weil die Verse 5 bis 8, die habe ich mir aus der guten Nachricht geborgt. Und das Vaterunser habe ich mir dann aber in der gegenwärtigen ökumenischen Fassung geborgt von der Arbeitsgemeinschaft für Liturgische Texte, die das 1968 so zusammengestellt hat; weil das höchstwahrscheinlich die die Version ist, die ihr kennt. Die ist in der Guten Nachricht ein bisschen anders wiedergegeben. Also es ist zusammengezimmert. 


Unser heutiger Text

Ich möchte nun den Text mit uns lesen. Jesus sagt das übrigens auf die Frage hin "Herr, lehre uns beten!". Also auf die Frage hin "Wie funktioniert Gebet?" Und das ist Jesu Antwort auf die Frage "Wie können wir beten?" 

Und er sagt „Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen. Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken, damit sie von allen gesehen werden. Ich versichere euch, sie haben ihren Lohn bereits bekommen. Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebets Worte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen. Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was Ihr braucht, bevor Ihr ihn bittet. So sollt ihr beten. Vaterunser im Himmel, Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld. Wie auch? Wir vergeben unseren Schuldigen. Und führe uns nicht in Versuchung. Sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“.

 

Gott ist schon motiviert!

Ich fange mal mit den ersten beiden Versen an, da steht im Vers 5 „Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen. Sie beten gern öffentlich, damit sie von allen gesehen werden.“ 

Wir sollen beim Beten also nicht versuchen, Menschen zu beeindrucken. Weil wir dann nämlich im Herzen mehr bei den Menschen sind als bei Gott. Und ich weiß nicht, ob ihr das schon mal erlebt hat. Der eine oder andere von uns wird ja auch schon wohl in Gesellschaft gebetet haben. Ich habe das Gott sei Dank schon lange nicht mehr erlebt. Aber ich habe es schon erlebt, dass es Leute gibt, die - weiß ich nicht - einen Monolog halten, die mit ausgewählten und gut geschmückten Worten wirklich beeindrucken wollen, aber bei denen man den Eindruck hat, mit ihrem Herzen sind sie eigentlich gar nicht bei der Sache. Ich habe mich angesichts dieses Verses gefragt "Was würdest du von einem Ehemann halten, der seiner Frau nur in der Öffentlichkeit, das heißt vor allen Leuten, Komplimente macht und sie zu Hause einfach links liegen lässt?" Oder "Was würdest du von einer Ehefrau halten, die ihrem Mann, wenn alle zugucken, Achtung erweist und ihm zu Hause auf der Nase herumtanzt?" Das ist das, was Jesus mit scheinheilig meint. Und ich glaube, Gott empfindet uns gegenüber genauso. Ich glaube, dass Gott sehr gut merkt, wo wir mit unserem Herzen sind, wenn wir beten. Ob wir versuchen, die Menschen um uns herum zu beeindrucken mit unseren tollen Gebeten oder ob wir wirklich mit dem Herzen bei ihm sind. Ich denke, Gott will nicht, dass wir öffentlich eine Show abziehen. Er will, dass wir ihn lieben. Er will, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben. 

Und das geht am besten in der Stille. Im vertrauten Raum unserer vier Wände. Und genau darum sagt Jesus, Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer. Schließ die Tür zu. Und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Gott sehnt sich danach, mit uns allein zu sein. So wie gute Freunde bei einem wirklich persönlichen, tiefen Gespräch. Und ich glaube, dass Jesus das sagt, weil Gott in der Stille zu finden ist und nicht im Lärm. Und darum will Gott, dass wir uns zum Beten zurückziehen, eben in dieses Verborgene, in die Abgeschiedenheit unseres stillen Kämmerleins. Denn Gebet heißt mit Gott Gemeinschaft haben. Nicht nur mit ihm reden, sondern mit dem ganzen Herzen bei ihm sein. Darauf kommt es an. 


Und dann steht da: „Dein Vater, der auch in das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.“ 

Gott will also unsere Gebete belohnen. Und das finde ich sooo wichtig. Ich finde es deswegen so wichtig, weil ich kenne das von mir: Ich weiß nicht, ob es euch auch schon mal so gegangen ist. Ich habe ganz oft gemeint, ich müsste Gott motivieren, meine Gebete anzuhören. Ja, und ich habe ganz oft den Eindruck gehabt, dass ich gar nicht feste genug gebettelt habe, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ganz oft das Gefühl gehabt, ich müsste mir das, was ich mir wünsche durch harte Gebetsarbeit verdienen. Aber so ist Gott gar nicht. Gott ist gut. Gott ist längst motiviert, bevor ich noch den Mund aufmache. Und da steht es: Gott will uns belohnen. Und darum, weil er so ist, lädt er uns ein. 

Das habe ich mir jetzt aus Matthäus 7, Vers 7+11 gemopst. Er lädt uns ein, „Bittet und ihr werdet bekommen. Sucht und ihr werdet finden. Klopft an! Es wird euch geöffnet.“ Und für die, die das immer noch nicht fassen können, sagt er dann „So schlecht ihr auch seid, wisst ihr doch, was euren Kindern guttut und gebt es ihm. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten?“ 

Das heißt, dass Gott unsere Gebete nicht nur hören, sondern erhören will, wenn sie in seinem Sinne gebetet sind. Das ist so klar verbunden mit seinem Wesen und damit, dass er wirklich gut ist. Das eigentlich... - man müsste diesen Vers 11 eigentlich mit Kopfschütteln lesen: „Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten?“ Das ist doch klar. Gott ist gut! Wenn wir schon, die wir schlecht sind, unseren Kindern Gutes geben können, wie viel mehr wird Gott denen Gutes geben, die ihn darum bitten? Das heißt, wenn wir zu Gott im Gebet kommen, dann müssen wir ihn gar nicht erst davon überzeugen, unsere Gebete erhören zu wollen. Wir müssen ihn nicht erst motivieren, bevor er willig wird, uns etwas zu geben. Gott ist Liebe. Das ist übrigens einer der kürzesten Verse in der Bibel. 1. Johannes 4,16. „Gott ist Liebe.“ Und er will uns immer schon beschenken. Und zwar zuallererst mit sich selbst. Doch um ihm wirklich zu begegnen, braucht es Stille. Und wenn wir ihm in der Stille begegnen, wird er uns belohnen.

 

Gott weiß längst alles!

Gott ist also schon motiviert. Das ist doch schon mal was. Trotzdem kann es doch bestimmt nicht schaden, wenn wir ihm erst noch mal erklären, was passiert ist, oder? Wie wir uns fühlen. Und am besten auch noch kluge Ratschläge geben, wie er genau jetzt unser Problem lösen könnte. Ich denke, dass Gott weiß, dass wir so ticken. Und weil er das weiß, steht in den nächsten beiden Versen folgendes: 


„Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebets Worte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen.“ 

Und für mich bedeutet es Wir müssen Gott nicht beeindrucken mit irgendwelchen toll auswendig gelernten Gebetsformeln oder mit kunstvoll formulierten Gebeten. Wir müssen bei Gott nichts leisten und auch keinen Eindruck schinden. Und schon gar nicht sollten wir unsere Gebete herunterleiern, wenn es doch darum geht, mit unserem Herzen bei ihm zu sein. Gott ist so viel wichtiger, dass wir ihm im Gebet begegnen. Aber noch wichtiger finde ich, was dann als nächstes kommt. 


Dort heißt es „Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was Ihr braucht, bevor Ihr ihn bittet.“ 

Ich finde das so unaussprechlich tröstlich. „Euer Vater weiß, was Ihr braucht, bevor Ihr ihn bittet.“ Ich muss ihm gar nichts erklären. Gar nichts. Er weiß längst alles. Er weiß, was passiert ist. Er weiß, wie's mir geht. Er weiß, was das Problem ist. Und er weiß ganz sicher auch, wie man es löst. 

Wenn ich also zu Gott komme im Gebet, dann begegne ich keinem Fremden. Jemandem, dem ich erst alles erklären muss. Ich begegne ihm, meinem Vater, als dem allmächtigen und allwissenden Gott, der mich liebt. Im Gebet begegne ich Christus, der mich durch und durch kennt. Er hat mich gemacht! Ich begegne Ihm, der mich so sehr liebt, dass er für mich am Kreuz gestorben ist. Wenn ich bete, dann begegne ich dem, von dem es im Psalm 139 heißt. „Herr, Du durchschaust mich. Du kennst mich bis auf den Grund. Ob ich sitze oder stehe. Du weißt es. Du kennst meine Pläne von ferne. Ob ich tätig bin oder ausruhe. Du siehst mich. Jeder Schritt, den ich mache, ist dir bekannt. Und noch ehe ein Wort auf meine Zunge kommt, hast du, Herr, es längst gehört. Von allen Seiten umgibst du mich. Ich bin ganz in deiner Hand. Dass du mich so durch und durch kennst. Das übersteigt meinen Verstand. Es ist mir zu hoch. Ich kann es nicht fassen.“ Ihr Lieben, Wenn ich also zu Gott komme? Dann komme ich zu einem Vertrauten. Wie zu einem besten Freund; dem ich nicht erst erklären muss, was passiert ist; dem ich schon gar nicht erklären muss, wie er das Problem löst. Weil er längst alles weiß. Ich muss ihm nicht mal erklären, wie ich mich fühle, weil er auch das weiß. Und er hört mir gerne zu. Er freut sich, wenn ich ihm mein Herz ausschütte. Und er freut sich noch mehr, glaube ich, wenn ich anfange zu begreifen, dass er längst alles weiß: weiß, was kaputt ist; weiß, wie man's repariert; weiß, was ich brauche. Und zwar genauer als ich selbst. 


Gott kann absolut alles!

Ich möchte zum Dritten und letzten Punkt kommen, den ich überschrieben habe mit "Gott kann absolut alles". Ihr werdet gemerkt haben, dass ich die Bitten aus dem Vaterunser weggelassen habe, also die Verse 9 bis 13. Die können wir uns gern ein andermal anschauen, vielleicht sogar im Zusammenhang mit der Fortsetzung dieser Predigtreihe, weil in der ersten ist es ums "Warum?" Gegangen. Heute geht es ums "Wie?". Und in den folgenden soll es ums "Was?" gehen, und zwar um den Inhalt der einzelnen Gebetskärtchen. 

Heute möchte ich mit euch vielmehr nur den letzten Aspekt aus dem Vaterunser anschauen. Und noch mal: Das Vaterunser ist ja Jesu Antwort auf die Frage "Herr, erkläre uns, wie wir beten können!" Also genau unser Predigtthema "Wie funktioniert Gebet?" Wir hatten schon gesehen, dass wir Gott nicht motivieren müssen. Wir hatten auch gesehen, dass wir Gott nichts erklären müssen. Und jetzt kommt noch so ein toller Punkt und der ist versteckt. Vielleicht nicht ganz, aber ein bisschen versteckt. 


Im Vers 13. Dort heißt es „Denn dein ist das Reich und die Kraft. Und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ 

Was in diesem Vers versteckt ist, ist Gottes Allmacht. Zumindest ein Hinweis darauf. Es heißt dein ist die Kraft. Aber was ist das für eine Kraft? In Jeremia 32,17 heißt es. „Ach, Herr, du mächtiger Gott! Durch deine gewaltige Kraft und Macht hast du Himmel und Erde geschaffen. Nichts ist dir unmöglich.“ 

Gott ist also so allmächtig, dass er ein ganzes Universum erschaffen konnte. Ich habe mir dazu notiert: "Das ist schon ein großer Brocken." Ich weiß nicht: Ich schaue gern Wissenschaftssendungen an und ich habe das wahrscheinlich auch schon mal gesagt. Falls ja, dann nehmt es mir bitte nicht krumm, aber das hat mich so von den Socken gehauen. Da hat sich jemand mal die Mühe gemacht, all die astronomischen Daten und Bilder zusammenzutragen, die es bis heute gibt über das bekannte Universum. Mit übrigens einer Ausdehnung von über 90 Milliarden Lichtjahren, obwohl es erst 13,8 Milliarden Jahre alt ist. 

Und er hat dieses Video gedreht – in sogenannten Zehnerpotenzen. Das ganze Ding fängt an mit einem Pärchen, das im Hyde Park liegt und Händchen hält. Und die Auflösung ist 1 Meter. Man sieht die Leute also noch gar nicht ganz. Man sieht die – sozusagen nur den Rumpf – wie sie Händchen halten und dann geht oben der Zähler los: 100 Meter. Das ist 1 Meter. Und dann geht der Zähler hoch. Um eins: 101 Meter. Das sind 10 Meter. Schwupps! Die beiden sind auf einmal nur noch ‚so‘ groß: alles ist zehnmal so klein! Man sieht jetzt zehnmal mehr. Und der Zähler läuft weiter. Und im Null Komma nichts verschwindet der Hyde Park. Man sieht auf einmal Nordamerika und dann verschwindet die Erde und dann dauert es ein bisschen. Dann fliegt der Mond vorbei und der Zähler geht ganz langsam weiter. 

104, 105, 106. Das Sonnensystem verschwindet. Alle möglichen Nachbarn schwimmen vorbei und irgendwann sieht man unsere Milchstraße und dann friert es einen schon und es wird noch kleiner und irgendwann fliegt unsere Milchstraße vorbei. Die Nachbargalaxien, die Magellanschen Wolken, die Andromeda Galaxie und dann friert es dich noch mehr. Dann denkst Du: "Das jetzt reicht! Das ist das Universum, oder?" Und dann wird es noch kleiner, noch kleiner und dann fängt es an: Dann fliegen Galaxien über Galaxien vorbei. Immer mehr, dass du denkst, dir haut's den Vogel raus und es wird immer kleiner. Dann denkst du: "Aber das ist es jetzt?" Nee, das ist nur eine Region des Himmels. Und dann wird es noch kleiner, bis es wie ein Punkt wird. Und dann fliegen solche Regionen ins Bild rein. Ich könnte noch weitererzählen. Das geht noch zwei Stufen weiter, bis du irgendwann dastehst und sagst "Das gibt's ja gar nicht!" 

So! Und das hat Gott geschaffen. Wie gesagt: "Ein großer Brocken." Und manchmal geht es uns so, dass wir sagen: Ja, aber diese Allmacht, das ist mir zu allmächtig, da habe ich kein Kleingeld, das kann ich nicht rausgeben, das kann ich auch nicht mehr begreifen. Und deswegen habe ich uns noch ein schönes, alltagstaugliches Beispiel mitgebracht für seine Allmacht. Und das ist Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer. Von der heißt es im Lukasevangelium: 

„Auch Elisabeth...“ - also das ist zur Maria gesprochen, der Mutter Jesu - „Auch Elisabeth, deine Verwandte, bekommt einen Sohn, trotz ihres Alters. Sie ist bereits im sechsten Monat und es hieß doch von ihr, sie könne keine Kinder bekommen.“ 

Gott ist nichts unmöglich. Und das ist ins Alltagsleben hineingesprochen. Und ich denke, gerade im Alltag geht es uns auch immer wieder so, dass wir vor Situationen stehen, wo wir sagen "Das geht nicht, das kann man jetzt nicht mehr lösen." Ich höre Gott sagen "So, so! Das kann man also nicht lösen." Wir können es nicht lösen. Das mag wahr sein, aber das heißt noch lange nicht, dass Gott es nicht kann. Denn er ist Gott. Der Gott, der wirklich alles kann. 

Jesus Christus, unser Heiland, ist dieser allmächtige Gott, der Mensch geworden ist. Und das hat er sein Leben lang bewiesen. Als Johannes, damals von Zweifeln geplagt, im Gefängnis saß, ließ Jesus ihm folgendes ausrichten. „Blinde sehen. Gelähmte gehen. Aussätzige werden gesund. Taube hören. Tote stehen auf. Und Armen wird die gute Nachricht verkündigt.“ Und das Gleiche lässt Jesus auch heute dir ausrichten: Nichts ist ihm zu schwer; nichts ist ihm unmöglich. Und das wird für alle Ewigkeit so bleiben. Oder um es mit einem alten Kirchenlied zu sagen „Befiehl du deine Wege und was dein Herz gekränkt, der aller treuesten Pflege des, der die Himmel lenkt. Ihn, ihn lass tun und walten, Er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst. Wird's aber sich befinden, dass du ihm treu verbleibst, so wird er dich entbinden, wenn du's am mindesten gläubst. Er wird dein Herze lösen von der so schweren Last, die du zu keinem Bösen bisher getragen hast.“ 

Dir mag es vielleicht unmöglich erscheinen, dass Gott dein Problem jemals löst. Für Gott ist es das nicht. Darum bitte ich dich heute mit Psalm 37,7: „Werde ruhig vor dem Herrn. Und warte gelassen auf sein Tun.“.

 

Ein Ausblick mit Hoffnung

Ihr Lieben, wenn das wirklich stimmt. Dass Gott längst motiviert ist, dir zu helfen. Und wenn du Gott gar nichts erklären musst, weil er längst alles weiß: Weil er weiß, was du erlebt hast. Weil er weiß, was du denkst. Weil er weiß, was du fühlst. Und wenn es wirklich stimmt, dass ihm kein Ding unmöglich ist, dann bedeutet das, dass du vielleicht auf eine ganz neue Art und Weise beten kannst. Nämlich in dem Bewusstsein, dass es in deinem Gebet vielmehr um die Begegnung mit Gott geht. Der schon seit Grundlegung der Welt nur das Beste für dich im Sinn hat. Und dass du ihm dein Herz ausschütten darfst in dem Wissen, dass er dich wie niemand anderes versteht. Und dass du, ohne zu viel zu wagen, ihn auch um Dinge bitten darfst, die unmöglich scheinen. Weil du sie ihm zutrauen darfst. 

Ich denke, Gott wünscht sich das, dass wir das begreifen. Dass es in unseren Gebeten nicht um unsere Leistung geht. Nicht darum, ihn von irgendetwas zu überzeugen. Sondern darum, mit ihm Gemeinschaft zu haben. Mit ihm, der uns mehr liebt als sein Leben. Mit ihm, der uns versteht wie kein anderer. Mit ihm, der uns seit Grundlegung der Welt beschenken will. Mit ihm, dem kein Ding unmöglich ist. 

Und diese Erfahrung wünsche ich uns allen. 

Amen!

 

 

Samstag, 6. August 2022

Ohne Gebet ist alles Nichts - 1. Das Geheimnis vom geistlichen Sieg (Apostelgeschichte 16,22-34)


[Predigt als Video] | [Predigt als MP3]

Mit ist jede Predigt ein Herzensanliegen. Ich bereite mich auf jede Predigt anständig vor. Aber die heute, die ist mir ein ganz besonderes Herzensanliegen. Weil: ich weiß nicht, wann das angefangen hat, aber ich gehe seit Jahrzehnten in einen Gebetskreis... Und ich weiß nicht, wie ich das rüberbringen kann heute... Ich hoffe, es gelingt! Aber Gebet ist, denke ich, eine der ganz zentralen Tätigkeiten im christlichen Leben. Und es ist mir wirklich ein Herzensanliegen.

Ich denke mal, Gebet ist so wie die Einspritzpumpe in einem Auto, wenn der Heilige Geist das Benzin ist. Ja? Also keiner möchte seine 1,6 Tonnen schieben. Und ohne Benzin geht nichts. Ohne den Heiligen Geist geht nichts. Aber auch der Heilige Geist reagiert auf unser Gebet. Gott reagiert auf unser Gebet und ich denke, dass es ein Geheimnis gibt, was geistlichen Sieg angeht. Und das hat was mit Gebet zu tun. Und ich fand es auch so schön, Ruth, was du gesagt hast: Die Zeit, die dir am besten gefallen hat, war die Zeit von Anbetung und Lobpreis und Gebet. Und es ist wirklich so, dass da ein Geheimnis drin liegt. Und da möchte ich heute ein bisschen was zu sagen, bevor ich in den Text reingehe.


Was bisher geschah

Ganz kurz, wie in jeder guten Fernsehserie, da kriegt man ja immer mit, was bisher geschah. Also bevor unser Text passiert ist, sozusagen, ist der Paulus unterwegs gewesen auf Missionsreise. Die Purpurhändlerin Lydia ist zum Glauben gekommen. Dann hat er noch eine Dienstmagd, von dem bösen Wahrsagegeist befreit. Man hätte sagen können, eigentlich lief alles prächtig. Aber dann auch ähnlich wie bei euch: gerade dann, wenn es prächtig läuft, dann kommen die Anfechtungen. Und da haben jetzt die Chefs dieser Dienstmagd, die haben mit diesem Wahrsagegeist, den der Paulus da ausgetrieben hat, fleißig Geld verdient. Sozusagen: hier die Wahrsagerin mit der Kugel und dem ganzen Cash, den haben die sich da eingesackt. Und als der Wahrsagegeist raus war, gab es halt kein Cash mehr, und da waren die jetzt nicht so amüsiert. Und dann haben die Paulus und Silas vors Gericht geschleppt, haben einen Meineid geschworen und haben behauptet, sie würden das Volk gegen die Obrigkeit aufwiegeln und haben dann dafür gesorgt, dass die beiden ins Gefängnis kommen.


Unser heutiger Text

Und den Text, den lesen wir uns jetzt mal durch, der steht in der Apostelgeschichte, Kapitel 16 und ich habe jetzt mal ab Vers 22 genommen, weil da geht es ja schon los mit dem Unschönen. Da steht jetzt: "Die Stadtoberen ließen Paulus und Silas die Kleider vom Leib reißen und gaben Befehl, sie mit Stöcken zu prügeln. Nachdem man ihnen viele Schläge verabreicht hatte, brachte man sie ins Gefängnis. Dem Gefängniswärter wurde eingeschärft, sie sicher zu verwahren. Er sperrte sie darauf in die hinterste Zelle und schloss ihre Füße in den Block. Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und priesen Gott in Lobgesang. Die anderen Gefangenen hörten zu. Da gab es plötzlich ein gewaltiges Erdbeben. Die Mauern des Gefängnisses schwankten, alle Türen sprangen auf und die Ketten fielen von den Gefangenen ab. Der Gefängniswärter fuhr aus dem Schlaf. Als er die Türen offen stehen sah, zog er sein Schwert und wollte sich töten, denn er dachte, die Gefangenen seien geflohen. Aber Paulus rief so laut er konnte Tu dir nichts an, wir sind alle noch hier. Der Wärter rief nach Licht, stürzte in die Zelle und warf sich zitternd vor Paulus und Silas nieder. Dann führte er sie hinaus und fragte Ihr Herren, Götter oder Boten der Götter, was muss ich tun, um gerettet zu werden? Sie antworteten Jesus ist der Herr. Erkenne ihn als Herrn an und setze dein Vertrauen auf ihn, dann wirst du gerettet und die deinen mit dir. Und sie verkündeten ihm und allen in seinem Haus die Botschaft Gottes. Der Gefängniswärter nahm Paulus und Silas noch in derselben Nachtstunde mit sich und wusch ihre Wunden. Dann ließ er sich mit seiner ganzen Hausgemeinschaft, seiner Familie und seinen Leuten taufen. Anschließend führte er die beiden hinauf ins Haus und lud sie zu Tisch. Er und all die Seinen waren überglücklich, dass sie zum Glauben an Gott gefunden hatten."


"Sind die bescheuert?"

Ja. Erst lief es so gut und dann: öffentlich entkleidet. Hart geschlagen mit Stöcken. Ins innerste Gefängnis gelegt, die Füße im Block. Wie kann man so eine Situation beschreiben? Mir sind dazu die Wörter eingefallen: Hoffnungslos. Trostlos. Friedlos. Und freudlos. Hilflos. Und dann lesen wir, nachdem denen das alles passiert ist, die sitzen im hintersten Knast. Und ich sage mal, damals waren die Gefängnisse jetzt nicht so wirklich gemütlich. Füße im Block. Hart geschlagen. Keiner versorgt die Wunden. Die liegen also sozusagen mit den offenen Wunden mitten im Dreck. Und dann singen die Lobpreis Lieder.

Da könnte man doch jetzt fragen (das ist mir so in der Vorbereitung gekommen): "Sind die bescheuert?" Mitten in der Nacht! Ich habe mir gedacht, also wahrscheinlich waren die noch wegen ihren Schmerzen wach. Ja. Aber ich denke, die waren nicht bescheuert, sondern sie kennen ein Geheimnis, eine geistliche Wahrheit. Und die möchte ich euch jetzt mit ein paar anderen Versen aus der Schrift nahebringen und dann ein bisschen erklären. In Matthäus 7, Vers 7 lesen wir "Bittet, so wird euch gegeben. Denn wer da bittet, der empfängt." Das heißt, eine Wahrheit ist, dass es Verheißungen gibt, auf die wir uns stellen können. Wo Gott uns verspricht: Wenn wir X tun, macht er Y. Wenn wir bitten, werden wir empfangen. Und das zweite steht im Psalm 50 ganz am Ende; Vers 23: "Wer Dank opfert, der preist mich. Und da ist der Weg, dass ich ihm zeige, dass Heil Gottes." Auf Deutsch. Was dort steht, ist auch eine Verheißung. Da steht: Wenn du mir dankst, wenn du mich preist, dann ist das der Anfang von einem Weg, wo ich dir zeige, wo du das Heil finden kannst. Das heißt, ich denke, das große Geheimnis, um das es hier geht, ist Verheißungsorientiert und dankbar, gottzentriert zu beten und zu loben. Weil damit der Fokus eben nicht auf der eigenen Situation bleibt, sondern weggeht. Auf Gott. Auf sein Wesen. Weg von unserer Unfähigkeit an irgendeiner Situation.

Was hätten der Paulus und Silas machen sollen? Die hatten Füße im Block, die kamen da nicht mehr raus. Da war nichts zu holen. Aber was für uns unmöglich ist, das ist für Gott überhaupt kein Problem. Das heißt, sie haben weggeschaut von ihrer Situation hin auf den, der alles kann, hin auf den, von dem es heißt, dass er so gerne hilft. Sie haben hingeschaut auf den, der für uns ans Kreuz gegangen ist. Jesus Christus.

Ich kann das Thema Gebet hier mitnichten in einer Predigt oder in zehn Predigten erschöpfend behandeln. Der Markus hat schon mal von einem Buch gesprochen. Das habe ich schon vor X Jahrzehnten gekauft und gelesen. Das kann ich jedem nur das beste Buch, was ich jemals zum Thema Gebet gelesen habe: Ole Hallesby, "Vom Beten". Ganz kleines Taschenbuch. Kauft euch das Buch! Wenn es euch nicht gefällt, bezahle ich euch das Geld zurück. Aber kauft das Buch.


Da wackelt die Wand!

Ja, und jetzt ist die Frage, was passiert? Die sitzen jetzt da immer noch im Knast. Immer noch die Füße im Block, immer noch offene Wunden mitten im Dreck. Aber sie loben Gott. Sie danken ihm, weil sie das wissen. Er ist allmächtig. Er hilft gern. Wer bittet, der empfängt. Und was passiert dann? Wir lesen von einem großen Erdbeben. Davon, dass die Grundmauern erschüttert werden. Davon, dass alle Türen aufgehen und alle Ketten abfallen. Das heißt, die komplette Situation ist auf einmal verändert. Das heißt was Lob und Dank und Gebet bewirken können. Das ist einfach krass. Und ich denke, dieses Geheimnis, wie unsere Sorgen und Nöte gelöst werden, liegt eben genau da im Gebet, das heißt im Bitten und im Lobpreis.

Das ist eben dieser Geist der Dankbarkeit. Noch eine Stelle aus dem Sacharja 4, Vers 6. Dort steht glasklar drin "Es soll nicht durch Heer oder durch Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen. Spricht der Herr der Heerscharen." Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen. Und dieser Herr der Heerscharen? Dieser Gott ist unser Jesus, der Allmächtige.


Ein Zeugnis zum Thema Lob, Dank und Gebet

Ich möchte ganz kurz ein Zeugnis geben zum Thema Lob, Dank und Gebet. Das ist eine der krassesten. Ich habe mehrfach solche Sachen erlebt, aber das ist sicherlich die krasseste. Ganz kurz nur: Ich bin mit dem Helmut Hilliges, da war ich 33, also ist es ungefähr 27 Jahre her, mit dem Motorrad nach Portugal in Urlaub gefahren und dann haben wir in Saintes-Maries-de-la-Mer Zwischenstopp gemacht, übernachtet, weil das ist ja eine lange Reise, 2.500 Kilometer. Und auf dem Motorrad zählt jeder Kilometer doppelt, was die Anstrengung angeht.

Und ich hatte damals ein Bremsenschloss. Das macht man vorne auf die Scheibenbremse drauf und dann kann man das Rad nicht mehr bewegen. Also nächsten Morgen wachen wir auf und ich war natürlich jung und dumm, habe auch vergessen, dass ich dieses Kettenschloss da drauf hatte. Setz mich drauf und wollte einen ganz besonders coolen Start hinlegen. Zündschlüssel rein, Maschine angemacht, die stand auf dem Ständer und wenn man sich dann nach hinten bewegt und richtig Gas gibt und den ersten Gang rein macht, dann springt die von dem Hauptständer. Der klappt dann automatisch ein. Wenn's klappt, schaut es cool aus. Wenn man vorne im Bremsen Schloss drin hat, gibt es ein Problem. Das heißt, ich habe einen Satz gemacht von zwei Metern und dann lag ich schon auf der Schnauze, weil das Bremsenschloss ist natürlich nicht abgegangen. Das ist ein Riesen Stahlprügel, der da vorne drin sitzt und hat mir die komplette vordere Bremse abgerissen.

So, jetzt waren wir in Frankreich und zwar in Saintes-Maries-de-la-Mer. Der Urlaub hatte gerade erst begonnen. Und ich konnte nicht mehr fahren; konnte vorne nicht mehr bremsen. Und dann meinte der Helmut: "Schaffst du es noch bis zur Werkstatt?" Sag ich: "Müssen wir gucken." Bremsenschloss abgebaut: Ja, rollen tut es noch. Verzogen ist es auch nicht. Wir also zur Werkstatt.

Lange Rede, kurzer Sinn: In der Werkstatt gab es keine Ersatzteile. Dann haben wir ihm gesagt, er soll bitte in den umliegenden Werkstätten rum schauen. Da gab es auch keine Ersatzteile. Da haben wir gesagt er soll beim Zentralhandel nachfragen. Der sagt "ja", der kann was bestellen. Dann wird es zum Zentralhandel geschickt. Der schickt es dann zu uns. Ich sage Wie lange dauert das? Acht Tage. So, da saßen wir wie Paulus und Silas im Knast. Hoffnungslose Situation. Der Urlaub war gelaufen. Weil du brauchst nach Portugal runter locker zweieinhalb Tage. Und zurück noch mal zweieinhalb. Plus acht. Wir hatten 14 Tage Urlaub. Den Rest könnt ihr euch ausrechnen.

Das wäre jetzt nicht mehr wirklich was geworden. Und damals hatte ich mich zum Ersten Mal mit diesem Thema Lob und Dank beschäftigt und habe im Helmut drüber geredet. Der hat gesagt: "Ja, das machen wir jetzt. Wir danken jetzt für die Situation, auch wenn wir nicht verstehen, wozu die gut sein soll. Aber möge Gott sich verherrlichen." Da hab ich gedacht: "Na ja, das fängt ja...". Ich war ja jung im Glauben. Ich habe gedacht, "Jetzt sind die bescheuert." Aber ich sagte "Okay, machen wir."

Dann haben wir gebetet und haben Gott dafür gedankt, dass wir jetzt in dieser Situation stecken, auch wenn wir die Situation nicht verstehen. Ich schwör's euch, ihr Lieben, das hat keine fünf Minuten gedauert, fährt einer auf den Hof von diesem Motorradhändler, stellt sich auch an den Tresen, und fängt an zu erklären, was er da gerne hätte. Kriegt mit: "Parlez allemand?". "Sprechen Sie deutsch?" "Gut. Was ist Ihre Problème?" Haben wir das erklärt: Bremse kaputt. "Oh!" sagt er, "Ich fahr' so eine Maschine für Rennen. Kann ich nach Hause fahren, baue ich meine Bremse aus, bringe ich und kaufe ich dann deine Bremse nach acht Tage, die du gekauft hast?" 

Und dann ist der losmarschiert, hat bei seinem Moped... - er hat exakt die gleiche Maschine gefahren - ... baut also die Bremse aus, und bringt die. Wir bauen die ein. Nach zwei Stunden waren wir wieder fertig.

So, jetzt kommt ihr. So Lob und Dank und Gebet!


Panik und Selbstmordgedanken

Das hat mich tief beeindruckt. Und ich habe dann öfter mal Situationen gehabt, wo ich dann gesagt habe Ich verstehe es nicht. Ich finde es auch wirklich nicht lustig, das sage ich Gott dann schon auch. Und ja, weil es manchmal einfach so ist: manchmal schätzen wir eine Situation komplett falsch ein, so wie der Kerkermeister. Ja, der Kerkermeister sieht die Türen offen, denkt alle sind weg. Der hätte ja sowieso mit seinem Leben dafür bezahlt, hat er gedacht. Bevor die mich umbringen, bring ich mich lieber selber um. Und auf solche dummen Gedanken kann man kommen, wenn man entweder wie Paulus und Silas im Knast liegt, mit den Füßen im Block oder wie der Kerkermeister, wenn er alle Türen offen sieht. Oder ich, wenn ich mir denk "Bremse ab. Feierabend!" Ja, solche Gedanken dummen Gedanken können einem kommen, wenn man den Fokus auf den Problemen lässt. Statt auf Gott.


Das Evangelium

Aber Gott sei Dank hat Paulus ja dann den Kerkermeister davon abgehalten, sich selber umzubringen und sich in Schwert zu stürzen. Und dann kommt für mich der Hammer in dieser Geschichte. Die beiden sind nicht nur frei, sondern der Kerkermeister, der kommt ja an, der bettelt ja darum, dass man ihm das Evangelium erzählt. Muss man sich mal geben! Jochen! Das passiert jetzt nicht jeden Tag, dass einer kommt und sagt "Bitte schön, was muss ich tun, um gerettet zu werden?" Da muss man manchmal jahrelang beten, dass einer so weit ist, dass er so einen Satz von sich gibt, wenn überhaupt. Und das heißt, der Paulus und Silas können jetzt nicht nur frei sein, sondern sie können ihm und seiner ganzen Familie samt seinen Haushaltshilfen das Evangelium weitersagen. Und am Ende vom Lied, am Ende von dieser Story, sitzen alle happy beim Frühstück. Oder wie wir in der Vorbereitung gesagt haben Es ist Party. 


Das Geheimnis

Meine Stiefmutter hätte jetzt gefragt. "Und? Was hat uns das gelernt?" Ja, ich würde sagen, schauen wir uns dazu noch mal Anfang und Ende an. Am Anfang haben wir einen Paulus und einen Silas. Die sind öffentlich beschämt, schmerzerfüllt, in einer ausweglosen Situation. Und am Ende ist Party. Alle sitzen mit Freude beim Frühstück, weil eine ganze Familie zum Glauben gekommen ist. Und mal ganz ehrlich, wer hätte das in so einer Situation erwartet, dass das der Ausgang ist? Und was hat diesen krassen Unterschied bewirkt? Gott natürlich, seine Hilfe. Aber wie ist die gekommen? Paulus und Silas haben nicht auf das Problem geschaut, sondern auf Gottes Wesen und seine Möglichkeiten. Das heißt, Paulus und Silas kannten das Geheimnis vom geistlichen Sieg. Nämlich dieses Wissen darum, wie viel Unerwartetes geschehen kann, wenn wir in einer völlig prekären Situation beten und loben. So bescheuert, wie das klingt: Beten und loben. Es gibt noch irgendeine andere Stelle im Neuen Testament, wo Paulus, glaube ich, auch sagt Bringt eure Anliegen mit Dank und Lob zu Gott. Also nicht nur beten! Weil beim Beten sagt man ganz oft "Aber bitte!" und dann guckt man auf das Problem. Sondern weggucken! Gott ist kein Ding unmöglich!

Und da gibt es noch eine ganz tolle Stelle. Ich glaube, das war bei der Taufe von Semina, wenn ich mich richtig erinnere. "Er ruft mich an, darum will ich ihn hören." Das heißt, wenn ihr mal auf die Vorderseite von eurer Karte guckt, dann steht da dieser Spruch vom Johannes Hartl: "Gebet ist nicht alles, aber ohne Gebet ist alles nichts." Dieses Gebet, dieses Lob, das ist das, was den Unterschied macht, auf das hin Gott handelt.


Gutes für Dein Herz

Ich möchte Dich zum Schluss etwas fragen, und zwar, ob du dieses Geheimnis auch gerne lüften würdest. Weil, wenn ja, dann würde ich dich bitten: Such dir in den nächsten Tagen einen vertrauten Menschen, mit dem du offen reden kannst und sprich mit ihm über die Rückseite von deiner Karte. Und überlegt mal, was kommt Dir dazu in den Sinn?

All diese Anliegen, die da draufstehen, die haben ja zentral mit der Vision unserer Gemeinde zu tun. Ihr kennt unseren Slogan "Gott begegnen. Bewegt werden. Leben teilen." All diese Anliegen... Jeder hat jetzt ein eigenes.

Übrigens hier hinten gibt es auch noch mehr. Wenn ihr euer Anliegen durchgebetet habt, könnt ihr es gerne wieder da reinschmeißen und euch ein neues ziehen. Das werden wir, glaube ich, da hinten irgendwo aufstellen. Aber ich denke, dass das ein Anreiz sein kann, erst mal über diese Anliegen... Aber auch über diese Anliegen hinaus sich mal inspirieren zu lassen: Was sagt mir dieses Anliegen auch für mein Leben... 

Wir haben alle, Leute, wir haben alle was zu tragen im Leben. Und vielleicht hat Gott es ja genau so geführt, dass du diese Karte hast, wo du sagst: "Die, die sagt mir was, das hat auch was mit meinem Leben zu tun!" Und dann könntet ihr euch austauschen und könntet über diese Dinge ins Gebet kommen. Ins Lob kommen. Und wegschauen von diesen Problemen, weg von der Hilflosigkeit hin auf Gott, auf seine Güte und seine Möglichkeiten. Und dann Gott um das zu bitten, was du brauchst.

Und Gott auch um das zu bitten, was wir als Gemeinde brauchen. Weil das kommt auch nicht von automatisch irgendwie her. Wenn wir das wirklich erleben wollen, ihr Lieben, dass wir irgendwann eine Gemeinde sind, wo jeder weiß, da kommt das Evangelium in den ganzen Stadtteil, wo wirklich die Liebe so gelebt wird, dass die Menschen erkennen, dass wir Gottes Kinder sind: das kommt nicht von ungefähr! All die Dinge im geistlichen Leben, die werden durch Gottes Geist bewirkt, und der bewegt sich (wie das Benzin in der Leitung) auf Gebet hin. Das heißt, wenn wir das erleben wollen, dass wir die Gemeinde, die wir in unserer Vision sehen können, dass die Wirklichkeit wird, dann ist das erste, was wir machen sollten, das Erste, was wir machen dürfen: zu beten.

Und ich denke, wir können selbst angesichts unserer Schwäche, unserer Begrenztheit und unserer persönlichen Nöte Gott loben. Für seine Güte, für sein Wesen. Dafür, dass er uns so gerne hilft. Dafür, dass er wirklich unmögliche Situationen zum Guten wenden kann.

Ich möchte da noch mal zwei Verheißungen - die habe ich da hinten auch an die Wand geschmissen - die sind mir in meinem persönlichen Leben wirklich wichtig geworden: Matthäus 19, Vers 26 steht "Wenn es auf die Menschen ankommt, dann ist es unmöglich. Aber für Gott ist alles möglich." Das heißt, wenn du in irgendeiner Situation steckst, wo du sagst, da ist nichts mehr zu holen. So wie Paulus und Silas im Block. So wie Helmut und ich in Frankreich, wo wir sagen "Es ist Feierabend! Es geht einfach nicht!" Für Gott kein Problem.

Und das zweite: diese Zusage Gottes. Weil auch da muss ich persönlich sagen, manchmal habe ich Zweifel und dann hilft mir Gottes Wort. Weil wenn ich mich auf irgendetwas verlassen kann auf diesem Planeten, dann darauf, dass Gottes Wort die Wahrheit ist und dass er hält, was er verspricht. Und Psalm 91 eben diese Verheißung "Er hängt an mir mit ganzer Liebe. Darum werde ich ihn bewahren. Weil er mich kennt und ehrt, werde ich ihn in Sicherheit bringen. Wenn er mich ruft, dann antworte ich. Wenn er in Not ist, bin ich bei ihm, hole ihn heraus und bringe ihn zu Ehren."


Ihr Lieben! Gott hat uns das versprochen. Und es ist mein Wunsch, mein Gebet für uns alle, dass wir eine betende Gemeinde werden, die angesichts von unwägbaren und aussichtslosen Situationen. Der es gelingt, den Blick hin zu wenden auf Gott, der es gelingt, trotz dieser unwägbaren und unlösbaren Situationen, Gott zu bitten, Gott zu loben und dann wirklich Wunder erlebt. 

Amen.

Sonntag, 15. Mai 2022

"Mit brennendem Herzen begeistert dienen" (Philipper 1,20-26)


[Predigt als Video] | [Predigt als MP3]

Guten Morgen, ihr Lieben! 

Joi hat es ja schon angekündigt: Heute Philipperbrief; immer noch Kapitel eins. 

Worum es heute geht?

  • Unser heutiger Text: Ich werde den Text diesmal direkt am Anfang lesen, ...
  • Mein Habibi: ... um euch dann mal ein bisschen einen Einblick zu geben, wie es mir manchmal geht. Ich will mich mit dem Apostel Paulus sicherlich nicht vergleichen, aber als ich den Text gelesen habe, ist mir sofort was in den Sinn gekommen, was meine liebe Frau betrifft. Auf Arabisch: mein Liebling, mein Habibi. Um da vielleicht mal so einen Einstieg zu finden in dieses Thema: "Hin- und hergerissen sein zwischen zwei Dingen."
  • Unsere Vision: Ich möchte dann die Brücke schlagen zu unserer Gemeindevision. Und mal schauen, was dieser Text mit unserer Gemeindevision zu tun hat.
  • Von Paulus lernen: Und uns dann die Frage stellen: "Was können wir von Paulus lernen?" Und da ein bisschen tiefer in den Text reingehen. Wie gesagt, es ist eine ziemlich lange Passage. Da ist wahnsinnig viel drin. Da könnte man auch bestimmt sechs oder sieben Predigten draus machen. Ich versuche mich da mal aufs Wesentliche zu konzentrieren, aber mit dem Blick darauf "Was sind eigentlich die Kernelemente vom Text?" Und "Was sind die Kernelemente in dem, was wir von Paulus lernen können?", ...
  • Was können wir tun?: ... um es dann in die Übertragungsebene zu bringen und uns zu fragen: "Was können wir denn jetzt tun?" Und wir werden sehen, dass es auf der einen Seite zwar ein bisschen was mit "tun" zu tun hat, aber vielleicht noch viel mehr mit etwas, was gar nicht so sehr mit "tun" zu tun hat. Dann könnt ihr gespannt sein, wie sich dieses Rätsel auflöst.
  • Ein Blick in die Zukunft: Und ganz zum Schluss möchte ich einen Blick wagen in die Zukunft unserer Gemeinde.


Unser heutiger Text

Aber bevor ich das tue, möchte ich erst mal mit euch gemeinsam den Text lesen. Philipper eins, Verse 20 bis 26. Ich war so frech und habe mir die Verse 10 bis 25 aus der Neues Leben Bibel gezogen und den Vers 26, weil er noch schöner übersetzt war, aus der guten Nachricht. Das heißt, so wie er dasteht, werdet ihr den Text in keiner einzelnen Bibel finden, sondern da müsst ihr dann schon zwei haben. Da schreibt der Paulus: "Ich erwarte und hoffe sehr, dass ich nie etwas tun werde, dessen ich mich schämen müsste. Sondern dass ich immer, wie bisher auch, unerschrocken für Christus eintreten werde und durch mein Leben Christus in allem geehrt wird, ob ich nun lebe oder sterbe. Denn Christus ist mein Leben. Aber noch besser wäre es, zu sterben und bei ihm zu sein. Doch wenn ich lebe, dann trägt meine Arbeit für Christus Früchte. Deshalb weiß ich wirklich nicht, was ich wählen soll. Ich fühle mich zwischen zwei Wünschen hin und hergerissen. Ich sehne mich danach, zu sterben, um bei Christus zu sein, denn das wäre bei weitem das Beste. Doch für euch ist es besser, wenn ich lebe. Darauf vertraue ich. Und deshalb werde ich bei euch bleiben, damit ihr im Glauben wachst und ihr erlebt, welche Freude der Glaube bringen kann. Und ihr werdet euch noch viel zuversichtlicher dessen rühmen können, was Jesus Christus durch mich an euch getan hat, wenn ich wieder bei euch bin und unter euch wirken kann.“ 

So viel einmal zum Text.


Mein Habibi

Ja. Was ist mir zu dem Thema wichtig geworden? Ich habe die Passage durchgelesen. Ich habe wie immer, das mach' ich meistens in der Woche vor der Predigt, mir alle meine Kommentare durchgelesen, um ein Gefühl für den Text zu kriegen, zu gucken, wie andere Leute da wesentliche Punkte raus gesehen haben und habe aber diesmal in den Kommentaren gar nicht so viel gefunden, wo ich gesagt hätte, dass "Das haut's jetzt raus!" Und mir ist immer wieder eine Szene durch den Kopf gegangen. Und bevor ich euch die erzähle möchte, möchte ich was vorausschicken.

Wir werden nachher sehen, wie es dem Paulus gegangen ist. Und ich möchte mich auf keinen Fall mit dem Paulus vergleichen. Und das hat einen guten Grund. Ich denke, dass der Paulus ein echter Heiliger ist. Und jetzt könnte man natürlich sagen Ja, Michi, aber hast du dein Neues Testament nicht gelesen? Wir sind doch alle Heilige. Wir werden doch sogar als Gemeinde mit "ihr Heiligen" Angesprochen. Und ja, das ist richtig. Aber ich möchte mich nicht dazu verleiten lassen, einer postmodernen Gleichmacherei beizutreten, die gerne dafür sorgen würde, dass wir alle gleich sind. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich in meinen besten Zeiten die 100 Meter in 11,2 gelaufen bin, was schon ziemlich fix ist. Aber es gibt auch Leute wie einen Usain Bolt, die laufen die mal zackig in, weiß ich nicht, 9,7. Wo man noch gedacht hat, das geht überhaupt nicht. Und von daher, denke ich, ist es mit der Heiligkeit genau das Gleiche. Ja, wir sind alle begnadigt. Ja, wir sind alle von Gott angesehen als Heilige, weil er uns nur in der Heiligkeit Christi betrachtet. Und trotzdem glaube ich, dass es gravierende Unterschiede gibt in der Ausprägung, in der Reife, die jemand in seinem Glaubensleben erreicht. Und das, was wir nachher von Paulus hören werden, da würde ich mal sagen, das ist "top notch". Das, was ich aus meinem Leben zu berichten habe, das ist sicherlich nur ein schwacher und teilweise auch ein etwas schiefer Abglanz. Und so viel mal vorausgeschickt.

Aber woran ich denken musste: Ich habe das immer wieder mal in meinem Leben, dass es ein bisschen schwieriger wird. Und an manchen Stellen war es auch schon mal so schwierig, dass mir diese Sehnsucht nach dem Himmel auf eine ganz andere Art und Weise wichtig geworden ist. Mir war mein Leben so schwer geworden mit der ganzen Arbeit, mit all den Anfechtungen, mit den Herausforderungen, insbesondere auch mit dem Leiden an meiner eigenen Begrenztheit und Sündhaftigkeit und Fehlerhaftigkeit, dass ich mir wirklich, wirklich gewünscht habe, eigentlich würde ich gerne gehen dürfen. Und dann lag ich so in meinem Bett neben mir meine Frau, die hat natürlich schon fest geschlafen. Und dann habe ich mir gedacht, das ist eigentlich kein frommer Wunsch. Weil: wie würde es ihr gehen, wenn ich nicht mehr da bin? Wer wird für die Familie sorgen? Wer? Wer würde sich kümmern, dass genügend Brot auf dem Tisch ist? Und da habe ich zum Ersten Mal in meinem Leben etwas Ähnliches erfahren, wenn auch sicherlich nicht aus so heiligen Motiven wieder wie der Paulus, wo ich gesagt habe, mich reißt es hin und her. Auf der einen Seite möchte ich gerne bei Christus sein, weil: da weiß ich, was ich davon habe. Dann geht es mir für immer und ewig besser als gut. Auf eine Art und Weise gut, die ich mir heute noch gar nicht ausmalen kann. Und auf der anderen Seite habe ich gespürt: Aber es wäre besser, wenn ich bleibe. Weil ich mir auch wünsche, dass es meiner Familie gut geht. Und ja, das ist das, was mir zu diesem Thema eingefallen ist, wo ich zumindest mal im Ansatz habe erahnen können, wie es wohl einem Paulus gegangen sein muss, der ja weitaus mehr in seinem Leben zu tragen hatte, weitaus mehr an Anfechtung. Ich meine, der Mann ist gesteinigt worden, der hat Schiffbruch erlitten, Widerstand auf eine Art und Weise, den wir uns überhaupt nicht ausmalen können; weil wir das nicht kennen hier in Europa. Und trotzdem zu sagen: Ich kann dieses hin und hergerissen werden irgendwo ein Stück weit nachvollziehen.


Unsere Vision

Und jetzt habe ich ja gesagt, hat das, was wir nachher auch noch von Paulus lernen können, ein Stück weit denke ich, auch was zu tun mit unserer Vision. Ich möchte uns noch mal an unseren Leitvers erinnern. Da heißt es ja "Gott begegnen, bewegt werden, Leben teilen." Das heißt, was wir machen wollen, ist: Wir wollen eigentlich als Gemeinde einen Unterschied machen in unserem Stadtteil. Wir möchten, dass Menschen sehen, was Jesus sich gewünscht hat für seine Gemeinde. Er hat gesagt: "An eurer Liebe werden sie erkennen, dass ihr meine Jünger seid." Er hat sich gewünscht, dass wir ein Licht sind auf dem Berge, das weithin leuchtet. Und dann denke ich mir, muss man sich die Frage stellen: "Ja, wie kann das gelingen, ohne dass das jetzt Krampf wird, ohne dass das Stress wird?" Wie können wir das von Herzen sagen: "Christus ist mein Leben." Also das heißt ja auf Deutsch: "Ich gebe alles!" Diese Beziehung ist mir so wichtig, dass ich mich da voll rein investiere. Wie kommen wir dahin, dass wir voller Liebe, mit brennendem Herzen, hingegeben und voller Begeisterung uns von Jesus im Dienst für seine Gemeinde gebrauchen lassen und dabei auch noch voller Freude bleiben? Wie wie kann das gelingen? Und ich habe dann beim Lesen vom Text und beim drüber nachdenken mehr und mehr den Eindruck bekommen, das hat sehr, sehr viel damit zu tun, worauf wir unseren Fokus richten und das in, ich würde mal sagen, mindestens zweierlei, vielleicht sogar dreierlei Hinsicht. Also was hat das mit unserem Fokus zu zu tun, dass wir hingegeben dienen können? Das möchte ich im Folgenden ein Stück weit erläutern.


Von Paulus lernen

Doch zuerst mal: einen Einblick darein, was Gottes Sicht ist zu diesem Thema. Und damit auch die Frage: "Was können wir hier anhand von diesem Text vom Paulus lernen?" Ich möchte mit euch gemeinsam dazu mal genauer hinschauen, um reinzugucken in das Herz von Paulus. Was ihn da bewegt. 

Er schreibt ja im Vers 23 "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein, denn das wäre bei Weitem das Beste." Nun habe ich mich gefragt: "Ja, wie kommt er jetzt darauf?"; "Warum?"; "Warum sagt er so einen Satz?" Und behaltet mal die Frage im Hinterkopf. Da unten steht sie ja noch: "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein. Das wäre bei weitem das Beste." Und behaltet mal die Frage im Hinterkopf: "Wie kommt der Mann darauf, so einen Satz rauszuhauen?" "Ja...", könntet ihr jetzt sagen, "... Paulus was ist denn mit dir los?. Bist du lebensmüde? Du bist doch Apostel! Jetzt mach mal deinen Job! Du kannst ja nicht jetzt gleich sagen 'Ich möchte jetzt mal Zack im Himmel verschwinden!'" Wie kommt dann der Paulus darauf, so so einen Satz zu sprechen? Und ich möchte dazu mehrere Bibel Passagen vorlesen und ich hoffe, dass ihr erkennen könnt, in welchem Zusammenhang die mit dieser Aussage von Paulus stehen und inwiefern die auch diese Frage beantworten.

Wie kommt der Paulus darauf, so einen rauszuhauen? Der erste Text steht im Römer, Kapitel sieben, Verse 18 und 19. Dort steht (auch von Paulus): "Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen, habe ich wohl. Aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich." Und er kommt am Ende vom Kapitel sieben noch mal zu diesem Satz: "Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe des Todes?" Und ich denke, allein an dieser Passage merken wir schon eines der Dinge, die dem Paulus hart zugesetzt haben, nämlich dass er merkt: Auch wenn ich zum Glauben gekommen bin, auch wenn ich erlöst bin, es ist und bleibt bis an unser Lebensende ein Kampf mit der Sünde. Und es ist kein leichter Kampf, sondern ein Kampf, der einen bis bis nah an die Verzweiflung treiben kann, dass man einfach merkt: Der schlimmste Feind auf dem Planeten, den wir jemals haben können, das sind wir selbst! Wenn uns irgendetwas im Glauben im Weg steht, dann sind das wir selbst. Ich denke, dass wenn wir Römer 7 lesen, dass wir da schon ein Stück weit einen Blick dafür kriegen, dass auch der Paulus daran gelitten hat.

Natürlich geht es Gott sei Dank nachher weiter mit Römer acht. Eines der schönsten Kapitel in der Bibel. Kommen wir gleich noch dazu. Noch ein zweiter Aspekt 2. Korinther, Kapitel 5, die Verse 7 bis 9. Da schreibt der Paulus: "Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben viel mehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsere Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohl gefallen." Das heißt: da ist noch so eine Sache, die den Paulus bewegt. Er weiß, dass der Himmel kommt. Er hat eine Hoffnung. Aber es ist eine Hoffnung, die er nur im Glauben ergreifen kann. Er lebt in diesem Leben so wie wir. Ohne dass er es schon greifen könnte, ohne dass er es schon sehen könnte. Er weiß, er ist noch nicht angekommen. Und ihm ist es eine Motivation, alles daran zu setzen, Gott wohlzugefallen. Zu sagen: "Darauf lebe ich hin!" Und. 

Jetzt noch mal zurück in den Römerbrief. Wie gesagt, eins meiner Lieblings-Kapitel: Römer 8, die Verse 22 bis 25. Dort schreibt er Paulus: "Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstigt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung. Denn wie kann man hoffen auf das, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld." Das heißt: noch so ein Aspekt, der den Paulus bewegt, ist dieses "Ich bin noch nicht angekommen." Ich leide mit der ganzen Schöpfung immer noch daran, dass es hier unten auf diesem Planeten nicht so einfach ist. Ich hab' mir dazu auch noch mal ein Vers aus dem Johannesevangelium raus geguckt. Johannes, Kapitel 16, Vers 33. Den kennt ihr wahrscheinlich auch alle. Da sagt Jesus: "Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. Denn in der Welt, da habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden". Und ich denke, das ist dieses ganze Paket auf der einen Seite, das ist  einer der Aspekte, dass es hier unten eben nicht leicht ist. Hier unten haben wir mit uns selbst zu kämpfen. Hier unten haben wir zu warten. Hier unten haben wir Angst. Hier unten haben wir Leid. Nehmt es mal so als einen Aspekt mit.

Aber das ist eben nicht alles. Noch eine meiner absoluten Lieblings Passagen. Es gibt noch etwas anderes. Nämlich diese Hoffnung, von der schon die Rede war. Offenbarung 21. Die Verse 1 bis 7. Da nimmt uns der Apostel Johannes mit hinein in eine Schau von dem, was uns versprochen ist. Und er schreibt: "Und ich sah einen neuen Himmel. Und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabkommen. Bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: "Siehe da! Die Hütte Gottes bei den Menschen." Und er wird bei ihnen wohnen. Und sie werden sein Volk sein. Und er selbst, Gott, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein. Noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein. Denn das erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: "Siehe, ich mache alles neu." Und er spricht: "Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss." Und er sprach zu mir: "Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers. Umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben. Und ich werde sein Gott sein. Und er wird mein Sohn sein.""

Das ist dieser zweite Aspekt, der dem Paulus vor Augen ist. Ja, hier unten kämpft er mit der Sünde. Ja, hier unten hat er Anfechtung. Hier unten muss er warten. Hier muss er geduldig sein und im Glauben bleiben. Ja, hier unten hat er Angst und Bedrängnis. Aber er weiß, es liegt etwas vor ihm. Er schreibt das an einer anderen Stelle, die habe ich jetzt nicht rausgesucht, wo er sagt: dass das, was vor uns liegt (und er übertrifft er sich mit einem, dreifachen Superlativ), wo er sagt, dass das, was wir in dieser Zeit leiden, nichts ist im Vergleich zu der über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit, die auf uns wartet.

Ich glaube wirklich: was uns im Himmel erwartet, ihr Lieben, da haben wir nicht den Schatten einer Ahnung davon. Wir können uns das immer nur vorstellen im Sinne von was alles nicht sein wird. Wir haben das gerade gelesen im Text. Es wird kein Schmerz mehr sein, kein Leid, kein Geschrei, kein Tod. Aber wie wird es sein, einen Leib zu haben, in dem keine Sünde mehr wohnt? Ein Leib zu haben, der mir nicht mehr zur Bedrängnis wird? In einer Welt zu leben, die mich nicht mehr anficht? Im Gegenteil, wo alle voller Liebe sind, nicht nur Gott, sondern alle, die um mich sind, die werden sich alle überschlagen mit Freundlichkeiten und mit Gutheit. Und wir werden nicht mehr krank. Und so weiter. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann es nur erahnen.

Und das hat der Paulus im Hinterkopf. Und darum sagt er "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein, denn das wäre bei weitem das Beste." Das heißt, der Paulus ist jetzt nicht so ein selbstmordgefährdeter Mensch, sondern ein sehr, sehr realistischer Christ, der glasklar vor Augen hat, was noch kommt. Und ich denke, dieses Wissen um das, was noch kommt, das befreit in. Das befreit ihn im Diesseits alles zu geben. Weil er weiß, er hat ja nichts zu verlieren, weil es wartet eine Ewigkeit voller Freude auf ihn. Und das ist auch so ein Aspekt der Ewigkeit. Auch das können wir uns, denke ich, nur sehr schwer vorstellen. Aber setzt es mal ins Verhältnis. Nehmen wir mal an, wir werden 80, 90 wenn es hochkommt 100 Jahre alt. Und jetzt nehmen wir mal an, der Himmel wäre für 200 Jahre. Ja, nun könnte man sagen, das ist auf jeden Fall schon mal ein Verhältnis von zwei zu eins. Da wäre doch jetzt die Herrlichkeit auf jeden Fall schon mal "mehr" als das Leid auf Erden. Aber wir werden nicht 200 Jahre im Himmel sein oder 2000 oder 20.000, 200.000, 2 Millionen. Wir werden für immer und ewig im Himmel sein. Wer sich ein bisschen in der Mathematik auskennt, der weiß, wenn ich eins durch Unendlich teile, da kommt nur null raus. Und das ist der Grund, warum der Paulus das sagt. Das, was wir hier erleiden, was wir erwarten, wo wir hoffen und leiden, ist ein Nichts im Vergleich mit dem, was kommt. Und das, denke ich, setzt den Paulus frei. Das setzt ihn frei zu sagen: "Ich habe nichts zu verlieren, ich habe alles schon gewonnen, es liegt alles vor mir!"

Das wird kommen. So sicher wie das Amen in der Kirche. Und deswegen kann er schreiben: "Für euch ist es besser, wenn ich lebe." Und was wünscht er sich da? Ich denke, es sind drei Sachen. Vielleicht steckt noch mehr im Text drin. Aber es sind drei, auf die ich jetzt mal schauen will. Er wünscht sich, "dass ich immer unerschrocken für Christus eintreten werde." Was meint er damit? Er wünscht sich, dass er sich durch nichts und niemand davon abhalten lässt, das Evangelium weiterzugeben, für die gute Nachricht einzustehen, egal wie viele Leute dagegen schreien. Er wünscht sich, "dass durch mein Leben Christus geehrt wird." Er wünscht sich, ein gutes Zeugnis zu sein, weil er genau weiß, dass die einzige Bibel, die viele Leute jemals lesen werden, ist unser Leben. Und er wünscht sich, dass sein Leben im Einklang mit dem ist, was Christus uns aufgetragen hat, nämlich Liebet einander: liebe Gott und liebt einander. Paulus wünscht sich, dass er ein gutes Zeugnis ist.

Und vor allen Dingen wünscht er sich, dass die Gemeinde im Glauben wachst und erlebt, welche Freude der Glaube bringen kann. Das heißt, er wünscht sich, dass seine Glaubensgeschwister ihr Vertrauen auf Jesus setzen und in diese Freude des Glaubens hineinwachsen. "Und...", sagt er, "...trotz alledem: wegen der Herrlichkeit, die vor mir ist, kann ich alles geben" und diesen Satz sagen: "Für euch ist es besser, wenn ich lebe." Er gibt sich hin.

Jetzt könnte man sagen, ja, das ist jetzt schon freisetzend, zu sagen, "Hier unten ist es nicht so leicht. Aber ich habe eine große Motivation, weil eine unendliche Herrlichkeit auf mich wartet. Weil ich begriffen habe: ich habe nichts zu verlieren." Aber irgendwie ist es doch anstrengend, oder: Heilig werden.

Ich glaube, dass in diesem Text, insbesondere im Vers 26 das ganze Evangelium drin steckt. Joi und ich haben uns ein bisschen drüber ausgetauscht und das ist auch der Grund, warum ich den Vers 26 aus einer anderen Übersetzung genommen habe: Ich habe erst mal ins Griechische reingeguckt. Das ist ultra schwer zu übersetzen. Für mich zumindest Weil das, was dort im Griechischen eigentlich steht, ist, dass die Gemeinde in Philippi Grund hat sich in Paulus in Christus zu rühmen. Es ist so wie so eine verschachtelte Puppe. Kennt ihr die? Das heißt, man muss das erst mal entpacken, was in diesem Vers drinsteckt. Dieses "was Jesus Christus durch mich an euch getan hat". Ich glaube, da steckt das komplette Evangelium drin. Dem Paulus ist glasklar: Es ist nicht er, der handelt. Es ist nicht er, der jetzt großartig was geleistet hat. Sondern es ist "Christus in euch die Hoffnung der Herrlichkeit".

Und das schönste Beispiel, was ich da für je gefunden habe, das ist von Martin Schleske, einem der besten Geigenbauer der Welt. Der hat ein Buch geschrieben. "Der Klang". Kann ich jedem nur ans Herz legen. In diesem Buch beschreibt er auf zwei Ebenen eine Geschichte. Die oberflächliche Ebene ist, wie eine Geige entsteht. Und da geht er mit dem Leser in den Wald und sucht den Baum aus. Er geht mit dem Leser durch die ganze Geschichte. Wie der Baum gefällt wird; das Holz geschnitten, das Holz getrocknet, das Holz am Klang ausgewählt, zur Geige verarbeitet. Und so weiter und so fort. Aber das Buch endet damit, dass die Geige, wenn sie fertig ist, noch nicht ihr Ziel erreicht hat. Sondern zum wirklichen Wunder wird sie erst, wenn sie von einem Musiker gespielt wird, der dieser Geige würdig ist. Und auf einer anderen Ebene spürt man diesem Buch ab, dass er die Geschichte Gottes mit seinen Menschen beschreibt. Gott hat uns auserwählt. Er hat uns geschaffen. Er hat uns zusammengesetzt. Er hat uns ausgestattet mit unseren Gaben. Und es ist er, der dieses Instrument bedient. Und das, denke ich, ist das, was Gott sich von uns wünscht. Nicht, dass wir uns verkrampfen und krumm buckeln und meinen, wir müssten ihm irgendetwas bringen. Wir haben ihm nichts zu bringen. Gar nichts. Da kommen wir nachher noch drauf (Johannes 15,5).

Sondern Gott möchte an uns, in uns und durch uns wirken. Er möchte seine Sinfonie der Liebe durch unser Leben spielen. Das heißt, es geht nicht um unsere Leistung. Es geht um unsere Hingabe. Es geht darum, dass wir unser Leben ihm zur Verfügung stellen und ihn spielen lassen. Und ich denke, dass diese Erkenntnis unglaublich entlastend ist. Ermutigend. Beflügelnd. Ich muss Gott nichts bringen. Ich muss für Gott nichts leisten. Alles, was er sich von mir wünscht, ist, dass ich zu ihm komme und mich ihm zur Verfügung stelle. Und ihn machen lasse.


Was können wir tun?

Trotzdem hatten wir im Inhaltsverzeichnis die Frage gestellt: "Was können wir tun?" Nachdem, was ich gerade gesagt habe, sollte klar sein, dass das, was wir tun können, was wir beitragen können, in keinster Weise eine Leistung ist, die einen Unterschied macht, sondern auch wiederum etwas, was dieser Hingabe entspricht. Ich denke, das Erste und Wesentlichste, was wir machen können ist: immer wieder auf Christus zu schauen. Ich persönlich schaue am liebsten auf dieses Bild (ich bin mir nicht ganz sicher: ich glaube, es ist die Sixtinische Kapelle). Auf Christus zu schauen. Auf seine Gnade, auf seine Treue. Darauf, dass er mir immer und immer und immer wieder vergibt. Das rührt mich zutiefst. Das habe ich nicht verdient. Manchmal fällt mir das sogar schwer zu glauben. Weil ich immer und immer wieder Böcke schieße. Aber er bleibt treu. Und dieser Blick ans Kreuz. Dieser Blick auf Christus. Der macht mich froh und der macht mich dankbar. Und der ist es, der mich immer wieder motiviert zur Hingabe.

Und wenn euch das aus dem Blick gekommen sein sollte: Dann könnt ihr noch etwas tun: Lest Psalm 103. Dort kommt dieser wunderbare Vers vor: "der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit." Ihr Lieben! Wir machen von morgens bis abends Bockmist. Und wenn ich mich im Spiegel schaue, dann denke ich mir, eigentlich müsste Gott mich links und rechts abwatschen. Und was macht er? Er sagt: "Dich will ich krönen mit Gnade und Barmherzigkeit."

Was kann ich noch tun? Ich kann mir immer wieder vor Augen führen: "Das Beste kommt noch." Das, was wir hier erleben, das ist nicht alles. Es ist ein winziger, verschwindend kleiner Bruchteil unseres Lebens. Eins dividiert durch unendlich ist null. Das, was wir hier erleben und erleiden ist nichts, absolut nichts, im Vergleich mit der Herrlichkeit, die auf uns wartet! Und diese Herrlichkeit kommt gewiss. So, wie alles andere gekommen ist, was Gott versprochen hat. Und ich denke, dass dieser Blick befreit zur Hingabe.

Und last but not least können wir noch etwas tun. Wir können Johannes 15,5 lesen. Und dort steht geschrieben: "Wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringt viel Frucht." In dem Vers steht auch: "ohne mich könnt ihr nichts tun." Nicht 'wenig'. Nicht 'ganz wenig'. Nicht 'nur ein klitzekleines bisschen'. Sondern 'nichts!'. Und wenn wir das begreifen: "Wir können nichts tun. Null. Null-komma-Null!" Sondern: "Es ist Christus in uns, der alles tut." Dann glaube ich, haben wir ein paar Zutaten beieinander, die uns befreien, uns Hoffnung machen. Und die uns motivieren, uns hinzugeben. Da muss ich nicht viel tun. Nur ihn spielen lassen, mich ihm zur Verfügung stellen.

Und das immer wieder mit diesem Blick ans Kreuz, mit dem Blick auf Christus und mit dem Gedanken im Herzen "Was für ein Gott!" Ein Gott, der die Ewigkeit verlässt: Höchste Herrlichkeit, höchste Glückseligkeit. Und an einem Kreuz verreckt, damit ich an seiner Herrlichkeit Anteil bekomme.


Ein Blick in die Zukunft

Lasst mich zum Schluss mal einen Blick in die Zukunft der Gemeinde wagen. Stellt euch mal vor, wie das wäre. Wenn uns das alles in ein paar Jahren (wir können ja heute schon damit anfangen!) immer besser und besser gelingt. Stellt euch das mal vor: dass wir eine Gemeinde sind, die vor Freude platzt. Über die Güte und Gnade Gottes, über seine Treue, über seine Vergebung. Eine Gemeinde, die motiviert ist, diese Freude zu verbreiten, weil sie gar nicht weiß, wohin damit. Sie möchte, dass auch andere Menschen an dieser Freude, an diesem Glück Anteil bekommen. Stellt euch mal vor, wir wären eine Gemeinde, die voller Vorfreude auf den Himmel ist. Befreit, sich von Jesus gebrauchen zu lassen, damit seine Vision Wirklichkeit wird: Eine Welt voller Liebe. Und stellt euch einmal vor, wir wären eine Gemeinde, die befreit ist von dem Krampf und von der Last, weil wir begriffen haben, dass es nicht an uns liegt, sondern an Christus in uns. Der uns Vollmacht verleiht. Und alles, was uns bleibt, ist, uns zur Verfügung zu stellen. Ich denke, wenn uns das gelingt, dann werden wir einen Unterschied machen hier in Hadern. Und das wünsche ich mir von Herzen.

Amen.


Sonntag, 3. April 2022

„Es kommt darauf an, wie man es sieht!“ (Phil 1,12-19)

© 2005 Andere Zeiten e.V. Hamburg


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Was mir zum Thema  „Blickwinkel“ wichtig ist

Ja, ihr Lieben, ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich bin aktuell sehr, sehr müde. Das liegt nicht nur daran, dass ich mal wieder sehr viel zu tun habe in der Arbeit. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich seit 2016 jedes Jahr eine Re-Org miterlebt habe, jedes Jahr eine neue Rolle bekommen habe, jedes Jahr gefühlt nochmal von vorne angefangen habe - und jetzt werde ich bald 60 und da ist man nicht mehr ganz so sportlich unterwegs. Ich würde mal sagen, das schlaucht.

Obendrauf noch zwei Jahre Corona: Regeln; Masken. Was mir besonders gefehlt hat, ist euch Freunden ins Gesicht zu schauen, mal ein Lächeln zu sehen. Fehlende Nähe. Dann zwei Jahre Homeoffice. Kein Kontakt mit den Kollegen oder immer nur über den Bildschirm. Bei mir in meinem Leben (ich weiß nicht, wie es bei euch war): keine Feiern mehr; sehr, sehr wenig Besuche bei Freunden. Dieses nicht mehr rauskommen. Sozusagen den ganzen Tag in der eigenen Bude hocken, wo einem die Decke auf den Kopf fällt.

Obendrauf noch (das ist jetzt vielleicht ganz persönlich für mich eine Herausforderung): wie schwierig es geworden ist, in unserer informations-überfluteten Welt die Wahrheit zu finden. Weil ich neben der Arbeit oft auch die Zeit gar nicht habe, um die Recherche zu machen, die ich eigentlich machen müsste; in der Tiefe, wie man das im Studium gelernt hat.

Und dann kommt jetzt auch noch Putin mit seinem Krieg. Menschen auf der Flucht. Unsägliches Leid. Sorgen um die Zukunft. Und zumindest bei mir schürt das Müdigkeit, Traurigkeit und will einen treiben in die Richtung von Hoffnungslosigkeit und Depression. Und ich bin persönlich in letzter Zeit sehr oft versucht zu klagen. Und frag mich, wo Gott in dem Ganzen steckt. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt?

Geht es euch manchmal vielleicht genauso, dass ihr angesichts dessen, was ihr erlebt in eurem Leben, angesichts dessen, was ihr erlebt an Elend auf der Welt, mit dieser Frage ringt? "Wo ist jetzt Gott?" "Warum macht er nichts?" Dass ihr Gott nicht mehr erkennen könnt; Gott nicht mehr sehen könnt?


Inwiefern betrifft uns das Thema „Blickwinkel“?

Mir ist dann neben der Tatsache, dass ich über den heutigen Text predigen wollte -  der übrigens genau mit diesem Thema zu tun hat: Gott zu erkennen in all dem Irrsinn, der passiert eine kleine Geschichte in die Hände gefallen. Ich habe ein kleines Buch geschenkt bekommen. Und normalerweise lese ich so was nicht. Ich hätte mir das nie selber gekauft. Das muss ich zugeben. Aber die Geschichten sind ganz nett und eine Geschichte unter denen ganz besonders. Das ist die Geschichte vom Nasruddin. Und die möchte ich euch heute mal vorlesen. 

Das Bild im Hintergrund stammt übrigens von dieser Geschichte und die Geschichte ist überschrieben mit. "Offensichtlich".

Zu einem Waisen kam einer und klagte "Ich suche nun so viele Jahre nach Gott und kann ihn nicht finden!" Der Weise sah ihn freundlich an und erzählte: "Es war einmal ein Mann namens Nasruddin. Er ging immer hin und her über die Grenze. An verschiedenen Zollstellen. Einmal mit einem Esel, einmal auch mit zweien oder dreien. Und auf den Eseln transportierte er große Lasten Stroh. Und die Zöllner wussten, dass er ein bekannter Schmuggler war. Und so durchsuchten sie ihn immer wieder, stachen mit Stöcken in die Strohballen und manchmal verbrannten sie das Stroh und suchten in der Asche nach dem, was er schmuggelte. Aber sie fanden nichts. Und Nasruddin wurde reicher und reicher. Schließlich wurde er alt, zog in ein anderes Land und setzte sich zur Ruhe. Dort begegnete ihm einer der früheren Grenzwächter und fragte Nasruddin: "Jetzt könnt ihr es mir ja sagen. Was habt ihr geschmuggelt, dass wir nie gefunden haben?" Nasruddin lächelte und sagte "Esel!" "Siehst du", sagte der Weise, "so sucht mancher nach Gott, und Gott ist vor seinen Augen."

Erinnert ihr euch noch an meine Fragen? Geht es euch manchmal genauso? Dass ihr Gott in all dem Elend auf der Welt oder in eurem Leben nicht mehr seht? Und das ihr euch dann fragt "Wo ist Gott in dem Ganzen?" "Warum macht er nichts?" "Warum greift er nicht ein?" Geht es euch manchmal genauso, dass ihr die Esel nicht mehr seht vor lauter Konzentration auf die Schmuggelware? Dass ihr Gott nicht mehr erkennen könnt vor lauter Konzentration auf das Übel in der Welt oder in eurem Leben?

Es kommt also auf die Blickrichtung an, es kommt darauf an, worauf wir uns konzentrieren. Wir können uns konzentrieren auf das Leid. Auf das Schlechte, auf all die Übel, die passieren in der Welt. Auf all die Übel, die passieren in unserem Leben. Auf das, was uns herausfordert, müde macht, traurig macht, depressiv.

Oder wir können uns auf das Gute konzentrieren, auf das Schöne, auf das Wahre. Bei mir sind es Dinge in der Natur. Also ich freue mich über jede kleine Blume, über jeden Vogel, der piept. Ich freue mich über Kinder, über Musik und solche Dinge. Darauf kann ich mich auch konzentrieren.

Was hat Gott nun zum Thema „Blickwinkel“  zu sagen?

Es ist natürlich die Frage "Was hat Gott uns zu diesem Thema zu sagen?" 

Ich möchte uns da zuerst mal den Text lesen aus Philipper Kapitel 1, Verse 12 bis 19. Das ist überschrieben mit "Die Gefangenschaft des Paulus und Die Verkündigung des Evangeliums": "Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder, wie es um mich steht. Das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. Denn, dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen anderen offenbar geworden. Und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden, ohne Scheu. Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht, diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege. Jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tut es aber, wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise? Es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen, denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi."

Ich habe den Text mal in der Fassung von der Guten Nachricht an die Wand geworfen. Weil es, wie ich finde, den Text auch noch einmal auf eine sehr moderne Art und Weise auf den Punkt bringt.

Und Jetzt kann ich mich auf das Negative konzentrieren. Und ich möchte euch bitten, euch da mal mit Paulus hineinzuversetzen. In seine Lage. Paulus ist gefangen. Er liegt im Gefängnis. Und das war früher. Ich meine, das Gefängnis ist sicherlich auch heute kein Spaß. Aber früher waren das Kerker. Feucht. Keine Ahnung, was da für Kroppzeug rum gekrochen ist. Und er war angeklagt. Mit Gründen, wo wo jeder von uns weiß, das waren allesamt Lügen. Und überhaupt mal jetzt aus moderner Sicht : Was für eine Frechheit, einen Menschen wegen seines Glaubens, wegen seiner Überzeugung in den Knast zu sperren! Was für eine Bosheit! Einem Menschen, zu verbieten, das zu sagen, wovon er überzeugt ist. Paulus war ja nur im Gefängnis, weil er das Evangelium weitergegeben hatte. Und natürlich, weil das den Pharisäern und Schriftgelehrten ein Dorn im Auge war.

Stellt euch das einfach mal vor. Ja, ihr liegt im Kerker. Vielleicht sogar mit mit Ketten. Und dann könnt ihr eh schon nichts mehr machen. Ihr seid hilflos eingesperrt. An die Wand gekettet. Und dann müsst ihr miterleben, wie das, was euch am Herzen liegt - dass das Evangelium verkündet wird - dass es da Leute gibt, die neidisch sind. Die euch ausstechen wollen. Euch, die ihr euch nicht mehr wehren könnt. Leute mit Hintergedanken. Leute, die unehrlich sind. Leute, die eigennützige Absichten haben, das noch mal obendrauf. Und ihr könnt nichts dagegen tun. Da kann man sich darauf konzentrieren. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, wenn ich Paulus gewesen wäre, und ich hätte mich jetzt alleine darauf konzentriert, dann hätte ich gedacht: "Die ganze Arbeit von all den Jahren, jetzt geht das alles den Bach runter!"

Ich kann mich aber auch - und witzigerweise ist das der überwiegende Teil von dem Text - auf das Positive konzentrieren. Und genau das macht der Paulus. Er freut sich darüber, dass das Evangelium verkündet wird. Er freut sich darüber, dass jetzt alle - alle Beamten am Prätorium - wissen, dass er Christ ist. Ohne Ausnahme. Jeder hat es mitgekriegt. Und vor allem freut er sich darüber, dass dadurch, dass er jetzt im Gefängnis liegt und trotzdem innerlich nicht aufgegeben hat, seine Brüder und seine Schwestern in der Gemeinde Mut gefasst haben. Endlich voller Zuversicht sind und sich endlich trauen, das Evangelium weiterzugeben. Dass, obwohl er jetzt im Gefängnis liegt und selber nichts mehr machen kann, jetzt auf einmal andere aufstehen. Und ich sage jetzt mal in Anführungsstrichen 'seinen Job weitermachen'. Und das auch noch ohne Furcht. Auch andere, sagt Paulus, verkünden das Evangelium. Und auch darüber freut er sich. Und ihm ist es völlig wurscht, ob die das aus diesem oder jenem Motiv machen. Er sagt: "Hauptsache, das Evangelium kommt unters Volk!"

Und Paulus ist sich auch der Tatsache bewusst und fokussiert sich auch darauf, dass er geliebt ist. Nicht nur von Gott, sondern auch von seinen Geschwistern. Und wie wichtig muss das sein, wenn man im Gefängnis ist? Zu wissen, dass man nicht allein gelassen ist, nicht ausgestoßen und ausgesondert aus der Gesellschaft, sondern dass hier Menschen sind, die sich nicht nur um mich kümmern, sondern die mich lieben, die zu mir stehen. 

Und, last but not least, Paulus schaut auf die Zukunft. Er schaut auf den Himmel. Er schaut auf das, was einmal sein wird, auch wenn er es noch nicht greifen und noch nicht sehen kann. Übrigens ein ganz guter Tipp auch für uns hin und wieder in unserem Leben. Vor allem wenn's dicke kommt. Sich daran zu erinnern, noch mal nachzulesen in Offenbarung 21, was wirklich alles auf uns wartet! Wir kennen diesen Vers. Ich weiß jetzt nicht mehr genau, wo er steht. Ich glaube, im ersten Korintherbrief. Dass unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, mit nichts zu vergleichen ist. [Erst recht nicht] mit der über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit, die im Himmel auf uns wartet. Dieser Zeit Leiden sind leicht. Das also finde ich manchmal sehr schwer nachzusprechen, weil wenn ich mir anschaue, was passiert auf diesem Planeten, dann kann ich nur schwer sagen, dass das leicht ist. Aber was Paulus auch an der Stelle sagen will: Wenn wir das, was wir hier schon als so schwer empfinden, vergleichen mit dem, was an Herrlichkeit einmal kommt, dann wäre das das Gleiche, wie wenn ich das Gewicht einer Feder vergliche mit dem Gewicht des Mount Everest, oder vom ganzen Mond.

Könnt ihr euch das vorstellen? Was das für ein Unterschied ist? Und das ist das, was auf uns wartet! Und so blickt Paulus auch auf seine Zukunft; auf den Himmel. Ja, er leidet. Ja, er ist eingesperrt. Ja, er liegt im Kerker. Er liegt in Ketten. Aber er konzentriert sich nicht darauf, sondern er konzentriert sich auf die vielen guten Dinge, die um ihn herum geschehen. Und letzten Endes blickt er auch auf Christus, blickt auf den Himmel und auf das, was noch kommt.

Und er blickt auch auf die Gebete seiner Geschwister. Wie muss das sein, wenn ich im Gefängnis bin? Na ja, mir versucht, es vorzustellen. Das, was mich wirklich trösten würde, das wäre wirklich, dass ich weiß, dass es Menschen gibt, die mich lieben. Und dass ich weiß, dass da Menschen sind, die für mich beten, weil ich dann weiß, ich bin nicht allein.

Paulus weiß auch noch um das Wichtigste. Nämlich, dass ihm der Geist Gottes in seiner Not beisteht. Und auf den Aspekt, wie all dieses "sich fokussieren und konzentrieren" auch etwas mit Gott zu tun hat und mit seinem Wirken durch das Wirken seines Geistes, da möchte ich zum Schluss noch mal drauf zurückkommen.

Ich denke, Gott möchte uns mit diesem Text zeigen, wie wir mit der Wirklichkeit umgehen können. Wir können uns auf das Negative konzentrieren. Können wir! Oder wir können uns auf das Positive konzentrieren. Und natürlich ist das eine Entscheidung: Wo ich hinschaue. Es ist meine Entscheidung, wo ich hinschaue. Und es ist deine Entscheidung, wo du hinschaust.

Was hat das Thema „Blickwinkel“ mit Dir zu tun? – Wie soll das gehen?

Und ich denke, es ist auch klar, dass es einen Unterschied macht, wo ich hinschaue. Wenn ich mich immer nur auf das Negative konzentriere, dann muss ich mich nicht wundern, wenn ich müde werde und traurig und hoffnungslos und deprimiert. Vielleicht sogar mitleidig - selbstmitleidig -, bitter und verzweifelt. Weil ich Gott in meinem Elend und in der in dem Elend der Welt oder in meinem eigenen Leben eben nicht mehr erkenne. Obwohl er vielleicht wie in der Geschichte vom Nasruddin direkt vor meiner Nase ist.

Wenn ich mich aber auf das Gute konzentriere, wird etwas anderes passieren. Dann habe ich auf einmal Grund zum Danken. Und wenn ich danken kann, dann habe ich auch Grund zum Loben. Und wenn ich loben kann, dann bin ich unversehens schon in Gottes Gegenwart. Mir ist dazu ein Vers eingefallen aus Psalm 50,23. Und hört da mal genau hin. Dort steht: "Wer Dank opfert, der preiset mich. Und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes." "Da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes!" Im Danken!

Wie gesagt, es ist meine Entscheidung, wo ich hinschaue. Und egal wo ich hinschaue, es wird Auswirkungen auf meinen Glauben haben. Jetzt, denke ich, muss man nur aufpassen, dass das kein Krampf wird, dass ich nicht das Gefühl bekomme, ich muss jetzt dies oder das anschauen. Oder dass ich gar auf den Holzweg komme, dass angeblich jeder "seines eigenen Glückes Schmied" ist. Dass es am Ende doch nur an mir liegt, mich sozusagen selbst zu erlösen. Bei so einer Einstellung: die würde zumindest mich komplett überfordern. Und letzten Endes wäre es Werkgerechtigkeit.

Was kann das Thema „Blickwinkel“ bei uns bewirken?

Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht ums „Machen“? Es steht ja sicherlich nicht ohne Grund in Johannes 15,5 "Ohne mich könnt ihr nichts tun." Ohne Gott können wir nichts tun. Vielleicht geht es ja gar nicht darum, krampfhaft etwas zu erzwingen. Vielleicht geht es ja um Gnade. Vielleicht geht es vielmehr darum, sich über etwas zu freuen, was längst da ist. Nichts, was ich machen muss. Über etwas, was immer da ist.

Ich muss hier Denken an Gottes Schöpfung. Und egal, ob es der Sternenhimmel ist, den ich sehr liebe, weil er mir die unendliche Weite des Kosmos vor Augen führt und damit auch die unendliche Größe Gottes, oder ob das Blumen sind oder Hummeln; ich liebe Hummeln! Ob es die Sonne ist? Der Schnee? Ob das Zwitschern der Vögel? In Gottes Schöpfung gibt es so viel, was einfach nur schön ist.

Aber auch, was in der Schöpfung passiert. Bei mir ist es Musik. Ich liebe schöne Musik. Ein Essen mit Freunden. Ein Geschenk erhalten. Ein Kinderlachen. Und vielleicht geht es auch darum, in all dem, was da ist - was längst da ist - wo ich nichts dazu tun muss, auch wieder ganz neu einen Blick zu gewinnen für Gott. Für den, der alles gemacht hat. Und nicht nur für den, der alles gemacht hat, sondern auch für den, der uns erlöst hat, nachdem wir ihm im Paradies versucht haben, die Herrschaft über unser Leben aus der Hand zu reißen. Vielleicht können wir über das, was längst da ist, einen Blick zurück gewinnen auf Gott. Vielleicht genauso (und den Gedanken habe ich bei C.S. Lewis geklaut), vielleicht genauso, wie man entlang an einem Sonnenstrahl den Weg zurückfindet zur Sonne. Und dann auf Gott schauen kann, auf seine unendliche Liebe, auf seine Gnade. Auf seine Treue, auf seine Geduld. Auf sein unfassbares Werk am Kreuz. Für seine Freundlichkeit. Für seine Demut. Übrigens auch Psalmen zu lesen, kann sehr dabei helfen, den Blick zurück zu gewinnen auf Gott.

Wir können also über das, was da ist. Zurückschauen und zurückblicken auf den, der immer da ist. Wir müssen nur hinschauen. Jesus hat gesagt Ich bin immer bei euch. Jeden Tag. Bis an das Ende der Welt. Auch wenn du ihn nicht siehst. Auch wenn du ihn nicht fühlst, auch wenn du vor lauter Schmuggelware die Esel nicht mehr erkennst. Und wenn du auf Christus schaust? Dann macht das etwas mit dir. Und zwar wie ich finde, etwas hammermäßiges. Im 2. Korinther 3,18 - der entwickelt sich mehr und mehr zu einem meiner Lieblingsverse - da steht: "Wir alle sehen Christus mit unverhülltem Gesicht." Wir sehen ihn, Christus, mit unverhüllten Gesicht; "die Herrlichkeit Gottes wie in einem Spiegel." Und dabei, bei diesem Anblicken von Christus mit unverhüllten Gesicht, beim Anblick seiner Herrlichkeit werden wir selbst in das Spiegelbild verwandelt, und bekommen mehr und mehr Anteil an der göttlichen Herrlichkeit. Dann steht da extra noch dabei: "Das bewirkt der Herr durch seinen Geist." Ich habe euch ja versprochen, dass ich diesen Kreis noch schließe. Das heißt, wenn ich über die Dinge, die da sind, den Blick zurück gewinne auf Gott, wie durch den Sonnenstrahl, den Blick zurück auf die Sonne, und ihn dann anschau' in seiner Herrlichkeit, dann verändert mich das. Dann bekomme ich Anteil an dieser Herrlichkeit, und da muss ich nichts machen. Das bewirkt der Herr durch seinen Geist.

Das heißt, wenn ich Gottes Wesen anschaue, seine Eigenschaften mir bewusst mache... Mir ist es letztens so gegangen: ich habe die Textstelle gelesen mit der Fußwaschung. Und da ist mir das... - ich meine, mir geht es wie euch: Ich lese seit über 35 Jahren, lese ich in der Bibel, und immer wieder passiert es mal, dass du so einen Text liest und dir dann ist, wie wenn dir einer das vor den Kopf gehauen hat, als ob du den heute zum ersten Mal liest -: Jesus wäscht den Jüngern die Füße. Gott wird Mensch. Der heilige, allmächtige, ewige Gott wird Mensch. Und wäscht Sündern die Füße. Es hat mich umgehauen: So ist Gott!

Und dieses Wesentliche im Anschauen seiner Herrlichkeit, dieses "uns verwandeln", das macht auch er. Kann man übrigens auch in Philipper 2, Vers 13 nachlesen. Dort steht es so: "Ihr könnt es. Denn Gott selbst bewirkt in euch nicht nur das Wollen, sondern auch das Vollbringen, so wie es ihm gefällt." Wenn ich mich also auf das Gute konzentriere, und über das Gute auf Jesus, auf sein Kreuz, auf seine Liebe, auf seine Gnade, dann werde ich nicht nur ein anderer Mensch, ich werde Jesus ähnlicher! Und diese Veränderung, die muss sich nicht krampfhaft machen. Sie ist ein Geschenk von Gott.

Und dann habe ich mir unten drunter geschrieben als Frage: 

"Wäre das nicht was?"

Amen.

Sonntag, 20. Februar 2022

"Wenn die Liebe immer reicher wird..." (Philipper 1,9-11)



Was mir zum Thema 'Liebe' wichtig ist

Guten Morgen, ihr Lieben. Unser Thema heute heißt ja, wenn die Liebe immer reicher wird und bei der Liebe geht es, wer hätte das gedacht, hauptsächlich um unser Verhalten, nicht um unsere Gefühle. Und bei unserem Verhalten, hauptsächlich weil die Liebe sich ja nicht mit sich selbst beschäftigt, sondern mit dem Gegenüber, um die Frage "Wie gehe ich mit meinem Mitmenschen um?" Und ich habe mir gedacht zum Einstieg bringe ich euch mal zwei Beispiele mit aus meinem Leben, wie es nicht geht und wie es geht.

Ich erinnere mich noch gut. Es war um 1991 herum (habe ich glaube ich schon mal erzählt), da hatte ich schwerste Depressionen, hatte Angstzustände, Panikattacken, habe nächtelang nicht geschlafen, also wirklich nicht geschlafen (da kommt man in so einen ganz seltsamen Zustand) und wusste eigentlich gar nicht mehr ein und aus. Das einzige, was ich wirklich brauchte, war Hilfe. Auf der anderen Seite, wenn man eine Depression hat, ist man überhaupt nicht mehr in der Lage selber einen Beitrag zu leisten. Also wenn mich jemand damals gefragt hat, wie spät es ist, habe ich mir gedacht "Wie kann der dir so eine Frage stellen? Begreift er nicht, was das für ein Akt ist, das abzulesen und dann auch noch einen Satz zu sprechen?" Es war einfach zu viel. Und das ist kein Witz. Also die Uhrzeit abzulesen war zu viel. Ja, und in dieser Zeit hätte ich sehr gebraucht, dass jemand mir hilft, jemand sich mir zuwendet, hätte mir Geborgenheit gewünscht.

Und dann hatten wir einen Bruder bei uns in der Gemeinde, der war außergewöhnlich intelligent, außergewöhnlich gebildet. Also der hat mit Leuten wie Karl Barth und Sören Kierkegaard nur so um sich geschmissen. Und der hat mich in dieser Zeit mit Briefen, die er mir in die Klinik geschrieben hat (ich war drei Monate in der Nervenklinik), also er hat mir Briefe geschrieben, und hat mich mit Worten regelrecht seziert. Der hat mich in Stücke geschnitten und auseinandergenommen. Und man muss jetzt fairerweise sagen, der Anlass, den er gesehen hat, war sicherlich richtig. Und es war sicherlich auch die richtige Richtung, die er sich gewünscht hätte. Er hat mir gesagt "Du sollst Gott gehorsam sein." Und dieses Thema hat er mir mit jedem nur denkbaren Argument in meine Seele gebrannt. Aber die Art und Weise, wie er das gemacht hat, die hat am Ende bei mir zu unglaublich viel Schmerzen und Verzweiflung geführt. Und eins weiß ich heute: So geht es ganz bestimmt nicht.

Und als Kontrast Erinnerung aus der gleichen Zeit, kurz bevor ich in die Klinik gekommen bin: Erinnerungen an die Seelsorge bei Thomas Mayer. Damals waren wir noch in der Gemeinde in Erding am Wasserturm, ich weiß nicht, wer von euch die noch kennt und oben über der Gemeinde hat der Thomas seine Wohnung gehabt mit der Irmi. Die Kathi war geradezu zur Welt gekommen. Das war noch ein Strops und ich war genau so, wie ich das eben beschrieben habe, am Boden zerstört, voller Ängste, depressiv. Und wir sind immer bei Thomas im Büro gesessen und er hat zugehört. Er war zugewandt, er war liebevoll, er war geduldig. Thomas eben. Und das Ergebnis davon war Ich glaube, der Thomas ist der einzige von zwei Menschen, für die ich jemals ein Lied geschrieben habe, weil ich so dankbar war, so glücklich darüber war, dass da ein Mensch war, wo ich sein konnte, wo ich mein Herz ausschütten können konnte und der einfach für mich da war.


Inwiefern betrifft mich das?

Jetzt könnte man natürlich fragen Ja, das ist jetzt schön für dich. Aber inwiefern betrifft mich das? Ich denke, wir leben in einer Zeit von Kontroversen. Wir leben in einer Zeit nicht nur von so internationalen Konflikten wie jetzt Russland, Ukraine. Ich denke, auch in den USA und auch in Europa und in Deutschland wird die Welt immer polarer; immer mehr schwarz und weiß; immer mehr vereinfachend. Und es gibt einen immer größeren Graben zwischen den Parteien. Und ich glaube, das, was wie ein Stück weit verlernt haben als Gesellschaft ist die Fähigkeit zu einem wertschätzenden Dialog.

Und ich glaube, dass sich so etwas bemerkbar macht auch in unseren Gesprächen, in unseren Gesprächen mit unserer Familie, mit Freunden, mit Kollegen, mit Bekannten, vielleicht auch mit Fremden. Und auf der anderen Seite mal abgesehen von diesen Gräben, von diesem Schwarz und Weiß, von diesem einander nicht mehr verstehen oder einander nicht mehr zuhören - oder einfach auch mal so eine Plakette draufkleben, so "Ich weiß, du bist ein Depp, dann brauche ich mich mit der ja nicht mehr auseinanderzusetzen - glaube ich auch, dass wir in einer Zeit leben, die uns emotional sehr viel abverlangt. Bei manchen macht sich das bemerkbar als Einsamkeit: nicht mehr rauskommen aus der Bude. Oder auch als Not, weil man nicht mehr rauskommt aus der Bude und sich gegenseitig den ganzen Tag lang auf der Pelle hockt. Bei manchem macht sich das bemerkbar in Form von Unsicherheit. Wie lange wird das noch so gehen? Bei manchen vielleicht sogar als Trostlosigkeit oder als Depression, weil man sagt Jetzt geht das schon Jahre so. Ich habe Angst, das hört gar nicht mehr auf.

Kurz gesagt: Ich glaube, dass es Herausforderungen und Nöte allerorten gibt und genügend Bedarf, wo man mit anpacken kann. Und wenn ich jetzt mal von der Welt und vom persönlichen Leben in den Gemeindekontext gehe, dann würde ich mal behaupten: so wie wir hier sitzen, glauben wir zwar alle an den gleichen Gott, aber ich glaube nicht, dass wir alle gleich sind, sondern wir kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen; wir kommen aus ganz unterschiedlichen Prägungen; wir sind verschieden. Gott sei Dank. Aber ich glaube auch, dass diese Verschiedenheit auch Herausforderungen mit sich bringt.

Und da kann man natürlich schon mal fragen "Wie gehe ich jetzt damit um?" Wie gehe ich zum Beispiel mit Meinungsverschiedenheiten um? Das sagt mir jemand etwas, wo ich sage "Das sehe ich jetzt aber mal komplett anders. Das tut mir wirklich leid, aber das sehe ich anders." Wie gehe ich damit um? Da gibt es ja mehrere Möglichkeiten. Ich kann den anderen - das war früher meine Strategie - ich kann Leute tot quatschen und zwar so lange, bis die aufgeben und sagen "Es hat keinen Wert, der hört mir nicht zu." Ich kann dir auch einfach ignorieren, kann sagen "Ja. Depp! Brauche ich nicht hinzuhören." Problem gelöst. Ja oder ich kann es prinzipiell ignorieren. Kann sagen, es geht mich gar nichts an. Oder wie gehe ich mit Nöten um? Da kann ich auch den Kopf in den Sand stecken und sagen irgendjemand wird sich schon kümmern? Ich kann mein Gegenüber auch einfach in eine Schublade stecken, das ist auch sehr einfach. Also ich glaube, es gibt tausend Arten und Weisen, wie man es falsch machen kann.

Ich glaube aber auch, dass es eine andere Art gibt, nämlich zu sagen: das ist jetzt vielleicht schwierig; das ist jetzt vielleicht herausfordernd - entweder weil der andere eine Position vertritt, die ich nicht habe, oder weil der andere in einer Not ist, die wirklich Arbeit erfordern würde - wo ich sage: Das ist mein Bruder, das ist meine Schwester oder das ist mein Mitmensch, der braucht Hilfe. Und mir dann Mühe gebe, mich da hineinzuversetzen. Mal zu fragen wie "Wie kommst du zu so einer Ansicht?" Oder "Wie geht es dir in dieser Situation?" Um mich zu fragen "Was kann ich jetzt Gutes sagen?" Oder "Wo kann ich ganz praktisch helfen?"

Ich hab mir da noch ein Buch aufgeschrieben. Also, wenn sich jemand dafür interessiert, wie man gute Gespräche führt, kann er sich nachher bei mir eine Buchempfehlung abholen von jemandem, der am Massachusetts Institute of Technology ein Buch geschrieben hat mit dem Thema "Theory U". Da geht es insbesondere darum, dass wir sehr oft, wenn wir in Gesprächen sind, auf eine Art und Weise zuhören, die er 'downloading' nennt. 'Downloading' ist das, was wir "links rein, rechts raus" nennen: "Kenne ich schon." "Ja, ja, ja, kenne ich schon." Und was er in dem Buch beschreibt, ist wie Wie kann man wirklich auf eine Art und Weise zuhören, dass etwas Neues entsteht? Kann man, kann man nachher drüber reden.


Was hat Gott uns zu diesem Thema zu sagen?

Ich möchte uns jetzt erst mal fragen, was hat Gott denn zu diesem Thema zu sagen? In unserem heutigen Text, Philipper 1 Vers 9-11 steht (und es ist der Paulus, der da betet) "Ich bete zu Gott, dass eure Liebe immer reicher wird an Einsicht und Verständnis. Dann könnt ihr in jeder Lage entscheiden, was das Rechte ist und werdet an dem Tag, an dem Christus Gericht hält, rein und ohne Fehler dastehen. Reich an guten Taten, die Jesus Christus zum Ruhm und zur Ehre Gottes durch euch gewirkt hat."

Und ich habe da jetzt mit Absicht ein paar Wörter fett markiert, weil ich zu diesen Wörtern ein bisschen was sagen will. Und ich fange nicht mit dem ersten an. Lasst euch nicht ablenken. Das mit ich bete kommt schon noch. Das zentrale Thema von diesem Text ist die Liebe. Und "Das zentrale Thema dieses Textes ist Die Liebe" heißt nicht nur, dass das zentrale Thema von diesem Text ist, sondern das zentrale Thema dieses Universums ist die Liebe. Die Liebe ist das größte Gebot, das wissen wir alle. Jesus hat uns gesagt "Liebe den Herrn, deinen Gott von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand. Das ist das größte und wichtigste Gebot. Aber gleich wichtig ist ein zweites: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. In diesen beiden Geboten ist alles zusammengefasst, was das Gesetz und die Propheten fordern."

Jetzt könnte man sich ganz blöd stellen. Das habe ich mal getan in der Vorbereitung und habe mich gefragt Was ist das denn? Liebe? Wichtig ist ja, wenn man über ein Thema ins Gespräch kommt, das man am Anfang mal die Begriffe klarstellt, weil sonst würde ich zum zum Joi sagen: "Ich gehe auf die Bank." Und der wird sagen "Super, dann bringt er mir endlich die 50 Euro mit, die ich ihm geliehen habe." Und alles was ich ihm sagen wollte ist: "Ich gehe in den Park. Ich geh' auf die Bank. Ich wollte mich mal ein Stündchen hinlegen." Also es ist schon wichtig, dass man vorher mal definiert, worum geht es denn hier eigentlich? Und wenn man jetzt fragt "Was ist Liebe?" Dann kriegt man sehr unterschiedliche Antworten. Das sagt viel über das Weltbild eines Menschen. Wenn man fragt "Was ist Liebe?" Bei sehr vielen kommt dann eine von Film und Fernsehen und von unserer Popkultur inspirierte Antwort. Da geht es dann um Emotionen, Romantik oder Sex. Meine Definition von Liebe ist. Ich werde die zwei Mal vorlesen, weil der Satz ein bisschen lang geraten ist: "Liebe ist das unerschütterliche und selbstvergessene Streben, für den Mitmenschen stets das Beste zu wollen und zu tun, ja, sich im Notfall sogar für ihn hinzugeben." Und wir haben ja heute auch Abendmahl, denkt dabei gerne mal an Christus, denkt an Jesus am Kreuz. Ich lese es noch mal: "Liebe ist das unerschütterliche und selbstvergessene Streben, für den Mitmenschen stets das Beste zu wollen und zu tun, ja, sich im Notfall sogar für ihn hinzugeben." Das ist Liebe. Liebe hat etwas mit Entscheidungen zu tun, nicht nur mit Gefühlen. Liebe hat etwas mit Taten zu tun, nicht nur mit Romantik und Emotionen.

Und diese Liebe, um die es da geht, die soll immer reicher werden. Das ist das, was der Paulus sich wünscht. Das Wort, was da im Griechischen steht, bedeutet so viel wie überfließen. Also wenn ich jetzt so eine Teetasse habe und ich die Stadt hier rein und hier rein und irgendwann ist die voll und irgendwann fließt die über. Wie soll ein Wasserfall? Das heißt, diese Liebe soll immer noch mehr werden. Einer der Ausleger, die ich im Vorfeld studiert hab, Robertson, der sagt Das, was Gott sich wünscht oder was Paulus sich an der Stelle wünscht, ist eine immerwährende Flut von Liebe. Die immer noch zunimmt.

Und jetzt redet Paulus da in diesem Zusammenhang von Einsicht und Verständnis. Wo man dann denkt "Tja!" Wenn man jetzt so eine romantische Vorstellung von Liebe hat, wird man sagen "Was hat jetzt Einsicht und Verständnis mit Liebe zu tun, bitte?" Aber wenn man weiß: bei der Liebe geht es um Hingabe, da geht es um den anderen, da geht es um Aktivität. Dann ist es vielleicht schon ganz wichtig, Einsicht und Verständnis zu haben, um in jeder Situation zu wissen, was das Rechte ist. 

Und ich denke, bei der Einsicht und bei dem praktischen Verständnis, da geht es um zwei Aspekte. Das eine ist, grundsätzlich einmal zu wissen, was Gott eigentlich möchte. Ein kleiner Tipp: Meistens ist 'Liebe' die richtige Antwort - und ich meine das wirklich ernst: Wenn ich in irgendeiner Situation bin, wo ich nicht mehr weiter weiß, wo ich auch nicht mehr weiß "Steht da irgendwas dazu in der Bibel? Was mache ich jetzt?", dann weiß ich, dass 'Liebe' auf jeden Fall die richtige Antwort ist. Aber ich denke, es geht auch darum, im Detail und vielleicht ein bisschen "fein ziselierter" - mehr und mehr - zu lernen, was Gott sich eigentlich wünscht. Und dazu müsste ich die Bibel lesen, weil da steht das alles drin im Alten und dem Neuen Testament. Und beim Verständnis glaube ich, geht es darum, auch ganz praktisch im Leben (ich und du, wir sind jetzt in einer Situation: du hast eine Not, ich habe eine Not, wir haben ein Gespräch über ein Thema, wo wir uns nicht einig sind, was es auch ist) und dann ist die Frage "Was ist jetzt dran?"

Erinnert euch an die Geschichte, die ich euch erzählt habe. Der Thomas hat gewusst, was dran ist. Der hätte sicherlich genauso wie der andere Bruder gesagt Ja, Gehorsam ist wichtig. Natürlich ist es wichtig, aber es ist gerade nicht dran, der kann das jetzt gerade gar nicht, der kann es auch gar nicht frühstücken, das Thema. Was ist dran? Also da eine praktische Weisheit zu entwickeln? Das heißt, ich glaube, dass es darum geht, einen Geschmacks-, Geruchs- und Empfindungssinn zu entwickeln, der sozusagen "gebadet" oder "eingelegt" ist in Gottes Wort, der wirklich durchtränkt ist von Gottes Wort und der dann ganz praktisch in der jeweiligen Situation weiß, was dran ist, was zu tun ist. Das heißt, ich denke, eine der Sachen, um die der Paulus hier betet, ist, dass wir geistlich sehen und fühlen und schmecken und hören lernen. Das heißt, es geht nicht darum, sich von der eigenen Emotionalität in der Situation (egal ob man jetzt sauer ist oder begeistert) von der eigenen Erkenntnis wegreißen zu lassen wie ein Blatt im Wasserfall. Das heißt, es geht nicht um blinden Eifer oder um Aktionismus, sondern um Einfühlungsvermögen. Darum, dem Gegenüber von Herzen zugewandt zu sein. Da wo er in Not ist oder auch da, wo ich mit ihm im Konflikt bin. Von Herzen zugewandt bleiben.

Und wenn ich dem Paulus so zuhöre beim Beten, dann merke ich, er hat ein Ziel. Er sagt Diese Einsicht, dieses Verständnis, die haben kein Selbstzweck, sondern die sollen dazu dienen, ein einziges Ziel zu erreichen. Nämlich reich an guten Taten zu werden. Das heißt reich an Aktionen, die meinen Mitmenschen wirklich nützen. Handlungen, die so wohltuend sind, dass sie deswegen vielleicht sogar Gott loben; oder ein Lied schreiben. Das heißt, es geht nicht um selbstgefällige, hochmütige und übergestülpte Erkenntnis. Das war der andere Bruder. Er hatte sicherlich inhaltlich recht. Aber das war mit Gewalt. Erkenntnis, das steht schon im ersten Korinther 13, Erkenntnis ohne Liebe ist wertlos. Es bringt nichts, wenn du die ganze Bibel auswendig kannst und Leute damit erschlagen kannst. Wenn du keine Liebe hast, dann bist du nichts. Und es geht auch nicht um viele schöne Worte. Das lesen wir schon im Jakobusbrief. Von Worten wird keiner satt. Ihr erkennt diese Stelle: "Geht hin sehr wärmt euch, sättigt euch und Gott soll euch segnen. Tschüss! Ist nicht mein Problem." Von schönen Worten allein wird man nicht satt. Sondern es geht vielmehr um die Frage Was braucht mein Gegenüber? Womit kann ich helfen? Wie kann ich Gutes tun? Einer der Ausleger, die ich auch lese, wenn ich Predigten vorbereite, nicht immer, aber ab und zu ist der gute alte Adolf Schlatter - ich weiß nicht, wer von euch den noch kennt - und der bringt Sachen manchmal wirklich schön auf den Punkt. Er hat das in diesem Fall so getan: Er hat gesagt "Das Mittel, durch das die Liebe zunimmt, ist die Erkenntnis, die mit deutlicher Beobachtung sieht, was unsere Hilfe und Arbeit in Anspruch nimmt." "Das Mittel, durch das die Liebe zunimmt, ist die Erkenntnis, die mit deutlicher Beobachtung sieht, was unsere Hilfe und Arbeit in Anspruch nimmt."


Was hat das Thema 'Liebe' mit Dir zu tun?

Nach allem, was wir bis jetzt gesehen und gehört haben, könnte man natürlich fragen Was hat es mit mir zu tun? Ich möchte, das etwas persönlicher fragen. Wie gehst du damit um? Wie gehst du mit der Not deiner Mitmenschen um? In deiner Familie? In deiner Ehe? In deinen Freundschaften? Am Arbeitsplatz? Oder ganz einfach im alltäglichen Leben? Wie gehst du um mit Konflikten? In der Familie? In der Ehe? In Freundschaften? Steckst du den Kopf in den Sand? Nach dem Motto: "Irgendjemand wird sich schon kümmern." Oder er schlägst du dein Gegenüber mit Worten? Oder brichst du einfach den Dialog ab? Oder ignorierst du einfach die Not?

Oder fühlst du dich eher ein, versuchst dein Gegenüber zu verstehen? Und fragst dich Was kann ich jetzt Gutes antworten? Was kann ich jetzt Gutes tun? Wie kann ich ganz praktisch eine Hilfe sein? Oder noch mal anders gefragt: Hinterfrag' mal deine Motive. Was treibt dich eigentlich im Tiefsten an in solchen schwierigen Situationen; in Not oder im Konflikt? Ist es Selbstschutz? Nach dem Motto" Hauptsache ich kriege nix ab!" Oder ist es eine Art von überheblicher Selbstgerechtigkeit oder Selbstgefälligkeit? So nach dem Motto "Ich habe sowieso recht! Die anderen sind alle Deppen. Das werde ich denen schon zeigen. Oder ist es Faulheit? "Da müsste man schon was tun. Aber es ist gerade so schön bequem hier." Oder es ist echte Liebe? Barmherzigkeit? Mitgefühl? Hilfsbereitschaft? Oder in einer Frage zusammengefasst "Bist du für deinen Mitmenschen da? Auch wenn's eng wird, bist du für deinen Mitmenschen da?"

Kann sein, dass du dir jetzt denkst "Na ja, es ist schon richtig, was du sagst, aber wie soll das gehen? Ich krieg es halt nicht besser hin!" Und falls es dir so geht, dann habe ich gute Nachrichten. Weil wenn man ganz genau hinschaut am Anfang von diesem Text, da schreibt der Paulus "Ich bete zu Gott. Dass eure Liebe immer reicher wird." Der sagt nicht "Jetzt strengt euch aber mal an!" "Jetzt gebt euch aber mal Mühe!" "Jetzt reißt euch aber mal zusammen!" Sondern er sagt "Ich bete zu Gott." Er weiß ganz genau, wo die Liebe herkommt. Die kommt nicht aus unserem Anstrengen. Paulus weiß ganz genau Hiebe kann man nicht "machen". Liebe ist ein Geschenk. Oder noch deutlicher 1. Johannes 4,16. Gott ist Liebe. Einer der kürzesten Sätze in der Bibel. "Gott ist Liebe." Und Gott kann man ganz bestimmt nicht machen. Aber Gott kann man einladen in sein Leben. Gott kann sich schenken,

Gott kann in dir und durch dich wirken, wenn du ihn lässt. Und genau das sehen wir am Ende vom Text. Da steht etwas über die guten Taten, nämlich dass Jesus Christus sie gewirkt hat. Es geht hier also nicht um deine Leistung. Es geht nicht um deine Kraft. Sondern es geht darum - und das denke ich ist eine Erkenntnis, an der muss ich mein Leben lang lernen, mein Leben lang - Christus lebt in uns! Ihr Lieben! Haben wir den Ansatz einer Ahnung, was das bedeutet? Er hat uns das versprochen. Er hat gesagt Wenn ihr mich liebt, dann werden mein Vater und ich, wir werden bei euch Wohnung machen. Oder an anderer Stelle sagt er "Ihr seid ein Tempel des Heiligen Geistes." Gott wohnt in uns! Die Frage ist nicht, ob er da ist. Er hat gesagt "Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." Die Frage ist auch nicht, ob er in gewissen Situationen die Macht oder die Weisheit hat, was zu tun. Die hat er ganz sicher. Die Frage ist, ob wir ihn lassen. Erlauben wir ihm das? Uns zu gebrauchen? Oder ist unser Eigenwille stärker? Es geht darum, dass Christus in uns wohnt. Und es geht darum, dass er in uns und durch uns wirken will.

Das beste Buch, was ich zu dem Thema jemals gelesen habe, der das wirklich rüberbringt, so dass man es verstehen kann (ok, da fällt mir noch ein zweites ein: Major Ian Thomas von den Fackelträgern, der hat es auch begriffen: "Christus in euch: Die Hoffnung der Herrlichkeit."), das ist Martin Schleske, einer der weltbesten Geigenbauer. Er hat ein Buch geschrieben, das heißt "Der Klang". Und oberflächlich geht es in dem Buch darum, wie man eine Geige baut. Von der Auswahl des Holzes im Wald, über das Trocknen und so weiter, bis am Ende eine Geige da ist. Aber er benutzt das Buch auch auf einer tieferen Ebene, um zu beschreiben, wie Gott letzten Endes uns auserwählt. Wie er uns zubereitet. Weil er am Ende durch unsere Herzen die Melodie der Liebe in dieser Welt spielen will. Martin Schleske: "Der Klang. Das heißt, Gott will gar nicht, dass du etwas machst. Gott möchte, dass du dich ihm zur Verfügung stellst. Weil er weiß das ganz genau, er hat uns das selber gesagt Johannes 15,5 "Ohne mich könnt ihr nichts tun." Nicht wenig. Nichts.

Jetzt kann man fragen "Wie soll das gehen: sich zur Verfügung stellen?" Oder noch konkreter: Was kannst du tun, damit Gottes Liebe in dir immer reicher wird? Dass Gott seine Liebe in dir wachsen lässt? Oder wie Paulus das am Anfang von unserem Text betet "Ich bete zu Gott. Dass eure Liebe immer reicher wird." Oder in Epheser 3,19 betet er was ähnliches. "Dass ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt." Weil genau das ist es nämlich, was unsere Liebe entfacht. Ich weiß nicht wie es euch geht. Aber das was mich bewegt ist, wenn ich ans Kreuz schaue. Dass der allmächtige Gott des Universums überhaupt auf diesen kaputten Planeten kommt, das wäre schon genug gewesen. Und ihr könnt froh sein, dass ich nicht Gott bin, weil ich hätte den ganzen Laden aufgeräumt, hätte gesagt jetzt reichts mir. Was ihr hier treibt, das ist nicht zum Aushalten. Gott sei Dank ist Gott nicht so, sondern er geht ans Kreuz und bezahlt unsere Schuld. Stirbt an unserer Stelle. Und daran erinnern wir uns immer wieder; auch heute im Abendmahl. Und diese Liebe, das ist das, was zweite Korinther 3,18 steht: "Von uns allen wurde der Schleier weggenommen, so dass wir die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel sehen können. Und der Geist des Herrn wirkt in uns, dass wir ihm immer ähnlicher werden und immer stärker seine Herrlichkeit widerspiegeln." Der Geist des Herrn wirkt das, wenn wir Christus anschauen. Wenn wir sehen, wie er uns liebt. Das ist das, was unsere Herzen bewegt und verändert.

Was kann ich also tun, was kannst du tun? Als allererstes kannst du beten, weil alles in Gottes Reich beginnt mit Gebet. Du kannst beten, dass Gott dir Weisheit gibt, Einsicht und Verständnis. Und er hat versprochen, dass er "jedermann gern gibt und niemanden schimpft". Du kannst die Bibel lesen. Da steht etliches drin. Zum Beispiel in den Sprüchen ganz praktische Ratschläge fürs Leben. So nach dem Motto "Wenn du dich bei einem Hohen an einen Tisch setzt, dann bedenke, was du sagst." Ganz praktische Ratschläge. Oder wenn du mit Menschen zu tun hast, die Trost brauchen. Lies Psalmen. Lies dir vielleicht sogar zusammen. Es gibt unglaublich schöne Psalmen, wo Trostworte drin sind. Auch in einigen der Propheten: Jesaja; Jeremia. Niemand kann so trösten wie Gott. Und natürlich ganz allgemein über die ganze Bibel verteilt finden wir das, was Gott am Herzen liegt. Und noch mal: im Zweifel ist es immer die Liebe.

Und natürlich kannst du auch auf dich selber achtgeben. Aufmerksam sein. Wie verhältst du dich in herausfordernden Situationen? Sei offen! Versuch' zu verstehen; versetze dich hinein in dein Gegenüber. Was bewegt deinen Mitmenschen? Warum denkt und handelt oder redet er gerade so, wie er es tut und nicht anders? Warum? Was ist deinem Mitmenschen wichtig? Wo sitzt eigentlich die Not? Oder wo sitzt der Widerspruch? Wie kannst du helfen? Vor allem aber, damit es kein Krampf wird: Sich hingegeben - Gott hingegeben - durch sein Leben bewegen. Lebe hingegeben. Lass dich von Gott zum Gutes tun gebrauchen. Eins von den Bildern, was der Martin Schleske in seinem Buch gebraucht - ich kriegt das nicht mehr genau auf die Reihe; sinngemäß ist das so - wie der Künstler eine seiner Geigen nimmt und darauf ein ein wunderschönes Violinkonzert spielt: die Geige, die ist nur da. Die lässt sich vom Künstler gebrauchen. Und so möchte Gott, der selber die Liebe ist, dich gebrauchen als sein Instrument. Um seine Symphonie der Liebe in das Leben deiner Mitmenschen hinein klingen zu lassen. Stell dich Gott zur Verfügung. Lass ihn machen. Ich möchte es noch mal mit den Worten aus dem Römerbrief zusammenfassen Römer 12,1 "Weil ihr Gottes reiche Barmherzigkeit erfahren habt, fordere ich euch auf, liebe Brüder, liebe Schwestern, Euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung zu stellen. Seit ein lebendiges Opfer, das Gott dargebracht wird und ihm gefällt. Auf diese Weise zu dienen, das ist der wahre Gottesdienst und die angemessene Antwort auf seine Liebe."


Wie wäre das?

Stellt euch das mal vor, was das bewirken würde. Was wäre das für ein Zeugnis? In deiner Ehe. In deinen Freundschaften. In deinen Beziehungen, an deinem Arbeitsplatz. Was wäre das für ein Zeugnis für uns als Gemeinde hier in Hadern? Wie viel heiler würden unsere Beziehungen werden? Wie viel Freude und Licht würde das in unsere Umwelt bringen? Und wie wäre das - versuch' dir das mal vorzustellen, wie wäre das - wenn jedermann erkennen würde, dass du ein Jünger Jesu bist, weil sie deine Liebe spüren. Das ist nämlich genau das, was Jesus gesagt hat "An eurer Liebe werden sie erkennen, dass ihr meine Jünger seid." Wie würdest du dann wohl wahrgenommen werden?


Ich möchte für uns alle zum Abschluss beten; ihr könnt sitzen bleiben, aufstehen, wie es euch recht ist:

"HERR, ich bitte dich, schenk uns dieses hingegebene Herz. Dieses hingegebene Herz, das dich und unsere Mitmenschen mit Haut und Haaren liebt. Auch wenn es herausfordernd wird; auch wenn es eng wird. Nicht verkrampft und nicht aus unserer Kraft. Sondern allein in deiner Kraft und durch deinen Geist. Damit die Welt erkennt, dass wir deine Kinder sind. Amen."