Von Keith A. Mathison - Übersetzung
aus dem Amerikanischen von Michael Künnemann
Ich wurde von der Wahrheit
reformierter Theologie überzeugt während ich das Dallas Theological Seminary
besuchte – die Flaggschiff-Institution dispensationaler Theologie. Einige
meiner Mitstudenten beschuldigten mich des Abfalls, als sie herausfanden dass
ich den Dispensationalismus abgelehnt hatte. Nachdem ich meine fünf
Punkte-Calvinisten-Uniform angelegt hatte, nahm ich denjenigen gegenüber,
die dem Dispensationalismus verpflichtet blieben, eine Haltung an, die
bevormundend und herablassend war. Spott wurde eine Hauptwaffe in meinem
Arsenal. Bei meiner Ankunft am Reformed Theological Seminary landete ich
sogleich inmitten von Debatten zwischen Studenten über Themen die mir nicht
geläufig waren – Debatten über Theonomie, apologetische Methodologie und
weitere – und die in Dallas nicht an der Tagesordnung waren. Ich war nicht in
der Lage, viel zu solchen Diskussionen beizutragen und doch fuhr ich in meinem Spott
der Dispensationalisten fort.
Ich war im was Michael Horton das
"Käfigstadium" nennt – jenen Zeitraum, während dessen ein frisch zur
reformierten Theologie Konvertierter in einen Käfig eingesperrt werden sollte;
zu seinem eigenen Besten und dem Besten der Anderen um ihn herum. Während des
"Käfigstadiums" ist der reformierte Anfänger-Konvertit oft ärgerlich,
dass ihm die Lehre der Gnade nicht eher vermittelt wurde. Er kann sich der
Tradition gegenüber, aus der er kam, besonders giftig verhalten, und wehe denen,
die in dieser Tradition bleiben (ob Dispensationalismus oder etwas anderes).
Sie werden oft als intellektuell unterlegen angesehen, weil sie nicht in der
Lage sind, die einfache Wahrheit der Schrift zu sehen, welche der
Mega-Hirn-Calvinist sieht. Sie werden zur Zielscheibe des Spotts und das Ziel
von Sarkasmus und Hohn. Der Grad der Arroganz und des Stolzes, das man während
des Käfigstadiums erreichen kann, ist kaum zu begreifen und schrecklich
anzusehen.
Ich weiß nicht ob John Newton
etwas Vergleichbares wie das "Käfigstadium" durchgemacht hat, nachdem
er zu Christus kam. Was ich weiß ist, dass sein Brief "Über den
Streit" ["On
Controversy", Anm. d. ÜS.] mir geholfen hat zu sehen, was ich getan
hatte. Newton schrieb diesen Brief an einen Mitpfarrer der gerade plante, die
Feder gegen einen anderen Pfarrer zu erheben, den er im Irrtum glaubte. Das ist
manchmal notwendig, doch Newton gibt uns einige weise Ratschläge, wie man es anstellen
sollte. In seinem Brief gibt er seinem Freund den Rat über drei Dinge
nachzudenken: seinen Gegner, seine Zuhörerschaft und sich selbst. In diesem
Artikel werden wir betrachten, wie wir im Streit über unsere Gegner zu denken haben.
Newton beginnt diesen Abschnitt seines Briefes mit einem sehr weisen Ratschlag;
er schreibt:
Was deinen Gegner angeht so wünschte ich,
dass, bevor du die Feder gegen ihn zu Papier bringst und während der ganzen
Zeit in der du deine Antwort vorbereitest, du ihn in ernsthaftem Gebet der
Lehre und dem Segen des Herrn anbefehlen mögest. Diese Übung wird eine unmittelbare
Tendenz haben, dein Herz zu versöhnen, ihn zu lieben und sich seiner zu
erbarmen; und solch eine Verfassung wird einen guten Einfluss auf jede Seite
haben, die du schreibst.
Haben Sie jemals daran gedacht
für die zu beten, mit denen sie in irgendeiner Art von Streit verwickelt sind?
Es scheint offensichtlich, doch wir neigen dazu, uns in der Hitze des Gefechts
so zu verfangen, dass wir leicht vergessen es zu tun. Wir betrachten unseren
theologischen Gegner in der Weise wie ein Soldat einen gegnerischen
Kombattanten betrachtet – als jemanden, der zu zerstören ist, bevor er uns
zerstört. Auf diese Weise degenerieren theologische Debatten in calvinistischen
Kreisen manchmal in das verbale Äquivalent der World Wrestling Federation. Hätten
wir für die zu beten, mit denen wir Streitgespräche führen, wir wären weniger zu
Zorn und Arglist Ihnen gegenüber geneigt.
Dann erläutert Newton dass wir
daran denken sollten, ob unser Gegner ein Gläubiger ist oder nicht.
Wenn du ihn als Gläubigen ansiehst, wenn auch höchst irrend bezüglich des zwischen Euch [stehenden] Diskussionsthemas, so sind die Worte Davids an Joab bezüglich Absalom sehr treffend: „Verfahrt mir schonend mit meinem Sohn Absalom!“ Der Herr liebt ihn und hat Geduld mit ihm; darum darfst Du ihn nicht geringschätzen oder ihn grob behandeln. Der Herr hat in gleicher Weise Geduld mit Dir und erwartet, dass Du Anderen Zartheit zeigst angesichts der vielen Vergebung die Du selber brauchst. In einer kleinen Weile wirst Du ihn im Himmel treffen; dann wird er Dir teurer sein, als es der engste Freund, den Du auf Erden hast, jetzt ist. Sieh diesen Zeitraum in Deinen Gedanken voraus; und obwohl Du es erforderlich finden magst, Dich seinen Fehlern entgegenzusetzen, betrachte ihn persönlich als eine verwandte Seele, mit der Du in Christus ewig glücklich sein sollst.
Wie oft vergessen wir das.
Wie oft vergessen wir, Brüder in
Christus wie Brüder in Christus zu behandeln – jene, die der Vater liebt und
jene mit denen wir die Ewigkeit im neuen Himmel und der neuen Erde teilen
werden.
Auf der anderen Seite, wenn wir
unseren Gegner als einen Ungläubigen ansehen, sollten wir daran erinnert werden:
„das hätte auch mir passieren können“. Gott hätte eher dessen Augen öffnen
können, als unsere. Wir müssen demütig bleiben. Wir müssen uns daran erinnern,
dass auch wir von Gott entfremdet waren. Auch wir waren Feinde des Herrn. Unser
Gebet in diesem Fall sollte für seine Bekehrung sein und wir haben vorsichtig
zu sein, dass wir nichts tun, was unnötige Stolpersteine in seinen Weg legt.
Wir sollten in der Hoffnung sprechen oder handeln, dass unsere Worte von Gott
benutzt werden, um diesen Menschen zum Glauben und zur Buße zu bringen.
Newtons Brief ermutigt uns,
unseren Gegner im Streit so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden
wollen würden; und wenn wir alle etwas nicht leiden können, ist es, falsch
dargestellt oder verleumdet zu werden. Wir müssen darum jede Anstrengung
unternehmen, die Ansicht unseres Gegners akkurat wiederzugeben. Auch wenn
Newton sich nicht explizit mit diesem Thema beschäftigt, ist es doch in seinen
Worten impliziert.
Das neunte Gebot verbietet uns,
unserem Nächsten durch Lügen zu schaden (2Mo 20:16). Diejenigen, die Christus
folgen, haben nicht falsches Zeugnis gegen andere Menschen – theologische Gegner
oder sonst wen – abzulegen (2Mo 23:1, 3Mo 19:11.14.16). Die Position eines
Gegners inmitten einer theologischen Kontroverse falsch darzustellen, heißt, die
Person zu verleumden und Verleumdung ist ein Beispiel der üblen Verwendung von
Worten und Sprache (Jak 4:11).
Die Ansicht jener, mit denen wir nicht
einig sind, falsch darzustellen ist nicht nur unlauter, es ist sinnlos. Wir
müssen uns bemühen, die Ansichten unserer Gegner ehrlich darzustellen. Einen
Strohmann zu verdreschen ist eine sinnlose Übung und lässt uns dabei töricht
aussehen. Man kann einen Gegner nicht vom Fehler seiner Ansicht überzeugen,
wenn man gegen eine Ansicht argumentiert, die dieser Gegner gar nicht vertritt.
Lasst uns denn danach streben, in
Meinungsverschiedenheiten unseres Gegners zu gedenken. Lasst uns daran denken,
für ihn zu beten, behutsam mit ihm umzugehen und uns mit dem höchsten Maßstab der
Aufrichtigkeit mit ihm zu beschäftigen.
Dr. Keith A. Mathison ist Mitherausgeber des Tabletalk Magazins,
Dekan und Professor an der Ligonier
Academy of Biblical and Theological Studies und Autor des Buches From
Age to Age: The Unfolding of Biblical Eschatology.