Sonntag, 3. November 2019

„Reinheit und Gott schauen“ (Matthäus 5,8)

[Predigt als MP3]

Einleitung

Seit geraumer Zeit kämpfe ich mit Gott an einer bestimmten Stelle in meinem Leben. Ich sehne mich nach Seiner spürbaren Nähe, danach, Ihm zu begegnen. Ich bete, lese Bücher, ich ringe mit ihm, wie Jakob am Jabbok: "Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!" (1Mo 32,27). Und nichts passiert. Gestern morgen habe ich mich dann hingesetzt und mir die vielen guten Gedanken, die mir in den letzten Wochen und Monaten dazu gekommen sind mal nieder geschrieben, in der Hoffnung, dass sich die Puzzleteile zu einem Ganzen zu einer Lösung zusammensetzen. Hier ist, was dabei herausgekommen ist:

1. Mein Zustand: Ich bin freudlos: unglücklich, leer und lustlos im Glauben und bedrückt, zerquält und innerlich zerrissen im Hinblick auf das intensive Gebet zu Gott und die Begegnung mit ihm: auf der einen Seite lese ich Bücher über Bücher über das Innere Gebet - und auf der anderen Seite „fliehe ich vor Seinem Angesicht“. Drücke mich vor dem Gebet und sehne mich doch gleichzeitig nach Seiner herrlichen Gegenwart, die ich schon so oft als über alle Maßen heilbringend und glückseligmachend erfahren habe. Und so suche ich schon lange nach einer Lösung für dieses Dilemma und habe erkannt:

2. Mögliche Ursachen: Als mögliche Ursachen sind mir bisher Stolz und Angst in den Sinn gekommen: ich kann es zwar noch nicht greifen, aber die Ursache hat scheinbar irgend etwas mit Stolz (der Kardinal-Sünde) zu tun: dass ich mit Gott diskutiere, Ihm vorschreiben will, was Er zu tun und zu lassen hat; Ihn nicht als Gott verehre und anbete sondern statt dessen rebelliere. Und die Ursache hat scheinbar auch etwas mit Angst und Sorge zu tun (mit einer tiefen Lebenswunde): mit meinem schiefen Gottesbild; von einem Gott der mich unterbuttern will, mich zwingen will zu tun, was Er mir  vorschreibt - der mich gar nicht wirklich liebt, sondern dem mein Leiden schnurzpiepegal ist (wieso ändert Er sonst nichts an diesem unerträglichen Zustand?).

3. Die Lösung: Die Lösung, soweit meine Gedanken bisher, hat irgendwas mit Gnade zu tun: sie liegt nicht darin, dass ich mich mühe und abstrample. Auch die Nähe zu Gott ist Gnade, Er lässt sich nicht herbeizwingen; Er, der Souverän des Alls, offenbart sich wann und wem will. Mit meiner Anstrengung kann ich Ihn, den verborgenen Gott, den ganz und gar Unendlichen, ohnehin nicht erreichen. Auch die von Ihm geforderte, absolute! Heiligkeit, werde ich nie aus eigener Kraft zustande bringen.

4. Fazit: Als Fazit habe ich dann die folgenden Worte aufgeschrieben: "Erlösung und Ergebung": Er muss es tun. Er allein. Ohne meine Hilfe; ohne meinen Krampf und mein Abstrampeln. Trotz meiner Rebellion. Trotz meiner Flucht. Trotz meines schiefen Bildes von Ihm. Trotz meiner schiefen und Seine Majestät beleidigenden Gedanken über Ihn. Ich muss mich Ihm ergeben: Ihn Gott sein lassen. Ihm, wie Hiob (nach langem Kampf und Leiden), das Recht einräumen, Gott zu sein: das Recht zu haben, auch über meine Freude und mein Leiden wirklich HERR zu sein.

Als das dann so dastand, kam mir der Gedanke: Aber genau das hat Er doch schon getan! Genau das: mich erlöst! Mich freigesprochen von meiner Schuld. Trotz meiner Rebellion. Trotz meines Rumstrampelns: Römer 5:8+9 steht „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wieviel mehr werden wir nun durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind!“ oder wie Jesus es gesagt hat: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Joh 15:3-5)

Das durchzubuchstabieren und zu erkennen wird wohl in den kommenden Wochen, Monaten und vielleicht auch Jahren meine Aufgabe sein - denn ich lerne in der Tiefe leider sehr langsam.  Und als ich mir das alles dann gestern morgen noch mal durchgelesen hatte, kam mir die Erkenntnis: "Das hat wohl eine ganze Menge mit dem Vers zu tun, um den es in dieser Predigt geht." Und habe mich entschlossen, es – auch, wenn es einen recht tiefen Einblick gibt – als Einleitung zu nehmen.  Ich hoffe ja immer noch, es bleibt unter uns?


Inhalt

Unseren Text heute – Matthäus 5,8 – also aus den Seligpreisungen – habe ich unter die Überschrift gestellt: „Reinheit und Gott schauen“. Eigentlich war ich das gar nicht, sondern Wolfgang, aber das weiß er wahrscheinlich selber noch gar nicht. Aber ich finde es gut so! 

Also – worum wird es heute gehen? 

  • Zum Ersten möchte ich mit uns den Text lesen und dann mit uns betrachten:
  • Was ist eigentlich die zentrale Sehnsucht unseres Textes (die Gottesschau) – und wo liegt das größte Hindernis? 
  • Was ist – wenn man das Hindernis etwas genauer unter die Lupe nimmt – eigentlich die Wurzel des Übels?
  • Und letztlich: wie werden wir dieses Übel los – GRUNDLEGEND und IMMER WIEDER?

Und ganz zum Schluss möchte ich uns 4 Fragen mit auf den Weg geben von denen ich hoffe, dass sie uns darin helfen, wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen.

Nun also zuerst zu unserem Text:


Unser Text

„Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5,8)

In der 6. Seligpreisung – am Beginn der Bergpredigt – lesen wir: 

"Selig sind, 

die reinen Herzens sind; 

denn sie werden 

Gott schauen." 

Wie wir sehen werden, berührt dieser Text gleich zwei Aspekte unserer Gemeindevision, nämlich: „Gott begegnen“ und „Leben teilen“.

Doch der Reihe nach:


Sehnsucht & Hindernis

Es geht in unserem heutigen Vers also zentral um dieses eine Thema: die Reinheit des Herzens. Und um die Verheißung, die darauf liegt: "Gott zu schauen". Wie ich Euch ja gerade eben schon gebeichtet habe, hat diese Verheißung einen zentralen Platz in meinem Glaubensleben: Nicht nur ist sie mir am Anfang meines Glaubenslebens gleich 3x hintereinander und völlig unabhängig von einander von 3 verschiedenen Personen (ich meine: prophetisch) zugesagt worden "Du wirst die Herrlichkeit Gottes sehen!" - sie ist auch das zentralste Element in meinem inneren Erleben: nichts auf der ganzen Welt ersehne ich mir mehr, als Gott nahe zu sein, in Seiner Liebe und Gnade geborgen zu sein - und die Fähigkeit zu erlangen, Ihn in gebührender Weise zurück zu lieben: zu sehen, zu greifen, zu begreifen, was das bedeutet: dass Er gut ist – und dass Er mich wirklich liebt.

Wahrscheinlich geht es mit dem „am liebsten schon im Himmel sein wollen“ allen gesunden Christen so. Auch Paulus hat das ja mal sehr schön auf den Punkt gebracht, als er schrieb: "[...] wir [...] wissen: Solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und begehren sehr, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn." (2Kor 5,6-8) und an anderer Stelle noch deutlicher "Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre; aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben um euretwillen. " (Phil 1:23-24)  Ich für meinen Teil kann Paulus nur allzu gut verstehen. Und bitte, ohne dass ihr mich hier falsch versteht: ich weiß nicht, warum so viele Leute unbedingt steinalt werden wollen. Ja ich kenne Geschwister, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich gehen zu dürfen - weil sie wissen, was sie erwartet: die Schau Gottes in Herrlichkeit.

Aber was ist denn dann das Problem? Wir können Gott doch schon hier begegnen - um nur einmal die 3 prominentesten Wege zu nennen:

1. in Seinem Wort (Joh 5:39) – Jesus sagt: „Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind's, die von mir zeugen; [...]“

2. in Seiner Natur (Rö 1:19+20) – wie Paulus sagt: „Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken [...]“

3. in Christus, Seinem Sohn (2Kor 4:4, Joh 14:9) – Paulus schreibt hier von der „Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes“ und Johannes zitiert Jesus als er sagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ 

Natürlich: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; [...] Jetzt erkenne ich stückweise" (1Kor 13,12) - aber dann kommt der Himmel. Und auf den muss ich noch warten. Also habe ich Sehnsucht danach. Und Sehnsucht zu haben, ist ja doch nichts Schlimmes? 

Das ist wohl war. Das Schlimme ist auch vielmehr, dass dieser Vers auch in seinem ersten Teil das sagt, was er sagt - nämlich: "Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen." Aber wer von uns ist das denn bitteschön? Irgend welche Meldungen? Irgend jemand hier mit einem absolut reinen Herzen? Aber es kommt noch schlimmer: es gibt auch einen Kehrvers zu Matthäus 5 Vers 8 - und zwar im Hebräerbrief. Dort steht: "Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird [...]" (Hebr 12,14) Ohne Heiligung - ohne ein reines Herz werde ich also Gott niemals sehen.

Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, stelle ich bei all meinem Bemühen um ein reines Herz dann auch noch fest: ich kann mir nicht selber helfen. Mir geht es, wie Paulus in Römer 7,14-24: "ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. [...] Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. [...] Mir, der ich das Gute tun will, hängt das Böse an. Denn ich habe Freude an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Verstand und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes? "

Die von Gott geforderte Reinheit des Herzens kann ich also gar nicht selber „machen“. Das ist das Problem. Und ohne diese Reinheit werde ich niemals an den Ort kommen, den ich mir ersehne: die Herrlichkeit Gottes, Seine liebende und mich bergende Gegenwart. --- Alles klar?!


Die Wurzel des Übels

Bevor wir uns mit der Lösung dieses Problems befassen, lasst uns noch einmal etwas genauer hinschauen, was genau das Problem eigentlich ist. Was genau ist Reinheit?! Was ist das für eine Reinheit, von der Jesus in unserem Vers redet? Ganz sicher ist es keine äußere Reinheit: sonst würde er die Pharisäer nicht so schimpfen: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln außen reinigt, innen aber sind sie voller Raub und Gier! Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch das Äußere rein werde! Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von außen hübsch scheinen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! So auch ihr: Von außen scheint ihr vor den Menschen gerecht, aber innen seid ihr voller Heuchelei und missachtet das Gesetz.“ (Mt 23:25-28) Darum sagt Jesus auch in Mt 15,19 „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung.“ Wovon Jesus also redet, ist die Reinheit des Herzens. Eine Reinheit des Charakters, der Motive, der Gedanken. Eine Reinheit, die, wie ein guter Baum, gar nicht anders kann, als gute Früchte zu bringen.

Wenn Reinheit des Herzens also Tugend bedeutet, was ist dann ihr Gegenteil? Ich denke, die Unreinheit des Herzens manifestiert sich in eigentlich einer Grundsünde, die viele Facetten hat: dem Hochmut. Der Hochmut. Er ist am einfachsten erkennbar an den Lebenshaltungen, die er hervorruft: Rebellion, Ungehorsam, Unglaube & Sorgen oder Werkgerechtigkeit.

  • Rebellion: Ich alleine weiß was Recht ist. Besser noch, als Gott. Niemand hat das besser auf den Punkt gebracht, als Hiob: "Ach dass ich wüsste, wie ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen Mund mit Beweisen füllen und erfahren die Reden, die er mir antworten, und vernehmen, was er mir sagen würde. Würde er mit großer Macht mit mir rechten? Nein, er selbst würde achthaben auf mich. Dort würde ein Redlicher mit ihm rechten, und für immer würde ich entrinnen meinem Richter!" (Hiob 23,3-7) HÖRT IHR DEN HOCHMUT? "Und Hiob fuhr fort mit seinem Spruch und sprach: So wahr Gott lebt, der mir mein Recht verweigert, und der Allmächtige, der meine Seele betrübt – solange noch mein Odem in mir ist und der Hauch von Gott in meiner Nase –: [...] An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht [...]" (Hiob 27,1-6) Hiobs Position ist: Ich alleine bin im Recht, wenn ich mit Gott zürne. Und Er ist im Unrecht. Er soll schweigen und ich will reden. Dann werden wir schon sehen, wer Recht hat. Das ist der Hochmut in Reinkultur.

  • Ungehorsam: Ich weiß, was gut, ja besser ist - besser als Gott. "Ja, sollte Gott gesagt haben [...]?" (1Mo 3,1). Mir ist es egal was Gott sagt. Ob es das große Doppelgebot der Liebe ist - oder ob es die 10 Gebote sind (die Eltern ehren, nicht lügen, nicht stehlen, nicht Ehebrechen, nicht begehren, nicht gierig sein): ich weiß es besser und gehe meiner eigenen Wege. Aus dieser Haltung folgen alle Tatsünden. Und ihr Ursprung liegt im Hochmut. In der Rebellion.

  • Werkgerechtigkeit: Ich brauche Gottes Gnade nicht. Ich kann Erlösung besser als Er. Ich mühe mich und quäle mich Tag für Tag vergeblich. Weil ich Ihm etwas von Wert bringen will. Nicht meine Sünden. Etwas, wofür ich mich rühmen kann vor Ihm. Mein Werk. Meine Leistung. Ich mache mich gerecht: ich biete Gott meine eigene Heiligkeit an. 

  • Unglaube & Sorgen: Ich weiß besser als Gott, wie diese Welt funktioniert. Ich weiß es besser, als Sein Wort; als Seine Verheißung. Ich sehe doch, wie die Welt ist. Ich glaube nicht, dass Gott mir helfen wird. Ich kann mir selber besser helfen, als Er. Lieber Sorge ich mich, zermartere mir das Hirn, wie ich die Klippen meines Lebens alleine umschiffe. Ich schlage Seine nach mir ausgestreckte Hand aus. Ich schlage Sein Angebot, dass Er für mich sorgen wird, in den Wind.

Natürlich haben wir nicht nur eigene Sünde. Auch andere sind an uns schuldig geworden. Viele der Dinge, die in unseren Herzen schief laufen, haben ihren Grund in teilweise jahrzehntealten Wunden, die andere uns geschlagen haben. Unsere schiefen Bilder von Gott, der Welt und unserem Nächsten haben nur allzu oft ihre Wurzeln in unserer Kindheit oder Jugend. Irgend jemand hat das Porzellan zerschlagen und wir müssen nun mit den Scherben leben. Nicht alle unsere Ängste und Sorgen, Bedrückungen oder Schmerzen sind also auf die Sünde oder den Hochmut zurückzuführen - manche sind einfach nur der Ausdruck einer verletzten Seele. Hier braucht es dann natürlich nicht Umkehr, sondern Heilung. --- Doch auch diese Heilung hat, genau wie die Umkehr von den schiefen Dingen in unseren Herzen, etwas damit zu tun, sich zu ÖFFNEN. Dass wir uns einander anvertrauen, einander unser Herz ausschütten, wie wir später sehen werden.


Zwei Arten von Gnade

Wie also kann dieses Problem gelöst werden? Wie wir gesehen haben, gehören zur Lösung das Ausräumen von Schuld und Sünde, vom Hochmut als der Wurzel alles Übels: von Rebellion, Ungehorsam und Tatsünden, von Selbst- und Werkgerechtigkeit und von Unglauben und Sorgen. Und es gehört dazu das Heilen von Lebenswunden. Vor allem aber haben wir gesehen: die Lösung kommt nicht von uns. Sie kann nicht von uns kommen. Weil wir nicht fähig sind, uns selbst zu retten. Weil wir nicht fähig sind, uns selbst zu heilen.

Was uns rettet ist allein die Gnade Gottes. Was uns rettet, ist Gottes Eingreifen in diese Welt - in unser Leben - und zwar auf zweierlei Weise: Zum Einen: GRUNDLEGEND. Und zum zweiten: ERNEUERND. Was meine ich damit?

Mit GRUNDLEGEND meine ich, das Jesus mit Seinem Tod am Kreuz ein Fundament geschaffen hat, dass niemand mehr umstoßen kann. Er hat mit Seinem Blut für unsere Schuld bezahlt. Ein für alle Mal. Und Gott hat das Opfer Seiner Liebe angenommen: Christus ist von den Toten auferstanden! Und mit Seiner Auferstehung hat Er uns etwas geschenkt, das umso unfasslicher wird, je mehr wir unsere eigenen Herzen erkennen: ER HAT UNS REIN GEMACHT. 

Jesus spricht:

  • „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ (John 15:3)

  • „Christus [hat] die Gemeinde geliebt […] und hat sich selbst für sie dahingegeben, um sie zu heiligen. Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort“ (Eph 5:25+26)

  • „um wie viel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als Opfer ohne Fehl durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott!“ (Heb 9:14)

Rein werden wir also nicht durch eigene Anstrengung (das sind tote Werke), sondern durch das Hören der Guten Nachricht, des Evangeliums, (das ist das Wort Gottes) und durch unsere Umkehr zu Gott im Glauben und durch die Taufe. Die Reinheit des Herzens, nach der wir streben IST UNS GESCHENKT! Wir müssen dazu nichts TUN. Es geht um ein neues SEIN, dass Gott uns schenkt! Es geht nicht um unsere Werke, denn diese Reinheit kann man nicht machen. Man kann sie nur empfangen. 

Diese Reinheit ist nichts anderes, als einfach nur das: das größte Geschenk der Liebe Gottes an uns! "IHR SEID SCHON REIN!" Bitte, ihr Lieben: lasst Euch das bitte mal auf der Zunge zergehen: "DU BIST SCHON REIN!" Das ist Gottes Urteil über Dich, wenn Du an Jesus glaubst - egal, wie unvollkommen Du bist - DAS ist das Evangelium!  Niemals mehr wird der Vater Sein Angesicht vor Dir und Deiner Schuld verbergen müssen. Niemals mehr musst Du den Zorn Gottes über Deiner Schuld fürchten, denn es heißt: "Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn gerettet werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind." (Röm 5,9) „DU  BIST SCHON REIN!“

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Und doch wissen wir: diese uns von Gott geschenkte Reinheit die verdrecken wir nur allzuschnell erneut... Leiden wir nicht genau daran? Dass wir es trotz aller guten Vorsätze keine 5 Minuten schaffen, so rein zu BLEIBEN? Gott weiß das auch. ER wusste es schon vorher. Und darum gibt er uns noch ein Geschenk: Neben dem, dass Er in Christus GRUNDLEGEND in unser Leben eingegriffen hat, schenkt Er uns durch den Heiligen Geist auch eine stets ERNEUERNDE Gnade. Bevor ich Euch von der Art dieser ERNEUERNDEN Gnade erzähle, möchte ich Euch ein Bild mitgeben oder besser gleich zwei: 

Stellt Euch mal vor, ihr seid auf der Autobahn mit 200 Sachen unterwegs. Und jetzt schüttet Euch jemand von einer Brücke einen Eimer Schlamm auf die Scheibe. Was glaubt ihr, wie lange ihr da noch ohne Probleme weiter fahrt? Würdet ihr da nicht auch sofort eine Vollbremsung machen und hoffen, dass ihr die Standspur trefft und erst einmal die Scheiben wieder sauber machen? Schon oder? Mit klaren Scheiben sieht man einfach besser.

Das zweite Bild ist ähnlich aber etwas älter. Zu diesem Thema hat nämlich auch schon einer der Kirchenväter, Origenes (* 185 in Alexandria; † um 254) etwas gesagt. Christiana Reemts, das ist die Äbtissin eines Benediktinerinnen-Klosters in der Nähe von Duisburg hat das in ihrem Buch sehr schön zusammen gefasst (das Buch heißt übrigens ganz treffend: "Gott begegnen: Sieben Wegweiser"). Dort schreibt sie: 

"Origenes lehrt, dass der Mensch neben den leiblichen Sinnen auch geistige Sinne hat, neben den leiblichen Augen, die auf das Sehen körperlicher Dinge eingerichtet sind, auch geistige Augen, die Wahrheit und Liebe sehen. Können wir mit diesen geistigen Augen auch Gott wahrnehmen, kann das jeder Mensch? Ja, aber nur wenn wir, wie Jesus in der Bergpredigt sagt, ein reines Herz haben [...]. Zur Gotteserkenntnis gehört Reinheit des Herzens oder um es mit einem noch altmodischeren Wort zu sagen: Tugend. Nur der tugendhafte Mensch, der Mensch, der frei geworden ist vom ewigen Kreisen um sich selbst, kann Gott begegnen, d.h. er kann wahrnehmen, wenn Gott sich zeigt.

Wie reinigt man sein Herz, wie bekommt man ein reines Herz? Origenes vergleicht die Reinigung des Herzens mit der Reinigung eines Brunnens. Wie ein Brunnen, der mit Erde zugeworfen ist, so ist unser Herz durch irdisches Denken, durch Egoismus und Sünde verstopft und nicht mehr offen für Gott. Erst wenn wir unser Herz reinigen bzw. richtiger: wenn Christus unser Herz reinigt, können wir Gott erkennen. Diese Reinigung geschieht ganz konkret durch das Lesen der Heiligen Schrift. In der Schrift begegnen wir Christus und hören ihn zu uns sprechen. Origenes sagt: „Wenn ihr also das, was ihr heute hört, im Glauben aufnehmt, wirkt er auch in euch und reinigt euer Herz von irdischem Denken. ln der Erkenntnis, dass so große Mysterien in der Heiligen Schrift verborgen sind, wachst ihr in der Einsicht und wachst in geistlichem Verständnis. So werdet ihr auch selbst zu Lehrern, und aus euch werden Ströme lebendigen Wassers hervorquellen (vgl. Joh 4,14). Denn das Wort Gottes ist da und es wirkt jetzt, um aus der Seele eines jeden von euch die Erde wegzuschaffen und deine eigene Quelle aufzugraben.“

So ist es also auch mit unserem Herzen, wie mit dem Brunnen: nur mit einem klaren und reinen Herzen können wir Gott sehen, auf den hin wir leben. Und wenn es verdreckt ist, müssen wir es reinigen. Und zwar so schnell, wie möglich. Von allem Hochmut und aller Sorge. Von aller Rebellion und allem Ungehorsam. Von allem Zweifel und aller Angst. Von allem eigenen Krampf und jedem verzweifelten Versuch, uns selbst zu retten.

Doch, wie soll das gehen? Zum einen, wie Origenes sagt: durch das Lesen der Schrift. In der Eile des Alltags können wir uns allerdings oft nur damit behelfen, ein schnelles Gebet zu Gott zu sprechen und zu sagen, "Es tut mir leid." Und das ist auch gut. Aber es ist bei weitem nicht alles, was wir tun können - und es ist in vielen Fällen auch bei weitem nicht genug. 

Vielleicht mag es reichen, alle 100km mal die Scheibe zu putzen oder alle 500km frisch zu tanken. Aber jedes Auto muss irgendwann auch mal in die Inspektion. Sonst geht es auf Dauer kaputt. 

Und jeder Christ braucht sicher 10 mal am Tag ein kurzes Gebet um Vergebung. Und sicher mindestens 1 mal am Tag einen großen Schluck aus Gottes Wort. Aber wir alle brauchen auch hin und wieder mal mehr: die Möglichkeit, uns einander anzuvertrauen, einander unser Herz ausschütten, einander unsere Schuld zu bekennen oder unsere Nöte.

Früher nannte man dieses Mittel der ERNEUERNDEN Gnade die BEICHTE. Markus hatte in seiner letzten Predigt bereits darauf hingewiesen. Das Problem ist nur: dieses Wort hat leider, wodurch auch immer, einen sehr schalen Beigeschmack erhalten: etwas von Unfreiwilligkeit und Entblößung, etwas, das wir vielleicht im Stillen verbinden mit Erniedrigung und Scham. Eine echte Beichte ist aber genau das Gegenteil: sie ist ein Ort des Vertrauens, der Liebe und der Gnade. Der Offenheit und der Hilfe. Wer das selber schon einmal hat erleben dürfen, wie sehr Gott segnen kann, wenn man sich einem Bruder oder einer Schwester öffnet - und wirklich einmal reinen Tisch macht - Sünden klar beim Namen nennt - und um Vergebung bittet - und dann vom Gegenüber zugesprochen bekommt: "Deine Sünden sind Dir vergeben! Gehe hin in Frieden!" nur der weiß, welche Zentnerlast einem vom Herzen fallen kann. Auch wird nur, wer schon einmal einem Bruder oder einer Schwester sein Leid geklagt hat zu schätzen wissen, was gute Seelsorge eigentlich ist: sein ganzes Herz auszuschütten und dann erleben dürfen, wie Liebe da ist und Weisheit und Sanftmut und Fürsorge und guter Rat. Dass das wohltuender ist, als 100 Kuren an der See oder in den Bergen.

Und weil das so ist - weil das wirklich so ist - darum schreibt der Apostel Jakobus: "Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist." (Jak 5,16) (2x!) --- IHR LIEBEN! --- Manche Schuld wird erst von uns weichen, wenn wir bereit sind, unserem Stolz Lebewohl zu sagen und uns einem Bruder oder einer Schwester anvertrauen, wie es der Apostel Jakobus uns rät. Und manche Last wird uns erst von den Schultern genommen werden können, wenn wir den Mut aufbringen, uns einander zu öffnen und miteinander zu beten - für das was uns WIRKLICH bewegt. --- Wenn wir das jedoch tun, dann wird Gott die Erde aus unserem Brunnen entfernen und wir kommen ans klare Wasser. Und damit zu einer neuen und tieferen Gottes-Erkenntnis.

So wird aus der GRUNDLEGENDEN Gnade der ERLÖSUNG und der daraus wachsenden Erkenntnis Gottes und aus der ERNEUERNDEN Gnade der BEICHTE ein Kreislauf der Gottes- und Selbsterkenntnis: Je reiner mein Herz wird, um so besser erkenne ich Gott. Und um so besser erkenne ich mich - IN SEINEM LICHT - wiederum selber. Erst erkenne ich Gott vielleicht "wie in einem dunklen Bild" - dann immer mehr und mehr - und einmal dann in der Herrlichkeit, wenn wir Ihn sehen werden "wie Er ist" (1Jo 3,2; Offb 22,4). 

Das wünsche ich uns allen: Das wir Gottes Angebot annehmen. Dass wir seine GRUNDLEGENDE GNADE ergreifen, die Er uns mit unserer Umkehr zu Ihm anbietet: "DU BIST SCHON REIN!" Und dass wir uns die Worte des Apostels wirklich zu Herzen nehmen, um Anteil zu bekommen an der ERNEUERNDEN Gnade - in dem wir den Mut fassen, uns einem lieben Bruder - einer lieben Schwester ANZUVERTRAUEN. Gott hat es versprochen: "die reinen Herzens sind [...] werden Gott schauen."


Fragen an Dein Herz

Ihr Lieben! Lasst mich das bisher Gesagte in 4 einfache Fragen an Euer Herz formulieren – und bitte: denkt aufrichtig darüber nach: 

  1. Willst Du Gottes Angebot annehmen und rein werden?

  2. Welche Last drückt Dich so schwer, dass Du sie schon so lange nicht alleine los geworden bist?

  3. Zu wem willst Du Dir ein Herz fassen und im Vertrauen aussprechen, was Dich bedrückt?

  4. Wem möchtest Du ein Beistand sein in der Not?


"Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde,
so betrügen wir uns selbst,
und die Wahrheit ist nicht in uns.

Wenn wir aber unsre Sünden bekennen,
so ist er treu und gerecht,
dass er uns die Sünden vergibt
und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit."

(1Jo 1,8-9)