Sonntag, 5. Januar 2014

Von der Versuchung

Das Konzept, welches in der Heiligen Schrift Versuchung nennt, wird oft nur verkürzt wahrgenommen, nämlich im negativen Sinne als ein "in Versuchung führen". Durch diese allein negative Betrachtungsweise geht jedoch einiges von dem verloren, was Gottes Wort über Versuchung lehrt - sowohl, was ihre Natur, als auch was ihren Zweck und damit den rechten Umgang mit ihr betrifft. Dieser Blog-Eintrag will helfen, den Begriff etwas weiter auszuleuchten, in der Hoffnung, der Sache auch etwas Positives abzugewinnen und damit der Schrift treu zu sein. 

Zu diesem Zweck untersucht dieser Blog-Eintrag folgende Aspekte:
  • Bedeutung (Welche Bedeutungen hat der Begriff?)
  • Rahmen (In welchem größeren Rahmen findet Versuchung statt?)
  • Akteure (Wer sind die Akteure in der Versuchung?)
  • Zweck (Was ist der Zweck von Versuchung?)
  • Quelle (Was sind die Quellen von Versuchung?)
  • Vermeidung (Wie vermeidet man Versuchung?)
  • Umgang (Wie geht man mit versuchten Geschwistern um?)
  • Begrenzung (Inwiefern hat Versuchung Grenzen?)

Bedeutung
Eine vollständige Wortanalyse anhand einer Durchsicht des Alten und des Neuen Testamentes findet sich hier. Dabei wurde für den Wortstamm πειρα... (peira...) das Alte Testament in der griechischen Fassung der Septuaginta (LXX) und das Neue Testament durchsucht und alle auf diesem Wortstamm basierenden Einträge katalogisiert. Die Wortbedeutungen im AT und NT umfassen dabei grob drei Bedeutungsräume: einen positiven, eine negativen und einen neutralen.

Positiv
Im positiven Sinne verstanden, bedeutet 'versuchen' soviel, wie 'prüfen', 'erproben', 'auf die Probe stellen', 'mustern', 'untersuchen' oder 'inspizieren'. Es geht also um einen guten Zweck. Nämlich um eine Tätigkeit, die nötig ist, um die Tauglichkeit, Güte oder allgemeine Beschaffenheit von etwas zu ermitteln.

Negativ
Im negativen Sinne verstanden bedeutet 'versuchen' soviel, wie 'herausfordern' oder 'verlocken'. Es geht also um eine Aktion, die geeignet ist, das jeweilige Gegenüber zu einer Aktion zu verleiten, die moralisch nicht in Ordnung ist.

Neutral
Im neutralen Sinne verstanden bedeutet 'versuchen' soviel, wie 'bemühen' oder 'probieren'. Hier geht es also darum, eine Erfahrung zu machen; etwas zu unternehmen, um zu sehen, was am Ende dabei heraus kommt.


Rahmen 
Um den Zweck von Versuchung richtig einordnen zu können, scheint es sinnvoll, zuerst den Rahmen zu ermitteln, in dem Versuchung stattfindet, also die größere Perspektive menschlichen Daseins. 

Aus 1Mo 1,27 wissen wir, dass Gott,  den Menschen zu seinem Bilde schuf und dass der Mensch im Anfang "sehr gut" war (1Mo 1,31). Aus Mk 10,18 wissen wir zudem, dass seit dem Sündenfall niemand gut ist, als Gott allein. Doch genau zu diesem Zwecke wurden wir geschaffen: Gottes [ethisches] Abbild zu sein; und zu diesem Zwecke wurden wir mit der Freiheit ausgestattet, in Liebe zu wählen und zu handeln. Aus Jes 43,7 wissen wir zudem, dass diese Gottähnlichkeit dem Zweck der Ehre Gottes dient. Das also ist das große Ziel der Schöpfung: dass die Ehre Gottes verherrlicht wird - auch durch den Menschen. Aus diesem Grunde ist das große Ziel des Heilsplanes Gottes an uns gefallenen Geschöpfen, diese Ähnlichkeit mit Gott wiederherzustellen. Darum heißt es 2Kor 3,18: "Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild." Und wenn dieser Prozess einmal abgeschlossen sein wird, "werden wir ihm [ethisch] gleich sein" (1Joh 3,2).


Akteure 
Wer ist nun involviert in die Versuchungen, die uns betreffen. Die Heilige Schrift nennt uns drei Akteure:

Gott
An erster Stelle prüft uns Gott, der HERR, unser Schöpfer (im positiven Sinn). Er stellt uns dabei auf die Probe, -nicht um herauszufinden, was Er als der Allwissende (
Ps 139,2ff) ohnehin schon weiß-, sondern um uns selbst die Untiefen unserer Herzen zu offenbaren: "Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der HERR, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeden nach seinem Tun, nach den Früchten seiner Werke" (Jer 17,9). Darum betet auch David: "Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich's meine" (Ps 139,23). Durch unser Geprüftwerden offenbart sich dabei unsere Treue oder aber unsere Sündhaftigkeit.


Menschen 
Eine der Quellen von Versuchung (im negativen Sinn) ist die in uns wohnende Sünde. So schreibt schon Paulus: "Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt." (Röm 7,20). 

Da auch das ganze Weltsystem aus Menschen besteht die unter dem Einfluss Satans stehen (s.u.), ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch 'die Welt' eine Quelle der Versuchung zur Lust (im negativen Sinne) darstellt: "Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt" (1Joh 2,16).

Als Akteur sollte sich der Mensch im Übrigen nie versteigen, Gott auf die Probe stellen zu wollen, wie der Satan es mit Jesus in der Wüste probierte und zur Antwort bekam: "Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mo 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«" (Mt 4,7). Denn ein solcher Versuch, Gott auf die Probe zu stellen, wäre nichts anderers als unverblümter Zweifel, offenbarer Hochmut und offene Rebellion.

Satan 

Als letzter der Akteure sei der Widersacher Gottes genannt. Er ist ein "Mörder von Anfang an" (Joh 8,44) und möchte uns Menschen (im negativen Sinne) versuchen, um uns zu verderben und "geht [dazu] umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge" (1Petr 5,8). Doch ohne es zu wollen, fungiert er dabei als Werkzeug: Ob im Falle Hiobs (Hi 1,6ff) oder im Falle Christi (Mt 4,1) - er will allein zerstören und zu Fall bringen - und doch ist er nichts weiter als ein Werkzeug in Gottes Hand.


Zweck 
Der Zweck der Versuchung ist also die Offenbarung unserer Herzen. Und zwar nicht theoretisch, sondern faktisch und praktisch und ganz real. Und nicht für Gott, der ohnehin schon alles weiß, sondern für uns, die wir mit David beten müssen "Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!" (Ps 19,13).


Quelle
Die Quelle unserer Versuchung (im negativen Sinne) liegt dabei nicht so sehr im Außen, sondern vielmehr im Inneren unseres Wesens. Es sind nicht die (neutralen) Dinge selbst, die uns versuchen, sondern unsere eigenen Lüste, die diese Dinge [auf unrechtmäßige Weise und auf unrechtmäßigem Wege] besitzen wollen. 

Auf gar keinen Fall aber liegt die Quelle unserer Versuchung (im negativen Sinne) in Gott. Denn Jakobus lehrt: "Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand [im negativen Sinne]. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt" (Jak 1,13f).


Vermeidung
Die wesentlichste Regel oder Aktivität zur Vermeidung von Versuchung ist das Gebet, verbunden mit einem wachen Geist, der vor der Versuchung auf der Hut ist. Aus diesem Grunde hat Jesus eindrücklich gelehrt: "Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach." (Mk 14,38).

Mindestens genau so wichtig ist es jedoch, nicht nach Reichtum oder den Dingen der Welt zu streben, sondern der Heiligung nachzujagen (Hebr 12,14). Denn "die Sorgen der Welt und der betrügerische Reichtum und die Begierden nach allem andern dringen ein und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht." (Mk 4,19).



Umgang
Und sollten wir erfahren, dass unser Bruder oder unsere Schwester der Versuchung nicht widerstanden haben, sondern zu Fall gekommen sind, so sollten wir uns den Rat des Paulus zu Herzen nehmen und uns (um der Liebe und damit der Gottähnlichkeit und damit unseres Daseinszweckes willen) mit Sanftmut um unsere Geschwister kümmern - und nicht in belehrendem Hochmut, denn wir wissen nicht, wann wir selbst das nächste mal fallen: "Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest" (Gal 6,1). 

Begrenzung
In aller Versuchung, wie schwer oder lange sie auch sein möge, dürfen wir jedoch dies eine wissen: "Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt" (1Kor 10,13). 

Bittruf angesichts der menschlichen Vergänglichkeit (Ps 39:1-14)

Text

1 Ein Psalm Davids, vorzusingen, für Jedutun. 2 Ich habe mir vorgenommen: Ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge; ich will meinem Mund einen Zaum anlegen, solange ich den Gottlosen vor mir sehen muß. 3 Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muß mein Leid in mich fressen. 4 Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke, brennt es wie Feuer. So rede ich denn mit meiner Zunge: 5 »HERR, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß. 6 Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! SELA. 7 Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird. « 8 Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich. 9 Errette mich aus aller meiner Sünde und laß mich nicht den Narren zum Spott werden. 10 Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn du hast es getan. 11 Wende deine Plage von mir; ich vergehe, weil deine Hand nach mir greift. 12 Wenn du den Menschen züchtigst um der Sünde willen, so verzehrst du seine Schönheit wie Motten ein Kleid. Wie gar nichts sind doch alle Menschen. SELA. 13 Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen; denn ich bin ein Gast bei dir, ein Fremdling wie alle meine Väter. 14 Laß ab von mir, daß ich mich erquicke, ehe ich dahinfahre und nicht mehr bin.


Kommentar

Zusammenfassung

Umgeben von Gottlosen, dichtet David diesen Klagepsalm, in welchem er sich selbst trotz seiner Leiden zum Schweigen verpflichtet. Angesichts seiner eigenen Vergänglichkeit bittet er den Heiligen Gott darin um Einsicht in dessen gutes Ziel und um Dessen Hilfe, Trost und gnädiges Ende seiner Züchtigung zum Guten.

Struktur

1 David überreicht diesen von ihm komponierten Klagepsalm an Jedutun, einen der drei Dirigenten seines königlichen Meisterchores.

2-4 Er beschließt, trotz der dadurch verursachten seelischen Schmerzen, seine Zunge angesichts der Gottlosigkeit um ihn herum, im Zaum zu halten.

5-7 Und er bittet den Ewigen, angesichts der Vergänglichkeit seines kurzen Lebens, um die Einsicht, dass sein Leben -in Gottes Hand- Seinem guten Ziel zustrebt.

8-10 Seinen Trost schöpft David dabei aus Gott allein, den er um Vergebung für Seine Sünde bittet, und angesichts der ewigkeit von Gottes Plan und Tun, sowie der eigenen Nichtigkeit und Vergänglichkeit, um Dessen Hilfe vor dem Gespött der Gottlosen.

11-14 Wohl wissend, dass es Gottes Erziehung ist, die ihm im Leiden widerfährt, bittet David den Ewigen aufgrund seiner geschöpflichen Bedürftigkeit um Trost im Leiden und, um seiner Lebensfreude willen, um die gnädige Beendigung seiner Prüfung.


Inhalt

1 Dieses Lied Davids, dem Inhalt nach ein Klagepsalm, ist einer von drei an den Chormeister und Dirigenten Jedutun gewidmeten Psalmen (Psalmen 39, 62 und 77); je ein weiterer Psalm "für Jedutun" stammt von David, bzw. von Asaph.

Jedutun war, wie auch Asaf und Heman, ein Prophet, der von David und dessen Feldherren für den Gottesdienst ausgesondert worden war. Wie Asaph und Heman, sang er nach Davids Anweisung, zusammen mit seinen von ihm geleiteten Söhnen, zu Saiteninstrumenten und Schellen im zweihundertachtundachtzigköpfigen, königlichen Meisterchor (1Chr 25:1-7).

2-4 David beginnt diesen Psalm mit seinem Entschluss, sich angesichts der Gottlosigkeit um ihn her nicht mit Worten zu versündigen. Aus Psalm 73 wissen wir, wie ihm das gottlose Treiben um ihn her "wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren", ja, dass er sich fühlte, wie "ein Narr und ... wie ein [hilflos leidendes] Tier" (Ps 73,21-22). Und wir wissen, wie hart es ihn angegangen ist, sich nicht zu ereifern über das Prahlen und den Wohlstand der Gottlosen, ja dass ihn sein Zorn beinahe zu Fall gebracht hätte (Ps 73,2-3). Doch David weiß auch, dass Zorn, Grimm und Entrüstung nur Unrecht anrichten (Ps 37,8) und der Mund des Gerechten vielmehr Weisheit redet, und seine Zunge das Recht lehrt (Ps 37,30).

Nicht umsonst schreibt uns viele Jahrhunderte später der Apostel Jakobus "So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet's an! Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unsern Gliedern: sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet. ... aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel, voll tödlichen Giftes" (Jak 3,5-8).

So nimmt denn David all seine Entschlossenheit zusammen und legt seiner Zunge den Zaum an. Wohl hat er das gottlose Treiben noch immer vor Augen, doch entschlossen verstummt er und zwingt sich zu schweigen. Gleichwohl sein Herz schweigt nicht, vielmehr brennt es in ihm vor Leid, wie ein Feuer. Und so muss es hinaus: Einem muss er es klagen, auf dass er nicht innerlich verbrenne:

5-7 Und so betet er zum Ewigen und besinnt sich dabei auf seine Vergänglichkeit. Er bittet den Allmächtigen um Einsicht in die Tatsache, dass auch sein kleines Leben ein Ende haben muss und er von dieser Welt scheiden wird; wohl wissend, dass sein Leben ein gutes Ziel haben wird, denn: "du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an" (Ps 73,24).

Diese Einsicht zu gewinnen bleibt David jedoch nur wenig Zeit und so fleht er zu Gott und erinnert er den Ewigen daran, dass sein Leben vor Seinen Augen nicht länger währt "als ein kurzes Geschwätz" (vgl. Ps 90,9). Und darum drängt er den Herrn der Zeit, zu bedenken, dass Er "weiß, was für ein Gebilde wir sind; ... daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr" (Ps 103:14-16). Und so betet er mit Inbrunst und inniglich mit Mose: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden" (Ps 90,12).

Auch fragt David: "was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?" (Ps 8,5). Und antwortet hierauf gleich zweimal in diesem Psalm: "Wie gar nichts sind doch alle Menschen." (Verse 6 und 12). Selbst ganze Völker sind "geachtet wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waage" (Jes 40,15). Und doch dürfen sie dank Gottes Gnade in selbstvergessener Sicherheit leben. Doch wahr ist auch: "Der Mensch ... lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht" (Hi 14,1-2). Und zu alledem quält sich der Mensch auch rastlos mit der Frage, wer einmal nach ihm kommen wird, denn "es muss ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit, Verstand und Geschicklichkeit mühsam getan hat, es einem andern zum Erbteil überlassen, der sich nicht darum gemüht hat. Das ist auch eitel und ein großes Unglück." (Pred 2,21).

8-10 Angesichts der Gottlosigkeit um ihn her, angesichts des Brennens in seinem Herzen und seiner eigenen Vergänglichkeit fragt er sich nun: "Herr, wessen soll ich mich trösten?" und antwortet sogleich: "Ich hoffe auf dich". David hat es gelernt, dass "wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil" (Ps 73,26). Ja, vielmehr: "wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde." (Ps 73,25). Gott allein, Sein vollkommen gutes Wesen, Sein Plan der Herrlichkeit und Seine gütige, gnädige und barmherzige Fürsorge sind Zeit unseres Lebens unser letzter und oft wohl einziger Trost. Ja, "dem alleinigen Gott, unserm Heiland, sei durch Jesus Christus, unsern Herrn, Ehre und Majestät und Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen" (Jud 25).

Diesem, seinem gnädigen Gott vertraut David seine Bitten an: Er möge ihn aus seiner Sünde erretten und ihn nicht zum Gespött der gottlosen Narren werden lassen. Dem Grund für sein Schweigen -sich nicht zu versündigen- fügt David dabei einen weiteren und weitaus tieferen Grund hinzu: Er hat erkannt, das alles, was geschieht, sei es hell oder dunkel, fried- oder unheilvoll, letztlich Teil des großen göttlichen Plans und Handelns ist (Jes 45,7). Er hat, wie nach ihm Salomon, erkannt, dass "alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll" (Pred 3,14). Und er weiß, dass "was da ist, ist längst mit Namen genannt, und bestimmt ist, was ein Mensch sein wird. Darum kann er nicht hadern mit dem, der ihm zu mächtig ist" (Pred 6,10). Und so beschließt er, wie einst Hiob, "Ich will meine Hand auf meinen Mund legen" (Hi 40,4).

Doch nicht aus resigniertem Fatalismus handelt David, sondern er weiß: Gott tut das Gute und lässt auch das Böse zu, doch Letzteres nur aus einem Grunde: auf dass es denen, die Ihn lieben, zum Besten diene (Rö 8,28). Denn "Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende" (Pred 3,11).

11-14 Und auch angesichts seines Leidens bleibt David nicht tatenlos. Sondern er bittet den Allmächtigen, die Bürde Seiner Last von ihm zu nehmen; wohl wissend: "Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch" (Ps 68,20). So beten auch wir: "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]" (Mt 6,13). David ist klar, dass, auch wenn es äußerlich die Gottlosen zu sein scheinen, die ihn so sehr bedrängen, so dass er zu sterben fürchtet, es letztlich "deine Hand ist und du, HERR, das tust" (Ps 109,27). Ja, die Erziehung Gottes ist zu Zeiten hart, zerstört unsere Freude und damit das Strahlen unseres Antlitzes "wie Motten ein Kleid", "und wenn [die Züchtigung] da ist, scheint [sie] ... nicht Freude, sondern Leid zu sein; danach aber bringt sie als Frucht denen, die dadurch geübt sind, Frieden und Gerechtigkeit." (Hebr 12,11). Denn sie ist nichts weniger, als der Beweis unserer Sohnschaft und der göttlichen Liebe zu uns (Hebr. 12,6+7). Und sie erinnert uns an unsere geschöpfliche Bedürftigkeit und Nichtigkeit: noch einmal sagt David es aus: "Wie gar nichts sind doch alle Menschen" und ruft auch uns mit dem "SELA" zur Besinnung auf.

Gleichwohl lässt er nicht davon ab, Gott weiter zu bestürmen, Er möge doch sein Flehen erhören und seine Trauer nicht mit Schweigen strafen. Demütig anerkennt er die Hoheit Gottes und seine eigene Niedrigkeit und fleht Gott an, daran zu denken, dass er nicht mehr ist als nur ein Gast auf Erden (Heb 11,9.13). Und so bittet er Ihn, unseren wahren Tröster (Jes 51,12), seine Prüfung zu beenden, damit er vor seinem Tode noch einmal die die Freude des irdischen Lebens schmecke.


Praktische Anwendung
  • Trotz der Gottlosigkeit unserer Zeit "Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt" (1Petr 3,9).
  • Bete vielmehr mit David und Christus "In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott" (Ps 31,6).
  • Vor allem aber "Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!" (Phil 4,6).

In schwerer Heimsuchung (Der dritte Bußpsalm) (Ps 38:1-23)

Text

1 Ein Psalm Davids, zum Gedenkopfer. 2 HERR, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm! 3 Denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich. 4 Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe wegen deines Drohens und ist nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Sünde. 5 Denn meine Sünden gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. 6 Meine Wunden stinken und eitern um meiner Torheit willen. 7 Ich gehe krumm und sehr gebückt; den ganzen Tag gehe ich traurig einher. 8 Denn meine Lenden sind ganz verdorrt; es ist nichts Gesundes an meinem Leibe. 9 Ich bin matt geworden und ganz zerschlagen; ich schreie vor Unruhe meines Herzens. 10 Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. 11 Mein Herz erbebt, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist auch dahin. 12 Meine Lieben und Freunde scheuen zurück vor meiner Plage, und meine Nächsten halten sich ferne. 13 Die mir nach dem Leben trachten, stellen mir nach; und die mein Unglück suchen, bereden, wie sie mir schaden; sie sinnen auf Trug den ganzen Tag. 14 Ich bin wie taub und höre nicht, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut. 15 Ich muß sein wie einer, der nicht hört und keine Widerrede in seinem Munde hat. 16 Aber ich harre, HERR, auf dich; du, Herr, mein Gott, wirst erhören. 17 Denn ich denke: Daß sie sich ja nicht über mich freuen! Wenn mein Fuß wankte, würden sie sich hoch rühmen wider mich. 18 Denn ich bin dem Fallen nahe, und mein Schmerz ist immer vor mir. 19 So bekenne ich denn meine Missetat und sorge mich wegen meiner Sünde. 20 Aber meine Feinde leben und sind mächtig; die mich zu Unrecht hassen, derer sind viele. 21 Die mir Gutes mit Bösem vergelten, feinden mich an, weil ich mich an das Gute halte. 22 Verlaß mich nicht, HERR, mein Gott, sei nicht ferne von mir! 23 Eile, mir beizustehen, Herr, du meine Hilfe!


Kommentar

Zusammenfassung

Wegen seiner Sünde von innen und außen - im Gewissen von Gottes Drohen und im Leben von Krankheit und einer ungerechten feindlichen Übermacht - bedrängt, bekennt David Gott seine Sünde und bittet Ihn um Gnade und Seine eilende Hilfe.


Struktur

Abweichend vom Aufbau der Strophen ergibt sich folgende Einteilung aus dem Inhalt:

1 Zweck: Zum Gedenken

2 Erste Bitte an Gott: Bitte um Milde in der Bestrafung:
3-9 Leiden an Leib und Seele aufgrund eigener Sünde und Gottes Drohen

10 Zweite Bitte an Gott: Erinnerung an die eigene Sehnsucht und Trauer:
11-15 Verängstigt, verlassen, angefeindet und wehrlos

16 Aufblick zu Gott: Warten auf den Ewigen und hoffen auf den Herrscher:
17-18 Trotz gegenüber der befürchteten Verspottung der eigenen Agonie

19 Dritte Bitte an Gott: Sündenbekenntnis und Reue (Gram)

20-21 Ungerechtigkeit der feindlichen Übermacht gegenüber dem Rechtschaffenen:
22-23 Vierte und letzte Bitte an Gott: Hilfeschrei um Nähe und Beistand


Inhalt

1 Dieses Lied schrieb David, als er sich von seinen Liebsten, seinen Freunden und seinen Nächsten ganz und gar verlassen sah (V. 12), mit dem Herzenswunsch, nicht auch von Gott noch verlassen zu werden (V. 22). Er schreibt diesen Psalm also zum Gedenken, dass Gott sich seiner erinnere. Luther übersetzt hier "zum Gedenkopfer" und erinnert so an eben den Teil des Speisopfers, der zum Wohlgefallen Gottes dargebracht wurde. Das Gedenkopfer verkörperte die Verbindung von Nachfolge und Freundschaft zwischen Gott und Israel, 3Mo 2:1-2b.9). Die Freundschaft wiederherzustellen sucht David in seiner Bitte um Vergebung für seine Sünden.

2 Das ist Davids erste herzliche Bitte: dass Gott ihn nicht aus den überbordenden Gewalten von Aggression und Wut heraus bestrafen und in Zucht nehmen möge. Vielmehr bittet er darum, dass Gott ihn, bei aller Notwendigkeit von Strafe und Züchtigung angesichts seiner Sünden (V. 4), mit Milde richten möge. Er fleht zu Gott wie der Prophet Habakuk: "Im Zorne denke an Barmherzigkeit!" (Hab 3:2). David kennt das Wesen Gottes und appelliert an Seine Güte und Gnade.

3-9
Den Beweggrund für sein eindringliches Gesuch nennt David sogleich: Er spürt den Biss seines Gewissens wie Pfeile Gottes in sich stecken und fühlt die allmächtige Hand des Allerhöchsten selbst, als die Last seiner Schuld ihn niederdrückt. Und er erkennt, dass der Grund für seine Qual allein in seinen Sünden liegt; in seiner Narrheit, die sich zu Sünden verleiten ließ, die nun wie Meereswogen über seinem Kopf zusammenschlagen und ihn zum Grunde drücken, wie eine allzuschwere Last (vgl. Jon 2:4). Doch nicht nur innerlich leidet David; auch sein ganzer Leib ist, als eine Mahnung Gottes, von den Folgen seiner Sünden und der Last seiner Seele in Mitleidenschaft gezogen. Ganz und gar krank ist sein Körper, bis auf die Knochen. Der üble Geruch des Eiters entzündeter Verletzungen plagt ihn und so schleppt er sich gebeugt und traurig von Tag zu Tag. Kein Flecken seines Körpers ist mehr heil. Wie ausgedörrt von feuriger Glut (Buber: "voller Brands") sind selbst seine Lenden, sonst ein Bild für die Kraft eines Mannes. Müde ist er geworden und matt, erschlagen und mit seinen Kräften völlig am Ende. Und dennoch findet seine Seele, wie ein eingesperrtes und gequältes Tier, keine Ruhe in ihm und so schreit er zu Gott aus der Rastlosigkeit seines sich nach Frieden sehnenden Herzens.

10 In seiner zweiten Bitte an Gott appelliert David an das Allwissen des Ewigen und an Dessen Kenntnis seiner Sehnsucht und Trauer, die er im Folgenden vor Gott ausbreitet.

11-15 David hat Angst; ihm bleibt schier das Herz stehen. Er ist, von seinen seelischen und körperlichen Qualen (Verse 3-9) vollkommen geschwächt, kraftlos und matt. Auch das Licht der Hoffnung erhellt seine Augen nicht mehr mit dem Glanz der Freude. Er ist allein: seine Familie und seine Freunde, ob aus fauler Bequemlichkeit oder ängstlichem Selbstschutz, schrecken vor ihm und seinem Leiden zurück und auch seine Nachbarn halten sich in sicherer Entfernung. In diese bis auf das Äußerste geweitete Bresche der Hilflosigkeit drängen nun auch noch seine Feinde, die es auf sein Leben abgesehen haben. Sie trachten nach Davids Unheil und Tod, verschwören sich miteinander gegen ihn und besprechen seinen Untergang. Sie planen von morgens bis abends Betrug und stellen ihm Fallen. So verängstigt, krank, verlassen und verfolgt, so matt und wehrlos ist David, dass er gar nicht mehr hören will, was seine Widersacher über ihn reden, geschweige denn zu widersprechen. So innerlich und äußerlich bedrängt, ist er gezwungen wegzuhören und den Mund zu halten. Und so erinnert er, trotz des Widerstreits in seinem Herzen, an unseren Herrn, von dem es heißt: "Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf" (Jes 53:7)".

16 Eingesperrt in dieser seelisch und körperlich, innerlich und äußerlich notvollen Situation blickt David sehnsüchtig und doch innerlich voller Vertrauen auf zu Gott und bekennt ihm seinen Willen und seine bereits gelebte Entscheidung: er will ausharren. Nicht einfach nur abwarten, sondern trotz allen Leidens sehnsüchtig und still auf Ihn warten, "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist" (Mi 5:1), "eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war" (Spr 8:23 in Verbindung mit 1Kor 1:30). Auf "das A und das O", auf Den, "der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige" (Offb 1:8). Denn das weiß David in seinem Herzen ganz sicher: Gott, der allein gut ist (Mk 10:18), Er wird sein Gebet erhören.

17-18 Dass Gott sein Gebet erhört, ist David wichtig. Nicht allein angesichts seines Leidens: nein, er will auch nicht erleben, dass seine Feinde, etwa durch sein Einknicken, Grund und Raum hätten, ihn zu verachten und sich stattdessen selbst zu brüsten. Sein Gebet ist ihm ein dringliches Anliegen, denn er spürt wie ihm, von ununterbrochenen Schmerzen geplagt, die Kräfte schwinden und er nur noch eine Handbreit von seinem Sturz entfernt ist.

19 Inmitten dieser Not und wohl auch gerade wegen ihr, geschieht das Wunder der Buße und David spricht: "So bekenne ich nun..." --- "So..."
? --- Ja, "so"! So viel Leid war nötig. So viel Schmerz und Hilflosigkeit. Dann erst, endlich!, bricht und sprudelt es aus David heraus: das offene Bekenntnis seines Vergehens und seine Reue angesichts seiner Verfehlung. Endlich macht sich seine Seele Luft. Gott sei Dank!, der uns erzieht, indem Er uns "verletzt und verbindet" und indem Er uns "zerschlägt und ... heilt" (Hi 5:18). Von ihm singt Paul Gerhardt zu Recht:

Er wird dein Herze lösen
von der so schweren Last,
die du zu keinem Bösen
bisher getragen hast.

20-21 Und doch ist die Situation, in die Gott David gestellt hat, nur Mittel und nicht Zweck oder Ziel. Und so klagt David Gott sein Leid und seine begründete Furcht: seine Widersacher sind nicht allein lebendig, sie sind auch in der Überzahl und groß an Macht. Vor allem aber sind sie ihm grundlos feind. Denn was David gesündigt hat, das hat er an Gott allein gesündigt (Ps 51:6), nicht an ihnen. Ganz im Gegenteil: David tat ihnen nur Gutes, doch sie vergelten ihm dafür Böses. Doch warum? Sie sind aus einem Grund seine Feinde und das Unrecht, das sie tun, hat allein eine Wurzel: weil sie Davids Herzenshaltung nicht ertragen, der sich zum Guten hält und damit - wenn auch unwillentlich - ihre Bosheit entlarvt. Dieses merkwürdige Gesetz der Feindschaft erklärt uns unser Heiland in Joh 3:20: "Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden". Und nicht nur kommen sie, aus Furcht vor der Offenbarung ihrer Schuld, nicht zum Licht, sondern sie unterdrücken die Wahrheit sogar mit Gewalt, so dass Paulus über sie schreiben muss, dass "Gottes Zorn vom Himmel her offenbart [wird] über ... alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten" (Röm 1:18).

22-23 Angesichts dieser feindlichen Übermacht und seines ganz und gar elenden Zustands schreit David seine Not in seiner vierten und letzten Bitte an Gott heraus: er sehnt sich nach Gottes Nähe und fleht darum, dass Gott ihn doch um Himmels willen nicht verlassen möge. ER allein ist doch der Ewige und ist Davids Gott. IHN allein bittet David, ihm zur Seite zu stehen. Und so groß ist der Schmerz in Davids Herzen, dass er Gott anfleht, sich zu eilen, denn er weiß, wie Mose: "Herr, du bist unsre Zuflucht für und für" (Ps 90:1).


Praktische Anwendung
  • Wenn Gott Dich durch innere Not im Gewissen oder auch durch äußere Not in Form von Krankheit oder Anfeindung zur Buße ruft, dann sei "nicht wie Rosse und Maultiere, die ohne Verstand sind, denen man Zaum und Gebiss anlegen muss; sie werden sonst nicht zu dir kommen" (Ps 32:9).
  • Sondern bekenne Gott Deine Sünde sofort. Denn: "Wer seine Sünde leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen" (Spr 28:13).

Das scheinbare Glück der Gottlosen (Ps 37:1-40)

Text

1 Von David. Entrüste dich nicht über die Bösen, sei nicht neidisch auf die Übeltäter. 2 Denn wie das Gras werden sie bald verdorren, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. 3 Hoffe auf den HERRN und tu Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich. 4 Habe deine Lust am HERRN; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. 5 Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen 6 und wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag. 7 Sei stille dem HERRN und warte auf ihn. Entrüste dich nicht über den, dem es gutgeht, der seinen Mutwillen treibt. 8 Steh ab vom Zorn und laß den Grimm, entrüste dich nicht, damit du nicht Unrecht tust. 9 Denn die Bösen werden ausgerottet; die aber des HERRN harren, werden das Land erben. 10 Noch eine kleine Zeit, so ist der Gottlose nicht mehr da; und wenn du nach seiner Stätte siehst, ist er weg. 11 Aber die Elenden werden das Land erben und ihre Freude haben an großem Frieden. 12 Der Gottlose droht dem Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen wider ihn. 13 Aber der Herr lacht seiner; denn er sieht, daß sein Tag kommt. 14 Die Gottlosen ziehen das Schwert und spannen ihren Bogen, daß sie fällen den Elenden und Armen und morden die Frommen. 15 Aber ihr Schwert wird in ihr eigenes Herz dringen, und ihr Bogen wird zerbrechen. 16 Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser als der Überfluß vieler Gottloser. 17 Denn der Gottlosen Arm wird zerbrechen, aber der HERR erhält die Gerechten. 18 Der HERR kennt die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben. 19 Sie werden nicht zuschanden in böser Zeit, und in der Hungersnot werden sie genug haben. 20 Denn die Gottlosen werden umkommen; und die Feinde des HERRN, wenn sie auch sind wie prächtige Auen, werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht. 21 Der Gottlose muß borgen und bezahlt nicht, aber der Gerechte ist barmherzig und kann geben. 22 Denn die Gesegneten des HERRN erben das Land; aber die er verflucht, werden ausgerottet. 23 Von dem HERRN kommt es, wenn eines Mannes Schritte fest werden, und er hat Gefallen an seinem Wege. 24 Fällt er, so stürzt er doch nicht; denn der HERR hält ihn fest an der Hand. 25 Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie den Gerechten verlassen gesehen und seine Kinder um Brot betteln. 26 Er ist allezeit barmherzig und leiht gerne, und sein Geschlecht wird zum Segen sein. 27 Laß ab vom Bösen und tu Gutes, so bleibst du wohnen immerdar. 28 Denn der HERR hat das Recht lieb und verläßt seine Heiligen nicht. Ewiglich werden sie bewahrt, aber das Geschlecht der Gottlosen wird ausgerottet. 29 Die Gerechten werden das Land ererben und darin wohnen allezeit. 30 Der Mund des Gerechten redet Weisheit, und seine Zunge lehrt das Recht. 31 Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen; seine Tritte gleiten nicht. 32 Der Gottlose lauert dem Gerechten auf und gedenkt, ihn zu töten. 33 Aber der HERR läßt ihn nicht in seinen Händen und läßt ihn vor Gericht nicht zum Schuldigen werden. 34 Harre auf den HERRN und halte dich auf seinem Weg, so wird er dich erhöhen, daß du das Land erbest; du wirst es sehen, daß die Gottlosen ausgerottet werden. 35 Ich sah einen Gottlosen, der pochte auf Gewalt und machte sich breit und grünte wie eine Zeder. 36 Dann kam ich wieder vorbei; siehe, da war er dahin. Ich fragte nach ihm; doch ward er nirgends gefunden. 37 Bleibe fromm und halte dich recht; denn einem solchen wird es zuletzt gutgehen. 38 Die Übertreter aber werden miteinander vertilgt, und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet. 39 Aber der HERR hilft den Gerechten, er ist ihre Stärke in der Not. 40 Und der HERR wird ihnen beistehen und sie erretten; er wird sie von den Gottlosen erretten und ihnen helfen; denn sie trauen auf ihn.


Kommentar

Zusammenfassung

In diesem Psalm führt uns David das schwerste Kapitel unseres Glaubens vor Augen: das Leid und der Schmerz und die Ungerechtigkeit in der Welt, die unsere Seele aufwühlen und uns bis zur Verzweiflung an Gottes gutem Wesen oder zur Selbstjustiz und Rache an den Bösen treiben wollen.

Demgegenüber stellt David die Güte, Vorsehung und die Hilfe Gottes, der Seine Kinder auch in Armut, Leid und Not nicht vergisst, sondern sie mit allem Nötigen versorgt. Zudem wird Gott selbst die Bösen zu Seiner Zeit richten und für wahre Gerechtigkeit sorgen.

Weil Gott also Seine Kinder liebt, ihnen hilft und sie versorgt, weil Er selbst sie beschützt und am Ende aller Bosheit der Gottlosen ein Ende machen wird, gibt es keinen Grund zur Verzweiflung oder Selbstjustiz. Darum ermutigt David uns, Gott auch in schweren Zeiten wie Kinder herzlich zu vertrauen und in Demut, Frömmigkeit und Glauben auf Seinem Weg der Gerechtigkeit zu bleiben und weiter voran zu gehen.


Struktur

1-11 Zu Anfang dieses Psalms fasst David alles zusammen: Im Gottvertrauen gegründete Selbstbeherrschung und Frömmigkeit angesichts des vergänglichen Glücks der Gottlosen werden letzlich von Gott reich belohnt.

12-15 Zwar heißt die Saat der Gottlosen "Gewalt gegen die armen Gotteskinder", doch Gott wird ihnen eine reiche Ernte des Gerichts bescheren.

16-22 Auch sorgt Gottes Segen in aller Armut besser für Seine Kinder als weltlicher Reichtum. Gottes Gericht jedoch vertilgt auch den am sichersten geglaubten Besitz der Gottlosen.

23-26 Allein Gottes Gnade und Vorsehung sorgen, Seiner Verheißung gemäß, für das Wohl Seiner Kinder und bieten in aller Not verlässlich die nötige Hilfe. So gesegnet sind die Kinder Gottes ihr Leben lang ein Segen auch für andere.

27-29 Angesichts solch göttlicher Bewahrung und Versorgung ist jegliche Selbstjustiz unnötig und ganz und gar ausgeschlossen: Gott selbst wird die Bösen richten und für den Frieden Seiner Kinder sorgen.

30-33 Und diese sind an drei Dingen erkennbar: ihren weisen und gerechten Worten, am Gesetz Gottes in ihren Herzen und an der Fürsorge Gottes. Der Gottlose aber schmiedet im Geheimen Mordpläne und scheitert doch an der göttlichen Vorsehung und Hilfe.

34-36
Angesichts solcher Zustände in der Welt bedarf es des demütigen, sanftmütigen und geduldigen Wartens auf Gottes Zeitpunkt. Denn Er wird für Gerechtigkeit sorgen, den Gottlosen vernichten und den Frommen zum Erben erhöhen.

37-40 Dazu ruft David am Ende noch einmal auf: Frömmigkeit und Gerechtigkeit, trotz aller Bosheit in der Welt. Und zwar im Glauben an die Gerechtigkeit Gottes, der den Bösen zu Seiner Zeit richten wird und vor allem im Glauben an Gottes Güte und Treue, den das kindliche Vertrauen Seiner Kinder von Herzen gern beantworten wird.


Inhalt

1-11 Zu Beginn dieses Liedes fasst David das zu Sagende für uns zusammen: Es gibt üble Menschen, die mutwillig Böses tun und dennoch im Wohlstand leben. Doch das soll unseren Willen und unsere Gefühle nicht aus der Bahn werfen. Weder in habgierigem Bezug auf uns selbst (Neid oder Missgunst), noch in hassendem Bezug auf die Bösen (Entrüstung, Zorn und erbitterter Groll). Den Frieden Gottes soll uns das vermeintliche Glück der Gottlosen nicht aus dem Herzen rauben oder uns gar zu unrechtmäßigem Handeln verleiten.

Vielmehr sollen wir bedenken, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist und sie schon bald ihren Platz räumen müssen; dass ihr Lebensfaden abgeschnitten wird und sie wie ausgerottetes Gras oder Unkraut unter der Glut des göttlichen Zorns verwelken werden.

In diesem Wissen sollen wir vor Gott stille werden und auf Ihn und Sein Handeln warten. Statt unsere Aufmerksamkeit vom Bösen gefangen nehmen zu lassen und uns selbst zu unserem Recht zu verhelfen, sollen wir unser Herz vielmehr ganz auf Gott ausrichten (Buber: "erquicke Dich an Ihm"!) und unsere Hoffnung ganz allein auf Ihn setzen und Ihm unseren Lebensweg anvertrauen. In dieser Herzenshaltung sollen wir uns, als gute Bürger, unser täglich Brot mit redlicher Arbeit verdienen und unseren Mitmenschen Gutes tun.

Wer so auf den Ewigen hofft, dem winken einige der größten Verheißungen: Gott wird ihm seine Herzenswünsche erfüllen, seine Rechtfertigung hell an den Tag kommen lassen, ihm zu seinem Recht verhelfen und am Ende alles wohlmachen. Ja, wer auf Gott und Seine Stunde wartet, der wird zum Schluss zum Erben ernannt, wie es Mt 5:5 heißt: "Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen".

Und dies Vertrauen in die Fürsorge unseres unsichtbaren Gottes ist keine leere Hoffnung. Gott, der doch nicht lügen kann (Heb 6:18) verspricht es an vielen Stellen, damit wir es ganz gewiss ins Herz fassen: "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch" (1Petr 5:7).

In dieser Zwischenzeit aber, in der wir auf die Erfüllung aller Verheißungen Gottes warten und dabei noch unter der Last der Bösen zu leiden haben, dürfen wir wissen, "dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind." (Rö 8:28); dass unser Weg zwar durchs Elend führt, wir jedoch in Geduld endlich den Sieg erringen und spätestens in Gottes Reich an ewigem Frieden unsere Freude haben werden.

Im Folgenden geht David auf einzelne Aspekte dieses großen Gesamtzusammenhangs ein.

12-15 Solange wir auf dieser Erde leben, leben wir in Anfechtung, drohen uns Gewalt und Leid. Gottlose, voll erbittertem Grimm, bedrohen die von Gott gerecht Gesprochenen; sie haben nichts Geringerem im Sinn, als die an Armut und Elend Leidenden im Volk umzuhauen wie Brennholz und die in Demut, Aufrichtigkeit und Gehorsam nachfolgenden Gotteskinder mit Waffengewalt und kaltblütiger Entschlossenheit zu ermorden.

Doch Gott spottet ihrer, denn Er weiß: es kommt Sein Tag. Der Tag an dem alle Gewalt der Bösen ein Ende haben wird; der Tag, an dem all ihre Waffen zerstört werden und alles Böse, dass sie verübt haben, sich gegen sie wendet, ja an dem es ihnen durchs Herz dringt, wenn sie erkennen müssen, warum es geschrieben steht: "Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten" (Gal 6:7); für uns aber gilt: "Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich." (Mt 5:10)

16-22 Solange wir auf dieser Erde leben, können uns auch harte Zeiten treffen, Armut und sogar Hungersnöte. Doch selbst in böser und karger Zeit dürfen wir hoffen, denn Er, der Ewige selbst, hat uns Seine Verheißung gegeben: "Wirf dein Anliegen auf den HERRN; / der wird dich versorgen und wird den Gerechten in Ewigkeit nicht wanken lassen." (Ps 55:23).

Darum sollen wir uns nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Denn nach dem allen trachten die Heiden. Unser himmlischer Vater aber weiß, dass wir all dessen bedürfen. Trachten wir vielmehr zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird uns das alles zufallen (Mt 6:31-33):

Denn Gott wird Seine Kinder auch in Zeiten des Mangels erhalten und sie so versorgen, dass sie nicht verderben, sondern selbst während einer Hungersnot noch genug zu essen haben. Dank dieser Verheißung des Segens Gottes ist das Wenige, das ein Gerechter hat, besser als der Überfluß vieler Gottloser.

Denn deren Wohlstand wird sie nicht retten; ihnen fehlt der Segen Gottes. Ihr Vermögen und ihr Besitz werden sich, und wenn sie auch noch so prächtig dastehen, auflösen wie Rauch im Wind. Ja ihre Macht und ihr Einfluss werden gebrochen, so dass sie sich Geld leihen müssen (das sie nicht einmal zurückzahlen) und am Ende ums Leben kommen. Und warum? Weil sie Zeit ihres Lebens Feinde des Höchsten waren und darum zu Recht unter Gottes Fluch stehen (vgl. 5Mo 11:26ff). Allein aus diesem Grund werden sie von Gott vom Erdboden vertilgt.

Die Gerechten aber, die nicht auf Materielles, sondern auf Gottes Güte vertrauen, haben trotz aller Not noch genug um es aus Barmherzigkeit an Bedürftige abzugeben. Ihr Schutz liegt nicht in ihrer eigenen Kraft und ihrem Vermögen, sondern ihre Hilfe ist der Segen des Allmächtigen selbst. ER kennt sie und die Ereignisse ihrer Lebenszeit und ER allein wird dafür sorgen, dass ihnen das, was ihnen lieb ist, für immer bleibt; ja am Ende werden sie von IHM die ganze Erde zum Erbe erhalten (Mt 5:5).

Darum weiß auch der Volksmund: "An Gottes Segen ist alles gelegen" (vgl. Sach 4:6).

23-26 Es kommt also von Gott allein, ja ist allein Seiner Gnade und Seinem Wohlgefallen zu verdanken, wenn ein Mann auch wirtschaftlich mit sicherem Schritt durchs Leben geht. Und selbst wenn es einmal Zeiten geben mag, in denen es eng wird und er das ökonomische Gleichgewicht verliert, so ist es wiederum der Allmächtige allein, der ihn, wie ein Vater sein geliebtes Kind, fest bei der Hand hält und so vor dem Absturz bewahrt.

Diese göttliche Gnade, Hilfe und Vorsehung sind es, die David im Blick hat, wenn er von der Erfahrung spricht, die er machte: über die gesamte Spanne seines am Ende 70-jährigen Lebens [1] ist es ihm nie untergekommen, dass ein Gotteskind von Gott verlassen worden wäre und seine Kinder zum Betteln hätte schicken müssen [2]. Vielmehr erhört Gott das Gebet um unser tägliches Brot, welches Er uns lehrte (Mt 6:11) und hält Sein Wort, uns täglich zu versorgen (Mt 6:31ff).

Dankbar für diese erhaltende Gnade Gottes sind Seine Kinder, wie ihr Vater im Himmel, gerne barmherzig und leihen denen, die es bedürfen. So erfüllt sich -wie zuerst an Abraham- nun auch an ihnen und durch sie die Prophezeiung aus Gen 12:2 "ich will dich ... segnen ... und du sollst ein Segen sein."

27-29 Angesichts dieser göttlichen Gnade, Hilfe und Vorsehung sind wir aufgefordert, uns selbst zu beherrschen, das Böse zu lassen und vielmehr Gutes zu tun: es ist nicht nötig, dass wir unser Recht selbst in die Hand nehmen und dadurch Unrecht begehen, denn Gott selbst, der die Gerechtigkeit liebt, steht Seinen Kindern ewig treu zur Seite und beschützt und behütet sie ewiglich.

Nicht wir müssen, sondern der Allmächtige selbst wird dafür sorgen, dass die Sippe der Gottlosen wie Unkraut gejätet, entwurzelt und aus dem Lande herausgerissen wird; aus genau dem Land, welches Gott Seinen Kindern zum Erbe schenken will und wird. Und dort wird Sein Volk, befreit vom Bösen, auf ewig "in friedlichen Auen wohnen ..., in sicheren Wohnungen und in stolzer Ruhe." (Jes 32:18, vgl. Hes 34:25).

30-33 Doch was sind das für Menschen, die sich so beherrschen und gesegnet werden? David zeichnet das Bild der Gerechten in drei Zügen:

Erstens sind sie Menschen, die sich in ihrem Reden von ihrem Umfeld abheben: Sie sind "das Salz der Erde" (Mt 5:13), ihre "Rede [ist] allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass [sie wissen], wie [sie] einem jeden antworten [sollen]" (Kol 4:6). Ihre Worte sind weise und spiegeln die Erkenntnis, Wahrheit und Liebe wieder, die Gott ihnen verliehen hat. Ihre Worte sind ethische Kleinode, denn Sie unterrichten ihre Mitmenschen, ganz natürlich und ohne Überheblichkeit, ja fast beiläufig, über das was recht und unrecht ist.

Zweitens gibt es einen guten Grund für diesen sicht- oder besser hörbaren Unterschied: Gott hat Sein Versprechen an ihnen wahrgemacht, als er vorzeiten sprach "Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein" (Jer 31:33). Dieses inwendige Gesetz Gottes ist es welches sich seiner Natur gemäß im täglichen Reden ganz natürlich Bahn bricht und in Form von Worten des Rechts -von dem, was richtig und von dem, was recht und billig ist- nach außen dringt.

Drittens sind die von Gott Gesegneten daran erkennbar, dass sie im Leben -wie schon in den Versen 23-26 besprochen- nicht straucheln. Sie gehen mit festem Schritt ihren Weg und wo auch immer sie auf ihrem Lebensweg ihren Fuß hinsetzen, finden sie dank Gottes Gnade festen Halt.

Die Gottlosen jedoch haben "den Teufel zum Vater, und nach [ihres] Vaters Gelüste [wollen sie] tun. Der ist ein Mörder von Anfang an ..." (Joh 8:44). Und so planen sie, das kennt David aus eigener Erfahrung, hinterhältige Mordkomplotte.

Doch Der Ewige läßt Seine Kinder nicht für immer in der Gewalt dieser Bösen: auf die eine oder andere Weise, auf zeitlichem oder ewigem Wege, erlöst er sie aus deren Machtbereich. Auch hat Er versprochen: "Wenn sie euch aber führen werden ... vor ... die Obrigkeit, so sorgt nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in dieser Stunde lehren, was ihr sagen sollt" (Lk 12:11-12). Und Gott selbst wird dafür sorgen, dass sie schlussendlich, wie Pilatus in der Verurteilung Christi, werden sagen müssen: "Ich finde keine Schuld an ihm" (Joh 18:38).

34-36
Was es jedoch angesichts aller Ungerechtigkeit und allen Leidens in der Welt bedarf, sind das geduldige Warten auf Gott in dem Wissen "Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde" (Pred 3:1) und das darin gegründete, selbstbeherrschte Beharren auf dem von Gott vorgezeichneten Weg der Frömmigkeit. Wer so lebt, im Vertrauen auf Gott und im demütigen und frommen Warten auf Seine Hilfe, der wird mit eigenen Augen sehen dürfen, warum Christus spricht: "wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden" (Lk 14:11). Denn er, der in seinem Leben demütig, sanftmütig und geduldig auf Gottes Wegen ging, wird von Gott selbst zu Ehren gebracht und zum Erben der Erde eingesetzt werden (Mt 5:5).

Die Gottlosen jedoch werden von der unsichtbaren Hand Gottes ausgerissen, entwurzelt und ausgerottet. David hat es selbst erlebt: selbst ein gewalttätiger und machthungriger Gottloser, der so fest im Leben verwurzelt schien, wie eine gewaltige Libanon-Zeder[3], war nach einiger Zeit schon nicht mehr zu finden; ja er war, wie vom Erdboden verschluckt.

37-40 Noch einmal fasst David seine Lehre zusammen und ruft den Kindern Gottes zu: Trotz allem Elend und aller Not, trotz aller Gewalt und Ungerechtigkeit, trotz allem schier endlosen Glück und Wohlstand der Gottlosen: haltet fest an Frömmigkeit und Gerechtigkeit, lasst Euch nicht erbittern oder zum Bösen verführen, denn darauf liegt schlussendlich die Verheißung eines guten Lebens im Frieden. Denn die gottlosen Gesetzesbrecher werden am Ende wie Unkraut entwurzelt und vernichtet.

Und noch einmal ermutigt uns David: Gott, der Ewige und Allmächtige, der Gnädige und der Barmherzige Selbst ist es, der Seinen Kindern hilft und sich als die treue Macht in aller Not erweist. ER selbst wird ihnen zur Seite stehen und sie aus aller Gewalt und Bosheit Seiner Feinde retten. ER ist ihre Hilfe in der Not. Und das aus einem einzigen Grund: weil sie an Ihn glauben, Ihm vertrauen, sich ganz und gar auf Ihn verlassen. Solch kindliches Vertrauen, solche Hingabe rührt das Vaterherz Gottes und kann nichts anderes bewirken, als Seine liebende Hilfe.


Praktische Anwendung
  •  Wenn die Bosheit der Welt Dir zu schaffen macht, sei gewiss: Gott wird sie richten.
  • Wenn die Not in der Welt Dir zu schaffen macht, sei gewiss: Gott wird Dir helfen.
  • Und wenn der Schmerz Dir schier das Herz zerreißt: geh in Demut und Liebe weiter auf Seinem Weg und glaube IHM: ER wird's Dir auf ewig lohnen.

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[1] von ca. 1040 - 970 v. Chr.

[2] dennoch gab und gibt es Gerechte, die bettelten (siehe z.B. Lk 16:20, Heb 11:37), so dass aus Davids Beobachtung keine allgemeingültige Regel abgeleitet werden kann. Für eine eingehende Behandlung dieses Sachverhaltes, siehe Calvin's Auslegung zu Psalm 37, Vers 23.

[3] Die Libanon-Zeder ist ein immergrüner Baum, der Wuchshöhen von 30 bis 50 Meter erreicht und über 1.000 Jahre alt werden kann. Der Brusthöhendurchmesser kann bis zu zwei Meter betragen (http://de.wikipedia.org/wiki/Libanon-Zeder).