Sonntag, 9. September 2012

Hat Gott mir wirklich vergeben?


Wie alles begann
Es ist noch keine Woche her, da habe ich mal wieder so richtig daneben gegriffen. Mehrfach. Nichts von wegen "[...] seid heilig; denn ich bin der HERR, euer Gott (3Mo 20,7)." Eher: "Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. (Psalm 14,1-3, Röm 3,12)". So ist das, ohne meine Fehltritte entschuldigen zu wollen, leider oft noch in dieser Welt, denn: "Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns (1Joh 1,8)."

Nun gibt es ja, Gott sei Dank!, einen der wichtigsten Verse im Neuen Testament, in dem es heißt: "Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit (1Joh 1,9)". Doch auch 27 Jahre Erfahrung sind nicht immer ein Garant dafür, mit diesen Wahrheiten auch richtig umgehen zu können. In meinem Falle bedeutete das, dass mir Gottes "Vergebung", wenigstens scheinbar, nicht so recht zuteil werden wollte, denn: Wie sehr ich auch betete, flehte und bettelte, ich fand einfach keinen "Frieden". 

Erst einige Tage später sollte ich -diesmal hoffentlich endgültig- lernen, welcher Lüge des Feindes ich nun schon zum tausendsten Male aufgesessen war: Der Verwechslung von Emotion mit Information und damit der Verwechslung von Ursache und Wirkung wahrer Vergebung. Und weil ich nicht möchte, dass die Seelen meiner Geschwister im Glauben auf ähnliche Weise zerfetzt werden, wie die meinige, habe ich mich entschlossen, diesen Blog-Artikel zu schreiben.

Dazu zuerst zwei Anleitungen:
  • Wie man es falsch macht
  • Wie man es richtig macht

Wie man es falsch macht 

Diese Anleitung ist nur zu empfehlen für masochistische Geister, die gerne wieder einmal die volle Wucht von Traurigkeit, Unglauben, Verzweiflung, Haß, Verachtung und Lästerung gegen Gott spüren und sich selbst an den Abgrund eines Selbstmordes bringen möchten.

Um diese Wirkung zu erzielen, ist folgende Abfolge zu empfehlen:
  • kräftig sündigen - "bis dass es raucht"
  • Reue empfinden und umkehren
  • Gott um Vergebung anflehen
  • keinen "Frieden" fühlen und daraus schließen, das Gebet sei nicht erhört worden
  • Gott um Vergebung anflehen
  • keinen "Frieden" fühlen und daraus schließen, das Gebet sei nicht erhört worden
  • Gott um Vergebung anflehen
  • sauer werden, weil Gott einen nicht erhört
  • sich Vorwürfe machen (lassen), weil man jetzt auch noch aufmüpfig, statt demütig wird
  • Gott doppelt um Vergebung anflehen
  • keinen "Frieden" fühlen und daraus schließen, das Gebet sei nicht erhört worden
  • richtig sauer werden, weil Gott einen immer noch nicht erhört
  •  Gott dreifach um Vergebung anflehen
  • ...
Dieses Spiel lässt sich munter mehrere Tage hintereinander spielen und treibt einen sehr zuverlässig in die Verzweiflung.


Wie man es richtig macht
  • beten, um nicht in Anfechtung zu fallen
  • und falls man dann doch fällt:
  • Reue empfinden und umkehren
  • Gott um Vergebung anflehen
  • keinen "Frieden" fühlen und doch aus Gottes Wort schließen, das Gebet sei erhört worden
  • Gott danken für seine unendliche Liebe und Treue 
  • weiter gehen
Dieses Spiel lässt sich "leider" nur einmal pro Fehltritt spielen, da es einen zuverlässig in die Anbetung treibt. Doch was ist hier der wesentliche Punkt - und vor allem: was hat das mit Emotion und Information beziehungsweise mit Ursache und Wirkung zu tun?


Emotion versus Information 

Es geht bei wahrer Vergebung nicht primär um eine Emotion. Sondern es geht primär um eine Tatsache - um eine Information. Um die Information über die Tatsache, dass Christus am Kreuz die Worte sprach: "Es ist vollbracht (Joh 19,30)!". Um die Information über die Tatsache, dass Christus "um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Rechtfertigung willen auferweckt [wurde] (Röm 4,25)." Und um die Information über die Tatsache, dass: "Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit (1Joh 1,9)." Treu, weil Er uns auch nach unserem einhundertsten Fehltritt nicht fallen lässt. Und gerecht, weil er uns um unserer Sünde willen nicht mehr bestraft, weil Er sie in Christus bereits gestraft hat. Und treu und gerecht, weil er uns, wenn wir Ihn um Vergebung und Reinigung bitten, Christi volle Gerechtigkeit zuerkennt, weil Er es uns versprochen hat.


Ursache und Wirkung

Wenn wir zuerst diese Information glauben, das heißt: wenn wir Gottes Wort für wahr halten und ihm unser volles Vertrauen schenken, auch wenn wir nichts davon sehen oder fühlen können, dann wird unser Herz ruhig und wir spüren, wie diese Ruhe unserer Seele gut tut. 

Diese Ruhe ist sicherlich erstrebenswert und ist doch nicht zu verwechseln mit dem Frieden Gottes. Denn der ist eine unsichtbare Tatsache, welche einer anderen Dimension zugeordnet ist, als die Kräfte unserer Seele (Vernunft, Wille und Gefühl). Daher heißt es auch in der Schrift: "[...] der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus (Phil 4,7)." Denn: "Es ist [...] der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Heb 11,1). Und was wir nicht sehen können, ist eben genau diese Wahrheit: da "[...] wir [...] gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott [...] (Röm 5,1)".

Zuerst kommt also die Ursache: das Vertrauen darauf, dass Gott nicht lügt, "[...] denn es ist unmöglich, dass Gott lügt [...] (Hebr 6,18)". Dann kommt die Wirkung: Dass Ruhe in unserer Seele einkehrt.


Wirkung böser Ursachen

Wenn wir aber zuerst "Gottes Frieden" "fühlen" wollen, dann können wir lange warten. 

Warum? Weil wir nicht alleine sind in diesem "guten Kampf des Glaubens" (1Tim 6,12)". Weil wir einen Widersacher haben: den Teufel. "Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lügen redet, so spricht er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge (Joh 8,44)." Er ist "[...] der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt" (Offb 12,9). Er ist "der Verkläger unserer Brüder (Offb 12,10)". Und "[...] er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts. (2Kor 11,14)"

Er verführt uns also erst zur Sünde, dann verklagt er uns - und wenn wir Frieden bei Gott suchen, dann verstellt er sich als der Heilige Geist, als ein Engel des Lichts und belügt uns und führt uns in die Irre: "Wenn Du den Frieden Gottes nicht fühlen kannst, dann bist Du verdammt." 

Wahr ist aber vielmehr: "Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. (Gal 1,8)".

Martin Luther schrieb es nicht umsonst:
"81. Deshalb sollen wir unser Herz befestigen durch diese und ähnliche Aussprüche der Schrift, damit wir dem Teufel, wenn er uns anklagt: Du bist ein Sünder, also bist du verdammt, antworten können: Weil du sagst, daß ich ein Sünder sei, darum will ich gerecht und selig sein. — Ja, du wirst verdammt werden! — Nein; denn ich nehme meine Zuflucht zu Christo, „der sich selbst für meine Sünden gegeben hat“. Darum wirst du, Satan, damit nichts ausrichten, daß du versuchst, mich dadurch zu erschrecken, daß du mir die Größe meiner Sünde vorhältst und mich so in Traurigkeit, Mißglauben, Verzweiflung, Haß, Verachtung und Lästerung gegen Gott bringen willst. Ja, gerade dadurch, daß du sagst, ich sei ein Sünder, gibst du mir die Waffen wider dich in die Hand, daß ich dich mit deinem eigenen Schwerte erwürgen und vernichten kann, weil Christus für die Sünder gestorben ist.

82. Sodann predigst du selbst mir die Ehre Gottes, denn du erinnerst mich der väterlichen Liebe Gottes gegen mich elenden und verdammten Sünder, der „also die Welt geliebt hat, daß er seinen eingebornen Sohn gab“ [usw.] [Joh 3,16]. Desgleichen, so oft du mir vorwirfst, daß ich ein Sünder bin, so oft rufst du mir die Wohltat Christi, meines Erlösers, ins Gedächtnis, auf dessen Schultern, nicht auf den meinigen, alle meine Sünden liegen. Denn der Herr hat alle unsere Missetat auf ihn gelegt; desgleichen, er hat um der Missetat seines Volks willen ihn geplagt, [Jes. 53,5.8]. Darum, wenn du mir vorhältst, ich sei ein Sünder, so schreckst du mich nicht, sondern tröstest mich über die Massen wohl."

Wir haben diesen Frieden also. Ob wir ihn fühlen, oder nicht. Weil Gott es uns versprochen hat "dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit (1Joh 1,9)". Darauf können und sollen wir uns verlassen, "[...] denn es ist unmöglich, dass Gott lügt [...] (Hebr 6,18)".

So haben wir nun die Wahl: 
  • Wir können Emotion mit Information verwechseln und die Reihenfolge von Ursache und Wirkung verkehren und bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf einen emotionalen "Frieden" in unserer Seele warten, der dank des Feindes Gottes niemals kommen wird. 
  • Oder wir können uns im Glauben, das ist: im Vertrauen auf die Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Treue unseres Gottes, darauf verlassen, dass Er sein Versprechen halten wird; und über kurz oder lang erfahren, dass der Friede Gottes, den wir längst haben, auch unserer Seele Ruhe verschafft, denn "[...] als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben. (Lk 5,20)"

Samstag, 8. September 2012

Bekenntnis und Bitte eines Unschuldigen (Psalm 26:1-12)

Text

1 Von David. HERR, schaffe mir Recht, denn ich bin unschuldig! Ich hoffe auf den HERRN, darum werde ich nicht fallen. 2 Prüfe mich, HERR, und erprobe mich, erforsche meine Nieren und mein Herz! 3 Denn deine Güte ist mir vor Augen, und ich wandle in deiner Wahrheit. 4 Ich sitze nicht bei heillosen Leuten und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen. 5 Ich hasse die Versammlung der Boshaften und sitze nicht bei den Gottlosen. 6 Ich wasche meine Hände in Unschuld und halte mich, HERR, zu deinem Altar, 7 dir zu danken mit lauter Stimme und zu verkündigen alle deine Wunder. 8 HERR, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt. 9 Raffe meine Seele nicht hin mit den Sündern noch mein Leben mit den Blutdürstigen, 10 an deren Händen Schandtat klebt und die gern Geschenke nehmen. 11 Ich aber gehe meinen Weg in Unschuld. Erlöse mich und sei mir gnädig! 12 Mein Fuß steht fest auf rechtem Grund. Ich will den HERRN loben in den Versammlungen.

Kommentar

1 In diesem Lied bittet David Gott um Hilfe in einem für ihn lebensbedrohlichen Konflikt und beruft sich dabei auf seine Redlichkeit und Frömmigkeit: Er bittet Gott, ihm zu seinem Recht zu verhelfen und somit sein Leben zu bewahren.

Doch David's Berufung auf seine Redlichkeit und Frömmigkeit sind nicht falsch zu verstehen: wie Jahrhunderte nach ihm der Prophet Jesaja, so weiß auch David, dass vor Gott, dem absolut Heiligen und Reinen, "all unsre Gerechtigkeit ist, wie ein beflecktes Kleid." (Jes 64:5). So dichtet er auch später selbst die Verse: "Siehe, ich bin als Sünder geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen." (Ps 51:7).

David weiß also: seine Redlichkeit und Frömmigkeit sind nicht zu verwechseln mit Sündlosigkeit und stellen keine Verpflichtung für Gottes Hilfe dar. Vielmehr weiß David "daß Gott die Sünder nicht erhört; sondern den, der gottesfürchtig ist und seinen Willen tut, den erhört er." (Joh 9:31)

Das ist der wahre Grund aus dem David Gott auf Seine Frömmigkeit hinweist. Gottes Hilfe erwartet er sich jedoch vielmehr von seiner Hoffnung auf Gott und gründet sie auf Dessen Wesen und Charakter, auf Seine Barmherzigkeit, Güte und Treue (vgl. Ps 40:12). David glaubt also: weil er auf Gott hofft, darum wird er nicht fallen.

2 In dieser Haltung, das ist: in dem Vertrauen auf Gottes guten Charakter und in dem Wissen, dass Er das Gebet der Gottesfürchtigen erhört, bittet David Gott darum, seine Frömmigkeit auf Herz und Nieren zu prüfen.

3 Dabei weist er Gott auf seine aktive und passive Frömmigkeit hin, auf das, was er tut und lässt. Dabei beginnt er mit Seiner Gottesschau, welche der Grund und die Quelle Seines moralischen Verhaltens ist: Gottes Güte ist sein Lebensfundament und Gottes Wahrheit seine Richtschnur, nach der er lebt und handelt.

4-5 David weiß, dass Gott unser Richter ist und eines Tages alle Gottlosen die Ernte ihrer Gottlosigkeit einfahren, das ist, ihr gerechtes Urteil empfangen werden (vgl. Spr 5:22, Spr 10:6, Spr 11:5, Spr 13:6, Spr 14:14, Spr 21:7, Pred 3:17).

Von der Gottlosigkeit und der daraus resultierenden Bosheit, Heuchelei und Falschheit jener Leute will er sich nicht durch eine konfliktvermeidende oder gar verbrüdernde Gemeinschaft anstecken lassen; er verabscheut den Geist solcher Treffen, in denen es, hinter der Maske von Weltgewandtheit, Stil und Freundlichkeit und um böse Absichten, Lüge und Betrug geht.

6-8 David dagegen will mit solchen Machenschaften nichts zu tun haben. Ihn zieht es vielmehr in die Gemeinschaft mit Gott, hin zu Seinem Altar auf dem die verschiedenen Opfer zum Dank, zur Sühne und zur Vergebung von Schuld und Sünde dargebracht werden (vgl. Lev 1:1ff). Hier, im Gottesdienst, fühlt David sich wohl. Hier, wo er Gott aus tiefstem Herzen und aus vollem Halse loben und danken kann, wo er das allmächtige und wunderbare Handeln Gottes predigen kann, dem wir überall in der Schöpfung und ganz besonders im Erlösungswerk begegnen. Solange David noch im Diesseits von Raum und Zeit lebt, fern vom Hochzeitsmahl in der Ewigkeit, ist ihm der Tempel, ist ihm das Haus Gottes, der liebste Ort auf Erden. Denn hier ist Gott zu Hause. Hier kann er Ihm begegnen. Ihm, von dem wir singen:
Würdig das Lamm, das geopfert ist,
würdig das Lamm, zu nehmen:


Macht und Reichtum,
W
eisheit und Stärke,
Ehre und Ruhm und Lobpreis!
9-10 Zu diesem wunderbaren Gott betet David um Rettung. Darum, dass Gott doch angesichts seiner Frömmigkeit einen Unterschied machen möge und sein Leben trotz seiner Sündhaftigkeit verschont und nicht zusammen mit dem der mordlüsternen und bestechlichen Übeltäter wegnehme.

11-12
Noch einmal betont David sein frommes Handeln auf seinem Lebensweg. Und noch einmal bittet er Gott um Seine Gnade und Erlösung, von der alles für ihn abhängt und schließt sein Gebet mit der Gewissheit, dass er auf festem Boden steht: auf dem Boden der Gnade Gottes, auf dem unumstößlichen Fels der Gerechtigkeit Christi. Ihn will er in der Gemeinde loben:

"Ich aber traue darauf, daß du so gnädig bist; mein Herz freut sich, daß du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, daß er so wohl an mir tut." (Psalm 13:6)