Sonntag, 5. Januar 2014

In schwerer Heimsuchung (Der dritte Bußpsalm) (Ps 38:1-23)

Text

1 Ein Psalm Davids, zum Gedenkopfer. 2 HERR, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm! 3 Denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich. 4 Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe wegen deines Drohens und ist nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Sünde. 5 Denn meine Sünden gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. 6 Meine Wunden stinken und eitern um meiner Torheit willen. 7 Ich gehe krumm und sehr gebückt; den ganzen Tag gehe ich traurig einher. 8 Denn meine Lenden sind ganz verdorrt; es ist nichts Gesundes an meinem Leibe. 9 Ich bin matt geworden und ganz zerschlagen; ich schreie vor Unruhe meines Herzens. 10 Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. 11 Mein Herz erbebt, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist auch dahin. 12 Meine Lieben und Freunde scheuen zurück vor meiner Plage, und meine Nächsten halten sich ferne. 13 Die mir nach dem Leben trachten, stellen mir nach; und die mein Unglück suchen, bereden, wie sie mir schaden; sie sinnen auf Trug den ganzen Tag. 14 Ich bin wie taub und höre nicht, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut. 15 Ich muß sein wie einer, der nicht hört und keine Widerrede in seinem Munde hat. 16 Aber ich harre, HERR, auf dich; du, Herr, mein Gott, wirst erhören. 17 Denn ich denke: Daß sie sich ja nicht über mich freuen! Wenn mein Fuß wankte, würden sie sich hoch rühmen wider mich. 18 Denn ich bin dem Fallen nahe, und mein Schmerz ist immer vor mir. 19 So bekenne ich denn meine Missetat und sorge mich wegen meiner Sünde. 20 Aber meine Feinde leben und sind mächtig; die mich zu Unrecht hassen, derer sind viele. 21 Die mir Gutes mit Bösem vergelten, feinden mich an, weil ich mich an das Gute halte. 22 Verlaß mich nicht, HERR, mein Gott, sei nicht ferne von mir! 23 Eile, mir beizustehen, Herr, du meine Hilfe!


Kommentar

Zusammenfassung

Wegen seiner Sünde von innen und außen - im Gewissen von Gottes Drohen und im Leben von Krankheit und einer ungerechten feindlichen Übermacht - bedrängt, bekennt David Gott seine Sünde und bittet Ihn um Gnade und Seine eilende Hilfe.


Struktur

Abweichend vom Aufbau der Strophen ergibt sich folgende Einteilung aus dem Inhalt:

1 Zweck: Zum Gedenken

2 Erste Bitte an Gott: Bitte um Milde in der Bestrafung:
3-9 Leiden an Leib und Seele aufgrund eigener Sünde und Gottes Drohen

10 Zweite Bitte an Gott: Erinnerung an die eigene Sehnsucht und Trauer:
11-15 Verängstigt, verlassen, angefeindet und wehrlos

16 Aufblick zu Gott: Warten auf den Ewigen und hoffen auf den Herrscher:
17-18 Trotz gegenüber der befürchteten Verspottung der eigenen Agonie

19 Dritte Bitte an Gott: Sündenbekenntnis und Reue (Gram)

20-21 Ungerechtigkeit der feindlichen Übermacht gegenüber dem Rechtschaffenen:
22-23 Vierte und letzte Bitte an Gott: Hilfeschrei um Nähe und Beistand


Inhalt

1 Dieses Lied schrieb David, als er sich von seinen Liebsten, seinen Freunden und seinen Nächsten ganz und gar verlassen sah (V. 12), mit dem Herzenswunsch, nicht auch von Gott noch verlassen zu werden (V. 22). Er schreibt diesen Psalm also zum Gedenken, dass Gott sich seiner erinnere. Luther übersetzt hier "zum Gedenkopfer" und erinnert so an eben den Teil des Speisopfers, der zum Wohlgefallen Gottes dargebracht wurde. Das Gedenkopfer verkörperte die Verbindung von Nachfolge und Freundschaft zwischen Gott und Israel, 3Mo 2:1-2b.9). Die Freundschaft wiederherzustellen sucht David in seiner Bitte um Vergebung für seine Sünden.

2 Das ist Davids erste herzliche Bitte: dass Gott ihn nicht aus den überbordenden Gewalten von Aggression und Wut heraus bestrafen und in Zucht nehmen möge. Vielmehr bittet er darum, dass Gott ihn, bei aller Notwendigkeit von Strafe und Züchtigung angesichts seiner Sünden (V. 4), mit Milde richten möge. Er fleht zu Gott wie der Prophet Habakuk: "Im Zorne denke an Barmherzigkeit!" (Hab 3:2). David kennt das Wesen Gottes und appelliert an Seine Güte und Gnade.

3-9
Den Beweggrund für sein eindringliches Gesuch nennt David sogleich: Er spürt den Biss seines Gewissens wie Pfeile Gottes in sich stecken und fühlt die allmächtige Hand des Allerhöchsten selbst, als die Last seiner Schuld ihn niederdrückt. Und er erkennt, dass der Grund für seine Qual allein in seinen Sünden liegt; in seiner Narrheit, die sich zu Sünden verleiten ließ, die nun wie Meereswogen über seinem Kopf zusammenschlagen und ihn zum Grunde drücken, wie eine allzuschwere Last (vgl. Jon 2:4). Doch nicht nur innerlich leidet David; auch sein ganzer Leib ist, als eine Mahnung Gottes, von den Folgen seiner Sünden und der Last seiner Seele in Mitleidenschaft gezogen. Ganz und gar krank ist sein Körper, bis auf die Knochen. Der üble Geruch des Eiters entzündeter Verletzungen plagt ihn und so schleppt er sich gebeugt und traurig von Tag zu Tag. Kein Flecken seines Körpers ist mehr heil. Wie ausgedörrt von feuriger Glut (Buber: "voller Brands") sind selbst seine Lenden, sonst ein Bild für die Kraft eines Mannes. Müde ist er geworden und matt, erschlagen und mit seinen Kräften völlig am Ende. Und dennoch findet seine Seele, wie ein eingesperrtes und gequältes Tier, keine Ruhe in ihm und so schreit er zu Gott aus der Rastlosigkeit seines sich nach Frieden sehnenden Herzens.

10 In seiner zweiten Bitte an Gott appelliert David an das Allwissen des Ewigen und an Dessen Kenntnis seiner Sehnsucht und Trauer, die er im Folgenden vor Gott ausbreitet.

11-15 David hat Angst; ihm bleibt schier das Herz stehen. Er ist, von seinen seelischen und körperlichen Qualen (Verse 3-9) vollkommen geschwächt, kraftlos und matt. Auch das Licht der Hoffnung erhellt seine Augen nicht mehr mit dem Glanz der Freude. Er ist allein: seine Familie und seine Freunde, ob aus fauler Bequemlichkeit oder ängstlichem Selbstschutz, schrecken vor ihm und seinem Leiden zurück und auch seine Nachbarn halten sich in sicherer Entfernung. In diese bis auf das Äußerste geweitete Bresche der Hilflosigkeit drängen nun auch noch seine Feinde, die es auf sein Leben abgesehen haben. Sie trachten nach Davids Unheil und Tod, verschwören sich miteinander gegen ihn und besprechen seinen Untergang. Sie planen von morgens bis abends Betrug und stellen ihm Fallen. So verängstigt, krank, verlassen und verfolgt, so matt und wehrlos ist David, dass er gar nicht mehr hören will, was seine Widersacher über ihn reden, geschweige denn zu widersprechen. So innerlich und äußerlich bedrängt, ist er gezwungen wegzuhören und den Mund zu halten. Und so erinnert er, trotz des Widerstreits in seinem Herzen, an unseren Herrn, von dem es heißt: "Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf" (Jes 53:7)".

16 Eingesperrt in dieser seelisch und körperlich, innerlich und äußerlich notvollen Situation blickt David sehnsüchtig und doch innerlich voller Vertrauen auf zu Gott und bekennt ihm seinen Willen und seine bereits gelebte Entscheidung: er will ausharren. Nicht einfach nur abwarten, sondern trotz allen Leidens sehnsüchtig und still auf Ihn warten, "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist" (Mi 5:1), "eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war" (Spr 8:23 in Verbindung mit 1Kor 1:30). Auf "das A und das O", auf Den, "der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige" (Offb 1:8). Denn das weiß David in seinem Herzen ganz sicher: Gott, der allein gut ist (Mk 10:18), Er wird sein Gebet erhören.

17-18 Dass Gott sein Gebet erhört, ist David wichtig. Nicht allein angesichts seines Leidens: nein, er will auch nicht erleben, dass seine Feinde, etwa durch sein Einknicken, Grund und Raum hätten, ihn zu verachten und sich stattdessen selbst zu brüsten. Sein Gebet ist ihm ein dringliches Anliegen, denn er spürt wie ihm, von ununterbrochenen Schmerzen geplagt, die Kräfte schwinden und er nur noch eine Handbreit von seinem Sturz entfernt ist.

19 Inmitten dieser Not und wohl auch gerade wegen ihr, geschieht das Wunder der Buße und David spricht: "So bekenne ich nun..." --- "So..."
? --- Ja, "so"! So viel Leid war nötig. So viel Schmerz und Hilflosigkeit. Dann erst, endlich!, bricht und sprudelt es aus David heraus: das offene Bekenntnis seines Vergehens und seine Reue angesichts seiner Verfehlung. Endlich macht sich seine Seele Luft. Gott sei Dank!, der uns erzieht, indem Er uns "verletzt und verbindet" und indem Er uns "zerschlägt und ... heilt" (Hi 5:18). Von ihm singt Paul Gerhardt zu Recht:

Er wird dein Herze lösen
von der so schweren Last,
die du zu keinem Bösen
bisher getragen hast.

20-21 Und doch ist die Situation, in die Gott David gestellt hat, nur Mittel und nicht Zweck oder Ziel. Und so klagt David Gott sein Leid und seine begründete Furcht: seine Widersacher sind nicht allein lebendig, sie sind auch in der Überzahl und groß an Macht. Vor allem aber sind sie ihm grundlos feind. Denn was David gesündigt hat, das hat er an Gott allein gesündigt (Ps 51:6), nicht an ihnen. Ganz im Gegenteil: David tat ihnen nur Gutes, doch sie vergelten ihm dafür Böses. Doch warum? Sie sind aus einem Grund seine Feinde und das Unrecht, das sie tun, hat allein eine Wurzel: weil sie Davids Herzenshaltung nicht ertragen, der sich zum Guten hält und damit - wenn auch unwillentlich - ihre Bosheit entlarvt. Dieses merkwürdige Gesetz der Feindschaft erklärt uns unser Heiland in Joh 3:20: "Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden". Und nicht nur kommen sie, aus Furcht vor der Offenbarung ihrer Schuld, nicht zum Licht, sondern sie unterdrücken die Wahrheit sogar mit Gewalt, so dass Paulus über sie schreiben muss, dass "Gottes Zorn vom Himmel her offenbart [wird] über ... alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten" (Röm 1:18).

22-23 Angesichts dieser feindlichen Übermacht und seines ganz und gar elenden Zustands schreit David seine Not in seiner vierten und letzten Bitte an Gott heraus: er sehnt sich nach Gottes Nähe und fleht darum, dass Gott ihn doch um Himmels willen nicht verlassen möge. ER allein ist doch der Ewige und ist Davids Gott. IHN allein bittet David, ihm zur Seite zu stehen. Und so groß ist der Schmerz in Davids Herzen, dass er Gott anfleht, sich zu eilen, denn er weiß, wie Mose: "Herr, du bist unsre Zuflucht für und für" (Ps 90:1).


Praktische Anwendung
  • Wenn Gott Dich durch innere Not im Gewissen oder auch durch äußere Not in Form von Krankheit oder Anfeindung zur Buße ruft, dann sei "nicht wie Rosse und Maultiere, die ohne Verstand sind, denen man Zaum und Gebiss anlegen muss; sie werden sonst nicht zu dir kommen" (Ps 32:9).
  • Sondern bekenne Gott Deine Sünde sofort. Denn: "Wer seine Sünde leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen" (Spr 28:13).

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