[Predigt als Video] | [Predigt als MP3]
Guten Morgen, ihr Lieben!
Joi hat es ja schon angekündigt: Heute Philipperbrief; immer noch Kapitel eins.
Worum es heute geht?
- Unser heutiger Text: Ich werde den Text diesmal direkt am Anfang lesen, ...
- Mein Habibi: ... um euch dann mal ein bisschen einen Einblick zu geben, wie es mir manchmal geht. Ich will mich mit dem Apostel Paulus sicherlich nicht vergleichen, aber als ich den Text gelesen habe, ist mir sofort was in den Sinn gekommen, was meine liebe Frau betrifft. Auf Arabisch: mein Liebling, mein Habibi. Um da vielleicht mal so einen Einstieg zu finden in dieses Thema: "Hin- und hergerissen sein zwischen zwei Dingen."
- Unsere Vision: Ich möchte dann die Brücke schlagen zu unserer Gemeindevision. Und mal schauen, was dieser Text mit unserer Gemeindevision zu tun hat.
- Von Paulus lernen: Und uns dann die Frage stellen: "Was können wir von Paulus lernen?" Und da ein bisschen tiefer in den Text reingehen. Wie gesagt, es ist eine ziemlich lange Passage. Da ist wahnsinnig viel drin. Da könnte man auch bestimmt sechs oder sieben Predigten draus machen. Ich versuche mich da mal aufs Wesentliche zu konzentrieren, aber mit dem Blick darauf "Was sind eigentlich die Kernelemente vom Text?" Und "Was sind die Kernelemente in dem, was wir von Paulus lernen können?", ...
- Was können wir tun?: ... um es dann in die Übertragungsebene zu bringen und uns zu fragen: "Was können wir denn jetzt tun?" Und wir werden sehen, dass es auf der einen Seite zwar ein bisschen was mit "tun" zu tun hat, aber vielleicht noch viel mehr mit etwas, was gar nicht so sehr mit "tun" zu tun hat. Dann könnt ihr gespannt sein, wie sich dieses Rätsel auflöst.
- Ein Blick in die Zukunft: Und ganz zum Schluss möchte ich einen Blick wagen in die Zukunft unserer Gemeinde.
Unser heutiger Text
Aber bevor ich das tue, möchte ich erst mal mit euch gemeinsam den Text lesen. Philipper eins, Verse 20 bis 26. Ich war so frech und habe mir die Verse 10 bis 25 aus der Neues Leben Bibel gezogen und den Vers 26, weil er noch schöner übersetzt war, aus der guten Nachricht. Das heißt, so wie er dasteht, werdet ihr den Text in keiner einzelnen Bibel finden, sondern da müsst ihr dann schon zwei haben. Da schreibt der Paulus: "Ich erwarte und hoffe sehr, dass ich nie etwas tun werde, dessen ich mich schämen müsste. Sondern dass ich immer, wie bisher auch, unerschrocken für Christus eintreten werde und durch mein Leben Christus in allem geehrt wird, ob ich nun lebe oder sterbe. Denn Christus ist mein Leben. Aber noch besser wäre es, zu sterben und bei ihm zu sein. Doch wenn ich lebe, dann trägt meine Arbeit für Christus Früchte. Deshalb weiß ich wirklich nicht, was ich wählen soll. Ich fühle mich zwischen zwei Wünschen hin und hergerissen. Ich sehne mich danach, zu sterben, um bei Christus zu sein, denn das wäre bei weitem das Beste. Doch für euch ist es besser, wenn ich lebe. Darauf vertraue ich. Und deshalb werde ich bei euch bleiben, damit ihr im Glauben wachst und ihr erlebt, welche Freude der Glaube bringen kann. Und ihr werdet euch noch viel zuversichtlicher dessen rühmen können, was Jesus Christus durch mich an euch getan hat, wenn ich wieder bei euch bin und unter euch wirken kann.“
So viel einmal zum Text.
Mein Habibi
Ja. Was ist mir zu dem Thema wichtig geworden? Ich habe die Passage durchgelesen. Ich habe wie immer, das mach' ich meistens in der Woche vor der Predigt, mir alle meine Kommentare durchgelesen, um ein Gefühl für den Text zu kriegen, zu gucken, wie andere Leute da wesentliche Punkte raus gesehen haben und habe aber diesmal in den Kommentaren gar nicht so viel gefunden, wo ich gesagt hätte, dass "Das haut's jetzt raus!" Und mir ist immer wieder eine Szene durch den Kopf gegangen. Und bevor ich euch die erzähle möchte, möchte ich was vorausschicken.
Wir werden nachher sehen, wie es dem Paulus gegangen ist. Und ich möchte mich auf keinen Fall mit dem Paulus vergleichen. Und das hat einen guten Grund. Ich denke, dass der Paulus ein echter Heiliger ist. Und jetzt könnte man natürlich sagen Ja, Michi, aber hast du dein Neues Testament nicht gelesen? Wir sind doch alle Heilige. Wir werden doch sogar als Gemeinde mit "ihr Heiligen" Angesprochen. Und ja, das ist richtig. Aber ich möchte mich nicht dazu verleiten lassen, einer postmodernen Gleichmacherei beizutreten, die gerne dafür sorgen würde, dass wir alle gleich sind. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich in meinen besten Zeiten die 100 Meter in 11,2 gelaufen bin, was schon ziemlich fix ist. Aber es gibt auch Leute wie einen Usain Bolt, die laufen die mal zackig in, weiß ich nicht, 9,7. Wo man noch gedacht hat, das geht überhaupt nicht. Und von daher, denke ich, ist es mit der Heiligkeit genau das Gleiche. Ja, wir sind alle begnadigt. Ja, wir sind alle von Gott angesehen als Heilige, weil er uns nur in der Heiligkeit Christi betrachtet. Und trotzdem glaube ich, dass es gravierende Unterschiede gibt in der Ausprägung, in der Reife, die jemand in seinem Glaubensleben erreicht. Und das, was wir nachher von Paulus hören werden, da würde ich mal sagen, das ist "top notch". Das, was ich aus meinem Leben zu berichten habe, das ist sicherlich nur ein schwacher und teilweise auch ein etwas schiefer Abglanz. Und so viel mal vorausgeschickt.
Aber woran ich denken musste: Ich habe das immer wieder mal in meinem Leben, dass es ein bisschen schwieriger wird. Und an manchen Stellen war es auch schon mal so schwierig, dass mir diese Sehnsucht nach dem Himmel auf eine ganz andere Art und Weise wichtig geworden ist. Mir war mein Leben so schwer geworden mit der ganzen Arbeit, mit all den Anfechtungen, mit den Herausforderungen, insbesondere auch mit dem Leiden an meiner eigenen Begrenztheit und Sündhaftigkeit und Fehlerhaftigkeit, dass ich mir wirklich, wirklich gewünscht habe, eigentlich würde ich gerne gehen dürfen. Und dann lag ich so in meinem Bett neben mir meine Frau, die hat natürlich schon fest geschlafen. Und dann habe ich mir gedacht, das ist eigentlich kein frommer Wunsch. Weil: wie würde es ihr gehen, wenn ich nicht mehr da bin? Wer wird für die Familie sorgen? Wer? Wer würde sich kümmern, dass genügend Brot auf dem Tisch ist? Und da habe ich zum Ersten Mal in meinem Leben etwas Ähnliches erfahren, wenn auch sicherlich nicht aus so heiligen Motiven wieder wie der Paulus, wo ich gesagt habe, mich reißt es hin und her. Auf der einen Seite möchte ich gerne bei Christus sein, weil: da weiß ich, was ich davon habe. Dann geht es mir für immer und ewig besser als gut. Auf eine Art und Weise gut, die ich mir heute noch gar nicht ausmalen kann. Und auf der anderen Seite habe ich gespürt: Aber es wäre besser, wenn ich bleibe. Weil ich mir auch wünsche, dass es meiner Familie gut geht. Und ja, das ist das, was mir zu diesem Thema eingefallen ist, wo ich zumindest mal im Ansatz habe erahnen können, wie es wohl einem Paulus gegangen sein muss, der ja weitaus mehr in seinem Leben zu tragen hatte, weitaus mehr an Anfechtung. Ich meine, der Mann ist gesteinigt worden, der hat Schiffbruch erlitten, Widerstand auf eine Art und Weise, den wir uns überhaupt nicht ausmalen können; weil wir das nicht kennen hier in Europa. Und trotzdem zu sagen: Ich kann dieses hin und hergerissen werden irgendwo ein Stück weit nachvollziehen.
Unsere Vision
Und jetzt habe ich ja gesagt, hat das, was wir nachher auch noch von Paulus lernen können, ein Stück weit denke ich, auch was zu tun mit unserer Vision. Ich möchte uns noch mal an unseren Leitvers erinnern. Da heißt es ja "Gott begegnen, bewegt werden, Leben teilen." Das heißt, was wir machen wollen, ist: Wir wollen eigentlich als Gemeinde einen Unterschied machen in unserem Stadtteil. Wir möchten, dass Menschen sehen, was Jesus sich gewünscht hat für seine Gemeinde. Er hat gesagt: "An eurer Liebe werden sie erkennen, dass ihr meine Jünger seid." Er hat sich gewünscht, dass wir ein Licht sind auf dem Berge, das weithin leuchtet. Und dann denke ich mir, muss man sich die Frage stellen: "Ja, wie kann das gelingen, ohne dass das jetzt Krampf wird, ohne dass das Stress wird?" Wie können wir das von Herzen sagen: "Christus ist mein Leben." Also das heißt ja auf Deutsch: "Ich gebe alles!" Diese Beziehung ist mir so wichtig, dass ich mich da voll rein investiere. Wie kommen wir dahin, dass wir voller Liebe, mit brennendem Herzen, hingegeben und voller Begeisterung uns von Jesus im Dienst für seine Gemeinde gebrauchen lassen und dabei auch noch voller Freude bleiben? Wie wie kann das gelingen? Und ich habe dann beim Lesen vom Text und beim drüber nachdenken mehr und mehr den Eindruck bekommen, das hat sehr, sehr viel damit zu tun, worauf wir unseren Fokus richten und das in, ich würde mal sagen, mindestens zweierlei, vielleicht sogar dreierlei Hinsicht. Also was hat das mit unserem Fokus zu zu tun, dass wir hingegeben dienen können? Das möchte ich im Folgenden ein Stück weit erläutern.
Von Paulus lernen
Doch zuerst mal: einen Einblick darein, was Gottes Sicht ist zu diesem Thema. Und damit auch die Frage: "Was können wir hier anhand von diesem Text vom Paulus lernen?" Ich möchte mit euch gemeinsam dazu mal genauer hinschauen, um reinzugucken in das Herz von Paulus. Was ihn da bewegt.
Er schreibt ja im Vers 23 "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein, denn das wäre bei Weitem das Beste." Nun habe ich mich gefragt: "Ja, wie kommt er jetzt darauf?"; "Warum?"; "Warum sagt er so einen Satz?" Und behaltet mal die Frage im Hinterkopf. Da unten steht sie ja noch: "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein. Das wäre bei weitem das Beste." Und behaltet mal die Frage im Hinterkopf: "Wie kommt der Mann darauf, so einen Satz rauszuhauen?" "Ja...", könntet ihr jetzt sagen, "... Paulus was ist denn mit dir los?. Bist du lebensmüde? Du bist doch Apostel! Jetzt mach mal deinen Job! Du kannst ja nicht jetzt gleich sagen 'Ich möchte jetzt mal Zack im Himmel verschwinden!'" Wie kommt dann der Paulus darauf, so so einen Satz zu sprechen? Und ich möchte dazu mehrere Bibel Passagen vorlesen und ich hoffe, dass ihr erkennen könnt, in welchem Zusammenhang die mit dieser Aussage von Paulus stehen und inwiefern die auch diese Frage beantworten.
Wie kommt der Paulus darauf, so einen rauszuhauen? Der erste Text steht im Römer, Kapitel sieben, Verse 18 und 19. Dort steht (auch von Paulus): "Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen, habe ich wohl. Aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich." Und er kommt am Ende vom Kapitel sieben noch mal zu diesem Satz: "Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe des Todes?" Und ich denke, allein an dieser Passage merken wir schon eines der Dinge, die dem Paulus hart zugesetzt haben, nämlich dass er merkt: Auch wenn ich zum Glauben gekommen bin, auch wenn ich erlöst bin, es ist und bleibt bis an unser Lebensende ein Kampf mit der Sünde. Und es ist kein leichter Kampf, sondern ein Kampf, der einen bis bis nah an die Verzweiflung treiben kann, dass man einfach merkt: Der schlimmste Feind auf dem Planeten, den wir jemals haben können, das sind wir selbst! Wenn uns irgendetwas im Glauben im Weg steht, dann sind das wir selbst. Ich denke, dass wenn wir Römer 7 lesen, dass wir da schon ein Stück weit einen Blick dafür kriegen, dass auch der Paulus daran gelitten hat.
Natürlich geht es Gott sei Dank nachher weiter mit Römer acht. Eines der schönsten Kapitel in der Bibel. Kommen wir gleich noch dazu. Noch ein zweiter Aspekt 2. Korinther, Kapitel 5, die Verse 7 bis 9. Da schreibt der Paulus: "Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben viel mehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsere Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohl gefallen." Das heißt: da ist noch so eine Sache, die den Paulus bewegt. Er weiß, dass der Himmel kommt. Er hat eine Hoffnung. Aber es ist eine Hoffnung, die er nur im Glauben ergreifen kann. Er lebt in diesem Leben so wie wir. Ohne dass er es schon greifen könnte, ohne dass er es schon sehen könnte. Er weiß, er ist noch nicht angekommen. Und ihm ist es eine Motivation, alles daran zu setzen, Gott wohlzugefallen. Zu sagen: "Darauf lebe ich hin!" Und.
Jetzt noch mal zurück in den Römerbrief. Wie gesagt, eins meiner Lieblings-Kapitel: Römer 8, die Verse 22 bis 25. Dort schreibt er Paulus: "Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstigt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung. Denn wie kann man hoffen auf das, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld." Das heißt: noch so ein Aspekt, der den Paulus bewegt, ist dieses "Ich bin noch nicht angekommen." Ich leide mit der ganzen Schöpfung immer noch daran, dass es hier unten auf diesem Planeten nicht so einfach ist. Ich hab' mir dazu auch noch mal ein Vers aus dem Johannesevangelium raus geguckt. Johannes, Kapitel 16, Vers 33. Den kennt ihr wahrscheinlich auch alle. Da sagt Jesus: "Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. Denn in der Welt, da habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden". Und ich denke, das ist dieses ganze Paket auf der einen Seite, das ist einer der Aspekte, dass es hier unten eben nicht leicht ist. Hier unten haben wir mit uns selbst zu kämpfen. Hier unten haben wir zu warten. Hier unten haben wir Angst. Hier unten haben wir Leid. Nehmt es mal so als einen Aspekt mit.
Aber das ist eben nicht alles. Noch eine meiner absoluten Lieblings Passagen. Es gibt noch etwas anderes. Nämlich diese Hoffnung, von der schon die Rede war. Offenbarung 21. Die Verse 1 bis 7. Da nimmt uns der Apostel Johannes mit hinein in eine Schau von dem, was uns versprochen ist. Und er schreibt: "Und ich sah einen neuen Himmel. Und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabkommen. Bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: "Siehe da! Die Hütte Gottes bei den Menschen." Und er wird bei ihnen wohnen. Und sie werden sein Volk sein. Und er selbst, Gott, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein. Noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein. Denn das erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: "Siehe, ich mache alles neu." Und er spricht: "Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss." Und er sprach zu mir: "Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers. Umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben. Und ich werde sein Gott sein. Und er wird mein Sohn sein.""
Das ist dieser zweite Aspekt, der dem Paulus vor Augen ist. Ja, hier unten kämpft er mit der Sünde. Ja, hier unten hat er Anfechtung. Hier unten muss er warten. Hier muss er geduldig sein und im Glauben bleiben. Ja, hier unten hat er Angst und Bedrängnis. Aber er weiß, es liegt etwas vor ihm. Er schreibt das an einer anderen Stelle, die habe ich jetzt nicht rausgesucht, wo er sagt: dass das, was vor uns liegt (und er übertrifft er sich mit einem, dreifachen Superlativ), wo er sagt, dass das, was wir in dieser Zeit leiden, nichts ist im Vergleich zu der über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit, die auf uns wartet.
Ich glaube wirklich: was uns im Himmel erwartet, ihr Lieben, da haben wir nicht den Schatten einer Ahnung davon. Wir können uns das immer nur vorstellen im Sinne von was alles nicht sein wird. Wir haben das gerade gelesen im Text. Es wird kein Schmerz mehr sein, kein Leid, kein Geschrei, kein Tod. Aber wie wird es sein, einen Leib zu haben, in dem keine Sünde mehr wohnt? Ein Leib zu haben, der mir nicht mehr zur Bedrängnis wird? In einer Welt zu leben, die mich nicht mehr anficht? Im Gegenteil, wo alle voller Liebe sind, nicht nur Gott, sondern alle, die um mich sind, die werden sich alle überschlagen mit Freundlichkeiten und mit Gutheit. Und wir werden nicht mehr krank. Und so weiter. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann es nur erahnen.
Und das hat der Paulus im Hinterkopf. Und darum sagt er "Ich sehne mich danach, bei Christus zu sein, denn das wäre bei weitem das Beste." Das heißt, der Paulus ist jetzt nicht so ein selbstmordgefährdeter Mensch, sondern ein sehr, sehr realistischer Christ, der glasklar vor Augen hat, was noch kommt. Und ich denke, dieses Wissen um das, was noch kommt, das befreit in. Das befreit ihn im Diesseits alles zu geben. Weil er weiß, er hat ja nichts zu verlieren, weil es wartet eine Ewigkeit voller Freude auf ihn. Und das ist auch so ein Aspekt der Ewigkeit. Auch das können wir uns, denke ich, nur sehr schwer vorstellen. Aber setzt es mal ins Verhältnis. Nehmen wir mal an, wir werden 80, 90 wenn es hochkommt 100 Jahre alt. Und jetzt nehmen wir mal an, der Himmel wäre für 200 Jahre. Ja, nun könnte man sagen, das ist auf jeden Fall schon mal ein Verhältnis von zwei zu eins. Da wäre doch jetzt die Herrlichkeit auf jeden Fall schon mal "mehr" als das Leid auf Erden. Aber wir werden nicht 200 Jahre im Himmel sein oder 2000 oder 20.000, 200.000, 2 Millionen. Wir werden für immer und ewig im Himmel sein. Wer sich ein bisschen in der Mathematik auskennt, der weiß, wenn ich eins durch Unendlich teile, da kommt nur null raus. Und das ist der Grund, warum der Paulus das sagt. Das, was wir hier erleiden, was wir erwarten, wo wir hoffen und leiden, ist ein Nichts im Vergleich mit dem, was kommt. Und das, denke ich, setzt den Paulus frei. Das setzt ihn frei zu sagen: "Ich habe nichts zu verlieren, ich habe alles schon gewonnen, es liegt alles vor mir!"
Das wird kommen. So sicher wie das Amen in der Kirche. Und deswegen kann er schreiben: "Für euch ist es besser, wenn ich lebe." Und was wünscht er sich da? Ich denke, es sind drei Sachen. Vielleicht steckt noch mehr im Text drin. Aber es sind drei, auf die ich jetzt mal schauen will. Er wünscht sich, "dass ich immer unerschrocken für Christus eintreten werde." Was meint er damit? Er wünscht sich, dass er sich durch nichts und niemand davon abhalten lässt, das Evangelium weiterzugeben, für die gute Nachricht einzustehen, egal wie viele Leute dagegen schreien. Er wünscht sich, "dass durch mein Leben Christus geehrt wird." Er wünscht sich, ein gutes Zeugnis zu sein, weil er genau weiß, dass die einzige Bibel, die viele Leute jemals lesen werden, ist unser Leben. Und er wünscht sich, dass sein Leben im Einklang mit dem ist, was Christus uns aufgetragen hat, nämlich Liebet einander: liebe Gott und liebt einander. Paulus wünscht sich, dass er ein gutes Zeugnis ist.
Und vor allen Dingen wünscht er sich, dass die Gemeinde im Glauben wachst und erlebt, welche Freude der Glaube bringen kann. Das heißt, er wünscht sich, dass seine Glaubensgeschwister ihr Vertrauen auf Jesus setzen und in diese Freude des Glaubens hineinwachsen. "Und...", sagt er, "...trotz alledem: wegen der Herrlichkeit, die vor mir ist, kann ich alles geben" und diesen Satz sagen: "Für euch ist es besser, wenn ich lebe." Er gibt sich hin.
Jetzt könnte man sagen, ja, das ist jetzt schon freisetzend, zu sagen, "Hier unten ist es nicht so leicht. Aber ich habe eine große Motivation, weil eine unendliche Herrlichkeit auf mich wartet. Weil ich begriffen habe: ich habe nichts zu verlieren." Aber irgendwie ist es doch anstrengend, oder: Heilig werden.
Ich glaube, dass in diesem Text, insbesondere im Vers 26 das ganze Evangelium drin steckt. Joi und ich haben uns ein bisschen drüber ausgetauscht und das ist auch der Grund, warum ich den Vers 26 aus einer anderen Übersetzung genommen habe: Ich habe erst mal ins Griechische reingeguckt. Das ist ultra schwer zu übersetzen. Für mich zumindest Weil das, was dort im Griechischen eigentlich steht, ist, dass die Gemeinde in Philippi Grund hat sich in Paulus in Christus zu rühmen. Es ist so wie so eine verschachtelte Puppe. Kennt ihr die? Das heißt, man muss das erst mal entpacken, was in diesem Vers drinsteckt. Dieses "was Jesus Christus durch mich an euch getan hat". Ich glaube, da steckt das komplette Evangelium drin. Dem Paulus ist glasklar: Es ist nicht er, der handelt. Es ist nicht er, der jetzt großartig was geleistet hat. Sondern es ist "Christus in euch die Hoffnung der Herrlichkeit".
Und das schönste Beispiel, was ich da für je gefunden habe, das ist von Martin Schleske, einem der besten Geigenbauer der Welt. Der hat ein Buch geschrieben. "Der Klang". Kann ich jedem nur ans Herz legen. In diesem Buch beschreibt er auf zwei Ebenen eine Geschichte. Die oberflächliche Ebene ist, wie eine Geige entsteht. Und da geht er mit dem Leser in den Wald und sucht den Baum aus. Er geht mit dem Leser durch die ganze Geschichte. Wie der Baum gefällt wird; das Holz geschnitten, das Holz getrocknet, das Holz am Klang ausgewählt, zur Geige verarbeitet. Und so weiter und so fort. Aber das Buch endet damit, dass die Geige, wenn sie fertig ist, noch nicht ihr Ziel erreicht hat. Sondern zum wirklichen Wunder wird sie erst, wenn sie von einem Musiker gespielt wird, der dieser Geige würdig ist. Und auf einer anderen Ebene spürt man diesem Buch ab, dass er die Geschichte Gottes mit seinen Menschen beschreibt. Gott hat uns auserwählt. Er hat uns geschaffen. Er hat uns zusammengesetzt. Er hat uns ausgestattet mit unseren Gaben. Und es ist er, der dieses Instrument bedient. Und das, denke ich, ist das, was Gott sich von uns wünscht. Nicht, dass wir uns verkrampfen und krumm buckeln und meinen, wir müssten ihm irgendetwas bringen. Wir haben ihm nichts zu bringen. Gar nichts. Da kommen wir nachher noch drauf (Johannes 15,5).
Sondern Gott möchte an uns, in uns und durch uns wirken. Er möchte seine Sinfonie der Liebe durch unser Leben spielen. Das heißt, es geht nicht um unsere Leistung. Es geht um unsere Hingabe. Es geht darum, dass wir unser Leben ihm zur Verfügung stellen und ihn spielen lassen. Und ich denke, dass diese Erkenntnis unglaublich entlastend ist. Ermutigend. Beflügelnd. Ich muss Gott nichts bringen. Ich muss für Gott nichts leisten. Alles, was er sich von mir wünscht, ist, dass ich zu ihm komme und mich ihm zur Verfügung stelle. Und ihn machen lasse.
Was können wir tun?
Trotzdem hatten wir im Inhaltsverzeichnis die Frage gestellt: "Was können wir tun?" Nachdem, was ich gerade gesagt habe, sollte klar sein, dass das, was wir tun können, was wir beitragen können, in keinster Weise eine Leistung ist, die einen Unterschied macht, sondern auch wiederum etwas, was dieser Hingabe entspricht. Ich denke, das Erste und Wesentlichste, was wir machen können ist: immer wieder auf Christus zu schauen. Ich persönlich schaue am liebsten auf dieses Bild (ich bin mir nicht ganz sicher: ich glaube, es ist die Sixtinische Kapelle). Auf Christus zu schauen. Auf seine Gnade, auf seine Treue. Darauf, dass er mir immer und immer und immer wieder vergibt. Das rührt mich zutiefst. Das habe ich nicht verdient. Manchmal fällt mir das sogar schwer zu glauben. Weil ich immer und immer wieder Böcke schieße. Aber er bleibt treu. Und dieser Blick ans Kreuz. Dieser Blick auf Christus. Der macht mich froh und der macht mich dankbar. Und der ist es, der mich immer wieder motiviert zur Hingabe.
Und wenn euch das aus dem Blick gekommen sein sollte: Dann könnt ihr noch etwas tun: Lest Psalm 103. Dort kommt dieser wunderbare Vers vor: "der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit." Ihr Lieben! Wir machen von morgens bis abends Bockmist. Und wenn ich mich im Spiegel schaue, dann denke ich mir, eigentlich müsste Gott mich links und rechts abwatschen. Und was macht er? Er sagt: "Dich will ich krönen mit Gnade und Barmherzigkeit."
Was kann ich noch tun? Ich kann mir immer wieder vor Augen führen: "Das Beste kommt noch." Das, was wir hier erleben, das ist nicht alles. Es ist ein winziger, verschwindend kleiner Bruchteil unseres Lebens. Eins dividiert durch unendlich ist null. Das, was wir hier erleben und erleiden ist nichts, absolut nichts, im Vergleich mit der Herrlichkeit, die auf uns wartet! Und diese Herrlichkeit kommt gewiss. So, wie alles andere gekommen ist, was Gott versprochen hat. Und ich denke, dass dieser Blick befreit zur Hingabe.
Und last but not least können wir noch etwas tun. Wir können Johannes 15,5 lesen. Und dort steht geschrieben: "Wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringt viel Frucht." In dem Vers steht auch: "ohne mich könnt ihr nichts tun." Nicht 'wenig'. Nicht 'ganz wenig'. Nicht 'nur ein klitzekleines bisschen'. Sondern 'nichts!'. Und wenn wir das begreifen: "Wir können nichts tun. Null. Null-komma-Null!" Sondern: "Es ist Christus in uns, der alles tut." Dann glaube ich, haben wir ein paar Zutaten beieinander, die uns befreien, uns Hoffnung machen. Und die uns motivieren, uns hinzugeben. Da muss ich nicht viel tun. Nur ihn spielen lassen, mich ihm zur Verfügung stellen.
Und das immer wieder mit diesem Blick ans Kreuz, mit dem Blick auf Christus und mit dem Gedanken im Herzen "Was für ein Gott!" Ein Gott, der die Ewigkeit verlässt: Höchste Herrlichkeit, höchste Glückseligkeit. Und an einem Kreuz verreckt, damit ich an seiner Herrlichkeit Anteil bekomme.
Ein Blick in die Zukunft
Lasst mich zum Schluss mal einen Blick in die Zukunft der Gemeinde wagen. Stellt euch mal vor, wie das wäre. Wenn uns das alles in ein paar Jahren (wir können ja heute schon damit anfangen!) immer besser und besser gelingt. Stellt euch das mal vor: dass wir eine Gemeinde sind, die vor Freude platzt. Über die Güte und Gnade Gottes, über seine Treue, über seine Vergebung. Eine Gemeinde, die motiviert ist, diese Freude zu verbreiten, weil sie gar nicht weiß, wohin damit. Sie möchte, dass auch andere Menschen an dieser Freude, an diesem Glück Anteil bekommen. Stellt euch mal vor, wir wären eine Gemeinde, die voller Vorfreude auf den Himmel ist. Befreit, sich von Jesus gebrauchen zu lassen, damit seine Vision Wirklichkeit wird: Eine Welt voller Liebe. Und stellt euch einmal vor, wir wären eine Gemeinde, die befreit ist von dem Krampf und von der Last, weil wir begriffen haben, dass es nicht an uns liegt, sondern an Christus in uns. Der uns Vollmacht verleiht. Und alles, was uns bleibt, ist, uns zur Verfügung zu stellen. Ich denke, wenn uns das gelingt, dann werden wir einen Unterschied machen hier in Hadern. Und das wünsche ich mir von Herzen.
Amen.
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