Samstag, 13. Oktober 2018

Eine unverschämte Hoffnung - 2. Tim 1,11+12

[Predigt als MP3]

Zeugnis

Anfang dieser Woche :

  • habe ich  Gott – habe ich Seine Güte – nicht mehr erkennen können
  • Haben Zweifel – an Seiner Liebe zu mir – meine Seele überrollt
  • Hatte ich keine Kraft mehr, weil das, was ich erlebt hatte, mir einfach alles zu viel war
  • Habe ich nicht einmal mehr richtig beten können

Dann:

  • Habe ich Freunde gebeten, für mich zu beten
  • Und dann – es schien völlig unmöglich – eine Woche erlebt, die „lief, wie geschmiert“ 
  • Erlebt, wie mehr und mehr Ruhe einkehrte in meinem Herzen

Und dann:

  • Die Erkenntnis: das war der Feind – und eine seiner liebsten Schachzüge – erst Leid zu verursachen – und dann Gott dafür verantwortlich zu machen. Meinen Blick abzuwenden von Seinem Wort, Seinem Wesen, Seiner Liebe und Gnade – mit einem einzigen Ziel: den glimmenden Docht in meiner Seele zum Erlöschen zu bringen.
  • Und dann eine zweite Erkenntnis: Es ist Gott, der mich bewahrt – ER allein – und Er wird es auch weiterhin tun.
  • Und eine Dritte: In der Zeit der Vorbereitung dieser Predigt wurde mir dann klar, was mein Erleben mit unserem heutigen Text zu tun hat. Aber lesen wir selbst:


Unser Text (2 Tim 1,11+12)

In unserem Text redet Paulus von dem „[...] Evangelium, 11 für das ich eingesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer. 12 Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.“


Übersicht (2 Tim 1,11+12)

Auch wenn es nur 2 Verse sind, so ist unser heutiger Text doch wieder so dicht und gespickt mit Hinweisen, dass ich gut und gerne 3 oder gar 4 Predigten darüber halten könnte. Aber dann kämen wir ja nicht voran. Um Euch also dieses Schneckentempo zu ersparen, habe ich mir gedacht, dass ich Euch eine kurze Übersicht über die heutigen Verse gebe – und dann 3 Schwerpunkte setze.


Die Übersicht sieht ungefähr so aus:

  • Es geht Paulus in unserem Text von vorne bis hinten um 2 Dinge: das Evangelium – und um Christus
  • Für das Evangelium ist Paulus von Christus eingesetzt als Verkündiger, Bevollmächtigter und Lehrer
  • Für das Evangelium leidet Paulus im Gefängnis in Rom; erwartet seine Hinrichtung; den sicheren Tod
  • Weil das Evangelium eine gute Botschaft ist – weil sie Christus bezeugt – unseren Heiland, den, der uns liebt, schämt Paulus  sich nicht, für diese Verkündigung wie ein Verbrecher angesehen zu werden
  • Und weil das Evangelium, das Christus selbst dem Paulus anvertraut hat, auch von Christus bewahrt wird, ist Paulus gewiss, dass Er dieses Evangelium in ihm – und damit Seine Erlösung! – bewahren wird
  • Und zwar bis zu dem großen Tag, an dem Jesus wiederkommt, um die Welt zu richten.


Die 3 Schwerpunkte, die ich setzen möchte, sind folgende:

  • Paulus spricht von dem ihm „anvertrauten Gut“ – für mich der Schlüssel zum Text
  • Paulus schreibt über das Leiden, das wir erfahren –  aufgrund dieses Guts
  • Und Paulus schreibt von der Bewahrung durch Christus, der uns – und in uns dieses Gut – durch alle Anfechtung hindurch bewahrt; bis an den Tag, an dem Gottes Ewigkeit anbricht.


Das anvertraute Gut

Paulus spricht in unserem Text von dem „mir anvertrauten Gut“. Doch was meint er damit? Im griechischen steht hier die Formulierung "την παραθηκην μου", ein Ausdruck aus dem Finanzwesen, der ungefähr soviel heißt, wie „meine Einlage“ – oder eben „mein mir anvertrautes Gut“. Robertson, ein begnadeter Spezialist für das Griechische, fühlte sich in seinem Kommentar zu dieser Formulierung an ein Gleichnis Jesu erinnert, an „die Bank des Himmels“ sozusagen, in „die kein Einbrecher einbrechen kann“. Um unseren Text zu verstehen ist es dabei wichtig, zu sehen, dass dieses „anvertraute Gut“ – diese „Einlage“ also – zwei Bilder in sich schließt:

Zum Einen das Bild vom Evangelium selbst, welches Gott in unsere Herzen gelegt hat. Wenn Paulus vom "anvertrauten Gut" spricht, dann hört sich das oft so an: "[...] sie sahen, daß mir anvertraut war das Evangelium an die Heiden [...]"  (Gal 2:7). Oder er spricht von "[...] dem Evangelium von der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut ist." (1Tim 1:11). Oder ganz einfach vom "Geheimnis des Glaubens" (1Tim 3:9). In diesem Sinne ist das uns „anvertraute Gut“ also die Botschaft davon, dass Christus, die zweite Person des ewigen und allmächtigen Gottes, Mensch geworden ist. Davon, dass ER – an unserer Stelle! – ein vollkommen gerechtes Leben gelebt hat und dass ER für unsere Schuld gestorben ist. In diesem Sinne ist das uns „anvertraute Gut“ die gute Nachricht von der Liebe und Gnade Gottes: der uns alle unsere Schuld vergibt – und uns obendrein noch seine für uns erwirkte Gerechtigkeit verleiht; ja, der uns eines Tages zu sich in die Ewigkeit holen wird, wo es „kein Leid, keinen Schmerz und kein Geschrei mehr geben wird.“

Zum anderen schließt diese Formulierung vom „anvertrauten Gut“ aber auch das Bild von uns selbst mit ein. Von unserem Leben, von unserer Seele, von unserem Herzen, die wir in Gottes Hände legen, gerade indem wir Seiner guten Nachricht Glauben schenken. So schreiben die Ausleger Jamieson, Fawcett und Brown über das „anvertraute Gut“, es sei "[...] das, was ich ihm [Gott] anvertraut habe [...]; den Leib, die Seele und den Geist, die ich in Gottes Sicherheit aufbewahrt habe. [...]  Es gibt eine Einlage, die uns von Gott anvertraut wurde und die wir an andere weitergeben sollten; es gibt eine andere, die uns von Gott anvertraut wurde und die wir für Seine Aufbewahrung einsetzen sollten, nämlich uns selbst und unseren himmlischen Teil.“ – oder wie ein anderer Ausleger (Grotius) es formulierte: „Gott legt bei uns sein Wort ab; wir legen bei Gott unseren Geist ab.“


Leiden für das Gut

Bei unserer Bekehrung haben wir also unsere Seele in Gottes Hände gelegt – haben wir IHM unser Leben anvertraut. Wissend, dass wir sündig sind. Wissend, dass wir dieser Sünde - ohne Gottes Hilfe - hilflos ausgeliefert sind. Wissend, dass wir uns nicht selbst erlösen können. Im gleichen Augenblick aber hat auch Gott uns etwas anvertraut, hat ER einen Schatz in unsere Herzen gelegt; hat ER uns Sein Evangelium anvertraut. 

Und dieses Evangelium, so unscheinbar, wie es uns an trüben Tagen vielleicht erscheinen mag, ist das am heißesten umkämpfte Gut in unserem Universum. Ja, sobald wir das Evangelium im Glauben annehmen, sind wir wie ein Windlicht. Sind wir wie ein zerbrechliches tönernes Gefäß, in dem das Licht der Liebe Gottes angezündet wurde. Ein Licht, dass ständig der Gefahr ausgesetzt ist, ausgeblasen zu werden – und doch nicht verlischt. Dieses Evangelium in uns ist einer der Gründe, warum wir leiden – weil es der Teufel mit aller Macht auslöschen will: den Glauben daran, dass Gott gut ist - und dass ER es gut mit uns meint. 

Und dazu führt er zwei Waffen ins Feld: Verführung und Anfechtung.  Verführung: das ist, dass er uns glauben machen will, dass Gott ein Spielverderber ist, der uns keine Freude gönnt. Und dass ER uns das wahrhaft Gute vorenthalten will, so dass wir, wenn wir Freude erleben wollen, gar nicht anders können, als uns dieses angeblich Gute in eigenwilliger Rebellion anzueignen; ja, dass wir Gottes Gebote brechen müssen, um glücklich zu sein.

Durch Anfechtung, das ist, dass er uns den Blick auf Gottes Wesen verstellt – auf Seine Heiligkeit und Reinheit und Schönheit – und auf Seine unverbrüchliche, ewige Liebe zu uns; auf seine Treue und Gnade und Barmherzigkeit. So, das wir – mit Blindheit geschlagen – gar nicht anders können, als zu verzweifeln und Gott den Rücken zu kehren*. 

Beiden Arten der Anfechtung liegt eine Lüge zugrunde. In der Verführung ist es die Lüge, dass wir in Gottes Schöpfung und in seinen Gaben mehr Freude finden können, als in Gott selbst. In der Anfechtung sind es der Schmerz und das Leid und in ihnen die Lüge, dass Gottes Wesen oder Seine Liebe zu uns nicht vollkommen seien, dass wir also ohne Gott besser dran wären. 

Mit diesen Anfechtungen sind wir nicht allein. Schon Petrus motiviert seine Gemeinde in seinem ersten Brief: "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder und Schwestern in der Welt kommen." (1Pe 5,7-9)


Hoffnung im Leiden

Diese Anfechtung müssen wir als Christen alle erdulden - in der einen oder der anderen Form. Und der Grund ist kein anderer als der, dass der Teufel niemanden mehr hasst, als Gott – und damit uns, weil wir nach Seinem Bilde geschaffen sind. Und dass er nichts mehr hasst, als Gottes Wort und Evangelium, das Gott in unsere Herzen gelegt hat – weil es uns aus Seiner Herrschaft reißt – und weil er befürchtet, dass wir dieses Evangelium weiter geben und so noch viele Menschen aus Seiner Sklaverei der Sünde gerissen werden – und Gottes Freude erleben: bedingungslos geliebt zu sein.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht. Aber in meinem Leben vergehen wenige Tage, in denen mein Glaube nicht auf die eine oder andere Weise angefochten ist. Manchmal ist es zum verzweifeln. Gerade an solchen Tagen, an denen die Dunkelheit schier unerträglich wird. An Tagen, in denen die eigenen Kräfte so am Boden liegen, dass sie nicht einmal mehr ausreichen, um ein Gebet zu sprechen – geschweige denn: mit voller Zuversicht zu glauben, dass Gott gut ist – und es gut mit mir meint. An solchen Tagen spüren wir, dass wir verloren wären, wenn unsere Rettung allein in unseren Händen läge oder allein in unseren Kräften stünde.

Luther beklagt das so: „[...] betet und treibt Gottes Wort fleißig, erhaltet das arme Windlicht Gottes, seid gewarnt und gerüstet, als die alle Stunden gewarten müssen, wo euch der Teufel eine Scheibe oder Fenster ausstoße, Tür oder Dach aufreiße, das Licht auszulöschen. Denn er stirbt nicht vor dem jüngsten Tag; ich und du müssen sterben, und wenn wir tot sind, bleibt er gleichwohl der, der er allezeit gewesen ist, und kann sein Stürmen nicht lassen. Gott helfe uns.“

Gerade an solchen Tagen ist es der größte Trost zu wissen, was Paulus hier schreibt: dass es Christus selbst ist, der das Windlicht des Evangeliums in uns bewahren kann. Und der mit diesem Windlicht auch unsere ewige Erlösung bewahren kann. Er, der lebendige und allmächtige Gott. ER von dem es heißt: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.“ (Jes 42:3). ER, unser Gott, spricht: „Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden niemals umkommen. Niemand kann sie mir aus den Händen reißen, weil niemand sie aus den Händen meines Vaters reißen kann. Er schützt die, die er mir gegeben hat; denn er ist mächtiger als alle." (Joh 10:28-29)

Und darum fährt Luther in seinem Bild vom Windlicht fort: „Denn wir sind es doch nicht, die da die Kirche erhalten könnten, unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen, unsere Nachkommen werden es auch nicht sein, sondern der ist es gewesen, ist es noch, und wird es sein, der da spricht: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, Jesus Christus gestern und heute, der es war, der es ist, und der es sein wird. - Ja, so heißt der Mann, und so heißt kein anderer Mann, und soll auch keiner so heißen.“


Der Kern

Das also ist der Kern unseres heutigen Textes: dass es Christus selbst ist, der das arme Windlicht des Evangeliums in uns erhält. Der nicht zulässt, dass der glimmende Docht verlischt. Der die Flamme des Glaubens und der Hoffnung immer wieder anfacht in uns– durch Sein Evangelium – durch Sein Wort.

John Calvin, schreibt in seinem Kommentar zu 2. Timotheus: "Inmitten jedes Sturms und Sturms wird der Mensch ungestörte Ruhe genießen, der eine feste Überzeugung hat, dass Gott, "der nicht lügen kann" (Titus 1:2) oder betrügen, gesprochen hat und zweifellos tun wird, was er versprochen hat. [...]  Dieser Abschnitt ist sehr beachtenswert, denn er drückt bewundernswert [...] aus, [...] dass wir Gott auch in verzweifelten Angelegenheiten die Ehre geben sollten, nicht daran zu zweifeln, dass er wahr und treu sein wird; und wenn er ebenfalls zeigt, dass wir uns auf das Wort so voll und ganz verlassen sollten, als hätte Gott sich uns vom Himmel aus offenbart [...]“

Darum ruft uns Gott zu: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“ Darum schreibt Paulus: „Darum will ich mich [...] rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes [...] in Nöten [...] und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ (2Kor 12:9-10) Oder mit den Worten von Petrus: „Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig.“ (1Pe 3:14)“ Denn: "[...] unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." (1Jo 5:4)


Fragen an Dein Herz

  • Hast Du Gottes Evangelium als Dir anvertrautes Gut in Dein Herz aufgenommen?
  • Was fechtet Deinen Glauben an Gottes Güte und Liebe zu Dir an?
  • Willst Du glauben, dass Gott Dich liebt und bewahrt?

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