Freitag, 11. November 2011

Vom "Gutes tun"

Kann der Mensch wirklich Gutes tun?
Die Frage nach dem „Guten und Bösen“, bzw. der Frage nach dem „Maßstab für Gut und Böse“ wird immer wieder gestellt. Meist vor dem Hintergrund der Frage "wie man in den Himmel kommt".

Die landläufige Meinung ist, dass Gott am Ende unserer Tage unsere guten Taten gegen unsere schlechten aufrechnet, am Ende ein Auge zudrückt und uns dann in den Himmel lässt. Alles paletti also?

Diese landläufige Meinung wirft aus meiner Sicht etliche Fragen auf, wie z.B.: "Kann der Mensch wirklich Gutes tun?" im Sinne von: "Kann der Mensch so viel Gutes tun, dass er in den Himmel kommt?".

Dazu ist erst einmal zu sagen: Natürlich kann der Mensch, rein anthropozentrisch betrachtet, sehr viel Gutes tun! Das scheint mir nicht die Frage zu sein, denn das ist offensichtlich. Und muss der Mensch erst Christ werden, um solches tun zu können? Auch hier würde ich entschieden mit „Nein!“ antworten. Und auch das ist offensichtlich, siehe Mahatma Gandhi oder Amnesty International.

Die Frage ist also nicht, ob der Mensch per se Gutes tun kann, oder nicht, sondern, ob ihn das in den Himmel bringt. Und genau hier wird die Frage nach dem Maßstab wichtig. Nicht nur: „Was ist gut?“ oder „Was ist schlecht?“ sondern vielmehr:„Wie viel Gutes ist des Guten genug?“, oder noch besser: Was ist in den Augen dessen, dem der Himmel gehört, denn wirklich "gut", bzw. "gut genug"?

Diese Frage wurde auch Christus gestellt – und zwar von einem reichen jungen Mann, der sein Leben aus unserer Sicht und nach menschlichem Maßstab in absoluter Makellosigkeit gelebt hatte und nun wissen wollte, was er denn tun müsse, um in den Himmel zu kommen. Wie die Geschichte im Mattäusevangelium zeigt, schien sein äußerliches Verhalten absolut makellos zu sein, doch in seinem Herzen war er gebunden – zu gebunden, um der Beziehung zu Gott in allem den Vortritt zu geben – Gott über alles zu lieben, so wie es im größten aller Gebote verlangt wird. Er sah den Himmel als eine Sache an, die man bekommen könnte, nicht als das, was er in Wahrheit ist: Die Beziehung zu Gott für alle Ewigkeit, die Gemeinschaft mit Ihm, der das personifizierte Leben ist, die Liebe, die Wahrheit, die Güte, die Barmherzigkeit.

Die Geschichte geht so: „Ein junger Mann kam mit der Frage zu Jesus: "Lehrer, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu bekommen?" Jesus entgegnete: "Wieso fragst du mich nach dem Guten? Es gibt nur einen, der gut ist, und das ist Gott. Du kannst ewiges Leben bekommen, wenn du Gottes Gebote befolgst." "Welche denn?", fragte der Mann, und Jesus antwortete: "Du sollst nicht töten! Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen! Sag nichts Unwahres über deinen Mitmenschen! Ehre deinen Vater und deine Mutter, und liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst." "Daran habe ich mich immer gehalten! Was muss ich denn noch tun?", wollte der junge Mann wissen. Jesus antwortete: "Wenn du vollkommen sein willst, dann verkauf, was du hast, und gib das Geld den Armen. Damit wirst du im Himmel einen Reichtum gewinnen, der niemals verloren geht. Und dann komm, und folge mir nach." Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg, denn er war sehr reich.“ (Matthäus 19:16-22)

Die Frage, die sich hier offensichtlich stellt ist nicht, ob dieser junge Mann nun gute Werke getan hätte, oder nicht – denn das hatte er – sondern vielmehr, ob er bereit war, die Beziehung zu Gott an die erste Stelle in seinem Leben zu stellen, dorthin, wo sie hingehörte – über sein Wohlbefinden und materielle Güter - um dann mit Gottes Hilfe das zu tun, wozu er geschaffen wurde: Gottes Wesen, seinen Charakter in seinem Handeln zu reflektieren. Doch das war nicht der Fall.

Gott möchte, dass wir ihn lieben, weil er uns liebt (welcher Liebende möchte schon gerne ignoriert werden?) Es geht Gott also nicht allein um gute Werke sondern vor allem um unsere Beziehung zu ihm und darum, dass wir ihn in unserem Sein und Tun allen seinen göttlichen Eigenschaften, wie ein Spiegel, reflektieren. Denn dazu hat er uns erschaffen – das ist der Zweck und Sinn unseres Lebens: „Dann sagte Gott: "Jetzt wollen wir den Menschen machen, unser Ebenbild, das uns ähnlich ist.“ (1. Mose 1:26) und „Ich habe sie zu meiner Ehre geschaffen, ja, ich habe sie [zu diesem Zweck] gemacht“ (Jesaja 43:7).

Dieser Beziehung steht jedoch etwas in unserem Innersten entgegen: Unser Hang zu Selbstliebe & Selbstverherrlichung, den wir über alles stellen – auch über Gott – und damit letztlich auch über seine Gebote. Vor allem über die ersten zwei/drei (je nach Zählweise): „Ich bin der Herr Dein Gott ... Du hast keine anderen Götter neben mir [wenn Du mich liebst]“, „Du machst Dir kein Bildnis... [wenn Du mich liebst]“, „Du wirst den Feiertag heiligen [wenn Du mich liebst]“. – oder wie Jesus es im Evangelium sagte: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote befolgen.“ (Johannes 14:15).

Unsere überzogene Egozentrik, unser Egoismus und unsere Selbstdarstellung sind es also, die uns im Wege stehen und die zur Folge haben, dass wir Dinge tun, die wir nicht tun sollten, oder umgekehrt. Unsere Konstitution bestimmt unser Verhalten. Und unser Verhalten führt uns damit letztendlich in Schuld vor Gott: wir übertreten Seine Gebote. Und nicht nur das Erste. Wir alle. Ohne Ausnahme.

Damit ist jetzt aber nicht mehr nur die Beziehungsfrage vorranging und auch nicht die Frage nach der Vollkommenheit unserer praktisch gelebten Ebenbildlichkeit, sondern es ist auch noch die Frage der Schuld hinzugekommen. Und Schuld verhindert Beziehung: Wenn eine Frau ihrem Mann verspricht: „Ich werde keine anderen Männer haben neben Dir [weil ich Dich liebe]“ sich dann aber doch einen anderen anlacht, dann haben die beiden ein Problem. Und das ist nur aus der Welt zu räumen, in dem Versöhnung stattfindet. Indem die Frau zum Mann sagt: „Es tut mir leid!“ und der Mann der Frau vergibt.

Und in diesem Bilde gesprochen: Gott hat uns geschaffen, damit er in einer Liebesbeziehung mit uns leben kann. Und wir haben ihm das Herz gebrochen indem wir ihn (ganz praktisch in unserem Alltag) verachten (nicht beachten): Indem wir Dinge, Freuden und Pläsierchen über die Beziehung zu Ihm stellen und unser Leben ohne ihn leben. Und wenn ohne ihn, dann vor allem abseits seines wesentlichen Gebotes: „...du sollst den HERRN, deinen Gott, mit ganzem Herzen lieben, von ganzer Seele und ganzer Kraft.“ (5. Mose 6:5)

Und dadurch werden wir schuldig. An Gott. Nicht an den Menschen. Weil Gott uns aber dennoch liebt – trotz all unserer Ignoranz! – bietet er uns seine Vergebung an, die Wiederherstellung unserer Beziehung zu ihm. Doch dazu müssten wir erst einmal unsere Einstellung (zu Ihm hin) ändern und umkehren. Und genau aus diesem Grunde heißt es auch in den Evangeliem nicht nur einfach: „Glaubt an die gute Botschaft“ (Markus 1:15) - und: peng! Fertig! Sondern es heißt zuerst einmal: „Kehrt um zu Gott!“ (Matthäus 3:2) und „Ändert Eure Einstellung“ (Markus 1:15).

Der Himmel ist nichts anderes, als die ewige Gegenwart Gottes, der uns für die Beziehung zu ihm in vollkommener Liebe erschaffen hat. Gott allein ist, in persona, die Antwort auf all dieses Loch in unseren Herzen, das wir so verzweifelt bemüht sind zu füllen: mit menschlicher Anerkennung, Stolz, materiellen Dingen und sonstigen Pläsirchen. Doch das Verlangen bleibt. Das Loch lässt sich so nicht stopfen. Weil wir noch eine unbewußte Ahnung davon haben, dass wir nicht für diese Welt, sondern für den Himmel geschaffen wurden: „[Gott] hat [alles] so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt.“ (Prediger 3:11)

Zusammenfassung: In Gottes Himmel kommt also nicht derjenige, der tolle Leistungen vorzuweisen hat, sondern der, der erkannt hat, dass er mit seinem Ich-bezogenen Leben Gott das Herz gebrochen und ihm den Rücken gekehrt hat. Der erkannt hat, dass er –abweichend von seiner Bestimmung – sein Herz mit Dingen und Sehnsüchten vollgestopft hat, die doch das Loch nicht stopfen können. Der erkannt hat, dass er mit seinem selbstbezogenen („Hauptsache, mir geht’s gut!“) und selbstverherrlichenden Lebensstil („Die ganze Welt dreht sich um mich - ich bin nur ein Egoist!“) den Wesentlichen, nämlich Gott, aus den Augen verloren hat und damit an dem uns liebenden Gott schuldig geworden ist. Und der dann seine Einstellung ändert und umkehrt zu diesem Gott und Ihn bittet, ihm zu verzeihen. Der, wie der verlorene Sohn, zurückkehrt in die Beziehung zu Gott und dann mit Freude darin bleibt. Was übrigens ganz leicht ist, wenn man erst einmal erkannt hat, wie unendlich wunderbar Gott in seiner Liebe, Gnade und Barmherzigkeit ist und mit wieviel Liebe und Gelduld er uns liebt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen