Sonntag, 9. August 2015

Von der Vergebung (»Der Schalksknecht«) (Mt 18:21-35)

Text

21 Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal? 22 Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. 23 Darum gleicht das Himmelreich einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. 24 Und als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig. 25 Da er's nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen. 26 Da fiel ihm der Knecht zu Füßen und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's alles bezahlen. 27 Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei und die Schuld erließ er ihm auch. 28 Da ging dieser Knecht hinaus und traf einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Silbergroschen schuldig; und er packte und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du mir schuldig bist! 29 Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's bezahlen. 30 Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war. 31 Als aber seine Mitknechte das sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten bei ihrem Herrn alles vor, was sich begeben hatte. 32 Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; 33 hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? 34 Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war. 35 So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.


Kommentar

Zusammenfassung

Mit einem Gleichnis verdeutlicht Jesus, dass es im Bezug auf die Vergebung nicht um die Frage von deren Grenzen geht, sondern vielmehr um unser Herz und damit um den in jeder Hinsicht unbegrenzten Anspruch Gottes an uns, seine Kirche, uns untereinander alle Tage und von Herzen zu vergeben, wo wir aneinander schuldig geworden sind. Wir alle werden am Ende aller Tage Gottes Urteil empfangen: Gnade und Barmherzigkeit, wo unser Herz durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit weich und zur Vergebung bereit gemacht wurde und allezeit gerne vergibt. Oder die volle Härte des göttlichen Gerichts, welches uns mit eben dem Maßstab unserer eigenen Unbarmherzigkeit richten wird: ohne Gnade und Erbarmen. Die Wahl liegt bei uns.


Struktur

21-22 Die Frage Petri nach den Grenzen von Vergebung beantwortet Jesus mit dem Gebot der qualitativen und quantitativen Unbegrenztheit von Vergebung. Dies Gebot verdeutlicht er mit einem Gleichnis.

23-27 Im ersten Teil des Gleichnisses zeigt Er uns, was Barmherzigkeit heißt.

28-30 Im zweiten Teil des Gleichnisses zeigt Er uns, was Hartherzigkeit bedeutet.

31-34 Und im dritten und letzten Teil des Gleichnisses zeigt er uns deren Folgen.

35 Zum Schluss des Gleichnisses zieht Jesus die Parallele zum Leben in der Kirche: Gottes Wunsch ist es, dass wir so barmherzig miteinander umgehen und einander ebenso herzlich und gerne vergeben, wie Er uns vergeben hat.


Inhalt

21-22 Kaum, dass Jesus seine Jünger über die Zurechtweisung von sündigenden Geschwistern belehrt und sie mit der Vollmacht und dem göttlichen Vorrecht (Ps 51:6) versehen hatte, Sünden zu vergeben(!) oder zu behalten, da tritt Petrus - wie so oft, der Erste - an Jesus heran und will wissen, wann es denn genug ist mit dem Vergeben. Dabei setzt er die Obergrenze schon, aus menschlicher Sicht betrachtet, recht großzügig an: siebenmal will er einem Bruder, der an ihm schuldig geworden ist, vergeben, wenn er darum bittet. Mit der Sieben, der Zahl der Vollkommenheit deutet er dabei an, dass er bereit wäre vollkommen zu vergeben. 

Jesu Antwort gleichwohl macht deutlich, dass Gott im Hinblick auf Vergebung ganz andere Maßstäbe setzt. Es geht um unser Herz und dessen Beschaffenheit. Ist es weich oder verstockt? Sind wir, auch nach siebzigmal sieben Malen, in denen an uns gesündigt wurde, noch bereit zu vergeben? Mit der Zahl Siebzig, der Zahl der Vollständigkeit, bringt Jesus ein weiteres Element in das Konzept der Vergebung ein: nicht nur qualitativ vollkommen sollen wir vergeben, sondern auch quantitativ vollständig. Es geht eben nicht um eine Obergrenze von Vergebung, es geht um die Beschaffenheit unseres Herzens.

Um zu verdeutlichen, wie wichtig das ist, eben weil unsere Bereitschaft zu vergeben eine Wirkung der Beschaffenheit unserers Herzens ist, erzählt Jesus ein Gleichnis. Dieses Gleichnis verdeutlicht, wie Gott, der Regent des himmlischen Reiches, unser Herz und unser Verhalten beurteilt.


23-27 Der erste Teil dieses Gleichnisses handelt von einem König und Seinem Schuldner, einem Knecht, der ihm laut Abrechnung die unbezahlbar hohe Summe von 200.000 Jahregehältern schuldete und den der König, aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit rechtmäßig dazu verurteilte, dass sein Hab und Gut veräußert und er selbst und seine Familie in die Sklaverei verkauft würden, um damit dessen Schuld abzutragen. Vor allem aber handelt der erste Teil dieses Gleichnisses von der herzzerreißenden Hilflosigkeit des Schuldners, von Seinem Flehen um Gnade und vom Erbarmen Seines Königs, der ihn aus reiner Barmherzigkeit in die Freiheit entließ und ihm obendrein noch seine so überaus hohe Schuld erließ.


28-30 Der zweite Teil dieses Gleichnisses handelt, im scharfen Kontrast zum ersten, von gerade diesem Knecht des Königs, der ebenfalls einen Schuldner hatte; einen ihm gleich gestellten Knecht, der ihm jedoch lediglich 4 Monatsgehälter schuldig war. Diesem Schuldner aber geht der Knecht - angesichts von dessen Unfähigkeit die Schuld zu erstatten -, jenseits jeden ordentlichen Gerichts und außer sich vor Rage, ja in einer der Lynchjustiz gefährlich nahe kommenden Façon, an den Kragen. Und, ganz im Gegensatz zur Barmherzigkeit seines Herrschers, beantwortet er das demütige Flehen seines Schuldners nicht mit Gnade und Erbarmen, sondern mit grausamer und herzloser Härte; ließ seinen Schuldner verurteilen und inhaftieren, bis dass er, auf welche Weise auch immer, seine Schuld bezahlt hätte.


31-34 Im dritten Teil dieses Gleichnisses macht Jesus den Punkt: Was der herzlose Knecht getan hatte, blieb nicht unbeobachtet. Seine Kollegen hatten vielmehr sein Verhalten beobachtet und waren darüber von Herzen bekümmert und berichteten den Vorfall sogleich ihrem König. Dieser wiederum brachte den Fall auf den Punkt: Das Herz des Knechtes war böse. All Seine Schuld wurde ihm erlassen, allein weil er darum flehte. War er damit nicht moralisch dazu verpflichtet, seinem Mitknecht in der gleichen Weise mit herzlichem Erbarmen zu begegnen? Dieser Hochmut der Sünde, der nicht einmal angesichts der eigenen Vergebungsbedürftigkeit zerbricht, dieses Herz, dass nicht einmal angesichts der selbst erfahrenen Gnade weich wird, sondern hart und unbarmherzig bleibt, diese Sünde zieht den ganzen Zorn des Königs auf sich und endet damit, dass der Knecht sein eigenes Urteil erleidet: er wird der Gefängnisaufsicht überstellt, bis dass er, auf welche Weise auch immer, seine Schuld bezahlt hätte.


35 Zum Schluss zieht Jesus das Fazit, in dem er den König mit Seinem Vater im Himmel, unserem Gott, gleichsetzt und den Knecht unseren Geschwistern in der Gemeinde und damit die gesamte Moral der Geschichte auf uns in Anwendung bringt: 

Was Gott am Ende der Tage beurteilen wird, ist unser Herz und das Verhalten, zu dem es uns geleitet hat. Gott wünscht sich, dass es von Seiner großen Gnade und Barmherzigkeit, die uns unsere unermessliche Schuld am Kreuz vergab, weich wird, gerne vergibt und verzeiht und in Liebe und Frieden mit dem Nächsten leben will. Sollte Gott jedoch feststellen müssen, dass unser Herz - trotz aller von Ihm empfangener Liebe und Güte - hochmütig und hart geblieben ist und dass es, völlig verstockt, auch die Schuld des Nächsten nicht vergeben will, so wird uns unser eigenes Urteil treffen: das ewige Gericht (vgl. Mt 6:15).


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung

  • Wie ist Dein Herz beschaffen?
  • Ist es weich, gnädig und barmherzig? Oder hart, verstockt und unbarmherzig?
  • Wie möchtest Du am Ende der Tage von Gott beurteilt werden?
    Nach dem Maßstab der Gnade Gottes oder
    nach dem Deiner eigenen Unbarmherzigkeit?
[Predigt als MP3]

Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde (Mt 18:15-20)

Text

15 Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. 16 Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde. 17 Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner. 18 Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein. 19 Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. 20 Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.


Kommentar

Zusammenfassung

Dieser kurze Abschnitt enthält eine der wichtigsten Regeln für die Gemeindezucht. Was auch immer vorgefallen sein mag, es soll zuerst in Liebe und im Rahmen der Verschwiegenheit besprochen und geklärt werden. Nur, wenn Stolz und Verhärtung eine Versöhnung nicht zulassen, sollen in mehreren Schritten die Brüder und zuletzt die Leitung der Gemeinde hinzugezogen werden; dieser hat Christus, gegründet auf das einmütige Gebet, die Autoriät gegeben, Seine Kirche zu leiten, bei Reue Sünden zu vergeben und sie bei Verstockung zu behalten.


Struktur

15-17 Wer uns aus Hochmut oder Stolz einen Anstoß gibt, den sollen wir, in aller Demut und in Liebe, in einem mehrstufigen Verfahren zur Umkehr leiten: erst im persönlichen Gespräch und allein auf der Autorität der Schrift. Dann, wenn er nicht hört im vertraulichen Gespräch zu zweit oder zu dritt und mit der zusätzlichen Bekräftigung der Autorität durch Zeugen. Wenn er verstockt ist und immer noch nicht hört in der Öffentlichkeit der Gemeinde und der vollen Autorität, wie Christus sie den Leitern seiner Kirche anvertraut hat.

18-20 Diese Autorität umfasst, so die Beschlüsse der Gemeinde in demütigem Gebet und in gänzlicher Einmütigkeit getroffen werden, die Macht, Sünden zu vergeben, oder aus der Gemeinschaft der Heiligen auszuschließen, denn sie ruht auf der Gegenwart der Autorität Christi als des Herrn der Kirche.


Inhalt

15-17 Nach dem Rangstreit"warnte Jesus seine Jünger vor der Sünde des Hochmuts und kurz darauf davor, im Gewissen ihrer Nächsten Anstoß zu erregen, um diese nicht zum Abfall zu verführen. Doch auch wenn, wie Jesus nachfolgend verdeutlicht, Gott selbst unseren irrenden Brüdern und Schwestern so lange nachgeht, bis Er sie voller Freude wieder in Seine Arme schließen kann, so ist doch innerhalb der Kirche klar zu regeln, wie mit Sünde in ihren Reihen umzugehen ist.

Im vorliegenden Abschnitt geht es daher nicht allein um "Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde", sondern vor allem auch um die göttlichen Vorgaben für die Sündenvergebung und die Exkommunikation. Hier werden also Fragen beantwortet, die sich uns stellen, wenn es innerhalb der Kirche dazu kommt, dass ein Glied am anderen schuldig wird oder gar sein Herz verhärtet.

Dazu gibt uns Gott mit diesem Wort einen vierstufigen Prozess vor - einen Prozess geprägt von einem Crescendo steigender Öffentlichkeit, Glaubwürdigkeit und Autorität - welcher jedoch erst dann beginnt, wenn die Voraussetzung dafür vorliegt, nämlich, dass tatsächlich an uns gesündigt wurde. Wann aber genau ist diese Voraussetzung erfüllt? Was ist bereits Sünde, was noch nicht? Dazu hat Jesus eine klare, positiv formulierte, Richtschnur gegeben: "Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe." (Joh 15:12, vgl. die "goldene Regel" Mt 7:12). Der Apostel Johannes grenzt diese, negativ formuliert, klar ab: "Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht." (1Joh 4:20, vgl. konkret Jak 2:14ff).

Wer also seinen Bruder, seine Schwester nicht wie Christus liebt - uneigennützig, uneitel, demütig und mit Wertschätzung -, wer nicht "dem Frieden nachjagt mit jedermann" (Hebr 12:14), sondern, sei es aus Selbstsucht, Eitelkeit, Hochmut oder Stolz (vgl. Phil 2,3) einen Anstoß gibt, bricht das Liebesgebot Christi, übertritt es und bleibt hinter ihm zurück. Denn die Liebe "ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles." (1Kor 13:4-7)

Schritt 1: Wem es also widerfährt, dass an ihm lieblos gehandelt wurde, der soll sich nicht zurück ziehen und warten oder gar schmollen bis zur Bitterkeit. Er soll aktiv werden und um der Liebe zum Bruder willen die Versöhnung suchen und ihm eine Brücke bauen. Der erste Schritt ist also schon, auch von Seiten des Verletzten, ein Schritt der Liebe und nicht der Anklage. Es geht also bei der "Zurechtweisung" nicht um ein hochmütiges, anmassendes oder herablassendes Massregeln, sondern vielmehr um ein demütiges, dienendes und vor allem helfendes Zurechtbringen in einem sanftmütigen Geist (Gal 6:1), wohl wissend, dass mich die gleiche Sünde hätte zu Fall bringen können (1Kor 10:12). Darum soll auch der erste Schritt geschehen im privaten und geheimen, also unbezeugt und unbestätigt und vor allem auf Augenhöhe, denn: lässt sich die Sache klären, so habe ich meinen Bruder oder meine Schwester vor der unnötigen Scham bewahrt, die eine öffentlichere Kritik mit sich gebracht hätte. Der Massstab für Kritik und Korrektur ist dabei übrigens niemals unser menschliches Dafürhalten oder Empfinden, sondern immer und ausschließlich Gottes Wort, denn "alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit." (2Tim 3:16 ). Wird diese liebende Haltung wahrgenommen und wird die Kritik vom Gegenüber als liebendes Werben wahrgenommen und hört er darauf, so gewinne ich auf diese Weise das Herz meines Bruders oder meiner Schwester (vgl. Spr 9:8).

Schritt 2: Nun kann es geschehen und geschieht unter uns Sündern auch leicht und nur allzuoft, dass die Kritik abgelehnt wird. Sei es, weil sie, trotz der Begründung auf Gottes Wort, lediglich als eine Meinung oder persönliche Sichtweise angesehen wird oder auch, weil das Herz des Kritisierten nicht offen ist für die Wahrheit. In diesem Falle weist uns unser Herr als der Kenner der Herzen (Ps 44:22, Lk 16:15, Apg 1:24, 15:8) an, noch ein oder zwei Geschwister hinzuzuziehen, so dass klar und deutlich wird, dass es sich hier nicht um eine Lappalie oder eine rein persönliche Befindlichkeit handelt, sondern um eine Sache, deren gerechter Grund auch von anderen als solcher wahrgenommen wird.

Noch immer im persönlichen und vertrauten Rahmen wird so die Kritik bezeugt und unter prüfender Aufsicht bestätigt. Dies untermauert nicht nur die Richtigkeit des Anliegens, sondern bezeugt dessen auf Gottes Wort gegründete Rechtmäßigkeit. Spätestens jetzt sollte ein unverstocktes, offenes, auf Gottes Wort hörendes und liebendes Herz bereit sein zur Einsicht und zur Umkehr in der wir doch alle Tage unseres irdischen Daseins leben sollen.

Schritt 3: Hört das Gegenüber jedoch immer noch nicht, so ist es an der Zeit, die Sache vor die Öffentlichkeit der Gemeinde zu bringen und sie bekannt zu machen. Dies dient nicht nur dem Schutz vor falschen Gerüchten, die sich nur allzuschnell verbreiten und für weiteren Unfrieden sorgen, sondern unterstellt den Ausgang der Sache der Autorität der Kirche.

Dieser Schritt sollte immer der letzte sein und nicht der erste. Nicht nur sollte die Gemeinde nicht mit unnützen Streitigkeiten belastet werden, die doch auch unter den Geschwistern hätten geklärt werden können, sondern vielmehr ist dieser der tatsächlich letzte und damit auch folgenschwerste Schritt in der Kette der Versuche zur Versöhnung.

Schritt 4: Die Autoritäten der Kirche, ihre Ältesten oder Bischöfe entscheiden nun, auf Grund von Gottes Wort und der erkannten Busse oder auch Verhärtung des Gegenübers über dessen weiteres geistliches Schicksal: Zeigt sich das Herz des Bruders als weich und einsichtig, als liebend und demütig, so kann, unter Gebet und mit Hilfe der Weisheit und Gnade Gottes, sicherlich noch eine Lösung gefunden, die Schuld gelöst und dem bussfertigen Sünder die Gnade zugesprochen werden.

Zeigt sich das Herz des Bruders oder der Schwester jedoch als verhärtet, stolz und unnachgiebig, ist keine Einsicht in offen zutage liegende Schuld vorhanden, so steht der Gemeinde nur noch eine Wahl zur Verfügung: der Ausschluss aus der Gemeinde Christi, der begnadigten Familie Gottes. Von dieser Gemeindezucht sprechen dann auch die folgenden Verse: die Worte vom Binden und Lösen beziehen sich auf die Schuld des Bruders, von der er, ist er bussfertig, entweder freigesprochen werden kann oder die ihm, ist er verstockt, behalten werden muss; zu seinem eigenen Wohl: auf dass er, ausgeschlossen von der Freude der liebenden Gemeinschaft, wie die Heiden und Zöllner, lernen möge, wie schwer sein Vergehen der Unversöhnlichkeit wiegt und endlich doch noch Busse tut.


18-20 Die notwendige Autorität für diesen letzten Schritt verleiht Christus seinen Jüngern, den Aposteln und nach ihnen den von ihnen wiederum eingesetzten Ältesten und Bischöfen seiner Kirche.
Es ist die Macht, den anderen an seine Sünde zu binden (δησητε = binden, fesseln, gefangen nehmen) und die Macht, ihn von seiner Schuld zu lösen (λυσητε = lösen, befreien, erlösen). Die erlösenden Worte "Deine Sünden sind Dir vergeben." sind also nicht allein ein kirchliches Ritual, sondern sind getragen von der Autorität, die Christus seiner Kirche verliehen hat, um das Amt der Aufsicht über seine Kirche wahrzunehmen.

Was die Diener Christi auf Erden binden oder lösen, das soll, wenn sie denn im Gebet ein Herz und eine Seele geworden sind und Einigkeit erlangt haben über die zu entscheidende Sache, auch im Himmel gebunden oder gelöst sein. Auf dieser herzlichen Gemeinschaft und dieser demütigen Einigkeit im Gebet liegen also diese großen Verheißungen Christi: Seine höchst persönliche Gegenwart und die sichere Erhörung eines solchen Gebetes.

Das Christus die Macht der Sündenvergebung und der Exkommunikation in die Hände sündiger Menschen gelegt hat, sollte jedes Kirchentribunal demütig machen und umso tiefer forschen lassen in der Schrift und umso tiefer und inbrünstiger gehen lassen ins Gebet, wohl wissend, dass unser aller Weisheit begrenzt und wir allein durch die Gnade und Weisheit Christi fähig sein werden, ein gerechtes und Gott wohlgefälliges Urteil zu fällen. Möge jede Leitung in Gottes Reich sich daher in ihren Entscheidungen festmachen an der Ernsthaftigkeit und Gnade in der Zusage Christi, die Er uns in diesen Versen macht: "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen."


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung

  • Hat jemand an Dir gesündigt? Dann gehe zu ihm in Liebe und suche Versöhnung.
  • Hast Du an jemandem gesündigt? Dann zeige Demut und bitte um Vergebung.
  • Bist Du von Gott dazu gerufen über die Gemeinde zu wachen? Dann wache in der Liebe, im Gebet und in der Demut, forsche in Gottes Wort und bitte Ihn allezeit um Seinen Geist der Weisheit in allen Entscheidungen und um Seine Gegenwart.

Vom verlorenen Schaf (Mt 18:10-14)

Text

10-11 Seht zu, daß ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. 12 Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hätte und eins unter ihnen sich verirrte: läßt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen, geht hin und sucht das verirrte? 13 Und wenn es geschieht, daß er's findet, wahrlich, ich sage euch: er freut sich darüber mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben. 14 So ist's auch nicht der Wille bei eurem Vater im Himmel, daß auch nur eines von diesen Kleinen verloren werde.


Kommentar

Zusammenfassung

Unsere Geschwister zu verachten heißt, ihrer Verführung zur Sünde des Abfalls vollkommen gleichgültig gegenüber zu stehen. Dies soll nicht so sein. Vielmehr sollen wir uns an Gottes Liebe orientieren, die uns am Bild des sorgenden Schäfers verbildlicht wird, und unseren irrenden Brüdern und Schwestern so lange nachgehen, bis wir sie voller Freude wieder in unsere Arme schließen können; in der Gewissheit, dass es Gottes unumstößlicher Wille ist, endlich jeden zu retten, den er einmal erwählt hat.


Struktur

10-11 Wir sollen unsere Geschwister, deren Engeln allezeit Gottes volle Aufmerksamkeit geschenkt ist, nicht durch unsere Gleichgültigkeit gegenüber deren Versuchung zum Abfall verachten.

12-13 Ganz im Gegenteil: an Gottes inbrünstiger Liebe sollen wir uns ein Beispiel nehmen, die den vom Wege Abgeirrten nachgeht, wie ein Schäfer seinem verirrten Schaf, bis Er sie voll Freude wieder in Seine Arme schließen kann.

14 Weil dies so ist, dürfen wir sicher wissen und mit Paulus sagen: "ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu." (Phil 1:6)


Inhalt

10-11 Im vorangehenden Abschnitt warnt unser Herr eindringlichst davor, auch nicht einen Seiner "Kleinen", auf welche Weise auch immer, zum Abfall zu verführen und mahnt auch uns auf's Schärfste, unser eigenes Tun mit äußerstem Einsatz von Sünde freizuhalten (Mt 18:6-9). Wie wir damit umgehen sollen, wenn die Sünde dennoch droht, die Gemeinschaft der Heiligen zu verderben, lesen wir im sich dem vorliegenden Abschnitt anschließenden Text. (Mt 18:15-17) Wenn also nun im vorliegenden Text die Rede von Verachtung ist (Mt 18:10), so ist damit eine Geringschätzung der Art gemeint, die sich in einer vollkommenen Gleichgültigkeit gegenüber der Tatsache ausdrückt, dass diese "Kleinen Gottes", unsere Geschwister, durch Sünde (Mt 18:15) zum Abfall verführt werden. (Mt 18:6)

Ganz im Gegensatz zu solch hochmütigem Herabsehen steht die Realität dessen, was im Himmel geschieht. Die Heerscharen der Engel, heilig und rein, welche den Gläubigen dienen (Heb 1:14), haben zu jeder Zeit völlig ungehinderten Zugang zum Allerhöchsten - ja sehen Sein Angesicht! -, solches Interesse hat Gott selbst am Wohl Seiner Kinder. Das ist es, was Jesus den Verächtern zuruft. Seht Euch vor! Irrt Euch nicht! Was immer ihr diesen Kleinen tut, seht zu, dass ihr Ihnen nicht durch Euer Verhalten schadet. Denn es sitzt jemand im Himmel, der sie liebt. Der sie so hoch achtet, dass er ihren Dienern jederzeit direkten Zugang zu sich gewährt. Vergesst es nicht! Dieser Jemand ist Gott, Euer Richter (1Chr 16:14, Ps 94:2), der auch mit dem endgültigen Gericht des Höllenfeuers strafen kann und, wenn es Not tut, wird. (Mt 18:3.6-9)


12-13 Ganz im Gegensatz zu solch verachtendem Verhalten stellt uns Christus, am Beispiel eines verirrten Schafes, Gottes Liebe dar. Auch nicht der kleinste Funke an Verachtung ist hier zu spüren angesichts der Verirrung, die im Gleichnis für die zum Abfall führende Sünde steht, sondern lauter Liebe. Hat sich auch das Schaf höchst selbst auf einen Irrweg begeben und sich der Obhut seines Hirten so entzogen, so ist hier von Strafe, und viel weniger noch von Geringschätzung, keine Rede. 

Die sorgende Liebe Gottes treibt Ihn vielmehr auf die Suche nach denen Seiner Kinder, die vom rechten Wege abgekommen sind und nun in der Irre umzukommen drohen. Wie groß die Liebe Gottes auch zu Seinen irrenden Kindern ist, zeigt sich dabei nicht nur darin, dass er sich um ihretwillen auf eine womöglich lange Suche macht, sondern sie äußert sich vor allem in der unbändigen Freude darüber, dass Er sie endlich wieder in die Arme schließen kann.

14 In gleicher Weise, wie der Schäfer fest entschlossen ist, seinem einem verirrten Schaf nachzugehen, um es vor dem sicheren Tod zu retten, so ist es auch der unumstößliche Entscheid unseres Himmlischen Vaters, dass nicht eines Seiner Kleinen verloren gehe. Vielmehr dürfen wir wissen, dass unser "Vater ... größer [ist] als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen." (Joh 10:29) Und in dieser Gewissheit darf unsere Seele zur Ruhe kommen: was unser allmächtige Gott sich einmal vorgenommen hat, das wird auch wahr werden. "Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht." (Rö 8:29-30)


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Wenn nun Gott, der Allmächtige Souverän des Alls, Deinem sündigenden Bruder und Deiner verirrten Schwester nachgeht, willst Du Ihnen nicht auch nachgehen, Ihnen, die gar vom Abfall bedroht sind, bis Du sie wieder gefunden hast, und sie voll Freude umarmen?

Der Rangstreit der Jünger (Mt 18:1-5)

Text
 
1 Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich? 2 Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie 3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. 4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. 5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.


Kommentar

Zusammenfassung

Zurück in Kapernaum, im Hause Petri, entlarvt Christus den heimlichen Rangstreit der Jünger und stellt ihnen die himmlischen Maßstäbe von groß und klein anhand eines Kindes vor Augen: Nur wer sich vom weltlichen Maßstab autonomer Macht abkehrt und zum demütigen Diener Gottes und seiner Nächsten wird, wird einmal Einlass bekommen und groß heißen in Gottes himmlischer Welt. Mit so zu Kindern gewordenen Nachfolgern macht sich der lebendige Gott eins.


Struktur

1 Von Jesus entlarvt, offenbaren die Jünger ihr Diskussionsthema: ihren Rangstreit.

2-4 An einem kleinen Kind illustriert Jesus die Qualitäten wahrer himmlischer Größe und mahnt seine Jünger zur Umkehr ohne die ihnen das Himmelreich verschlossen bliebe. 

5 Und er sagt denen, die zu solchen Kindern werden, zu, mit ihnen eins zu werden.


Inhalt

1 Zur gleichen Zeit und am gleichen Ort, in Petri Haus in Kapernaum wo auch Christus zu Hause war (Mk 9:33), sprach Jesus nicht nur mit Petrus über die Tempelsteuer, sondern klärte auch den Rangstreit der Jünger. 


Dabei traten die Jünger, wie wir aus den Synoptikern wissen, nicht ganz freiwillig zu Jesus (Vers 1). Er erkannte vielmehr schon die Gedanken ihres Herzens (Lk 9:46-47) und fragte sie, über was sie auf dem Wege nach Kapernaum miteinander diskutiert hätten und brachte sie so vorerst zu betretenem Schweigen (Mk 9:33-34). Dann erst bekennen sie ihm, worum es in ihrem Gespräch auf dem Heimweg gegangen war: sie wollten, wohl angeregt durch die Ankündigung des Sterbens ihres Herrn (Mt 17:23) wissen, wer im Himmelreich wohl der Größte unter ihnen sein würde.


2-4 Bevor er seine Antwort gibt, ja gerade um sie zu geben und zu illustrieren, ruft Jesus ein kleines Kind zu sich und stellt es - als Sinnbild - in die Mitte der Jünger. Und dann erst, angesichts dieses lebendigen Beispiels, lehrt er sie die himmlische Ordnung von groß und klein. 

So wichtig ist ihm, was er seine Jünger zu lehren hat, dass er seinen Satz mit einem "Amen", einem "So ist es" beginnt: wenn sie nicht kehrt machten, sich abkehrten von ihrem von der Welt und somit vom Feind geprägten Verständnis von groß und klein, so bliebe ihnen der Zutritt zu Gottes himmlischem Reich für immer versperrt! 

Nicht, was die Welt groß nennt, was prunkvoll ist und reich, mächtig oder bekannt, ist in Gottes Himmelreich groß. Nicht wer andere unterdrückt, niemandem gehorcht und sich selbst Gesetz ist gilt in der himmlischen Welt etwas.

Sondern was in den Augen der Welt klein, ja ein Nichts ist: Wer aus Liebe zu Gott, der ihn ohne Verdienst begnadigt hat, sich unter dessen Herrschaft stellt und so zu seinem Nächsten sich herabbeugt und sich niedrig macht, wer seine Gaben unter Gottes Herrschaft stellt, aus Liebe sich zum Letzten macht und - zur Freude und zum Dank von Gott und Menschen - helfend aller Diener wird (Mk 9:35), der ist wahrlich groß, ja der Größte, in Gottes Himmelreich.


5 Solche Umkehr aber und solches Niedrigsein hat weitreichende Folgen: Wer auch immer einen Jünger Christi bei sich aufnimmt - einen also, der sich abgekehrt hat von den Maßstäben dieser Welt und in Demut der Liebe gehorsam geworden ist, wie ein kleines Kind - der nimmt, so er es denn in Christi Namen und Auftrag tut, Christus selbst in sein Haus auf: (Joh 17:23), der sich mit ihnen eins gemacht hat.


Fragen zur praktischen Anwendung

1. Wo in Deinem Leben würdest Du selber gerne vor den Augen der Welt groß sein?
2. Willst Du herzlich davon umkehren und Christus in dienender Liebe nachfolgen?
3. Begreifst Du die Bedeutung, dass der Lebendige selbst sich mit Dir eins macht?