Sonntag, 9. August 2015

Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde (Mt 18:15-20)

Text

15 Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. 16 Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde. 17 Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner. 18 Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein. 19 Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. 20 Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.


Kommentar

Zusammenfassung

Dieser kurze Abschnitt enthält eine der wichtigsten Regeln für die Gemeindezucht. Was auch immer vorgefallen sein mag, es soll zuerst in Liebe und im Rahmen der Verschwiegenheit besprochen und geklärt werden. Nur, wenn Stolz und Verhärtung eine Versöhnung nicht zulassen, sollen in mehreren Schritten die Brüder und zuletzt die Leitung der Gemeinde hinzugezogen werden; dieser hat Christus, gegründet auf das einmütige Gebet, die Autoriät gegeben, Seine Kirche zu leiten, bei Reue Sünden zu vergeben und sie bei Verstockung zu behalten.


Struktur

15-17 Wer uns aus Hochmut oder Stolz einen Anstoß gibt, den sollen wir, in aller Demut und in Liebe, in einem mehrstufigen Verfahren zur Umkehr leiten: erst im persönlichen Gespräch und allein auf der Autorität der Schrift. Dann, wenn er nicht hört im vertraulichen Gespräch zu zweit oder zu dritt und mit der zusätzlichen Bekräftigung der Autorität durch Zeugen. Wenn er verstockt ist und immer noch nicht hört in der Öffentlichkeit der Gemeinde und der vollen Autorität, wie Christus sie den Leitern seiner Kirche anvertraut hat.

18-20 Diese Autorität umfasst, so die Beschlüsse der Gemeinde in demütigem Gebet und in gänzlicher Einmütigkeit getroffen werden, die Macht, Sünden zu vergeben, oder aus der Gemeinschaft der Heiligen auszuschließen, denn sie ruht auf der Gegenwart der Autorität Christi als des Herrn der Kirche.


Inhalt

15-17 Nach dem Rangstreit"warnte Jesus seine Jünger vor der Sünde des Hochmuts und kurz darauf davor, im Gewissen ihrer Nächsten Anstoß zu erregen, um diese nicht zum Abfall zu verführen. Doch auch wenn, wie Jesus nachfolgend verdeutlicht, Gott selbst unseren irrenden Brüdern und Schwestern so lange nachgeht, bis Er sie voller Freude wieder in Seine Arme schließen kann, so ist doch innerhalb der Kirche klar zu regeln, wie mit Sünde in ihren Reihen umzugehen ist.

Im vorliegenden Abschnitt geht es daher nicht allein um "Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde", sondern vor allem auch um die göttlichen Vorgaben für die Sündenvergebung und die Exkommunikation. Hier werden also Fragen beantwortet, die sich uns stellen, wenn es innerhalb der Kirche dazu kommt, dass ein Glied am anderen schuldig wird oder gar sein Herz verhärtet.

Dazu gibt uns Gott mit diesem Wort einen vierstufigen Prozess vor - einen Prozess geprägt von einem Crescendo steigender Öffentlichkeit, Glaubwürdigkeit und Autorität - welcher jedoch erst dann beginnt, wenn die Voraussetzung dafür vorliegt, nämlich, dass tatsächlich an uns gesündigt wurde. Wann aber genau ist diese Voraussetzung erfüllt? Was ist bereits Sünde, was noch nicht? Dazu hat Jesus eine klare, positiv formulierte, Richtschnur gegeben: "Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe." (Joh 15:12, vgl. die "goldene Regel" Mt 7:12). Der Apostel Johannes grenzt diese, negativ formuliert, klar ab: "Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht." (1Joh 4:20, vgl. konkret Jak 2:14ff).

Wer also seinen Bruder, seine Schwester nicht wie Christus liebt - uneigennützig, uneitel, demütig und mit Wertschätzung -, wer nicht "dem Frieden nachjagt mit jedermann" (Hebr 12:14), sondern, sei es aus Selbstsucht, Eitelkeit, Hochmut oder Stolz (vgl. Phil 2,3) einen Anstoß gibt, bricht das Liebesgebot Christi, übertritt es und bleibt hinter ihm zurück. Denn die Liebe "ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles." (1Kor 13:4-7)

Schritt 1: Wem es also widerfährt, dass an ihm lieblos gehandelt wurde, der soll sich nicht zurück ziehen und warten oder gar schmollen bis zur Bitterkeit. Er soll aktiv werden und um der Liebe zum Bruder willen die Versöhnung suchen und ihm eine Brücke bauen. Der erste Schritt ist also schon, auch von Seiten des Verletzten, ein Schritt der Liebe und nicht der Anklage. Es geht also bei der "Zurechtweisung" nicht um ein hochmütiges, anmassendes oder herablassendes Massregeln, sondern vielmehr um ein demütiges, dienendes und vor allem helfendes Zurechtbringen in einem sanftmütigen Geist (Gal 6:1), wohl wissend, dass mich die gleiche Sünde hätte zu Fall bringen können (1Kor 10:12). Darum soll auch der erste Schritt geschehen im privaten und geheimen, also unbezeugt und unbestätigt und vor allem auf Augenhöhe, denn: lässt sich die Sache klären, so habe ich meinen Bruder oder meine Schwester vor der unnötigen Scham bewahrt, die eine öffentlichere Kritik mit sich gebracht hätte. Der Massstab für Kritik und Korrektur ist dabei übrigens niemals unser menschliches Dafürhalten oder Empfinden, sondern immer und ausschließlich Gottes Wort, denn "alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit." (2Tim 3:16 ). Wird diese liebende Haltung wahrgenommen und wird die Kritik vom Gegenüber als liebendes Werben wahrgenommen und hört er darauf, so gewinne ich auf diese Weise das Herz meines Bruders oder meiner Schwester (vgl. Spr 9:8).

Schritt 2: Nun kann es geschehen und geschieht unter uns Sündern auch leicht und nur allzuoft, dass die Kritik abgelehnt wird. Sei es, weil sie, trotz der Begründung auf Gottes Wort, lediglich als eine Meinung oder persönliche Sichtweise angesehen wird oder auch, weil das Herz des Kritisierten nicht offen ist für die Wahrheit. In diesem Falle weist uns unser Herr als der Kenner der Herzen (Ps 44:22, Lk 16:15, Apg 1:24, 15:8) an, noch ein oder zwei Geschwister hinzuzuziehen, so dass klar und deutlich wird, dass es sich hier nicht um eine Lappalie oder eine rein persönliche Befindlichkeit handelt, sondern um eine Sache, deren gerechter Grund auch von anderen als solcher wahrgenommen wird.

Noch immer im persönlichen und vertrauten Rahmen wird so die Kritik bezeugt und unter prüfender Aufsicht bestätigt. Dies untermauert nicht nur die Richtigkeit des Anliegens, sondern bezeugt dessen auf Gottes Wort gegründete Rechtmäßigkeit. Spätestens jetzt sollte ein unverstocktes, offenes, auf Gottes Wort hörendes und liebendes Herz bereit sein zur Einsicht und zur Umkehr in der wir doch alle Tage unseres irdischen Daseins leben sollen.

Schritt 3: Hört das Gegenüber jedoch immer noch nicht, so ist es an der Zeit, die Sache vor die Öffentlichkeit der Gemeinde zu bringen und sie bekannt zu machen. Dies dient nicht nur dem Schutz vor falschen Gerüchten, die sich nur allzuschnell verbreiten und für weiteren Unfrieden sorgen, sondern unterstellt den Ausgang der Sache der Autorität der Kirche.

Dieser Schritt sollte immer der letzte sein und nicht der erste. Nicht nur sollte die Gemeinde nicht mit unnützen Streitigkeiten belastet werden, die doch auch unter den Geschwistern hätten geklärt werden können, sondern vielmehr ist dieser der tatsächlich letzte und damit auch folgenschwerste Schritt in der Kette der Versuche zur Versöhnung.

Schritt 4: Die Autoritäten der Kirche, ihre Ältesten oder Bischöfe entscheiden nun, auf Grund von Gottes Wort und der erkannten Busse oder auch Verhärtung des Gegenübers über dessen weiteres geistliches Schicksal: Zeigt sich das Herz des Bruders als weich und einsichtig, als liebend und demütig, so kann, unter Gebet und mit Hilfe der Weisheit und Gnade Gottes, sicherlich noch eine Lösung gefunden, die Schuld gelöst und dem bussfertigen Sünder die Gnade zugesprochen werden.

Zeigt sich das Herz des Bruders oder der Schwester jedoch als verhärtet, stolz und unnachgiebig, ist keine Einsicht in offen zutage liegende Schuld vorhanden, so steht der Gemeinde nur noch eine Wahl zur Verfügung: der Ausschluss aus der Gemeinde Christi, der begnadigten Familie Gottes. Von dieser Gemeindezucht sprechen dann auch die folgenden Verse: die Worte vom Binden und Lösen beziehen sich auf die Schuld des Bruders, von der er, ist er bussfertig, entweder freigesprochen werden kann oder die ihm, ist er verstockt, behalten werden muss; zu seinem eigenen Wohl: auf dass er, ausgeschlossen von der Freude der liebenden Gemeinschaft, wie die Heiden und Zöllner, lernen möge, wie schwer sein Vergehen der Unversöhnlichkeit wiegt und endlich doch noch Busse tut.


18-20 Die notwendige Autorität für diesen letzten Schritt verleiht Christus seinen Jüngern, den Aposteln und nach ihnen den von ihnen wiederum eingesetzten Ältesten und Bischöfen seiner Kirche.
Es ist die Macht, den anderen an seine Sünde zu binden (δησητε = binden, fesseln, gefangen nehmen) und die Macht, ihn von seiner Schuld zu lösen (λυσητε = lösen, befreien, erlösen). Die erlösenden Worte "Deine Sünden sind Dir vergeben." sind also nicht allein ein kirchliches Ritual, sondern sind getragen von der Autorität, die Christus seiner Kirche verliehen hat, um das Amt der Aufsicht über seine Kirche wahrzunehmen.

Was die Diener Christi auf Erden binden oder lösen, das soll, wenn sie denn im Gebet ein Herz und eine Seele geworden sind und Einigkeit erlangt haben über die zu entscheidende Sache, auch im Himmel gebunden oder gelöst sein. Auf dieser herzlichen Gemeinschaft und dieser demütigen Einigkeit im Gebet liegen also diese großen Verheißungen Christi: Seine höchst persönliche Gegenwart und die sichere Erhörung eines solchen Gebetes.

Das Christus die Macht der Sündenvergebung und der Exkommunikation in die Hände sündiger Menschen gelegt hat, sollte jedes Kirchentribunal demütig machen und umso tiefer forschen lassen in der Schrift und umso tiefer und inbrünstiger gehen lassen ins Gebet, wohl wissend, dass unser aller Weisheit begrenzt und wir allein durch die Gnade und Weisheit Christi fähig sein werden, ein gerechtes und Gott wohlgefälliges Urteil zu fällen. Möge jede Leitung in Gottes Reich sich daher in ihren Entscheidungen festmachen an der Ernsthaftigkeit und Gnade in der Zusage Christi, die Er uns in diesen Versen macht: "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen."


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung

  • Hat jemand an Dir gesündigt? Dann gehe zu ihm in Liebe und suche Versöhnung.
  • Hast Du an jemandem gesündigt? Dann zeige Demut und bitte um Vergebung.
  • Bist Du von Gott dazu gerufen über die Gemeinde zu wachen? Dann wache in der Liebe, im Gebet und in der Demut, forsche in Gottes Wort und bitte Ihn allezeit um Seinen Geist der Weisheit in allen Entscheidungen und um Seine Gegenwart.

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