Sonntag, 12. März 2023

Ohne Gebet ist alles Nichts - 3. Wir beten, dass Gott uns begegnet

 


[Predigt als MP3]

Einleitung

Zeugnis

Ja, Ich möchte heute Morgen mal mit einem Geständnis beginnen. Ich möchte euch mal mit reinnehmen, was mir persönlich an diesem Thema wirklich so wichtig ist. Und zwar denke ich, dass das Thema Gebet aus einem Grund super, super wichtig ist. Und dieser Grund hat zwei Seiten. Zum einen glaube ich, dass Gebet wirklich die Grundlage für allen geistlichen Segen ist. Ein Vers, der mir dazu eingefallen ist, der steht im Jakobus. Da steht 

"Ihr bekommt nicht, was ihr wollt, weil ihr Gott nicht darum bittet." 

Das klingt sehr simpel. Das heißt, ein Grund dafür zu beten ist: wir sind uns nicht selbst genug. Wir haben immer wieder Bedürfnisse, egal was es ist, ob wir Dinge brauchen, oder ob uns das Leben zusetzt. Und zum anderen, denke ich, ist Gebet die Grundlage für unser geistliches Wachstum, auch als Gemeinde. Und ich muss immer wieder denken an unsere Gemeinde-Vision: "Gott begegnen, bewegt werden, Leben teilen." Und das möchte ich heute miteinander verbinden. Weil, ich habe mich gefragt Wo kommt diese Motivation her? Leben zu teilen? Was bringt Menschen dazu, rauszugehen in die Welt und das Evangelium zu verkünden? Was bringt Menschen dazu, rauszugehen in die Welt und ihre Mitmenschen zu lieben, die ja nicht immer alle nur nett sind? Und ich denke, der der Grund dafür, der liegt im Gebet. Und zwar in einem ganz bestimmten Aspekt des Gebets, nämlich wirklich Gott zu begegnen.

Und darum wird es heute gehen. Und ich wünsche mir wirklich von Herzen, dass wir immer noch mehr betende Gemeinde werden, immer öfter und immer noch tiefer erleben, was das bedeutet, Gott zu begegnen, wirklich bewegt zu werden in dieser Begegnung. Und zwar so bewegt zu werden, dass ich nachher wirklich gar nicht anders kann, als vor Freude rauszugehen und mein Leben, das ich gewonnen habe, zu teilen. Und warum? Weil ich mir wünsche, dass unsere Gemeinde-Vision immer mehr Wirklichkeit wird.


Rückblick

Ja! Jetzt ist es ja schon eine Zeit lang her, dass wir mit der Serie angefangen haben; es sind viele wichtige Dinge dazwischengekommen. Deswegen an dieser Stelle noch mal ganz kurz eine Erinnerung. Ich hatte ja im Sommer 22 diese Gebetskärtchen drucken lassen, und mit dieser Serie zum Thema Gebet begonnen. Und ich weiß nicht, wer von euch sich noch erinnert. In den ersten zwei Predigten hatten wir uns um das "Warum?" Und um das "Wie?" gekümmert. Im Juli hatten wir unter dem Titel "Das Geheimnis vom geistlichen Sieg" die Frage beantwortet "Warum sollte ich beten?" Und die Antwort darauf ist praktisch erst mal ganz einfach: Erstens, weil Gott geboten hat. Es steht ja nicht umsonst in der Bibel "Bittet, so wird euch gegeben." Aber das Fazit damals war "Gott wird deine Gebete erhören und er wird selbst das Unmögliche möglich machen." Wir hatten das gesehen an Paulus und Silas, die aus dem Gefängnis freigekommen sind und an einer wirklich.

Für mich war das eine der krassesten Geschichten in meinem Leben, wie Gott uns in Frankreich eine Motorradbremse hat zukommen lassen, wo wirklich im Umkreis von 150 Kilometern nichts mehr zu liefern war. Im November hatten wir dann unter dem Titel "Wie funktioniert Gebet?" Nach dem "Wie?" gefragt: "Wie sollt ich beten?" Und das Fazit damals war, dass wir ohne Krampf beten können, weil es im Gebet hauptsächlich darum geht, Gott zu begegnen und nicht darum, Gott von irgendetwas zu überzeugen, weil er längst sowieso schon nur das Beste für uns will. Dass wir gesehen haben, dass wir ihm unser Herz ausschütten können in dem Wissen, dass er uns durch und durch versteht.


Übersicht

Und heute, und in den folgenden neun Predigten (es gibt ja zehn Gebetskärtchen und deswegen zehn Predigten, wer hätte das gedacht?) möchte ich euch mit hineinnehmen in die Frage nach der Beantwortung von dem "Was?" Was können wir beten? Und wer sich die Gebetskärtchen schon mal angeschaut hat, der hat vielleicht gesehen, dass die Gebetskärtchen alle was mit der Gemeinde-Vision zu tun haben: Wir beten um neue Menschen, die hinzukommen und sozusagen unsere Gemeinde bereichern. Die ganzen Gebetsanliegen, die da drin sind, die zielen eigentlich alle darauf ab, dass die Gemeinde-Vision Wirklichkeit werden kann. Und die Frage ist natürlich "Was können wir da beten?" Und jetzt kommt noch ein Geständnis: Ich fange heute an mit einer von meinen Lieblings-Gebetskarten (ich glaube, das darf man, wenn es zehn Karten gibt, dass man dann so ein Paar hat, die einem ganz besonders am Herzen liegen) - und auf dieser Karte steht das, was ihr hier in Gelb seht: "Wir beten zu Gott, dass er uns in seiner wunderbaren Liebe, Gnade und Herrlichkeit begegnet." Und darum soll es heute gehen. Und um uns diese Karte aufzudröseln, möchte ich mit euch gemeinsam über drei Bibelstellen nachdenken. Zwei davon, die uns noch einmal vor Augen stellen, wem wir da eigentlich begegnen im Gebet, nämlich dem Gott der Herrlichkeit. Und wir werden sehen Das ist etwas, das kann einem durch Mark und Bein gehen. Und anhand von einer dritten Bibelstelle möchte ich uns noch mal vor Augen stellen: Wir begegnen im Gebet dem Gott der Gnade. Und ich denke, das ist das Schönste, was es überhaupt gibt. Gottes Gnade zu begegnen; Seinem Wesen. Und zum Schluss möchte ich uns zeigen, wenn wir diesem Gott, unserem Gott im Gebet begegnen, dem Gott, dem Himmel und Erde gehören, dem Gott, der in Christus Mensch wurde und für uns gestorben ist, dann werden wir für immer veränderte Menschen sein. Dann werden wir bewegt werden und Leben teilen.


Gottes Herrlichkeit

Textlesung

Ich möchte anfangen mit einer Textlesung aus Jesaja 6, die Verse 1 bis 5. Und dort steht, ich lese aus der guten Nachricht: 

"Es war in dem Jahr, als König USia starb, da sah ich den Herrn. Er saß auf einem sehr hohen Thron. Der Saum seines Mantels füllte den ganzen Tempel. Er war umgeben von mächtigen Engeln. Jeder von ihnen hatte sechs Flügel. Mit zweien bedeckte er sein Gesicht; mit zweien den Leib; zwei hatte er zum Fliegen. Die Engel riefen einander zu Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Herrscher der Welt. Die ganze Erde bezeugt seine Macht. Von ihrem Rufen bebten die Fundamente des Tempels, und das Haus füllte sich mit Rauch." Und dann schreibt Jesaja. "Vor Angst schrie ich auf: Ich bin verloren! Ich bin unwürdig, den Herrn zu preisen und lebe unter einem Volk, das genauso unwürdig ist. Ich habe den König gesehen. Den Herrscher der Welt."


Auslegung - Teil 1

 Ich möchte aus diesem Text drei Punkte herausgreifen.

1. Der erste Punkt ist: Gott ist der allein Gewaltige. Von ihm heißt es Er ist der Herr, der Herrscher der Welt. Und er sitzt auf einem sehr hohen Thron. Ihr Lieben! Das heißt, Gott ist kein Mensch auf Augenhöhe, mit dem ich umspringen kann, wie Hiob das mal versucht hat. Hiob hat ja versucht, Gott herzuzitieren oder gesagt "Komm, wir beide wollen mal streiten, dann werde ich dir schon zeigen, wer hier recht hat." Und was hat Hiob ganz am Schluss gesagt, als er Gott begegnet ist? Er musste zugeben "In meinem Unverstand habe ich geredet von Dingen, die mein Denken übersteigen." Gott ist der Herrscher über die ganze Erde. Er ist der König des Universums. Er ist es, der spricht: "Der Himmel ist mein Thron. Die Erde ist mein Fußschemel." Und auch Moses mahnt: "Haltet euch vor Augen,  dem Herrn, eurem Gott, gehören der Himmel und alle Himmelswelten und die ganze Erde mit allem, was darauf lebt." Er ist der König aller Könige und der Herr aller Herren.

2. Der zweite Punkt: Dieser allmächtige Gott ist vollkommen. Im Text haben wir gelesen, dass diese Engel einander zurufen "Heilig! Heilig! Heilig!" Jetzt ist es im Hebräischen so, dass die Hebräer keine Rufzeichen hatten oder auch keinen Fettdruck. Und wenn die zwei mal etwas gesagt haben, dann war das so, wie wenn man das laut gesagt hat oder im Fettdruck dargestellt hat. Aber dreimal? Das wäre so, wie wenn wir in unserem Text ein Wort finden in Blockbuchstaben kursiv, fett und doppelt unterstrichen "Heilig!!" Unendlich heilig! Gott ist vollkommen. Er ist makellos. Er ist schön. Er ist rein. Er ist gerecht. Gott verkörpert jede nur denkbare gute Eigenschaft; jede nur denkbare Tugend. Er ist vollkommen gut. Ich würde sagen, Gott ist die Definition von 'gut'. Wir können Dinge überhaupt bemessen nach dem, was gut und schlecht ist, weil es Gott überhaupt gibt. Er ist das Maß für Gutheit. Und er ist absolut gerecht. Über Ihn steht: "Der Herr tut das Rechte, auf ihn ist Verlass. Bei ihm gibt es kein Unrecht." Und er ist allwissend. Er kennt alle Dinge, weil er vollkommen ist. Er kennt auch mein Inneres. Im Psalm 139 lesen wir "Es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass du, Herr, nicht alles wüsstest." Er kennt all meine Taten: "Spreche ich, Finsternis möge mich decken" lesen wir im gleichen Psalm, "und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir und die Nacht leuchtete wie der Tag." Und diesem Gott trete ich im Gebet gegenüber.

3. Der dritte Punkt: Wir sind alles andere als vollkommen. Wir haben das gelesen im Text. Jesaja hat gerufen: "Vor Angst schrie ich auf 'Ich bin verloren. Ich bin unwürdig' ". Wenn wir ins Neue Testament schauen, dann lesen wir bei Paulus, dass wir schwache Menschen sind, der Sünde ausgeliefert. Und Johannes bekräftigt es, indem er sagt "Wenn wir sagen, wir sind ohne Schuld, dann betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit lebt nicht in uns." Und wenn wir uns in der Gegenwart Gottes darüber bewusst werden, wer er ist und wer wir sind - und davon bin ich zutiefst überzeugt, Ihr Lieben - ich glaube, dann geht es uns wie David, der rief "Ich bin verstrickt in Verfehlung und Schuld, seit meine Mutter mich empfangen und geboren hat." Diese Erkenntnis, ihr Lieben, ist eine der tiefgreifendsten Erfahrungen, die ein Mensch nur machen kann.


Intermezzo

Und jetzt könnte man meinen "Na ja, lieber Michael, bitte! Das ist der Gott des Alten Testaments. Der ist ja ganz anders als Jesus im Neuen Testament. Ja? Sanftmütig und demütig."


Textlesung

Schauen wir also mal ins Neue Testament, um zu sehen, ob das wirklich so ist. Ich lese aus Offenbarung 1, die Verse 10 bis 17: 

"Es war der Tag des Herrn, und ich betete im Geiste, schreibt der Apostel Johannes." 

Der, der bei ihm auf der Brust gelegen ist. Der, der Jesus am nächsten war. Der Jünger, den Jesus liebte. Er hat alle geliebt. Aber zu dem hat er ein ganz besonderes Verhältnis. Und dieser, dieser Johannes schreibt. 

"Es war der Tag des Herrn und ich betete im Geist. Plötzlich hörte ich hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune. Sie sprach: 'Schreibe, was du siehst in ein Buch und schicke es an die sieben Gemeinden Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardis, Philadelphia und Laodizea. Als ich mich umdrehte, um zu sehen, wer zu mir sprach, sah ich sieben goldene Leuchter. Und mitten unter den Leuchtern stand der Menschensohn. Er trug ein langes Gewand mit einem goldenen Gürtel über die Brust. Sein Kopf und sein Haar waren weiß wie Wolle; so weiß wie Schnee. Seine Augen leuchteten wie Feuerflammen. Seine Füße glänzten wie im Feuer gereinigt es Erz. Und seine Stimme war wie das Tosen mächtiger Meereswellen. Er hielt sieben Sterne in seiner rechten Hand und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert. Und sein Gesicht strahlte wie die Sonne in ihrer ganzen Pracht. Und als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seine Füße. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte 'Hab keine Angst. Ich bin der Erste und der Letzte' ".


Auslegung - Teil 2

Auch hier möchte ich diese drei Punkte hervorheben, allerdings ein bisschen kürzer, weil wir werden gleich merken, es sind die gleichen drei Punkte wie schon in der Gottesbegegnung im Alten Testament.

1. Er ist der Allein Gewaltige. Er spricht "Ich bin der Erste und der Letzte, das Alpha und das Omega." Er ist der ewige Gott.

2. Er ist vollkommen und allwissend. Von ihm heißt es "Seine Augen leuchteten wie Feuerflammen." Und Johannes sagt in seinem Brief. "In ihm gibt es keine Spur von Sünde." Er ist vollkommen. Und von diesem Jesus heißt es "Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit."

3. Und als Drittes: Wir sind alles andere als vollkommen. Ich habe mich lange Zeit gefragt "Warum ist es dem Johannes so gegangen? Der ist bei ihm auf der Brust gelegen!" Ja, als Jesus hier war auf Erden in Menschengestalt, da war seine Herrlichkeit verborgen - bis auf diesen Moment, auf dem Berg der Verklärung. Aber seitdem Jesus wieder zum Himmel aufgefahren ist, seitdem sieht in jeder, der ihm wirklich in einer Vision begegnet, so wie der Johannes - der sieht ihn so, wie er ist: Als den herrlichen, herrlichen, ewigen, allmächtigen Gott, den Vollkommenen, den Allwissenden. Und deswegen schreibt auch der Johannes. "Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seine Füße."

Wie gesagt, ich habe mich lange Zeit gefragt "Warum?" Weil ich das nicht verstanden habe. Wieso fällt der wie tot vor seine Füße? Was hat ihm die Luft genommen? Bis ich irgendwann in meinem Leben mal ein Erlebnis hatte, wo ich wirklich Schuld auf mich geladen hatte, für die ich mich zutiefst geschämt habe und dann gemerkt habe, wie sich das anfühlt, wenn das jemand rauskriegt. Da möchte man im Erdboden versinken. Ich habe mich damals wirklich geschämt - ich hätte mir gewünscht, es tut sich ein Loch auf und ich könnte einfach nur verschwinden. Aber mein Gegenüber war nur ein Mensch, der selber fehlerhaft war. 

Und dann ist mir aufgefallen, was da passiert ist. Stellt euch das mal vor. Das, was in euch ist, wird vollkommen offenbar. Vollkommen! Und es gibt auch keine Ausrede mehr, weil jede nur denkbaren Argumente, die man aufzählen könnte, sind Gott längst bekannt. Das, denke ich, ist der Grund, warum Jesaja gerufen hat "Weh mir, weh mir!"; warum Johannes ihm zu Füßen fällt, wie tot. 


Zwischenbilanz

Ich denke also, dass wenn ich dem allmächtigen Gott in seiner Herrlichkeit begegne, dann erkenne ich zuerst einmal Ihn, in Seinem Licht: dass er vollkommen ist. Und dann erkenne ich mich in seinem Licht, so wie ich bin. Und das ist, wie ich denke, ein Mark und Bein erschütterndes Erleben.


Gottes Gnade

Doch "Gott sei Dank!" - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: "Gott sei Dank!" - ist das nicht alles. Weil sonst, ihr Lieben, sonst wären wir verloren. Gott sei Dank ist Gott nicht nur heilig, nicht nur allmächtig, nicht nur allwissend. Sondern auch gnädig und barmherzig. Und das nicht einfach oben hin. Sondern auf eine Weise und in einem Maße und mit einer Geduld, die unser Vorstellungsvermögen sprengt. Dazu möchte ich uns einen dritten Text lesen, einen Text, von dem ich hoffe, dass er diese Weise, dieses Maß und diese Geduld zum Ausdruck bringt.


Textlesung

 Den Text findet ihr im Lukasevangelium im 15. Kapitel; ich lese dort mal die Verse 11 bis 24: 

"Jesus erzählte ihnen auch folgendes Gleichnis. Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere Sohn sagte zu seinem Vater Ich möchte meinen Erbteil von deinem Besitz schon jetzt haben. Da erklärte der Vater sich bereit, seinen Besitz zwischen seinen Söhnen aufzuteilen. Einige Tage später packte der jüngere Sohn seine Sachen und ging auf Reisen in ein fernes Land, wo er sein ganzes Geld verprasste. Etwa um die Zeit, als ihm das Geld ausging, brach in jedem Land eine große Hungersnot aus, und er hatte nicht mehr genug zu essen. Da überredete er einen Bauern, ihm Arbeit zu geben, und er durfte seine Schweine hüten. Und der junge Mann war so hungrig, dass er die Schoten, die er an die Schweine verfütterte, am liebsten selbst gegessen hätte. Aber niemand gab ihm etwas. Schließlich überlegte er und sagte sich: Daheim haben die Tagelöhner mehr als genug zu essen und ich sterbe hier vor Hunger. Ich will zu meinem Vater nach Hause gehen und sagen 'Vater! Ich habe gesündigt gegen den Himmel und auch gegen dich. Und ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Bitte stell mich als einen deiner Tagelöhner ein.' Und so kehrte er zu seinem Vater nach Hause zurück. Er war noch weit entfernt, als sein Vater ihn kommen sah. Voller Liebe und Mitleid lief er seinem Sohn entgegen, schloss ihn in die Arme und küsste ihn. Sein Sohn sagte zu ihm 'Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und auch gegen dich und bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.' Aber sein Vater sagte zu den Dienern 'Schnell, bringt die besten Kleider im Haus und zieht sie ihm an, holt einen Ring für seinen Finger und Sandalen für seine Füße und schlachtet das Kalb, das wir im Stall gemästet haben. Denn mein Sohn hier war tot und ist ins Leben zurückgekehrt. Er war verloren. Aber nun ist er wiedergefunden.' Und ein Freudenfest begann."


Auslegung - Teil 3

Auch von diesem Text möchte ich noch einmal drei Punkte hervorheben.

1. Wir finden in diesem Text echte Sünde, echtes Versagen. Aber auch echte Reue und echte Umkehr. Der Sohn spricht "Vater, ich habe gesündigt, und ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen." Wieso sagt er das? Ihr Lieben, ich denke, er hat sich selber im Lichte Gottes erkannt. Er hat erkannt, wie David "Ich bin verstrickt in Verfehlungen und Schuld." Ihm dreht sich der Magen um im Anblick von sich selbst. Er empfindet tiefe Reue und Scham für das, was er getan hat. Ihm war völlig klar, dass er nichts mehr zu erwarten hatte. Selbst als Knecht eingestellt zu werden, wäre schon Gnade gewesen.

Und dann kommt diese Wendung. Dann geschieht das, womit er nicht gerechnet hat. Dann geschieht das, was, wie ich denke, Gottes Wesen so unvergleichlich zum Ausdruck bringt. Denn er ist nicht nur allwissend und heilig und gerecht, er ist gnädig. Erst die Liebe. Er vergibt.

2. Und das ist der zweite Punkt: In diesem Text finden wir eine unfassbar tiefe Liebe und ein unbegreiflich großes Erbarmen. Vom Vater heißt es: "Voller Liebe und Mitleid lief er seinem Sohn entgegen, schloss ihn in die Arme und küßte ihn." Ihr Lieben, der muss gestunken haben nach Schwein. Und es war für Juden noch viel schlimmer, als wir uns das vorstellen. Das war unrein. Der war dreckig, der hat bei den Schweinen gelegen und stinkt. Und sein Vater rennt ihm entgegen! Könnt ihr euch vorstellen, wie sehr man jemand lieben muss, dass man sich so auf ihn freut, dass einem das völlig egal ist, ob der stinkt und schließt ihn in die Arme und küsst ihn?

Was ich an dieser Stelle erwartet hätte, das wären Vorwürfe gewesen, berechtigte Anschuldigungen. Aber so ist Gott nicht. Gott ist die Liebe und er hat Mitleid mit uns. Und er vergibt von Herzen gern. Und das eben nicht nur rein oberflächlich oder um des lieben Friedens willen. Oder er vergibt so "auf der Sachebene". Nein! Er ist unser Vater! Er ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Er läuft uns voll Freude entgegen. Sein Herz ist voller Liebe und voller Mitgefühl und er drückt uns an sich und küsst uns.

3. Und dann heißt es nur noch Und das ist mein dritter Punkt. Und ein Freudenfest begann. So ist es, wenn wir Gott begegnen. Ja, wir erkennen seine Heiligkeit. Und ja, das kann durch Mark und Bein gehen. Und ja, wir erkennen unsere Schuld. Und es mag uns zutiefst beschämen, dass wir am liebsten im Erdboden versinken würden. Aber, ihr Lieben, das ist nicht alles. Denn so oft wir umkehren und darüber hinaus erkennen wir in dieser Begegnung Gottes wahres Wesen. Dass er voller Liebe ist, voller Erbarmen. Dass er eine unendliche Geduld hat. Und dass seine Güte und seine Treue grenzenlos sind.

Das ist das, was ich uns allen wünsche: Dass wir Gott auf diese Weise begegnen. Dass wir Ihn erkennen, als der, der er ist: "Sanftmütig und von Herzen demütig." Mir ist dazu ein Vers eingefallen aus Kolosser, Kapitel 2. "Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz." So weit geht seine Liebe! Dass Gott Mensch wird und für uns stirbt. Und aufersteht zu unserer Rechtfertigung.

Weil er uns mehr liebt als sein Leben.

Und wenn wir Gott so begegnen im Gebet, wenn wir Christus sehen und in ihm die Herrlichkeit Gottes wie in einem Spiegel, dann werden wir innerlich bewegt werden und selbst in sein Spiegelbild verwandelt. Dann bekommen wir mehr und mehr Anteile an seiner göttlichen Herrlichkeit. Und dann, ihr Lieben, werden wir für immer veränderte Menschen sein. Menschen, die dieses neue Leben mit ihren Mitmenschen teilen. Und um diese Begegnung, da möchten wir beten. Und dazu gibt es diese Karte.

Amen.

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