Text
10 Und die Jünger traten zu ihm und sprachen: Warum redest du zu ihnen
in Gleichnissen? 11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Euch ist's
gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen, diesen aber
ist's nicht gegeben. 12 Denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er die
Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
13 Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen
sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie
verstehen es nicht. 14 Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfüllt,
die da sagt (Jesaja 6,9-10): »Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet
es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet
es nicht erkennen. 15 Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: ihre
Ohren hören schwer, und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht
etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen
verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.« 16 Aber selig sind
eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören. 17 Wahrlich,
ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, was
ihr seht, und haben's nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und
haben's nicht gehört.
Kommentar
10 Die Jünger
verstehen nicht, warum Jesus in Vergleichen spricht, anstatt direkt und
frei heraus zu sagen, um was es geht. Darum suchen sie seine Nähe und
fragen ihn nach dem Grund.
11-13a Die Antwort, die Jesus gibt
ist ein tiefes und schweres Wort: Ein Wort der Gnade und des Gerichts.
Ein Wort der Erwählung und des freien Willens, ein Wort des Glaubens und
der Verstockung. Jesus beantwortet die Frage seiner Schüler mit drei
Begründungen. Zum Ersten spricht er von der souveränen Wahl Gottes, wenn
er erklärt, dass es den Jüngern von Gott aus Gnaden geschenkt wurde,
die Geheimnisse Seines Reiches zu verstehen, hier konkret: Wie Gottes
Reich gegründet wird, nämlich durch Aussaat des Wortes Gottes und durch
die Aufnahme in gute Herzen. Zum Zweiten spricht er davon, dass es
Menschen gibt, denen diese Gnade nicht geschenkt wird. Als Begründung
dafür gibt Jesus an, dass die Jünger haben, jene aber nicht. Doch was
haben die Jünger, was die anderen nicht haben? Es ist Jesus, Gottes
Sohn, den sie haben und damit die Quelle allen Segens. Darum wird ihnen
auch die Fülle zuteil. Die Jesus aber nicht haben, denen wird,
spätestens im Gericht Gottes, auch das genommen werden, was sie haben,
oder zu haben meinen: ihre Erkenntnis der Welt. Jesus ist also der
Gnadenwahl Gottes gehorsam, wenn er zu denen in Gleichnissen spricht,
die Chrisus nicht haben und daher auch nicht die Quelle haben, aus denen
ihnen die Fülle zuteil werden könnte.
13b-15a Zum Dritten, so
erklärt es Jesus seinen Jüngern, liegt der Grund in der Verstocktheit
des Herzens derer, die Christus nicht angenommen haben. Die Augen und
Ohren ihrer Herzen sind aufgrund ihrer Bosheit blind und taub, so dass
sie, wie es Jesaja bereits mehr als 700 Jahre zuvor geweissagt hatte,
zwar mit ihren leiblichen Ohren hören und doch das Evangelium im Herzen
nicht verstehen, ja mit ihren leiblichen Augen den Menschen Jesus sehen
und doch in ihren Herzen in ihm nicht den verheißenen Messias, den
Christus erkennen.
So nennt Christus als Grund ein Geheimnis:
Das Geheimnis von der Freiheit des Menschen, der seinen verstockten und
ungläubigen freien Willen behalten darf, mit dem er Gott und seinen
Christus ablehnt und das Geheimnis der souveränen Freiheit Gottes, der
die Gläubigen schon vor der Grundlegung des Universums zur Gnade erwählt
hat (vgl. Eph 1,4).
Vers 15b ist eines der schrecklichsten Gerichtsworte im
Neuen Testament. In ihm wird die ganze Tragweite und Schärfe des Urteils
Gottes über die Sünde der Menschen deutlich: Ungläubigkeit und
Verstockung ihrer Herzen sind bereits Gericht Gottes an ihnen: Weil sie
sündig sind und die Finsternis ihrer Sünde mehr lieben als das Licht des
Evangeliums (Joh 3,19), hat Gott sie, so wie sie es wollten, ihrer
eigenen Verstockung überlassen, so dass sie sich selbst damit die
Möglichkeit nehmen, Gott und seinen Christus mit den Augen und Ohren
ihrer Herzen zu sehen und sein Evangelium von der Gnade Gottes, welches
in ihnen den rettenden Glauben entzünden kann, zu hören. Ohne ihn
jedoch, der aus Liebe zu ihnen die Schuld ihrer Sünde am Kreuz bezahlte
und der allein ihnen seine göttliche Gerechtigkeit, mit der sie vor Gott
bestehen können (Mt 22:11ff), schenken kann und will - ohne ihn sind
sie verloren. So reichen sich Gottes Souveränität und der von der Sünde
untergrabene freie Menschenwille selbst noch in Gottes Gericht die Hand:
Indem Gott dem Menschen seinen verstockten und ungläubigen Willen
lässt, spricht er über ihm das Gericht aus, denn dem ungläubigen und
sündigen Willen des Menschen ist es letztendlich unmöglich, Gottes
Willen zu wollen oder gar zu tun (Rö 8,7). So schließen sie sich selber
aus von Gottes Gnade und sind doch gleichwohl von Gott ausgeschlossen,
der ihre Herzen in ihrem Unglauben belässt.
16-17 Angesichts
dieser Tiefe der Souveränität Gottes und angesichts dieser Tragweite von
Gottes Gericht weist Jesus seine Nachfolger darauf hin, wie unendlich
wertvoll ist, was ihnen durch seine Gegenwart und Lehre geschenkt ist:
viele Propheten und Gerechten des Alten Testaments haben sich herzlich
gewünscht, Christus zu sehen und haben ihn nicht gesehen, haben sich
danach gesehnt, die Geheimnisse seines Reiches zu hören und haben sie
nicht gehört. Um so mehr sollen die Jünger sich glückselig schätzen,
dass ihnen diese in der Geschichte der Menschheit einzigartige
Möglichkeit zuteil wurde, dem Mensch gewordenen Gott, Jesus Christus,
von Angesicht zu Angesicht zu begegnen und auf seine Weisheit hören zu
dürfen.
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