Samstag, 16. Januar 2016

Die Jahreslosung - Jesaja 66:13


Ich selbst werde euch trösten,
wie eine Mutter ihr Kind tröstet.

Jesaja 66:13


Worum es nicht geht

Um die Jahreslosung wirklich zu verstehen, müssen wir sie in ihrem Kontext betrachten. Sonst  wäre die Gefahr groß, dass wir eine Kuschelbotschaft mit Gott als Mutter darunter verstehen - das wäre dann eine viel zu kleine Botschaft, die um ein unsagbar Vielfaches hinter dem zurück bleibt, was Gott an dieser Stelle tatsächlich verspricht. 

So etwas passiert leicht und schnell, wenn man ein Gotteswort aus seinem Zusammenhang reißt. Darum bitte ich alle Leser: Was auch immer ihr in Gottes Wort lest: Lest es immer auch in seinem Zusammenhang!

Die Jahreslosung ist also viel größer, als es auf den ersten Blick den Anschein zu haben scheint. Um sie zu verstehen, wollen wir uns einen Überblick über das Jesajabuch, über die geschichtliche Situation des Volkes Gottes zur Zeit Jesajas und einen Überblick über das 66. und damit letzte Kapitel des Jesajabuches (dem "Evangelium des Alten Testaments") verschaffen.


Worum es wirklich geht

Der Kontext: Was war passiert?

Der Aufbau des Jesajabuches ist spiegelsymmetrisch: In der ersten Hälfte des Jesajabuches geht es um die politische Krise mit Assyrien und den Glauben Hiskias, der Gottes Rettung von den Assyrern zum Ende hatte. In der zweiten Hälfte des Jesajabuches geht es um die persönliche Krise Hiskias und die Torheit Hiskias, die die babylonische Gefangenschaft zur Folge hatte; nachzulesen in 2. Könige 18-20 und 2. Chronika 29-32.

Der zweite Teil, indem unser 66. Kapitel zu finden ist, spricht also vornehmlich in die Krise der babylonischen Gefangenschaft oder das babylonische Exil hinein: Als babylonisches Exil wird dabei eine Epoche der jüdischen Geschichte bezeichnet, die 597 v. Chr. mit der Eroberung Jerusalems und des  Königreiches Juda durch den babylonischen König Nebukadnezar II. beginnt und bis zur Eroberung  Babylons 538 v. Chr. durch den Perserkönig Kyros II fortdauert. Dies ist auch die Zeit, von der uns im Buch Daniel berichtet wird - in der Daniel, Schadrach, Meschach und Abed-Nego zu den auserwählten Exilanten gehörten, die eine Ausbildung für den babylonischen Staatsdienst erhielten. Das Buch spricht also hinein in eine Zeit des Kummers fern der Heimat. 

Im 137. Psalm lesen wir:

An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.
Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen
und in unserm Heulen fröhlich sein:
»Singet uns ein Lied von Zion! «

Psalm 137:1-3


Die Botschaft

Jesaja, Kapitel 66

Das 66. ist das letzte Kapitel und enthält mehrere ineinander verschlungene Worte der Prophetie, die sich beziehen auf:

  • die Erlösung des Volkes Gottes
  • die Ankündigung des Messias
  • die Neugründung des Staates Israel
  • die Wiederherstellung Jerusalems
  • das Gericht Gottes über Seine Feinde
  • das 1.000-jährige Reich
  • die Ewigkeit: Gottes neue Welt (Himmel und Erde werden neu)
 
Genauer:

  • Die Verse 1-4 beschreiben zwei Gruppen von Menschen
  • Die Verse 5-9 kündigen den Messias und die Neugründung des Staates Israel an
  • Die Verse 10-14 kündigen die Wiederherstellung und Frieden für Jerusalem an
  • Die Verse 15-18 beschreiben Gottes Gericht.
  • Die Verse 19-21 beschreiben die Friedenszeit danach.
  • Die Verse 22-24 beschreiben Gottes Reich in Vollendung: neuer Himmel und Erde.


2 Gruppen von Empfängern, 2 Botschaften

Im 66. Kapitel lesen wir von 2 Gruppen von Menschen: den Abgewichenen und Gottlosen auf der einen Seite und den Treuen, Gottes Volk, auf der anderen. Über diese beiden Gruppen lesen wir folgendes: 

  • Die Abgewichenen und Gottlosen, das sind: Mörder, Übeltäter, Gräueltäter und Götzendiener, die eigene Wege gehen (Vers 3). Sie hören Gottes Stimme nicht, antworten ihm nicht (Vers 4) und tun, was böse ist (Vers 4). 

  • Die Treuen, Gottes Volk dagegen, das sind die, die gedemütigten, die mit einem gebrochenen Geist, die vor Gottes Wort zittern (Vers 2). Sie sind seine Diener (Vers 14), sie hören Gottes Wort (Vers 5), sie werden von den Feinden Gottes gehasst und verstoßen und verspottet, weil sie Gott treu sind (Vers 5).

Weiter lesen wir im 66. Kapitel von 2 Botschaften Gottes: Zum einen von Gottes Gericht über die Gottlosen und zum anderen von Gottes Heilshandeln an Seinem Volk. Konkret lesen wir in Jesaja 66:15-18 - über das Weltgericht:

  • Die Gottlosen (Vers 4) werden zugrunde gehen (Vers 5), der HERR vergilt seinen Feinden ihr Tun (Vers 6). Durch Feuer und Wagen übt Gott Vergeltung, wie ein vernichtender Orkan (Vers 15), in glühendem Zorn  und in flammendem Feuer (Vers 15) für alles Böse, was die Menschheit (Vers 16), ja alle Völker und Nationen (Vers 18) gegen Ihn und Sein Volk gesündigt haben und setzt damit ein Zeichen (Vers 18). Die Leichen der Männer jedoch, die sich gegen Gott auflehnten, werden mit ewigem Feuer brennen (Vers 24); seine Feinde nehmen ein schreckliches Ende (Vers 17).
  • Sein Volk jedoch wird Gott trösten, wie eine Mutter ihr Kind und zwar in Jerusalem (Vers 13). Er wird Jerusalem Frieden verschaffen und den Reichtum der Völker wie einen breiten Strom nach Jerusalem lenken (Vers 12) - zur Freude seiner Kinder (Verse 12 und 14). Dieser Trost hat jedoch nicht allein zu tun mit Frieden und Wohlstand, sondern vor allem mit einer Geburt, die uns in mehreren ineinander verwobenen Bildern der Prophetie gezeigt wird (Verse 7-9).


Prophetische Bilder

Die Trost-Botschaft von Jesaja 66 berichtet von einer Geburt: in wenigen Versen (Jesaja 66:7-9) überlagern sich mehrere, ineinander verwobene Bilder, die sich schon mehrfach in der Geschichte erfüllt haben.


Erste Erfüllung

"Wer hat so etwas je gehört?
Wer hat so etwas schon gesehen?
Hat ein Land sich je an einem Tag gebildet?
Wurde je ein Volk an einem einzigen Tag geboren?
Doch Zions Wehen hatten kaum eingesetzt,
da waren ihre Söhne schon geboren."

Jesaja 66:8

Das war, was im Jahr 538 v. Chr. passierte. Damals wurde die Nation Israel tatsächlich neu geboren — gewissermaßen an einem Tag —, nachdem das Land rund 70 Jahre zuvor von den Babyloniern verwüstet und entvölkert worden war. Jesaja 66:8 erfüllte sich zu der Zeit auf beeindruckende Weise, als der persische Eroberer Kyrus der II oder Kyrus der Große den Juden die Rückkehr in ihre Heimat, den Wiederaufbau der Stadt und den Tempelbau erlaubte. Konkret lesen wir im Kyrus-Edikt aus dem Jahre 538 (siehe Esra 1:2):

"So spricht Kyrus, der König von Persien: Der HERR, der Gott des Himmels, hat mir alle Königreiche der Erde gegeben. Nun hat er mich dazu bestimmt, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu errichten. Denn er ist der Gott, der in Jerusalem wohnt. Aber auch die übrigen Einwohner aus all den Orten in denen er als Fremder lebt, sollen ihn unterstützen mit Silber und Gold, mit Vorräten, mit Vieh und darüber hinaus mit einer freiwilligen Gabe für das Haus Gottes in Jerusalem." (siehe auch Esra 6,3-5)

Allein das ist schon ein wunderbares Beispiel dafür, dass Gottes Prophetien eintreffen. 
Doch es kommt noch besser:


Zweite Erfüllung

"Noch bevor die Wehen einsetzten, hat sie geboren,
noch ehe die  Wehen begannen, bekam sie einen Sohn.“

Jesaja 66:7

Das ist wohl der Traum jeder Mutter: Eine Geburt ohne Wehen und Schmerzen. Auf wen trifft das zu? Nicht auf Maria. Wohl aber auf Jerusalem, die "Tochter Zion", also die Nation Israel, die den „Sohn“, Christus, hervorgebracht hat (vgl. Jesaja 9,6; Micha 5,1; Römer 9,5 usw.). Als der Messias zur Welt kam, lagerten Israels Hirten in Bethlehem friedlich auf dem Feld. 

„Du, Tochter Zion, freue dich sehr, 
und du, Tochter Jerusalem, jauchze! 
Siehe, dein König kommt zu dir...“
Sacharja 9,9


Dritte Erfüllung

Und es gibt noch eine Erfüllung von Jesaja 66:8 – aus meiner Sicht die klarste von allen. Zitat: „Es war an einem Freitagnachmittag, am 14. Mai 1948 um 16 Uhr. Die letzten Stunden des britischen Mandats waren angebrochen und im Museum von Tel Aviv hatte sich eine nicht allzu große, handverlesene Gruppe von 350 Personen zu einem schon sehnlichst erwarteten Akt zusammengefunden: der offiziellen Gründung des neuzeitlichen Staates Israel.“ 

Nochmals zur Erinnerung:

"Wer hat so etwas je gehört?
Wer hat so etwas schon gesehen?
Hat ein Land sich je an einem Tag gebildet?
Wurde je ein Volk an einem einzigen Tag geboren?
 
Jesaja 66:8


Unsere Jahreslosung

Ein Wort in die Not

In diese Situation hinein also, mitten hinein in die Bedrängnis und Trübsal Seines Volkes, welches in der babylonischen Gefangenschaft weinte, welches unter der römischen Besatzung große Not litt, welches in der Zeit der Shoah, also des Holocaust unendliches erduldet hatte - und auch in unsere Zeit, in welcher Gottes Volk unter der Bedrängnis der Verfolgung durch die Feinde Gottes - ISIS, Boko Haram und viele andere - leidet, mitten in diese Situation hinein spricht Gott sein Wort vom Trost:

Jubelt alle in der Stadt, die ihr liebt.
Singt alle voller Freude mit ihr,
die ihr um sie getrauert habt.

Dann werdet auch ihr Euch an ihrer tröstenden Brust satt trinken können
und euch an ihrer herrlichen Mutterbrust erfreuen.
Denn so spricht der HERR: "Schaut, ich werde den Frieden wie einen Strom
und den Reichtum der Völker wie einen Fluss nach Jerusalem fließen lassen.

Ihre Kinder werden saugen,
sie werden auf den Armen getragen und auf den Knien liebkost werden.
Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Ihr werdet es zu sehen bekommen
und Euer Herz wird sich freuen....“

Jesaja 66:10-14


Ein Wort der Verheißung

Das also ist es, was Gott seinem seit Anbeginn geknechteten Volk zu sagen hat - denen, die gedemütigt werden, denen mit einem gebrochenen Geist, denen die vor Gottes Wort zittern, denen, die seine Diener sind und Sein Wort hören, denen, die von Gottes Feinden gehasst und verstoßen und verspottet werden, weil sie Gott treu sind: 

Die Botschaft lautet:

  • Ihr seid nicht vergessen!
  • Ich werde Euch aus aller Eurer Not retten!
  • Ich werde mich an Euren Feinden als der Herrliche offenbaren!

Gott hat Sein Wort bereits in der Vergangenheit erfüllt:

  • durch Kyrus, indem er sein Volk aus der babylonischen Gefangenschaft befreite
  • in Christus, der uns besuchte und mit sich versöhnte durch Sein Opfer am Kreuz
  • in der Neugründung Israels; einem nie dagewesenen historischen Ereignis!
Und er wird es ein letztes Mal erfüllen - und diesmal endgültig:

  • durch Sein Weltgericht,
  • welches allen Seinen Feinden ein Ende macht
  • und Seinem Volk ewigen Frieden bringt.

Ein Wort, das sich erfüllt

Das Wachstum des Reiches Gottes zieht sich, ungeachtet aller Verfolgung, durch die Geschichte: was sich im Jahr 538 v. Chr. (siehe Erlösung aus der Babylonischen Gefangenschaft) vorbildhaft vollzogen hatte, wurde (im Kommen Christi) bleibende Realität. Uns diese Realität breitet sich vor unseren Augen (siehe Neugründung des Staates Israel) immer weiter aus. Und sie wird eines Tages volle Wirklichkeit werden, wenn Christus in Herrlichkeit zurück gekehrt ist, wenn alle Feinde Gottes besiegt sind und auch Gottes letzte Verheißung an uns wahr geworden ist:  

Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet. 
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Jesaja 66:13

Dieser Trost hat zu tun mit dem, was Gott tun wird. In Offenbarung 21 lesen wir darüber: 

"Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der alte Himmel und die alte Erde waren verschwunden. Und auch das Meer war nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen wie eine schöne Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat. Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein. Er wird alle ihre Tränen abwischen, und es wird keinen Tod und keine Trauer und kein Weinen und keinen Schmerz mehr geben. Denn die erste Welt mit ihrem ganzen Unheil ist für immer vergangen.« Und der, der auf dem Thron saß, sagte: »Ja, ich mache alles neu!« Und dann sagte er zu mir: »Schreib es auf, denn was ich dir sage, ist zuverlässig und wahr!« Und er sagte auch: »Es ist vollendet! Ich bin das Alpha und das Omega - der Anfang und das Ende. Jedem, der durstig ist, werde ich aus der Quelle, die das Wasser des Lebens enthält, umsonst zu trinken geben! Wer siegreich ist, wird dies alles empfangen; ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein." (Offb 21:1-7)

Dieser Trost, der uns in Gottes neuer Welt, im himmlischen Jerusalem, erwartet, wird so innig und so tief und so beruhigend sein, wie die vollkommene Geborgenheit, die ein kleines Kind an der Brust seiner Mutter erfährt. David beschrieb diesen Zustand im 131. Psalm so:

Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden
wie ein kleines Kind bei seiner Mutter;
wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.

Psalm 131:2


Ein Wort des Trostes

Das Volk Gottes wurde zu allen Zeiten verachtet, verspottet und verfolgt:

  • unter den Babyloniern
  • unter den Römern
  • unter Hitler & Stalin
  • und auch zu unserer Zeit unter Boko Haram und ISIS
Und manchmal haben wir den Eindruck, als habe Gott sein Volk verlassen. 
Doch Gottes Volk war und ist niemals vergessen - Gott hält Seine Versprechen:

  • Er sandte Kyrus, zur Befreiung aus der Gefangenschaft
  • Er kam in Christus und erlöste uns von unseren Sünden
  • Er wirkte in der neuzeitlichen Geschichte und baut weiter Sein Reich
  • und Er wird am Ende der Tage auch Sein letztes Versprechen einlösen

Darum dürfen wir getrost sein in aller Not - und voller Hoffnung warten auf das, was noch kommt: Die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, der jetzt sitzt zur Rechten des Thrones Gottes und uns vertritt. Denn: mit Seinem Kommen kommt endgültiger Frieden und innigste Geborgenheit. Dann, im himmlischen Jerusalem, werden wir in der ganzen Fülle erfahren, was es heißt, was Gott uns hier verspricht:

Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Jesaja 66:13

Weil das so ist möchte ich diese Worte abschließen mit zwei Ermunterungen:

"...auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes." (Heb 12:1-2)
In diesem Sinne: "Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für  die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.“ (1Thess 5:22-23).

AMEN.


Frage und Worte an Dein Herz

  • Bist Du gerade in großer Not?
  • Schau auf Gottes treues Handeln in der Geschichte.
  • Schau auf Christus, den Anfänger und Vollender Deines Glaubens!
  • Hoffe auf Seine Verheißungen.
  • „Treu ist er, der Dich ruft; er wird Dich bewahren!“ (1 Thess 5:22-23)

-------

[Predigt als MP3]

Sonntag, 3. Januar 2016

Der rechte Gottesdienst (Ps 50:1-23)

Text

1 Ein Psalm Asafs. Gott, der HERR, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. 2 Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. 3 Unser Gott kommt und schweiget nicht. Fressendes Feuer geht vor ihm her und um ihn her ein mächtiges Wetter. 4 Er ruft Himmel und Erde zu, daß er sein Volk richten wolle: 5 »Versammelt mir meine Heiligen, die den Bund mit mir schlossen beim Opfer.« 6 Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkünden; denn Gott selbst ist Richter. SELA. 7 »Höre, mein Volk, laß mich reden; Israel, ich will wider dich zeugen: Ich, Gott, bin dein Gott. 8 Nicht deiner Opfer wegen klage ich dich an - sind doch deine Brandopfer täglich vor mir. 9 Ich will von deinem Hause Stiere nicht nehmen noch Böcke aus deinen Ställen. 10 Denn alles Wild im Walde ist mein und die Tiere auf den Bergen zu Tausenden. 11 Ich kenne alle Vögel auf den Bergen; und was sich regt auf dem Felde, ist mein. 12 Wenn mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdkreis ist mein und alles, was darauf ist. 13 Meinst du, daß ich Fleisch von Stieren essen wolle oder Blut von Böcken trinken? 14 Opfere Gott Dank und erfülle dem Höchsten deine Gelübde 15 und rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.« 16 Aber zum Gottlosen spricht Gott: »Was hast du von meinen Geboten zu reden und nimmst meinen Bund in deinen Mund, 17 da du doch Zucht hassest und wirfst meine Worte hinter dich? 18 Wenn du einen Dieb siehst, so läufst du mit ihm und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. 19 Deinen Mund lässest du Böses reden, und deine Zunge treibt Falschheit. 20 Du sitzest und redest wider deinen Bruder; deiner Mutter Sohn verleumdest du. 21 Das tust du, und ich schweige; da meinst du, ich sei so wie du. Aber ich will dich zurechtweisen und es dir vor Augen stellen. 22 Begreift es doch, die ihr Gott vergesset, damit ich nicht hinraffe, und kein Retter ist da! 23 Wer Dank opfert, der preiset mich, und da ist der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes.«


Kommentar

Zusammenfassung

Mit dem Szenario eines gewaltigen Gerichtssaales, in welchem Gott der Allmächtige Selbst auf dem Richterstuhl sitzt und die ganze Welt in den Zeugenstand beruft, malt uns dieser Psalm ein Bild davon, wie der Ewige und Herrliche mit Seinem Volk, das Ihm am Sinai die Treue schwor, ins Gericht geht. Der Kern Seiner Anklage richtet sich gegen die herzlose und oberflächliche Heuchelei eines zum gesetzlichen Ritus verkommenen Gottesdienstes auf der einen und gegen die ignorante und gottesferne Frevelei auf der anderen Seite. Und doch ist Er, der gnädige und barmherzige Gott, noch immer bereit zur Versöhnung und ruft Sein Volk zur Umkehr; zurück in die dankbare Erkenntnis Seiner Selbst, Seines Wesens und Seines Heils.


Struktur

1-6 Der Ewige Herrliche ruft sein Bundesvolk zum Gericht und alle Welt in den Zeugenstand.

7-15 Er klagt den nur noch formalen und herzlosen Gottesdienst seines Volkes an.

16-22 Und er warnt die gottvergessenden Sünder vor Seinem schrecklichen Gericht.

23 Und doch bietet Er allen, die in herzlichem Dank zu Ihm umkehren, Sein Heil an.


Inhalt

1-6 Dieser Psalm Asafs spricht zu uns von der Ankündigung des Gerichtes Gottes über Sein Volk. Er, der von Ewigkeit her besteht (Ps 90:2, Dan 6:27, Joh 8:58, Heb 1:8, Offb 1:18), Er, dem kein Ding unmöglich ist (1Mo 35:11, Hi 42:2, Lk 1:37, Offb 1:8), Er, der Gott des Volkes Israel (2Mo 32:8, Ps 50:7), bricht im Glanz Seiner Herrlichkeit (Hes 10:4) aus Jerusalem, der Schönen, hervor und ruft die ganze Welt vom fernsten Osten bis zum weitesten Westen, in den Zeugenstand. Er kommt, um die Wahrheit zu sagen, nicht, um zu schweigen. Seine gewaltige Präsenz und Sein Wille zur Gerechtigkeit fressen vor Ihm her, wie eine gewaltige Feuersbrunst und ein schweres Unwetter (vgl. Hi 38:1, 40:6). Er kommt, um mit Seinem Volk ins Gericht zu gehen. Er erteilt den Befehl, alle vor Ihm zusammenzubringen, die zu Seinem Volk gehören, weil sie mit Ihm am Sinai einen Bund schlossen, als sie angesichts des Blutes der Opfertiere versprachen, Seine Gebote zu halten (2Mo 24,3-8). Er, der Ewige ist so sehr gerecht, dass sogar die Himmel davon Zeugnis geben werden. Niemand anderes wird der Richter Seines Volkes Gottes sein, als Er selbst, der vollkommen Gerechte. 

So ist nun der Gerichtssaal gefüllt: Gott selbst, der Ewige, Allmächtige und Gerechte - Er, der sich Israel in Liebe und Treue verbunden hatte, Er Selbst ist Richter. Die Nationen der Welt sind Zeugen. Das Volk Israel jedoch, welches einst mit Gott am Berg Sinai den Bund schloss, sitzt auf der Anklagebank. 


7-15 Der Prozess beginnt. Die Anlage erhebt Gott. Er ruft zur Achtsamkeit auf das, was Er zu sagen hat. Angeklagt ist Sein Volk. Eben dies Volk, das Er aus Liebe aus der Knechtschaft befreit hat. Das Volk, dem Er sich persönlich als Gott erzeigt hat; das Volk, mit dem Er einen Bund geschlossen hat. Doch nicht wegen des Opferdienstes klagt Gott Sein Volk an, verläuft dieser doch noch immer täglich nach dem von Ihm vorgeschriebenen Muster. 

Die Anklage reicht tiefer; sie reicht ins Herz: Denn das Wesentliche fehlt. So wie der Ehering nicht die Liebe ersetzt, so ersetzen auch die äußerlichen Opfer nicht den Dank, die Treue, das Gebet und den herzlichen Lobpreis aus der tiefsten Quelle der Seele. Delhalb macht Gott sein Volk also darauf aufmerksam, dass es ihm nicht um ein Opfern um des Opfers willen geht. Er will, wie jeder wahre Liebende, keine Geschenke um des Geschenkes willen. Er Selbst will gemeint sein. 

Wozu auch sollte er die Opfergaben des Volkes als solche wollen? Ihm, dem allmächtigen Schöpfer des Universums, gehört der ganze Erdkreis samt allen Tieren, die darauf leben; vom Hirsch im Walde bis zur Gemse auf den Felsklippen, von den Vögeln im Gebirge bis zu den Hasen auf dem Felde: alles ist Sein Eigentum. Was wir Menschen Ihm opfern, das opfern wir immer als das, was uns geschenkweise oder als Leihgabe anvertraut wurde. Wie ein Kind, das seinem Vater ein Geschenk kauft; von eben dem Taschengeld, das es zuvor von seinem Vater erhalten hat. Auch ist es nicht so, dass Er, der Sich Selbst Allgenügsame, Hunger litte oder es nötig hätte, dass ihm jemand zu essen oder zu trinken gäbe. Gott braucht das Fleisch und das Blut der Opfertiere weder in dem einen noch im anderen Sinne. 

Worum es ihm geht ist die herzliche Liebesbeziehung zu Ihm; dass das äußerliche Opfer sich mit der Liebe verbindet und Ausdruck einer Herzenzhaltung der Dankbarkeit wird, der Treue und des Gebets. Auf diese Haltung des Herzens hat Gott Seine Verheißung gelegt: "Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten!" Und angesichts dieser Errettung sollen wir Ihn von Herzen lobpreisen.


16-22 Nachdem Gott sich gegenüber den Gesetzlichen in Seinem Volk geäußert hat, wendet Er Sich nun mit ganzem Ernst an die Gottlosen. Angeklagt ist noch immer Sein Volk. Eben das Volk, das Er aus Liebe aus der Sklaverei Ägyptens befreit hatte. 

Doch etliche aus diesem Volk sind abgefallen von Gott und hatten Ihn nie in ihren Herzen. Sie sind stur, bockig und halsstarrig. Sie wollen sich nicht erziehen lassen. Und wie später der Sohn Gottes die Pharisäer aufs Schärfste rügt, so schilt auch der Vater die Heuchler in Seinem Volk: Was erdreisten sie sich, von Seinen Geboten zu reden? Gebote, die sie doch selbst nicht halten wollen? Was fällt ihnen ein, Gottes Liebesbund in ihren Mund zu nehmen, wo sie doch schon Seine Worte so sehr verachten, dass sie sie völlig gleichgültig - über die Schulter - hinter sich werfen?

Statt Gott zu lieben, Seine Gebote zu halten und Ihm zu dienen, ist ihr Leben voller Sünde und Gesetzesbrecherei: mit Leichtigkeit begeistert sich ihr Herz für Diebstahl. Völlig kritiklos und nicht im Geringsten angerührt vom herzzerreißenden, Leben und Familien zerstörendem Ehebruch, verbinden sie ihr Leben mit denen, die ihn begehen. Und wenn sie den Mund aufmachen, kommen Lügen, Bosheiten und üble Nachreden heraus, die nicht einmal vor der eigenen Familie haltmachen. Zu allem Überfluss aber haben sie auch noch eine verzerrte, ja völlig verkehrte Vorstellung von Gott: dass Seine abgrundtiefe Liebe, Sein weltumhüllendes Erbarmen und Seine äonische Geduld Ihn davon abhalten, schon jetzt zu verdammen, dass Seine Gnade ihn bewegt, zu schweigen, um ihnen als verstockten Sündern die Zeit zu geben zur Umkehr zu finden, zur Rettung vor Seinem ewigen Gericht - das deuten sie vollkommen irrig als Akt der Verbrüderung.

Doch Gott will ihnen, trotz all ihrer Bosheit - allein zu ihrem Heil - die Augen öffnen und sie korrigieren: »So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen. Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel?« (Hes 33,11). Nicht im Zorn spricht er zu ihnen, sondern in händeringender Sorge verlangt Ihn inständig danach, dass sie aus ihrer Gottvergessenheit erwachen und erfassen, in welcher tödlichen Gefahr sie sich befinden. Denn "Schrecklich ist's, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen." (Hebr 10,31) Schrecklich, denn: Er ist's "...dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und für währt, gegen den alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen sind. Er macht's, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm sagen: Was machst du?" (Dan 4:31b-32, vgl. Hi 9:12, 11:10, 23:13) Wo also Gottes Gericht verdirbt, da ist wahrhaftig nichts mehr zu retten und kein Retter mehr da.


23 Der Psalm schließt mit einer tiefen Weisheit: wer das Heil Gottes sehen will, der kehre um, ordne seine Wege und opfere Gott den Dank der Ihm gebührt. Denn Gottes Zorn richtet sich gegen eben dies: gegen die Gottvergessenheit und den Undank der Welt (Röm 1:18-21). Im Dankgebet jedoch findet der Mensch zurück an seinen gottgewollten Platz: in die Erkenntnis der Existenz Gottes, Seines heiligen, reinen, gerechten und unfassbar guten Wesens, Seiner Liebe, Gnade und Seines Erbarmens, Seines noch immer fortbestehenden Willens, selbst Heuchlern und Gottlosen gegenüber gnädig zu sein und letztlich in die schöpfungsgemäße Vereinigung von Schöpfer und Geschöpf in dankbarer, gottseliger und gegenseitiger Liebe.


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Was prägt Deinen Gottesdienst? Oberflächliche Pflichterfüllung? Oder herzliche Liebe?
  • Was prägt Dein Leben? Gottvergessende Sünde? Oder dankbare Gotteserkenntnis?
  • Willst Du heute, jetzt, Gottes liebende Hand fassen, die Er dir aus Gnade entgegen streckt?