Montag, 13. August 2012

G E B E T

Von DEREK W. H. THOMAS - Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michael Künnemann




 Gebet



Authentisches Gebet, auf Gott konzentriertes Gebet, begreift, dass die Verheißung des Gebetes Gott selbst ist. In der Gegenwart Gottes zu sein ist die größte Belohnung des Gebets.



Es ist einfach, dem Gebet gegenüber kritisch zu sein, insbesondere gegenüber dem Gebet anderer. Robert Murray McCheyne's Worte werden oft zitiert, weil sie schmerzhaft wahr bleiben: "Sie möchten einen Menschen demütigen? Befragen Sie ihn zu seinem Gebetsleben."

Unsere Gebete verraten viel über uns. Gebete mit wenig oder gar keiner Anbetung, die sich auf unsere Bedürfnisse fokussieren (für gewöhnlich Gesundheit) offenbaren einen verzerrten adamitischen Einschlag. Was sie offenbaren ist Selbstzentriertheit, die Martin Luther mit homo in se incurvatus bezeichnete: "der in sich selbst verkrümmte Mensch". Hören Sie den Gebeten beim Gebetstreffen ihrer Kirche zu (wenn ein solches überhaupt noch existiert). Sie werden feststellen das die Mehrzahl der Gebete "Organ-Vorträge" sind - Gebete für jemandes Leber, Niere oder Herz. Nicht, dass wir nicht für medizinische Anliegen beten sollten, doch eine Überbeschäftigung mit der Gesundheit ist ein Spiegelbild dafür wie wenig wir davon verstehen, warum wir uns eine gute Gesundheit wünschen. Wir wünschen sie uns, damit die Person für die wir beten, für Jesus Christus lebt.

Gebet ist "mit Gott reden" (Graeme Goldsworthy, Prayer and the Knowledge of God, S. 15). Manchmal, vielleicht zu oft, dreht sich das "Reden" nur um uns. Wir kennen sie alle, diese nervigen Unterhaltungen die absolut einseitig verlaufen und wenig oder gar kein Interesse an uns beinhalten. Es dreht sich alles um den anderen - seine Interessen, Wünsche, Bedürfnisse und Beschwerden. Gebet kann zu so etwas werden: wir schütten unsere Nöte aus, werden völlig von uns selbst eingenommen und zeigen kein Interesse an einem Dialog der ein "Hören" auf das beinhaltet, was Gott zu sagen hat. Gott ist geduldig und in seiner Gnade antwortet er. Aber so sollte es nicht sein. Als Jesus uns zu beten lehrte, zeigte er uns, dass Gebet mit Gott beginnt (und fortfährt): "Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name" (Matthäus 6,9). Werfen Sie einen Blick auf die Struktur des Vaterunsers und Sie werden sehen, dass mindestens die Hälfte unseres Gebetes dem Lob und der Anbetung Gottes gewidmet sein sollte.


Person

Viele Faktoren beeinflussten Tertullian, als er den Begriff personae prägte, um die Dreiheit Gottes zu repräsentieren, doch verwendete er den Begriff hauptsächlich, weil der Vater, der Sohn und der Heilige Geist miteinander "reden". Sie haben eine persönliche Beziehung – zueinander und zu uns. Mit anderen Worten: Gott kommuniziert mit sich selbst und mit seinen Menschen. Es kann daher geschlussfolgert werden, dass das Gebet aus persönlicher Gemeinschaft bestehen sollte - mit Wissbegierde bezüglich Seiner Natur und Seiner Wünsche mit Gott zu reden und mit Eifer die Dinge zu lernen, die ihm gefallen und nicht gefallen.

Die erste Bitte des Vaterunsers erinnert uns, neben anderen Dingen, daran, dass es unsererseits eines klaren Fokus darauf bedarf, wer Gott ist und wie Gott ist. Theologen haben darüber nachgedacht, wie wir Gott erkennen und was es ist, das wir über ihn wissen. Die Antwort kam oft in dieser Gestalt: wir wissen sehr wenig in Antwort auf die Frage "Was ist Gott?" Was wir wissen (weil Gott es uns offenbart hat), ist die Antwort auf die Frage "Wie ist Gott?" Gott zeigt uns wie er ist, indem er uns Seinen Namen offenbart.

Unser Geist ist (um John Calvin's Formulierung zu verwenden), ob bewusst oder unterbewusst, eine "Götzenfabrik"; ständig Formeln erliegend wie: "Ich möchte von Gott das-und-das denken...", welche allesamt ernstlich falsch sind, ersonnen von einer anhaltenden, widergöttlichen Neigung in unserer seelischen, moralischen und geistigen Verfassung. Um Götzendienst im Gebet zu vermeiden, müssen wir damit anfangen, uns Seinen Namen in Erinnerung zu rufen - ob das Gottes Bündnisname ist "ICH BIN DER ICH BIN" oder Yahweh (das ist, selbst-existent, selbst-erhaltend, selbst-bestimmt, allgegenwärtig und jederzeit souverän); oder, wie es das Vaterunser wunderbar zusammenfasst, "Vater" (als Ausdruck der Neuheit des Neuen Bundes und des Zuganges und des Status welche uns das Werk unseres Erlösers erwirkt hat); oder "Vater, Sohn und Heiliger Geist" (wie Jesus Selbst es in im Missionsbefehl Mt 28,19 bekannt gab). Als Jesus Seine Jünger beauftragte, im "Namen" (Singular) "des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" zu taufen, offenbarte Er die unergründliche Wahrheit, dass da mehr als einer in dem einen Gott ist.

Gott-zentriertes Gebet hält ein, um der Natur Gottes nachzusinnen, wie Er ist - Seinen Eigenschaften. Das ist ebenfalls im Blickfeld einer Begebenheit, zu welcher Gott Mose Seinen Namen nennt. Der Kontext (2. Mose 34) ist das üble Angelegenheit mit dem Goldenen Kalb (die Götzenfabrik des Menschen erneut bei der Arbeit). Nachdem Mose dieses Durcheinander aufgeräumt hatte, stieg er erneut auf den Sinai, nur um nochmals den Namen Gottes (Yahweh, 2. Mose 34,6-7) zu erfahren, nun jedoch um eine Erklärung Seines Wesens erweitert: "Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber, und er rief aus: HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!" Gnade, Erbarmen und Heiligkeit sind Eigenschaften, die Gott sich Selbst zuschreibt - wobei Heiligkeit seine moralische Vollkommenheit ist, die auf Gesetzlosigkeit und Undank mit Vergeltung antwortet. Gott-zentriertes Gebet erfordert ein korrektes Verständnis Gottes in Seiner Trinitarischen Herrlichkeit.


Lob

 Halleluja! 
Lobet den HERRN!
 / Denn unsern Gott loben, 
das ist ein köstlich Ding, 
ihn loben ist lieblich und schön.
(Psalm 147,1)

Gott ist lobenswert. Dass uns diese Tatsache unter die Haut geht ist gar nicht so leicht, wie wir vielleicht denken mögen. Selbst-zentriertes Gebet (eine Form von Götzendienst) unterlässt es anzuerkennen, dass unser Zweck hier auf Erden darin besteht, unseren Schöpfer und Erlöser zu loben. Hören wir auf den Psalmisten, wie er die Löblichkeit Gottes wieder und wieder erhebt. Der Psalter war einmal die elementare Kost der Christen. Christen sangen Psalmen um den Esszimmertisch und in Gottesdiensten am Sonntag. Unterbewusst wurde das Gott-zentrierte Lob aus dem Buch der Psalmen zur Sprache des Gebets. Seit der Psalmengesang jedoch abgenommen hat, hat auch das reiche, Gott-erhebende Lob, welches der Psalter repräsentiert, abgenommen.

J.I. Packer erinnert uns an die Notwendigkeit zwischen Loben und Danken zu unterscheiden und sicherzustellen, dass wir beides tun:

Gebete des Dankes konzentrieren sich zum Teil auf uns. Wir danken Gott persönlich für bestimmte, uns und anderen gegebene Gaben und für allgemeine, allen gewährte Gaben. Lob, auf der anderen Seite, konzentriert sich direkt auf Gott. Wir loben Ihn dafür wer und wie Er ist. Es ist der Unterschied zwischen einem Ehepartner, der zum anderen sagt, "Du bist die verständnisvollste Person, die ich kenne; das ist einer der Gründe, warum ich Dich so sehr liebe" und "Danke für das Sandwich; ich hatte es nötig." (Praying: Finding Our Way Through Duty to Delight, S. 31)


Präsenz

Gott zu loben gelingt uns nicht von selbst. Wir müssen diesbezüglich entschieden sein. Das ist der Grund aus dem Jesus Seine Jünger im Vorwort zum Vaterunser vor religiösen Verhalten warnt, welches sich mehr mit äußerlichem Schauspiel und Zeremonie beschäftigt, als mit innerer Authentizität und wahrer Anbetung. "Heuchler" ist der Ausdruck, den Jesus verwendet (Mt. 6,5), ein Ausdruck, der heute ebenso offensiv ist, wie er es damals war. Schauspielerei, vorzugeben zu beten, zu beten ohne die Realität der Erkenntnis, dass wir in Gottes Gegenwart sind, ist ein scharfes, doch nichtsdestoweniger ein wahres Urteil. Wenn wir solches tun, beten wir um uns selbst zu verherrlichen, nicht Gott. Es ist die uns plagende Selbst-Zentriertheit, die entwurzelt und zerstört werden muss. Authentisches Gebet, Gott-zentriertes Gebet, begreift, dass die Verheißung des Gebets Gott selbst ist. In der Gegenwart Gottes zu sein ist die größte Belohnung des Gebetes. Gottesfürchtige Leute haben dies schon immer genossen:

Herr, ich habe lieb 
die Stätte deines Hauses 
und den Ort, 
da deine Ehre wohnt.
(Psalm 26,8)

Wohl dem, den du erwählst und zu dir lässest, 
dass er in deinen Vorhöfen wohne; 
der hat reichen Trost von deinem Hause, 
deinem heiligen Tempel. 
(Psalm 65,5)

Kennen Sie irgendetwas davon? Wenn nicht, jagen Sie Ihm nach, bis Sie Ihn finden.

Suchet den HERRN, 
solange er zu finden ist; 
ruft ihn an, 
solange er nahe ist. 
(Jesaja 55,6)

Anwendung

Wie können wir sicherstellen, dass unsere Gebete Gott-zentriert sind? Ziehen Sie die folgende Fünf-Schritte-Strategie in Betracht:
  1. Erinnern Sich Sich, dass es nur einen Gott im Universum gibt, und dass Sie nicht Er sind.
  2. Anbetung kommt zuerst, vor Bekenntnis, Danksagung und Fürbitte. Anbeten sie den Herrn in ihrem Gebet.
  3. Lesen Sie einen Psalm bevor Sie beten und versuchen Sie nachzuahmen, was Sie entdecken: ein Vertieftsein in Gott in all Seinem facettenreichen Wesen. Finden Sie Psalmen der Freude oder der Trauer, des Lobes oder der Klage und beachten Sie, wie der Psalmist Zeit mit Gott verbringt, indem er Ihn zum Zentrum Seiner Gedanken und seines Verlangens macht.
  4. Lernen Sie Gottes Namen zu lieben, so dass sie auszusprechen und zu wiederholen, Sie mit unaussprechlicher Freude erfüllt, eine Erinnerung daran, wer Er ist und an Seine Bündnistreue Ihnen gegenüber im Evangelium Seiner Gnade.
  5. Lernen Sie auf den Herrn zu warten. Beobachten Sie, wie der Psalmist, "ohnmächtig", wenn er an seine eigenen Sorgen denkt, Erleichterung darin findet, sich bewusst auf die großen Dinge zu konzentrieren, die Gott getan hat:
Darum denke ich an die Taten des HERRN, 
ja, ich denke an deine früheren Wunder
und sinne über alle deine Werke 
und denke deinen Taten nach. 
(Psalm 77,12-13)

Dr. Derek W.H. Thomas ist Pfarrer für Predigt und Lehre in der First Presbyterian Chruch (PCA) in Columbia, South Caronlina und distinguierter Gastprofessor für systematische und historische Theologie am Reformed Theological Seminary in Jackson, Mississippi.

Erschienen im Magazin TABLETALK | LIGONIER MINISTRIES AND R.C. SPROUL | APRIL 2012

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