Sonntag, 28. August 2016

"Jeder hat recht! - oder doch nicht?" Ein Gespräch mit Daniel von Wachter

Seit vielen Jahren, und das mit steigender Frequenz und Intensität, begegnen mir in alltäglichen Gesprächen zwei postmoderne Überzeugungen: "Jeder hat auf seine Weise Recht!" und "Der Wahrheitsanspruch der Christen ist intolerant!" Schon oft wollte ich einen eigenständigen Artikel darüber schreiben und habe es dann, neben einigen Andeutungen in Blogbeiträgen hier und dort, doch immer wieder hintangestellt. Nun ist mir - Gott sei Dank! - ein Besserer zuvor gekommen:

Der Philosoph Daniel von Wachter, der zusätzlich zur Philosophie auch Theologie und Maschinenbau studiert hat und somit nicht nur der Welt des Metaphysischen, sondern auch in den Alltäglichkeiten unserer physikalischen Welt zu Hause ist, nimmt in einem von
"Christliches Medienmagazin pro" geführten Interview Stellung zu solchen Überzeugungen und hinterfragt sie auf eine, wie ich finde, sehr gelungene Weise.

Darüber hinaus hat von Wachter zu unserem modernen Christentum und seinem eigentlichen Problem etwas zu sagen; ist es doch, so Wachter, zu einer Religion verkümmert, die "nur noch auf Gefühl beruht". In diesem Zusammenhang ruft von Wachter uns Christen in Deutschland auf, uns "wieder mehr [zu] bemühen, beständig in der Lehre zu bleiben."

Mit freundlicher Genehmigung von und herzlichem Dank an "Christliches Medienmagazin pro" und Herrn von Wachter, hier nun das Interview, welches "pro" mit ihm führte - und welches auch auf den Seiten von "pro" nachgelesen werden kann.



Postmoderne: „Jeder hat recht“ ist unlogisch
Postmodernes Denken prägt die gegenwärtige Politik, Theologie und öffentliche Debatten, meint der Religionsphilosoph Daniel von Wachter: Wahrheit gibt es nicht, alle haben recht, wer Wahrheit beansprucht, gilt als intolerant. Deshalb sorgt er sich um die freie Meinungsäußerung und die Zukunft des Christentums. Im Gespräch mit pro übt er Zeitkritik.

Daniel von Wachter ist 1970 in München geboren und dort aufgewachsen. Zunächst hat er Maschinenbau, dann Theologie, danach Philosophie studiert. Heute ist von Wachter Direktor der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein, einer privaten Hochschule für Philosophie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Metaphysik, analytische Religionsphilosophie, Ontologie und Kausalität.

pro: Was kennzeichnet postmodernes Denken? 
Daniel von Wachter: Postmodernismus ist nicht eine Analyse des Denkens der Mehrheit der heutigen Menschen, sondern besteht aus bestimmten Behauptungen bestimmter Autoren. Zum Beispiel: Es gibt keine objektive Wahrheit; es gibt keine Wirklichkeit, die von uns unabhängig ist; Vernunft und Wissenschaft sind nur Herrschaftsinstrumente; Texte haben keine zu entdeckende Bedeutung. Interessant ist, dass die vier Hauptautoren dieser Art von Rhetorik – Lyotard, Derrida, Rorty, Foucault – alle einen sozialistischen Hintergrund haben.

Wie denken Postmodernisten über den christlichen Glauben? 
Die Postmodernisten greifen die bloße Tatsache an, dass das Christentum eine Lehre hat; eine Botschaft, die wahr sein soll. Sie greifen die christliche Lehre nicht so an, wie es redlich und sinnvoll wäre, indem sie ihr Argumente entgegenhalten und sagen: Das ist falsch aus den und den Gründen. Stattdessen behaupten sie, Wahrheit und Wirklichkeit gebe es gar nicht. Zweitens greifen die Postmodernisten die Lehre der Christen an, dass die Bibel Gottes Wort und verbindliche Quelle der Lehre sei. Wieder geben sie keine Argumente, sondern sie sagen: Ein Text hat gar keine zu entdeckende Bedeutung. Jeder schafft sich seine eigene Bedeutung.

Wenn es keine Wahrheit gäbe, wäre jede Meinung gleichermaßen richtig? 
Es hat keinen Sinn, zu sagen: „Wenn jemand das anders sieht als ich, dann hat er ebenfalls recht.“ Das ist ein Widerspruch, es ist unvernünftig, so etwas zu sagen. Die Idee, dass man so einen Widerspruch „aushalten soll“, wird oft als menschlich und liebevoll dargestellt. Es ist aber unlogisch, wenn ich etwas glaube und das Gegenteil auch für richtig halte. Das bringt niemanden weiter. Wir wollen doch wissen, was richtig ist, und uns entsprechend entscheiden. Man darf die Wahrheit nicht gegen die Liebe ausspielen. Daher sollte man nicht sagen: Damit ich mehr Liebe übe, darf ich niemandem mehr widersprechen. Es ist sogar liebevoller, wenn ich versuche, ihn zu überzeugen, weil ich ja will, dass der andere auch die Wahrheit, also die richtige Auffassung erlangt. Manchmal ist es zum Beispiel in einer Gemeinde richtig zu sagen: „Wegen dieser Meinungsverschiedenheit trennen wir uns nicht“. Aber es ist töricht zu sagen: „Ich meine X, aber ich will nicht sagen, dass Nicht-X falsch wäre.

Kann man postmodernen Menschen überhaupt noch mit der „Wahrheit“ der christlichen Botschaft kommen? 
Die meisten Menschen nehmen natürlich an, dass es Wahrheit gibt. Wenn jemand tatsächlich vom postmodernistischen Denken beeinflusst ist, dann müssen wir, um ihn mit dem Evangelium erreichen zu können, ihn dahin führen, wieder Wahrheitsfragen zu stellen. Will sagen: Es wäre der ganz falsche Weg zu meinen, heute sollte man weniger Wahrheit predigen, weil die Menschen heute postmodernistisch denken. Im Gegenteil, wir müssen um so mehr Fragen stellen wie: Gibt es einen Gott? Ist Jesus Gottes Sohn, und ist das Evangelium wahr? Wenn ein Mensch das nicht fragen und nicht untersuchen kann, ob das wahr ist, hat er keine Chance, Christ zu werden.

Kommen Christen mit ihrem Wahrheitsanspruch nicht in Konflikt mit der Religionsfreiheit? 
Christen glauben an die christliche Lehre und haben mehr oder weniger Argumente dafür. Diese Argumente teilen sie ihren Mitmenschen mit und versuchen, sie davon zu überzeugen. Da ist kein Toleranzproblem. Ist das Toleranz, wenn ich sage: „Der hat eine andere Meinung und hat genauso recht“? Nein. Toleranz entsteht, wenn ich sage: „Ich meine A, der andere meint Nicht-A, ich schlage ihm trotzdem nicht den Schädel ein, ich unterdrücke ihn nicht, ich lasse ihn seine Religion frei ausüben.“ Christen müssen für Religionsfreiheit sein. Das ergibt sich klar aus dem Neuen Testament. Schon im 18. Jahrhundert findet sich bereits dieser Vorwurf gegen Christen, sie seien intolerant, weil sie behaupten, dass die christliche Lehre wahr ist. Das ist eine Verdrehung. Man merkt daran, dass diejenigen, die den Intoleranzvorwurf pflegen, selber gar nicht besonders tolerant sind. Die andere Person muss man achten und lieben, egal, was sie für eine Meinung hat. Man darf das aber nicht vermischen mit der Frage, ob etwas wahr ist oder nicht.

Inwiefern spiegelt sich postmodernistisches Denken auch in der Theologie wider? 
Der Kern der postmodernistischen Theologie – wie auch schon der modernistischen Theologie – ist, dass sie die überlieferten christlichen Lehren nicht nur ein bisschen anders versteht oder anders akzentuiert, sondern grundsätzlich umdeutet. Die Lehre der Dreifaltigkeit ist dann nicht mehr eine Lehre, die beschreibt, wie die drei göttlichen Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist in Ewigkeit existieren und wie sie zusammenhängen, sondern es wird umgedeutet und etwa gesagt: Alles, was wir erleben, hat diese drei Aspekte. Die Botschaft von Weihnachten wird dann zu: Das Leben ist zwar schwer, aber es gibt immer noch Aufbruch, es gibt ein Licht. Die Lehre von der Auferstehung Jesu heißt nicht mehr, dass durch Jesu Auferstehung den Menschen bewiesen wurde, dass er wirklich der Messias ist und dass er den Tod besiegt hat, sondern sie wird dann zu einer Art Rhetorik, die Hoffnung machen will. Es klingt irgendwie so ein bisschen fromm. Aber es ist letztlich alles innerweltlich, und es ist nicht von Gott und unserer Beziehung zu ihm die Rede.

Gibt es das auch innerhalb der evangelikalen Bewegung? 
In der evangelikalen Welt in Deutschland hat sich stark ausgebreitet, dass man gefühlsorientiert ist und das Gefühl nicht mehr auf die Lehre gründet. Wenn Sie die Lieder der Reformation oder der Erweckungsbewegung ansehen, dann sind diese immer sehr emotional, das ganze Herz ist dabei. „Bis zum Tode bin ich gehorsam“ und „Alles geb‘ ich dir, mein Herr“ – das ist aber immer auf der Lehre gegründet: Weil Christus mein Herr ist, weil Jesus für mich gestorben ist, habe ich Hoffnung. Weil er auferstanden ist, den Tod besiegt hat, deshalb sehe ich nach vorne. Die evangelikale Welt in Deutschland hat sich stark davon abgewandt. Viele Lieder, die ich höre, haben Aussagen wie „Gott ist mir so nah, Gott ist so gut, ich bin so getröstet“, aber es ist kein Grund für den Trost genannt. Es wird versucht, das Gefühl auf andere Weise als durch die Lehre zu erzeugen.

Wo ist das Problem? 
Das ist eine ernsthafte Verirrung und eine wirklich Schwäche. Ein Christentum, das nur noch auf Gefühl beruht, das auch intellektuell schwach ist und wenig Festigkeit in der Lehre hat, kippt bei jedem Windhauch um. Es hat auch nicht viel Überzeugungskraft. Dabei ist das Christentum eine hochrationale Religion in dem Sinn, dass sie immer Begründungen liefert. Im Gegensatz zu anderen Religionen, die mehr auf Meditationstechniken setzen. Das Christentum hat mit dem Evangelium eine Lehre im Zentrum, und dazu kommen noch eine ganze Menge andere Lehren, die einen philosophischen, metaphysischen Inhalt haben. Darauf baut alles auf – die Emotionen, die Hoffnung und die Hingabe an Gott. Das Christentum hat Rationalität und Wissenschaft hervorgebracht. Mein eigenes Fach, die Philosophie, ist nicht zufällig im Christentum so zur Blüte gekommen. Die Christen haben von Anfang an gesehen: Sie müssen ihre Lehre untersuchen und verteidigen. Wir Christen in Deutschland müssen uns wieder mehr bemühen, beständig in der Lehre zu bleiben. So wie es am Beginn der Apostelgeschichte gesagt wird.

Was bedeutet es für die Religionsfreiheit, wenn Christen, Muslime oder Menschen anderen Glaubens aus vermeintlichen Toleranzgründen keinen Wahrheitsanspruch für ihre Religion erheben dürfen? 
Der Vorwurf der Intoleranz ist eine Gefahr für die Religionsfreiheit heute. Denn Religions- oder Meinungsfreiheit heißt ja: Jede Meinung und jeder Widerspruch dürfen geäußert werden. Der eine sagt, der Islam hat recht, dann darf jeder sagen, der Islam hat unrecht. Ich darf sagen, das Christentum ist wahr, und jeder darf sagen, das Christentum ist nicht wahr. Der Postmodernismus löst das auf und damit die Religionsfreiheit gleich mit. Das geht so: Wenn ich dem Moslem sage, dass er irrt, dann ist das laut den Postmodernisten eine gewalttätige Tat und muss verboten werden. In diese Richtung gehen tatsächlich schon Gesetzesentwürfe in Brüssel, die besagen, man darf anderen Religionen nicht widersprechen. Weil man diese Grenze zwischen Meinungsäußerung und wirklicher Gewalt- oder Unrechtstat aufgelöst hat, verlieren wir die Meinungs- und die Religionsfreiheit. Brüssel geht ganz klar in diese Richtung. Das ist politisch dramatisch und wird, wenn es so weitergeht, zu erheblichen Bedrängnissen führen.

Wie bewerten Sie unter dem Gesichtspunkt die gegenwärtige Debattenkultur? 
Ein Kennzeichen von heutigen Debatten ist, dass der Widerspruch und der inhaltliche Streit nicht mehr stattfinden und stattdessen mit Angriffen gearbeitet wird. Auch in der Flüchtlingsfrage ist es ja zum Beispiel so, dass die Äußerung bestimmter Meinungen, selbst wenn sie ziemlich offensichtlich wahr sind, auf einmal als verboten oder als schlecht angesehen wird. Zum Beispiel durfte bei einer Straftat nicht gesagt werden, wo derjenige herkam, der sie ausgeübt hat. Obwohl es eine Tatsache ist. Das ist politisch eine sehr gefährliche Situation. Wenn es unmoralisch ist, etwas zu sagen, was stimmt, oder wenn es überhaupt unmoralisch ist, eine bestimmte Meinung zu äußern, dann sind wir schon weit weg von der Meinungsfreiheit, die wir einmal hier in Europa errungen hatten.

In den vergangenen Monaten beschuldigen sich verschiedene Konfliktparteien gegenseitig der Hetze ... 
In der Debatte fallen schnell Begriffe wie „rechts“ und „links“, oder ganz beliebt ist zur Zeit ja „populistisch“. Egal, welche Position man inhaltlich bezieht, diese Bezeichnungen sagen nicht konkret, was falsch ist. Wenn ich sage, jemand ist extrem, ist das nicht informativ. Stattdessen sollte man sagen: Der ist gewalttätig, der wirft Steine auf Ausländer, oder was auch immer. So wäre es richtig. Dann könnte man sich eine Meinung bilden. Bei der Flüchtlingsfrage war zum Beispiel immer der latente Vorwurf dabei: Wenn du sagst, du bist für geschlossene Grenzen, dann bist du schuld, wenn morgen ein Flüchtlingsheim angezündet wird. Das ist keine offene und auch keine faire Diskussion. Wir sollten dazu beitragen, dass die Debatte wieder inhaltlich wird, dass man konkret sagt, welche Meinung falsch ist und welche Handlung böse. Dann käme man weiter.

Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellten Norbert Schäfer und Jonathan Steinert. (pro)

Nachveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von "Christliches Medienmagazin pro" und Daniel von Wachter.

Samstag, 9. Juli 2016

Joyce Meyer – Lehrerin oder Irrlehrerin? (Teil II)

Eine interessante Leserfrage zu meinem ersten Artikel über Joyce Meyer hat mich dazu bewegt, eine Antwort zu verfassen, die so lang geworden ist, dass ich mich entschlossen habe, einen eigenen Artikel daraus zu machen. Ich möchte ihn mit der Frage überschreiben: 

"Ist es eine Verurteilung zu behaupten, Joyce Meyer sei eine Irrlehrerin?"

Ich bin, wie meine Leser, der Überzeugung, dass niemand uns das Recht gibt, einen anderen Menschen zu verurteilen. Doch Gott gibt uns sehr wohl den Auftrag, dass was wir das, was wir hören, sehen, lesen und wahrnehmen, vorher zu überprüfen, um nicht "einfach so" alles für Gold zu halten, was glänzt. Gott möchte, dass wir die Inhalte, die wir für uns übernehmen, um sie zu glauben, vorher prüfen (1Thess 5:21) - weil Er uns liebt und nicht möchte, dass wir unseren Glauben mit halbwahren oder gar falschen Inhalten  vergiften.

Diese Unterscheidung zwischen "prüfen", "unterscheiden" oder "beurteilen" auf der einen Seite und "richten" oder "verurteilen" auf der anderen Seite wird jedoch in unserer Zeit leider nur noch selten getroffen. Oft werden beide - die sachliche wichtige Prüfung von Fakten einerseits und die moralisch verwerfliche Aburteilung einer Person andererseits - in einen Topf geworfen. Mit dem Ergebnis, dass wir am Ende gar nichts mehr beurteilen können, aus lauter Angst, dabei aus Versehen jemanden zu richten.

Dabei ist das Beurteilen und Prüfen so wichtig. Vor allem in unserer heutigen Zeit, von der uns schon Petrus warnte: "Das sollst du aber wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen [...] haben den Schein der Frömmigkeit, 
[...] solche Menschen meide!" (2Tim 3,1). Und wir prüfen ja auch alle möglichen Dinge den lieben langen Tag in unserem natürlichen Leben (ohne groß darüber nachzudenken): wir prüfen das Essen, das wir essen ("Ist es verschimmelt?"), oder die Ampel ("Ist sie grün? Kann ich gefahrlos über die Straße gehen?") und so weiter und so fort. Um uns zu schützen. Und das ist gut so. Mit der Lehre von anderen Menschen sollen wir es genau so machen. Darum habe ich auch ganz am Anfang meines ersten Artikels eine Einleitung über "richten" und "unterscheiden" geschrieben. Und ich empfehle allen meinen Lesern, sich die dort angegebenen Bibelstellen noch einmal gründlich durchzulesen.

Doch wie komme ich nun zu meiner Beurteilung von Joyce Meyer?

Ich habe sie im Fernsehen gesehen und mir auch angehört, was sie lehrt. Darüber hinaus habe ich eigenen Recherchen betrieben und unter anderem das Buch "Christianity In Crisis: The 21st Century" von Hank Hanegraaff" studiert, der alle seine Aussagen mit unwiderlegbaren und vor allem überprüfbaren Fakten unterlegt. Hank Hanegraaff ist niemand, der einfach mal so aus Spass behauptet "Joyce Meyer ist eine Irrlehrerin", sondern der einen Großteil ihrer Publikationen und Ausstrahlungen durchforstet hat und sich die Mühe gemacht hat, die Aussagen von ihr (und vielen anderen Irrlehrern) den Aussagen der Bibel gegenüber zu stellen. Und die Faktenlage ist erschreckend. Ich kann nur jedem empfehlen, das Standardwerk von Hank Hanegraaff zu lesen - es ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten Bücher unseres Jahrhunderts.

Das Problem mit Joyce Meyer ist dabei nicht, dass "jede einzelne Predigt [...] ein klarer und sichtbarer Widerspruch zu Gottes Geboten oder Wort Gottes" wäre. Vieles von dem, was sie aussagt, ist richtig und manches scheint darüber hinaus auf den ersten Blick recht hilfreich. Es ist vielmehr "die große Richtung", die bei ihr nicht stimmt. Das bedeutet: man kann eine ganze Predigt von Joyce Meyer hören und dabei nicht ein einziges Mal "zusammenzucken", weil sie etwas offensichtlich falsches predigen würde. Verfolgt man jedoch eine Reihe von ihren Predigten, so wird eine größere "Strömung" sichtbar, die ich hier einmal mit dem Gegensatz zwischen "Selbstverwirklichung" und "Nachfolge" beschreiben möchte.

Joyce Meyer predigt an vielen Stellen ein Evangelium, was den Menschen und sein Wohlergehen ins Zentrum stellt. Das Evangelium in der Bibel jedoch hat Gott und seine Ehre zum Zentrum. Natürlich möchte Gott, dass wir uns in Ihm und an Ihm freuen. Er erwartet jedoch auch, dass wir in Seine Fußstapfen treten - sogar dann, wenn das bedeuten sollte, für ihn zu leiden (siehe Phil 1,29). In Markus 8,34 lehrt uns Jesus selbst, dass wir unser Kreuz auf uns nehmen sollen. Die Seite www.bibelkommentare.de beantwortet die Frage, was es bedeutet, "sein Kreuz auf sich nehmen", so: das "Mitgekreuzigtseins unseres alten Menschen samt seinen Leidenschaften und Lüsten. [...] Es ist das völlige in des Herrn Fußstapfen treten auf Seinem Wege der Verwerfung, des Widerspruchs und der Schmach von Seiten dieser Welt."

Diesen Aspekt der Nachfolge jedoch sucht man bei Joyce Meyer an vielen Stellen vergeblich. Und das ist es, was mich besorgt. Hier weicht sie vom Wort Gottes ab, der von Anbeginn der Schöpfung nur ein Ziel hat: "Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei [...]" (1Mo 1,26). Und der Zweck hinter dieser Absicht, Menschen nach dem Abbild Gottes zu schaffen, ist kein Geheimnis: Es ist nichts anderes - nicht mehr und nicht weniger als - die Ehre Gottes (siehe Jes 43,7).

Mit anderen Worten: Joyce Meyer predigt ein Wohlfühlevangelium, in dem der Mensch und sein Wohlergehen im Mittelpunkt stehen und in dem Gott das Mittel zum Zweck unseres Wohlergehens ist. Das jedoch steht im krassen Widerspruch zum Evangelium Christi, in welchem Gott im Zentrum steht und dem wir aufgerufen sind, in einem lebenslangen Prozess der Umkehr - durch das "töten der Werke des Fleisches" und durch "in das Anschauen der Herrlichkeit Christi" in das Bild Christi umgestaltet zu werden (vgl. Rö 8,13, Gal 5,19ff, Jak 1,21, 2Kor 3,18) - damit durch unsere Lebensführung die Ehre Gottes gemehrt wird.

Es ist richtig: Am Ende ist in der Tat nur der Glaube an Christus und die Einhaltung Seiner Gebote von größter Bedeutung und wichtig für jeden wahren Nachfolger Jesu. Doch so, wie Christus sie gelehrt hat - und nicht in einer verdrehten Form, die den Menschen statt Gott in den Mittelpunkt stellt und schöne Gefühle, statt Gottes Ehre.

Samstag, 16. Januar 2016

Die Jahreslosung - Jesaja 66:13


Ich selbst werde euch trösten,
wie eine Mutter ihr Kind tröstet.

Jesaja 66:13


Worum es nicht geht

Um die Jahreslosung wirklich zu verstehen, müssen wir sie in ihrem Kontext betrachten. Sonst  wäre die Gefahr groß, dass wir eine Kuschelbotschaft mit Gott als Mutter darunter verstehen - das wäre dann eine viel zu kleine Botschaft, die um ein unsagbar Vielfaches hinter dem zurück bleibt, was Gott an dieser Stelle tatsächlich verspricht. 

So etwas passiert leicht und schnell, wenn man ein Gotteswort aus seinem Zusammenhang reißt. Darum bitte ich alle Leser: Was auch immer ihr in Gottes Wort lest: Lest es immer auch in seinem Zusammenhang!

Die Jahreslosung ist also viel größer, als es auf den ersten Blick den Anschein zu haben scheint. Um sie zu verstehen, wollen wir uns einen Überblick über das Jesajabuch, über die geschichtliche Situation des Volkes Gottes zur Zeit Jesajas und einen Überblick über das 66. und damit letzte Kapitel des Jesajabuches (dem "Evangelium des Alten Testaments") verschaffen.


Worum es wirklich geht

Der Kontext: Was war passiert?

Der Aufbau des Jesajabuches ist spiegelsymmetrisch: In der ersten Hälfte des Jesajabuches geht es um die politische Krise mit Assyrien und den Glauben Hiskias, der Gottes Rettung von den Assyrern zum Ende hatte. In der zweiten Hälfte des Jesajabuches geht es um die persönliche Krise Hiskias und die Torheit Hiskias, die die babylonische Gefangenschaft zur Folge hatte; nachzulesen in 2. Könige 18-20 und 2. Chronika 29-32.

Der zweite Teil, indem unser 66. Kapitel zu finden ist, spricht also vornehmlich in die Krise der babylonischen Gefangenschaft oder das babylonische Exil hinein: Als babylonisches Exil wird dabei eine Epoche der jüdischen Geschichte bezeichnet, die 597 v. Chr. mit der Eroberung Jerusalems und des  Königreiches Juda durch den babylonischen König Nebukadnezar II. beginnt und bis zur Eroberung  Babylons 538 v. Chr. durch den Perserkönig Kyros II fortdauert. Dies ist auch die Zeit, von der uns im Buch Daniel berichtet wird - in der Daniel, Schadrach, Meschach und Abed-Nego zu den auserwählten Exilanten gehörten, die eine Ausbildung für den babylonischen Staatsdienst erhielten. Das Buch spricht also hinein in eine Zeit des Kummers fern der Heimat. 

Im 137. Psalm lesen wir:

An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.
Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen
und in unserm Heulen fröhlich sein:
»Singet uns ein Lied von Zion! «

Psalm 137:1-3


Die Botschaft

Jesaja, Kapitel 66

Das 66. ist das letzte Kapitel und enthält mehrere ineinander verschlungene Worte der Prophetie, die sich beziehen auf:

  • die Erlösung des Volkes Gottes
  • die Ankündigung des Messias
  • die Neugründung des Staates Israel
  • die Wiederherstellung Jerusalems
  • das Gericht Gottes über Seine Feinde
  • das 1.000-jährige Reich
  • die Ewigkeit: Gottes neue Welt (Himmel und Erde werden neu)
 
Genauer:

  • Die Verse 1-4 beschreiben zwei Gruppen von Menschen
  • Die Verse 5-9 kündigen den Messias und die Neugründung des Staates Israel an
  • Die Verse 10-14 kündigen die Wiederherstellung und Frieden für Jerusalem an
  • Die Verse 15-18 beschreiben Gottes Gericht.
  • Die Verse 19-21 beschreiben die Friedenszeit danach.
  • Die Verse 22-24 beschreiben Gottes Reich in Vollendung: neuer Himmel und Erde.


2 Gruppen von Empfängern, 2 Botschaften

Im 66. Kapitel lesen wir von 2 Gruppen von Menschen: den Abgewichenen und Gottlosen auf der einen Seite und den Treuen, Gottes Volk, auf der anderen. Über diese beiden Gruppen lesen wir folgendes: 

  • Die Abgewichenen und Gottlosen, das sind: Mörder, Übeltäter, Gräueltäter und Götzendiener, die eigene Wege gehen (Vers 3). Sie hören Gottes Stimme nicht, antworten ihm nicht (Vers 4) und tun, was böse ist (Vers 4). 

  • Die Treuen, Gottes Volk dagegen, das sind die, die gedemütigten, die mit einem gebrochenen Geist, die vor Gottes Wort zittern (Vers 2). Sie sind seine Diener (Vers 14), sie hören Gottes Wort (Vers 5), sie werden von den Feinden Gottes gehasst und verstoßen und verspottet, weil sie Gott treu sind (Vers 5).

Weiter lesen wir im 66. Kapitel von 2 Botschaften Gottes: Zum einen von Gottes Gericht über die Gottlosen und zum anderen von Gottes Heilshandeln an Seinem Volk. Konkret lesen wir in Jesaja 66:15-18 - über das Weltgericht:

  • Die Gottlosen (Vers 4) werden zugrunde gehen (Vers 5), der HERR vergilt seinen Feinden ihr Tun (Vers 6). Durch Feuer und Wagen übt Gott Vergeltung, wie ein vernichtender Orkan (Vers 15), in glühendem Zorn  und in flammendem Feuer (Vers 15) für alles Böse, was die Menschheit (Vers 16), ja alle Völker und Nationen (Vers 18) gegen Ihn und Sein Volk gesündigt haben und setzt damit ein Zeichen (Vers 18). Die Leichen der Männer jedoch, die sich gegen Gott auflehnten, werden mit ewigem Feuer brennen (Vers 24); seine Feinde nehmen ein schreckliches Ende (Vers 17).
  • Sein Volk jedoch wird Gott trösten, wie eine Mutter ihr Kind und zwar in Jerusalem (Vers 13). Er wird Jerusalem Frieden verschaffen und den Reichtum der Völker wie einen breiten Strom nach Jerusalem lenken (Vers 12) - zur Freude seiner Kinder (Verse 12 und 14). Dieser Trost hat jedoch nicht allein zu tun mit Frieden und Wohlstand, sondern vor allem mit einer Geburt, die uns in mehreren ineinander verwobenen Bildern der Prophetie gezeigt wird (Verse 7-9).


Prophetische Bilder

Die Trost-Botschaft von Jesaja 66 berichtet von einer Geburt: in wenigen Versen (Jesaja 66:7-9) überlagern sich mehrere, ineinander verwobene Bilder, die sich schon mehrfach in der Geschichte erfüllt haben.


Erste Erfüllung

"Wer hat so etwas je gehört?
Wer hat so etwas schon gesehen?
Hat ein Land sich je an einem Tag gebildet?
Wurde je ein Volk an einem einzigen Tag geboren?
Doch Zions Wehen hatten kaum eingesetzt,
da waren ihre Söhne schon geboren."

Jesaja 66:8

Das war, was im Jahr 538 v. Chr. passierte. Damals wurde die Nation Israel tatsächlich neu geboren — gewissermaßen an einem Tag —, nachdem das Land rund 70 Jahre zuvor von den Babyloniern verwüstet und entvölkert worden war. Jesaja 66:8 erfüllte sich zu der Zeit auf beeindruckende Weise, als der persische Eroberer Kyrus der II oder Kyrus der Große den Juden die Rückkehr in ihre Heimat, den Wiederaufbau der Stadt und den Tempelbau erlaubte. Konkret lesen wir im Kyrus-Edikt aus dem Jahre 538 (siehe Esra 1:2):

"So spricht Kyrus, der König von Persien: Der HERR, der Gott des Himmels, hat mir alle Königreiche der Erde gegeben. Nun hat er mich dazu bestimmt, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu errichten. Denn er ist der Gott, der in Jerusalem wohnt. Aber auch die übrigen Einwohner aus all den Orten in denen er als Fremder lebt, sollen ihn unterstützen mit Silber und Gold, mit Vorräten, mit Vieh und darüber hinaus mit einer freiwilligen Gabe für das Haus Gottes in Jerusalem." (siehe auch Esra 6,3-5)

Allein das ist schon ein wunderbares Beispiel dafür, dass Gottes Prophetien eintreffen. 
Doch es kommt noch besser:


Zweite Erfüllung

"Noch bevor die Wehen einsetzten, hat sie geboren,
noch ehe die  Wehen begannen, bekam sie einen Sohn.“

Jesaja 66:7

Das ist wohl der Traum jeder Mutter: Eine Geburt ohne Wehen und Schmerzen. Auf wen trifft das zu? Nicht auf Maria. Wohl aber auf Jerusalem, die "Tochter Zion", also die Nation Israel, die den „Sohn“, Christus, hervorgebracht hat (vgl. Jesaja 9,6; Micha 5,1; Römer 9,5 usw.). Als der Messias zur Welt kam, lagerten Israels Hirten in Bethlehem friedlich auf dem Feld. 

„Du, Tochter Zion, freue dich sehr, 
und du, Tochter Jerusalem, jauchze! 
Siehe, dein König kommt zu dir...“
Sacharja 9,9


Dritte Erfüllung

Und es gibt noch eine Erfüllung von Jesaja 66:8 – aus meiner Sicht die klarste von allen. Zitat: „Es war an einem Freitagnachmittag, am 14. Mai 1948 um 16 Uhr. Die letzten Stunden des britischen Mandats waren angebrochen und im Museum von Tel Aviv hatte sich eine nicht allzu große, handverlesene Gruppe von 350 Personen zu einem schon sehnlichst erwarteten Akt zusammengefunden: der offiziellen Gründung des neuzeitlichen Staates Israel.“ 

Nochmals zur Erinnerung:

"Wer hat so etwas je gehört?
Wer hat so etwas schon gesehen?
Hat ein Land sich je an einem Tag gebildet?
Wurde je ein Volk an einem einzigen Tag geboren?
 
Jesaja 66:8


Unsere Jahreslosung

Ein Wort in die Not

In diese Situation hinein also, mitten hinein in die Bedrängnis und Trübsal Seines Volkes, welches in der babylonischen Gefangenschaft weinte, welches unter der römischen Besatzung große Not litt, welches in der Zeit der Shoah, also des Holocaust unendliches erduldet hatte - und auch in unsere Zeit, in welcher Gottes Volk unter der Bedrängnis der Verfolgung durch die Feinde Gottes - ISIS, Boko Haram und viele andere - leidet, mitten in diese Situation hinein spricht Gott sein Wort vom Trost:

Jubelt alle in der Stadt, die ihr liebt.
Singt alle voller Freude mit ihr,
die ihr um sie getrauert habt.

Dann werdet auch ihr Euch an ihrer tröstenden Brust satt trinken können
und euch an ihrer herrlichen Mutterbrust erfreuen.
Denn so spricht der HERR: "Schaut, ich werde den Frieden wie einen Strom
und den Reichtum der Völker wie einen Fluss nach Jerusalem fließen lassen.

Ihre Kinder werden saugen,
sie werden auf den Armen getragen und auf den Knien liebkost werden.
Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Ihr werdet es zu sehen bekommen
und Euer Herz wird sich freuen....“

Jesaja 66:10-14


Ein Wort der Verheißung

Das also ist es, was Gott seinem seit Anbeginn geknechteten Volk zu sagen hat - denen, die gedemütigt werden, denen mit einem gebrochenen Geist, denen die vor Gottes Wort zittern, denen, die seine Diener sind und Sein Wort hören, denen, die von Gottes Feinden gehasst und verstoßen und verspottet werden, weil sie Gott treu sind: 

Die Botschaft lautet:

  • Ihr seid nicht vergessen!
  • Ich werde Euch aus aller Eurer Not retten!
  • Ich werde mich an Euren Feinden als der Herrliche offenbaren!

Gott hat Sein Wort bereits in der Vergangenheit erfüllt:

  • durch Kyrus, indem er sein Volk aus der babylonischen Gefangenschaft befreite
  • in Christus, der uns besuchte und mit sich versöhnte durch Sein Opfer am Kreuz
  • in der Neugründung Israels; einem nie dagewesenen historischen Ereignis!
Und er wird es ein letztes Mal erfüllen - und diesmal endgültig:

  • durch Sein Weltgericht,
  • welches allen Seinen Feinden ein Ende macht
  • und Seinem Volk ewigen Frieden bringt.

Ein Wort, das sich erfüllt

Das Wachstum des Reiches Gottes zieht sich, ungeachtet aller Verfolgung, durch die Geschichte: was sich im Jahr 538 v. Chr. (siehe Erlösung aus der Babylonischen Gefangenschaft) vorbildhaft vollzogen hatte, wurde (im Kommen Christi) bleibende Realität. Uns diese Realität breitet sich vor unseren Augen (siehe Neugründung des Staates Israel) immer weiter aus. Und sie wird eines Tages volle Wirklichkeit werden, wenn Christus in Herrlichkeit zurück gekehrt ist, wenn alle Feinde Gottes besiegt sind und auch Gottes letzte Verheißung an uns wahr geworden ist:  

Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet. 
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Jesaja 66:13

Dieser Trost hat zu tun mit dem, was Gott tun wird. In Offenbarung 21 lesen wir darüber: 

"Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der alte Himmel und die alte Erde waren verschwunden. Und auch das Meer war nicht mehr da. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen wie eine schöne Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat. Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein. Er wird alle ihre Tränen abwischen, und es wird keinen Tod und keine Trauer und kein Weinen und keinen Schmerz mehr geben. Denn die erste Welt mit ihrem ganzen Unheil ist für immer vergangen.« Und der, der auf dem Thron saß, sagte: »Ja, ich mache alles neu!« Und dann sagte er zu mir: »Schreib es auf, denn was ich dir sage, ist zuverlässig und wahr!« Und er sagte auch: »Es ist vollendet! Ich bin das Alpha und das Omega - der Anfang und das Ende. Jedem, der durstig ist, werde ich aus der Quelle, die das Wasser des Lebens enthält, umsonst zu trinken geben! Wer siegreich ist, wird dies alles empfangen; ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein." (Offb 21:1-7)

Dieser Trost, der uns in Gottes neuer Welt, im himmlischen Jerusalem, erwartet, wird so innig und so tief und so beruhigend sein, wie die vollkommene Geborgenheit, die ein kleines Kind an der Brust seiner Mutter erfährt. David beschrieb diesen Zustand im 131. Psalm so:

Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden
wie ein kleines Kind bei seiner Mutter;
wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.

Psalm 131:2


Ein Wort des Trostes

Das Volk Gottes wurde zu allen Zeiten verachtet, verspottet und verfolgt:

  • unter den Babyloniern
  • unter den Römern
  • unter Hitler & Stalin
  • und auch zu unserer Zeit unter Boko Haram und ISIS
Und manchmal haben wir den Eindruck, als habe Gott sein Volk verlassen. 
Doch Gottes Volk war und ist niemals vergessen - Gott hält Seine Versprechen:

  • Er sandte Kyrus, zur Befreiung aus der Gefangenschaft
  • Er kam in Christus und erlöste uns von unseren Sünden
  • Er wirkte in der neuzeitlichen Geschichte und baut weiter Sein Reich
  • und Er wird am Ende der Tage auch Sein letztes Versprechen einlösen

Darum dürfen wir getrost sein in aller Not - und voller Hoffnung warten auf das, was noch kommt: Die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, der jetzt sitzt zur Rechten des Thrones Gottes und uns vertritt. Denn: mit Seinem Kommen kommt endgültiger Frieden und innigste Geborgenheit. Dann, im himmlischen Jerusalem, werden wir in der ganzen Fülle erfahren, was es heißt, was Gott uns hier verspricht:

Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.
In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.

Jesaja 66:13

Weil das so ist möchte ich diese Worte abschließen mit zwei Ermunterungen:

"...auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes." (Heb 12:1-2)
In diesem Sinne: "Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für  die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.“ (1Thess 5:22-23).

AMEN.


Frage und Worte an Dein Herz

  • Bist Du gerade in großer Not?
  • Schau auf Gottes treues Handeln in der Geschichte.
  • Schau auf Christus, den Anfänger und Vollender Deines Glaubens!
  • Hoffe auf Seine Verheißungen.
  • „Treu ist er, der Dich ruft; er wird Dich bewahren!“ (1 Thess 5:22-23)

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[Predigt als MP3]

Sonntag, 3. Januar 2016

Der rechte Gottesdienst (Ps 50:1-23)

Text

1 Ein Psalm Asafs. Gott, der HERR, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. 2 Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. 3 Unser Gott kommt und schweiget nicht. Fressendes Feuer geht vor ihm her und um ihn her ein mächtiges Wetter. 4 Er ruft Himmel und Erde zu, daß er sein Volk richten wolle: 5 »Versammelt mir meine Heiligen, die den Bund mit mir schlossen beim Opfer.« 6 Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkünden; denn Gott selbst ist Richter. SELA. 7 »Höre, mein Volk, laß mich reden; Israel, ich will wider dich zeugen: Ich, Gott, bin dein Gott. 8 Nicht deiner Opfer wegen klage ich dich an - sind doch deine Brandopfer täglich vor mir. 9 Ich will von deinem Hause Stiere nicht nehmen noch Böcke aus deinen Ställen. 10 Denn alles Wild im Walde ist mein und die Tiere auf den Bergen zu Tausenden. 11 Ich kenne alle Vögel auf den Bergen; und was sich regt auf dem Felde, ist mein. 12 Wenn mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdkreis ist mein und alles, was darauf ist. 13 Meinst du, daß ich Fleisch von Stieren essen wolle oder Blut von Böcken trinken? 14 Opfere Gott Dank und erfülle dem Höchsten deine Gelübde 15 und rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.« 16 Aber zum Gottlosen spricht Gott: »Was hast du von meinen Geboten zu reden und nimmst meinen Bund in deinen Mund, 17 da du doch Zucht hassest und wirfst meine Worte hinter dich? 18 Wenn du einen Dieb siehst, so läufst du mit ihm und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. 19 Deinen Mund lässest du Böses reden, und deine Zunge treibt Falschheit. 20 Du sitzest und redest wider deinen Bruder; deiner Mutter Sohn verleumdest du. 21 Das tust du, und ich schweige; da meinst du, ich sei so wie du. Aber ich will dich zurechtweisen und es dir vor Augen stellen. 22 Begreift es doch, die ihr Gott vergesset, damit ich nicht hinraffe, und kein Retter ist da! 23 Wer Dank opfert, der preiset mich, und da ist der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes.«


Kommentar

Zusammenfassung

Mit dem Szenario eines gewaltigen Gerichtssaales, in welchem Gott der Allmächtige Selbst auf dem Richterstuhl sitzt und die ganze Welt in den Zeugenstand beruft, malt uns dieser Psalm ein Bild davon, wie der Ewige und Herrliche mit Seinem Volk, das Ihm am Sinai die Treue schwor, ins Gericht geht. Der Kern Seiner Anklage richtet sich gegen die herzlose und oberflächliche Heuchelei eines zum gesetzlichen Ritus verkommenen Gottesdienstes auf der einen und gegen die ignorante und gottesferne Frevelei auf der anderen Seite. Und doch ist Er, der gnädige und barmherzige Gott, noch immer bereit zur Versöhnung und ruft Sein Volk zur Umkehr; zurück in die dankbare Erkenntnis Seiner Selbst, Seines Wesens und Seines Heils.


Struktur

1-6 Der Ewige Herrliche ruft sein Bundesvolk zum Gericht und alle Welt in den Zeugenstand.

7-15 Er klagt den nur noch formalen und herzlosen Gottesdienst seines Volkes an.

16-22 Und er warnt die gottvergessenden Sünder vor Seinem schrecklichen Gericht.

23 Und doch bietet Er allen, die in herzlichem Dank zu Ihm umkehren, Sein Heil an.


Inhalt

1-6 Dieser Psalm Asafs spricht zu uns von der Ankündigung des Gerichtes Gottes über Sein Volk. Er, der von Ewigkeit her besteht (Ps 90:2, Dan 6:27, Joh 8:58, Heb 1:8, Offb 1:18), Er, dem kein Ding unmöglich ist (1Mo 35:11, Hi 42:2, Lk 1:37, Offb 1:8), Er, der Gott des Volkes Israel (2Mo 32:8, Ps 50:7), bricht im Glanz Seiner Herrlichkeit (Hes 10:4) aus Jerusalem, der Schönen, hervor und ruft die ganze Welt vom fernsten Osten bis zum weitesten Westen, in den Zeugenstand. Er kommt, um die Wahrheit zu sagen, nicht, um zu schweigen. Seine gewaltige Präsenz und Sein Wille zur Gerechtigkeit fressen vor Ihm her, wie eine gewaltige Feuersbrunst und ein schweres Unwetter (vgl. Hi 38:1, 40:6). Er kommt, um mit Seinem Volk ins Gericht zu gehen. Er erteilt den Befehl, alle vor Ihm zusammenzubringen, die zu Seinem Volk gehören, weil sie mit Ihm am Sinai einen Bund schlossen, als sie angesichts des Blutes der Opfertiere versprachen, Seine Gebote zu halten (2Mo 24,3-8). Er, der Ewige ist so sehr gerecht, dass sogar die Himmel davon Zeugnis geben werden. Niemand anderes wird der Richter Seines Volkes Gottes sein, als Er selbst, der vollkommen Gerechte. 

So ist nun der Gerichtssaal gefüllt: Gott selbst, der Ewige, Allmächtige und Gerechte - Er, der sich Israel in Liebe und Treue verbunden hatte, Er Selbst ist Richter. Die Nationen der Welt sind Zeugen. Das Volk Israel jedoch, welches einst mit Gott am Berg Sinai den Bund schloss, sitzt auf der Anklagebank. 


7-15 Der Prozess beginnt. Die Anlage erhebt Gott. Er ruft zur Achtsamkeit auf das, was Er zu sagen hat. Angeklagt ist Sein Volk. Eben dies Volk, das Er aus Liebe aus der Knechtschaft befreit hat. Das Volk, dem Er sich persönlich als Gott erzeigt hat; das Volk, mit dem Er einen Bund geschlossen hat. Doch nicht wegen des Opferdienstes klagt Gott Sein Volk an, verläuft dieser doch noch immer täglich nach dem von Ihm vorgeschriebenen Muster. 

Die Anklage reicht tiefer; sie reicht ins Herz: Denn das Wesentliche fehlt. So wie der Ehering nicht die Liebe ersetzt, so ersetzen auch die äußerlichen Opfer nicht den Dank, die Treue, das Gebet und den herzlichen Lobpreis aus der tiefsten Quelle der Seele. Delhalb macht Gott sein Volk also darauf aufmerksam, dass es ihm nicht um ein Opfern um des Opfers willen geht. Er will, wie jeder wahre Liebende, keine Geschenke um des Geschenkes willen. Er Selbst will gemeint sein. 

Wozu auch sollte er die Opfergaben des Volkes als solche wollen? Ihm, dem allmächtigen Schöpfer des Universums, gehört der ganze Erdkreis samt allen Tieren, die darauf leben; vom Hirsch im Walde bis zur Gemse auf den Felsklippen, von den Vögeln im Gebirge bis zu den Hasen auf dem Felde: alles ist Sein Eigentum. Was wir Menschen Ihm opfern, das opfern wir immer als das, was uns geschenkweise oder als Leihgabe anvertraut wurde. Wie ein Kind, das seinem Vater ein Geschenk kauft; von eben dem Taschengeld, das es zuvor von seinem Vater erhalten hat. Auch ist es nicht so, dass Er, der Sich Selbst Allgenügsame, Hunger litte oder es nötig hätte, dass ihm jemand zu essen oder zu trinken gäbe. Gott braucht das Fleisch und das Blut der Opfertiere weder in dem einen noch im anderen Sinne. 

Worum es ihm geht ist die herzliche Liebesbeziehung zu Ihm; dass das äußerliche Opfer sich mit der Liebe verbindet und Ausdruck einer Herzenzhaltung der Dankbarkeit wird, der Treue und des Gebets. Auf diese Haltung des Herzens hat Gott Seine Verheißung gelegt: "Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten!" Und angesichts dieser Errettung sollen wir Ihn von Herzen lobpreisen.


16-22 Nachdem Gott sich gegenüber den Gesetzlichen in Seinem Volk geäußert hat, wendet Er Sich nun mit ganzem Ernst an die Gottlosen. Angeklagt ist noch immer Sein Volk. Eben das Volk, das Er aus Liebe aus der Sklaverei Ägyptens befreit hatte. 

Doch etliche aus diesem Volk sind abgefallen von Gott und hatten Ihn nie in ihren Herzen. Sie sind stur, bockig und halsstarrig. Sie wollen sich nicht erziehen lassen. Und wie später der Sohn Gottes die Pharisäer aufs Schärfste rügt, so schilt auch der Vater die Heuchler in Seinem Volk: Was erdreisten sie sich, von Seinen Geboten zu reden? Gebote, die sie doch selbst nicht halten wollen? Was fällt ihnen ein, Gottes Liebesbund in ihren Mund zu nehmen, wo sie doch schon Seine Worte so sehr verachten, dass sie sie völlig gleichgültig - über die Schulter - hinter sich werfen?

Statt Gott zu lieben, Seine Gebote zu halten und Ihm zu dienen, ist ihr Leben voller Sünde und Gesetzesbrecherei: mit Leichtigkeit begeistert sich ihr Herz für Diebstahl. Völlig kritiklos und nicht im Geringsten angerührt vom herzzerreißenden, Leben und Familien zerstörendem Ehebruch, verbinden sie ihr Leben mit denen, die ihn begehen. Und wenn sie den Mund aufmachen, kommen Lügen, Bosheiten und üble Nachreden heraus, die nicht einmal vor der eigenen Familie haltmachen. Zu allem Überfluss aber haben sie auch noch eine verzerrte, ja völlig verkehrte Vorstellung von Gott: dass Seine abgrundtiefe Liebe, Sein weltumhüllendes Erbarmen und Seine äonische Geduld Ihn davon abhalten, schon jetzt zu verdammen, dass Seine Gnade ihn bewegt, zu schweigen, um ihnen als verstockten Sündern die Zeit zu geben zur Umkehr zu finden, zur Rettung vor Seinem ewigen Gericht - das deuten sie vollkommen irrig als Akt der Verbrüderung.

Doch Gott will ihnen, trotz all ihrer Bosheit - allein zu ihrem Heil - die Augen öffnen und sie korrigieren: »So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen. Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel?« (Hes 33,11). Nicht im Zorn spricht er zu ihnen, sondern in händeringender Sorge verlangt Ihn inständig danach, dass sie aus ihrer Gottvergessenheit erwachen und erfassen, in welcher tödlichen Gefahr sie sich befinden. Denn "Schrecklich ist's, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen." (Hebr 10,31) Schrecklich, denn: Er ist's "...dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und für währt, gegen den alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen sind. Er macht's, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm sagen: Was machst du?" (Dan 4:31b-32, vgl. Hi 9:12, 11:10, 23:13) Wo also Gottes Gericht verdirbt, da ist wahrhaftig nichts mehr zu retten und kein Retter mehr da.


23 Der Psalm schließt mit einer tiefen Weisheit: wer das Heil Gottes sehen will, der kehre um, ordne seine Wege und opfere Gott den Dank der Ihm gebührt. Denn Gottes Zorn richtet sich gegen eben dies: gegen die Gottvergessenheit und den Undank der Welt (Röm 1:18-21). Im Dankgebet jedoch findet der Mensch zurück an seinen gottgewollten Platz: in die Erkenntnis der Existenz Gottes, Seines heiligen, reinen, gerechten und unfassbar guten Wesens, Seiner Liebe, Gnade und Seines Erbarmens, Seines noch immer fortbestehenden Willens, selbst Heuchlern und Gottlosen gegenüber gnädig zu sein und letztlich in die schöpfungsgemäße Vereinigung von Schöpfer und Geschöpf in dankbarer, gottseliger und gegenseitiger Liebe.


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Was prägt Deinen Gottesdienst? Oberflächliche Pflichterfüllung? Oder herzliche Liebe?
  • Was prägt Dein Leben? Gottvergessende Sünde? Oder dankbare Gotteserkenntnis?
  • Willst Du heute, jetzt, Gottes liebende Hand fassen, die Er dir aus Gnade entgegen streckt?