Sonntag, 22. November 2015

Von Ehe, Ehescheidung, Ehelosigkeit (Mt 19:1-12)


Text

1 Und es begab sich, als Jesus diese Reden vollendet hatte, daß er sich aufmachte aus Galiläa und kam in das Gebiet von Judäa jenseits des Jordans; 2 und eine große Menge folgte ihm nach, und er heilte sie dort. 3 Da traten Pharisäer zu ihm und versuchten ihn und sprachen: Ist's erlaubt, daß sich ein Mann aus irgendeinem Grund von seiner Frau scheidet? 4 Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau 5 und sprach (1. Mose 2,24): »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein«? 6 So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden! 7 Da fragten sie: Warum hat dann Mose geboten, ihr einen Scheidebrief zu geben und sich von ihr zu scheiden? 8 Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist's nicht so gewesen. 9 Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe. 10 Da sprachen seine Jünger zu ihm: Steht die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist's nicht gut zu heiraten. 11 Er sprach aber zu ihnen: Dies Wort fassen nicht alle, sondern nur die, denen es gegeben ist. 12 Denn einige sind von Geburt an zur Ehe unfähig; andere sind von Menschen zur Ehe unfähig gemacht; und wieder andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des Himmelreichs willen. Wer es fassen kann, der fasse es!


Kommentar

Zusammenfassung

Mitten in einen sicher kräftezehrenden Heilungsdienst hinein platzen die Pharisäer, verstockt und blind, mit der sophistischen Frage danach, ob ein beliebiger Grund ausreiche, sich scheiden zu lassen. Jesus erläutert Gottes Schöpfungsordnung, die Mann und Frau als untrennbare Einheit schuf. Den trotzigen Verweis der Pharisäer auf die Scheidungsworte des Mose pariert Jesus mit dem erneuten Verweis auf die Schöpfungsordnung und der klaren Lehre, das wer die Treue bricht, die Ehe bricht. Seinen Jüngern, erschreckt von den möglichen 'Kosten' einer Ehe, erläutert er, dass die Wahl der Ehelosigkeit nicht in der Macht des Menschen allein steht.


Struktur

1-2 Unterwegs ins Judäa östlich des Jordans heilt Jesus die ihm folgende Menge. 

3 Inmitten des Heilungsdienstes versuchen die Pharisäer ihn mit einem lieblosen Sophismus bezüglich der Untergrenze eines hinreichenden Scheidungsgrundes

4-6 Jesus verweist - weit vor die Zeit des Gesetzes - auf das Wesen der Schöpfung: Mann und Frau sind eine gottgeschaffene Einheit die der Mensch nicht trennen darf.

7 Unbeeindruckt von Gottes Lehre fragen die Pharisäer, verstockt und blind, nach dem Grund für das Gesetz des Mose, dass sie als ein Gebot auffassen (wollen).

8-9 Jesus zeigt ihnen klar, dass Moses Worte ein Zugeständnis an eine gefallene Welt sind; nicht jedoch Gottes Schöpfungswille. Daher bricht jeder, der aus einem anderen Grund als Untreue seine Frau verlässt und eine andere heiratet, die Ehe.

10 Dies schreckt die Jünger bis zur irrigen Annahme, es sei besser allein zu bleiben.

11-12 Ehe und Ehelosigkeit jedoch unterliegen nicht dem Willen des Menschen allein, sondern benötigen eine entsprechende Gnadengabe Gottes


Inhalt

1-2 Nach den Ermahnungen über den Hochmut und die Verführung zum Abfall, den Ermutigungen, den Verlorenen nachzugehen und die Sünder zurechtzuweisen und dem abschließenden Gebot der grenzenlosen Vergebung gegenüber den Reuigen, verlassen Jesus und Seine Jünger das galiläische Kapernaum am See Genezareth und reisen in die Gegend östlich des Jordans. Dieses "Judäa jenseits des Jordans" war ein Gebiet in dem, seit der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil, vor allem konservative Juden lebten. 

Doch nicht allein wandern Jesus und seine Schüler durch das Land. Vielmehr folgt ihnen, von eigenen Nöten und der Hoffnung auf Linderung durch die Liebe Gottes getrieben, eine große Menschenmenge. Und Jesus nimmt sich ihrer an und heilte sie dort.


3 Mitten in diesen erschöpfenden Liebesdienst hinein platzen die Pharisäer mit ihrer arglistigen Sophisterei. Zwar wurden die konservative Position des Rabbi Shammai (der eine Scheidung nur bei Ehebruch zuließ) und die extrem liberale Position des Rabbi Hillel (demzufolge bereits ein verbranntes Stück Brot einen hinreichenden Grund zur Scheidung darstellte), tatsächlich in pharisäischen Kreisen disputiert. 

Doch es ist nicht die aufrichtige Suche nach Wahrheit, die sie treibt, sondern die gleiche arrogante Gesinnung, gegen die sich Jesus schon in der Wüste - gegen den Satan selbst - mit dem Wort aus 5.Mose 6,16 verwehrte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« (Mt 4,7)
Bereits mit ihrer Wortwahl machen die Pharisäer dabei klar, wo sie stehen und wohin ihre Frage zielt: reicht nicht tatsächlich bereits ein beliebiger Grund zur Scheidung? Und wie könnte Jesus hier widersprechen wollen, scheint doch die Schriftlage klar? Was soll Christus also übrig bleiben, als ihre Theologie vor der Menge zu rechtfertigen oder sich selbst öffentlich ins Unrecht zu setzen?


4-6 Christus aber, unser souveräner Heiland, bleibt von solcher List gänzlich unbeeindruckt. Er lässt sich nicht auf das sophistische Glatteis ihrer falschen Alternativen zerren, um dort zu Fall zu kommen. Vielmehr findet Er im Wort Gottes, welches allein in der Liebe die rechte Auslegung erfährt, die erhellende Wahrheit. 

Nicht erst bei Mose fängt er dabei an, welcher dem Volk Gottes, um des bereits geschehenen Sündenfalls willen, das Gesetz brachte. Vielmehr verweist er die Pharisäer in ihrem Studium der Schrift zurück bis an den Anfang der Schöpfung. Nur hier, im Paradies, wird wirklich klar und deutlich, was der ursprüngliche Wille Gottes war und - Gott ist unwandelbar! - immer noch ist.

Als der Allmächtige den Menschen schuf, da schuf er ihn nicht als Mann allein. Er schuf ihn als Paar, als Mann und Frau. Diese Zusammengehörigkeit, das Wesen der Schöpfung Gottes also, ist der antreibende Grund, warum ein Mann sein Elternhaus verlässt, um sich mit seiner Frau in Liebe fest zu verschweißen. So fest, dass es für die Liebenden - und hier spielen die Einheit auf allen Ebenen, körperlich, seelisch, geistig und geistlich eine Rolle - nicht mehr auszudenken ist, in Kategorien wie "Du" und "ich" allein zu denken, sondern was mit der Ehe entstanden ist, ist eine unverbrüchliche Einheit. Wo Gott in seinem Schöpfungswillen die liebenden Eheleute aber so fest ineinander verschweißt hat, da hat kein Mensch das Recht, willkürlich eine Trennung herbeizuführen, die das nun Einsgewordene gewaltsam zerbrechen würde.


7 Doch die Pharisäer in ihrer Verbohrtheit sind nicht bereit, durch Christus von Gott selbst zu lernen sondern fragen trotzig zurück. An ihnen wird die traurige Wahrheit sichtbar, dass ihre Herzen und Sinne verstockt sind, ja eine Decke auf ihren Augen liegt, die sie blind macht für die Erkenntnis (2Kor 3,14, Eph 4,18), und ihren Verstand verfinstert; weil sie die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten (Röm 1,18). Sie sind wie die, denen Paulus in Apg 28,26-27 das Gerichtswort aus Jesaja vorhält: »Geh hin zu diesem Volk und sprich: Mit den Ohren werdet ihr's hören und nicht verstehen; und mit den Augen werdet ihr's sehen und nicht erkennen. (Jes 6,9-10) Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt und ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.« Statt durch die Worte ihres Herrn an der Betrachtung des Werkes ihres Schöpfers etwas zu lernen fragen sie frech zurück: "Warum hat dann ein Mensch geboten, sich zu scheiden und ihr eine Scheidungsurkunde zu geben?"


8-9 Auf diese unverschämte Gegenfrage hin macht Jesus ihnen unmissverständlich klar, dass, was Mose schrieb, kein Gebot war, dessen Einhaltung etwa noch zur Gerechtigkeit führte, sondern vielmehr eine Art Zugeständnis; nur gegeben um der mangelnden Liebe und Vergebungsbereitschaft des Volkes willen, ja gerade wegen dieser Hartherzigkeit, die in der Fragestellung der Pharisäer so unverhüllt ans Licht kommt.
Und noch einmal weist Christus darauf hin: der Schöpfungswille Gottes hatte anderes im Sinn: eine lebenslange unverbrüchliche Gemeinschaft in Liebe. Solche schöpfungsgemäße Gemeinschaft ist ein großes Geheimnis, die über sich selbst hinaus auf Gott hinweist und auf Seine Liebe und unverbrüchliche Treue gegenüber seiner Gemeinde (1Kor 1,8-9, Eph 5,21-32, inbes. Eph 5,32). Der äußerlich geschlossene Bund der Ehe ist damit nur ein äußerliches und sichtbares Zeichen für dies innere und unsichtbare Geheimnis des Bundes der Liebe und Treue, das ein Bild ist für die unwandelbare Liebe Gottes zu Seiner Kirche. 

Wer also aus Hartherzigkeit oder irgend einem anderen Grund den äußerlichen Bund auflöst, ohne dass der innere zerbrochen wäre, der zerbricht jenen mit Gewalt: weil er die Fülle ehelicher Gemeinschaft einem Anderen schenkt und damit das Herz des Zurückbleibenden bricht, zerbricht er den innerlichen Bund; das, was Gott zusammengefügt hat. Als einzige Ausnahme von diesem schöpfungsgemäßen Sachverhalt nennt Christus dies: nur, wo der innerliche Bund bereits durch Untreue zerbrochen wurde, ist die Auflösung des äußeren Zeichens nicht als Ehebruch zu werten.


10 Wohl wissend, was in der Lebenszeit einer Ehe zwischen zwei Sündern - außer einem Ehebruch - noch alles vorfallen kann, sind die Jünger über die Aussicht, in anderen Fällen als dem Ehebruch, an den Ehepartner gekettet und zur Vergebung und Versöhnung verpflichtet zu sein, wenig begeistert. Ihnen scheint es, dass der Wert einer Ehe unter diesen Bedingungen unter den Wert des dafür zu bringenden Opfers sinkt und kommen zu dem Schluss, es sei dann wohl klüger, gar nicht erst zu heiraten, als sich auf das Risiko einer Ehe einzulassen.


11-12 Jesus jedoch weiß, dass nicht jedem die Gottesgabe der Ehelosigkeit mit auf den Lebensweg gegeben ist und dass sich die Jünger an dieser Stelle, im Glauben, sie könnten aus eigener Kraft ohne Ehe bleiben, sehr irren. Denn nicht ohne Grund schreibt Paulus einige Jahrzehnte später den Korinthern diese Warnung: "Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren." (1Kor 7,9)

Und so erklärt Jesus seinen Jüngern, dass es nicht in der Macht eines Menschen steht, zu entscheiden, ob er heiraten wolle oder nicht. Vielmehr ist die Antwort auf diese Frage davon abhängig, ob ein Mensch zur Ehe fähig ist oder nicht. Die zur Ehe Unfähigen teilt Jesus in drei Gruppen: Die von Natur aus Zeugungsunfähigen. Die gewaltsam Entmannten. Und die, die um Gott zu dienen, fest entschlossen sind, ihre Natur zu züglen. Dieser Entschluss jedoch ist nicht jedem möglich, denn dazu braucht es eine Gottesgabe.

Dass die Frage der Ehelosigkeit nicht allein durch die Macht der Entscheidung des Menschen getroffen werden kann ist, wie Jesus weiß, nicht für jeden Menschen nachvollziehbar. Dies fassen im Tiefsten nur die, die aus Gottes Gnaden die Gabe dazu erhalten haben. Diese jedoch fordert Jesus umso nachdrücklicher auf, eben dies zu begreifen: dass die Frage der Ehe oder der Ehelosigkeit nichts ist, was der Mensch ganz ohne Gottes Gnade für sich allein entscheiden könnte.


Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
  • Bist Du - aus welchem Grund auch immer - versucht, die Ehe zu brechen?
  • Willst Du nicht lieber mit Gottes Hilfe vergeben lernen, was zu vergeben ist?
  • Wo Du Dich ganz Gottes Reich hingeben willst: bist Du von Gott dazu begabt?