Text
1 Und es begab sich, als Jesus diese Reden vollendet hatte, daß er sich
aufmachte aus Galiläa und kam in das Gebiet von Judäa jenseits des
Jordans; 2 und eine große Menge folgte ihm nach, und er heilte sie dort.
3 Da traten Pharisäer zu ihm und versuchten ihn und sprachen: Ist's
erlaubt, daß sich ein Mann aus irgendeinem Grund von seiner Frau
scheidet? 4 Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen: Der
im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau 5 und
sprach (1. Mose 2,24): »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen
und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein«? 6 So
sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott
zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden! 7 Da fragten
sie: Warum hat dann Mose geboten, ihr einen Scheidebrief zu geben und
sich von ihr zu scheiden? 8 Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt,
euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang
an aber ist's nicht so gewesen. 9 Ich aber sage euch: Wer sich von
seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, und heiratet eine
andere, der bricht die Ehe. 10 Da sprachen seine Jünger zu ihm: Steht
die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist's nicht gut zu
heiraten. 11 Er sprach aber zu ihnen: Dies Wort fassen nicht alle,
sondern nur die, denen es gegeben ist. 12 Denn einige sind von Geburt an
zur Ehe unfähig; andere sind von Menschen zur Ehe unfähig gemacht; und
wieder andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des
Himmelreichs willen. Wer es fassen kann, der fasse es!
Kommentar
Zusammenfassung
Mitten in einen sicher kräftezehrenden Heilungsdienst hinein platzen
die Pharisäer, verstockt und blind, mit der sophistischen Frage danach,
ob ein beliebiger Grund ausreiche, sich scheiden zu lassen. Jesus
erläutert Gottes Schöpfungsordnung, die Mann und Frau als untrennbare
Einheit schuf. Den trotzigen Verweis der Pharisäer auf die
Scheidungsworte des Mose pariert Jesus mit dem erneuten Verweis auf die
Schöpfungsordnung und der klaren Lehre, das wer die Treue bricht, die
Ehe bricht. Seinen Jüngern, erschreckt von den möglichen 'Kosten' einer
Ehe, erläutert er, dass die Wahl der Ehelosigkeit nicht in der Macht des
Menschen allein steht.
Struktur
1-2 Unterwegs ins Judäa östlich des Jordans heilt Jesus die ihm folgende Menge.
3 Inmitten des Heilungsdienstes versuchen die Pharisäer ihn mit einem
lieblosen Sophismus bezüglich der Untergrenze eines hinreichenden
Scheidungsgrundes
4-6 Jesus verweist - weit vor die Zeit des
Gesetzes - auf das Wesen der Schöpfung: Mann und Frau sind eine
gottgeschaffene Einheit die der Mensch nicht trennen darf.
7
Unbeeindruckt von Gottes Lehre fragen die Pharisäer, verstockt und
blind, nach dem Grund für das Gesetz des Mose, dass sie als ein Gebot
auffassen (wollen).
8-9 Jesus zeigt ihnen klar, dass Moses Worte
ein Zugeständnis an eine gefallene Welt sind; nicht jedoch Gottes
Schöpfungswille. Daher bricht jeder, der aus einem anderen Grund als
Untreue seine Frau verlässt und eine andere heiratet, die Ehe.
10 Dies schreckt die Jünger bis zur irrigen Annahme, es sei besser allein zu bleiben.
11-12 Ehe und Ehelosigkeit jedoch unterliegen nicht dem Willen des
Menschen allein, sondern benötigen eine entsprechende Gnadengabe Gottes
Inhalt
1-2 Nach den Ermahnungen über den Hochmut und die Verführung zum
Abfall, den Ermutigungen, den Verlorenen nachzugehen und die Sünder
zurechtzuweisen und dem abschließenden Gebot der grenzenlosen Vergebung
gegenüber den Reuigen, verlassen Jesus und Seine Jünger das galiläische
Kapernaum am See Genezareth und reisen in die Gegend östlich des
Jordans. Dieses "Judäa jenseits des Jordans" war ein Gebiet in dem, seit
der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil, vor allem konservative Juden
lebten.
Doch nicht allein wandern Jesus und seine Schüler durch
das Land. Vielmehr folgt ihnen, von eigenen Nöten und der Hoffnung auf
Linderung durch die Liebe Gottes getrieben, eine große Menschenmenge.
Und Jesus nimmt sich ihrer an und heilte sie dort.
3 Mitten in
diesen erschöpfenden Liebesdienst hinein platzen die Pharisäer mit ihrer
arglistigen Sophisterei. Zwar wurden die konservative Position des
Rabbi Shammai (der eine Scheidung nur bei Ehebruch zuließ) und die
extrem liberale Position des Rabbi Hillel (demzufolge bereits ein
verbranntes Stück Brot einen hinreichenden Grund zur Scheidung
darstellte), tatsächlich in pharisäischen Kreisen disputiert.
Doch es ist nicht die aufrichtige Suche nach Wahrheit, die sie treibt,
sondern die gleiche arrogante Gesinnung, gegen die sich Jesus schon in
der Wüste - gegen den Satan selbst - mit dem Wort aus 5.Mose 6,16
verwehrte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« (Mt 4,7)
Bereits mit ihrer Wortwahl machen die Pharisäer dabei klar, wo sie
stehen und wohin ihre Frage zielt: reicht nicht tatsächlich bereits ein
beliebiger Grund zur Scheidung? Und wie könnte Jesus hier widersprechen
wollen, scheint doch die Schriftlage klar? Was soll Christus also übrig
bleiben, als ihre Theologie vor der Menge zu rechtfertigen oder sich
selbst öffentlich ins Unrecht zu setzen?
4-6 Christus aber, unser
souveräner Heiland, bleibt von solcher List gänzlich unbeeindruckt. Er
lässt sich nicht auf das sophistische Glatteis ihrer falschen
Alternativen zerren, um dort zu Fall zu kommen. Vielmehr findet Er im
Wort Gottes, welches allein in der Liebe die rechte Auslegung erfährt,
die erhellende Wahrheit.
Nicht erst bei Mose fängt er dabei an,
welcher dem Volk Gottes, um des bereits geschehenen Sündenfalls willen,
das Gesetz brachte. Vielmehr verweist er die Pharisäer in ihrem Studium
der Schrift zurück bis an den Anfang der Schöpfung. Nur hier, im
Paradies, wird wirklich klar und deutlich, was der ursprüngliche Wille
Gottes war und - Gott ist unwandelbar! - immer noch ist.
Als der
Allmächtige den Menschen schuf, da schuf er ihn nicht als Mann allein.
Er schuf ihn als Paar, als Mann und Frau. Diese Zusammengehörigkeit, das
Wesen der Schöpfung Gottes also, ist der antreibende Grund, warum ein
Mann sein Elternhaus verlässt, um sich mit seiner Frau in Liebe fest zu
verschweißen. So fest, dass es für die Liebenden - und hier spielen die
Einheit auf allen Ebenen, körperlich, seelisch, geistig und geistlich
eine Rolle - nicht mehr auszudenken ist, in Kategorien wie "Du" und
"ich" allein zu denken, sondern was mit der Ehe entstanden ist, ist eine
unverbrüchliche Einheit. Wo Gott in seinem Schöpfungswillen die
liebenden Eheleute aber so fest ineinander verschweißt hat, da hat kein
Mensch das Recht, willkürlich eine Trennung herbeizuführen, die das nun
Einsgewordene gewaltsam zerbrechen würde.
7 Doch die Pharisäer in
ihrer Verbohrtheit sind nicht bereit, durch Christus von Gott selbst zu
lernen sondern fragen trotzig zurück. An ihnen wird die traurige
Wahrheit sichtbar, dass ihre Herzen und Sinne verstockt sind, ja eine
Decke auf ihren Augen liegt, die sie blind macht für die Erkenntnis
(2Kor 3,14, Eph 4,18), und ihren Verstand verfinstert; weil sie die
Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten (Röm 1,18). Sie sind wie
die, denen Paulus in Apg 28,26-27 das Gerichtswort aus Jesaja vorhält:
»Geh hin zu diesem Volk und sprich: Mit den Ohren werdet ihr's hören und
nicht verstehen; und mit den Augen werdet ihr's sehen und nicht
erkennen. (Jes 6,9-10) Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt und
ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht
etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen
verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.« Statt durch die Worte
ihres Herrn an der Betrachtung des Werkes ihres Schöpfers etwas zu
lernen fragen sie frech zurück: "Warum hat dann ein Mensch geboten, sich
zu scheiden und ihr eine Scheidungsurkunde zu geben?"
8-9 Auf
diese unverschämte Gegenfrage hin macht Jesus ihnen unmissverständlich
klar, dass, was Mose schrieb, kein Gebot war, dessen Einhaltung etwa
noch zur Gerechtigkeit führte, sondern vielmehr eine Art Zugeständnis;
nur gegeben um der mangelnden Liebe und Vergebungsbereitschaft des
Volkes willen, ja gerade wegen dieser Hartherzigkeit, die in der
Fragestellung der Pharisäer so unverhüllt ans Licht kommt.
Und
noch einmal weist Christus darauf hin: der Schöpfungswille Gottes hatte
anderes im Sinn: eine lebenslange unverbrüchliche Gemeinschaft in Liebe.
Solche schöpfungsgemäße Gemeinschaft ist ein großes Geheimnis, die über
sich selbst hinaus auf Gott hinweist und auf Seine Liebe und
unverbrüchliche Treue gegenüber seiner Gemeinde (1Kor 1,8-9, Eph
5,21-32, inbes. Eph 5,32). Der äußerlich geschlossene Bund der Ehe ist
damit nur ein äußerliches und sichtbares Zeichen für dies innere und
unsichtbare Geheimnis des Bundes der Liebe und Treue, das ein Bild ist
für die unwandelbare Liebe Gottes zu Seiner Kirche.
Wer also aus
Hartherzigkeit oder irgend einem anderen Grund den äußerlichen Bund
auflöst, ohne dass der innere zerbrochen wäre, der zerbricht jenen mit
Gewalt: weil er die Fülle ehelicher Gemeinschaft einem Anderen schenkt
und damit das Herz des Zurückbleibenden bricht, zerbricht er den
innerlichen Bund; das, was Gott zusammengefügt hat. Als einzige Ausnahme
von diesem schöpfungsgemäßen Sachverhalt nennt Christus dies: nur, wo
der innerliche Bund bereits durch Untreue zerbrochen wurde, ist die
Auflösung des äußeren Zeichens nicht als Ehebruch zu werten.
10
Wohl wissend, was in der Lebenszeit einer Ehe zwischen zwei Sündern -
außer einem Ehebruch - noch alles vorfallen kann, sind die Jünger über
die Aussicht, in anderen Fällen als dem Ehebruch, an den Ehepartner
gekettet und zur Vergebung und Versöhnung verpflichtet zu sein, wenig
begeistert. Ihnen scheint es, dass der Wert einer Ehe unter diesen
Bedingungen unter den Wert des dafür zu bringenden Opfers sinkt und
kommen zu dem Schluss, es sei dann wohl klüger, gar nicht erst zu
heiraten, als sich auf das Risiko einer Ehe einzulassen.
11-12
Jesus jedoch weiß, dass nicht jedem die Gottesgabe der Ehelosigkeit mit
auf den Lebensweg gegeben ist und dass sich die Jünger an dieser Stelle,
im Glauben, sie könnten aus eigener Kraft ohne Ehe bleiben, sehr irren.
Denn nicht ohne Grund schreibt Paulus einige Jahrzehnte später den
Korinthern diese Warnung: "Wenn sie sich aber nicht enthalten können,
sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in
Begierde zu verzehren." (1Kor 7,9)
Und so erklärt Jesus seinen
Jüngern, dass es nicht in der Macht eines Menschen steht, zu
entscheiden, ob er heiraten wolle oder nicht. Vielmehr ist die Antwort
auf diese Frage davon abhängig, ob ein Mensch zur Ehe fähig ist oder
nicht. Die zur Ehe Unfähigen teilt Jesus in drei Gruppen: Die von Natur
aus Zeugungsunfähigen. Die gewaltsam Entmannten. Und die, die um Gott zu
dienen, fest entschlossen sind, ihre Natur zu züglen. Dieser Entschluss
jedoch ist nicht jedem möglich, denn dazu braucht es eine Gottesgabe.
Dass die Frage der Ehelosigkeit nicht allein durch die Macht der
Entscheidung des Menschen getroffen werden kann ist, wie Jesus weiß,
nicht für jeden Menschen nachvollziehbar. Dies fassen im Tiefsten nur
die, die aus Gottes Gnaden die Gabe dazu erhalten haben. Diese jedoch
fordert Jesus umso nachdrücklicher auf, eben dies zu begreifen: dass die
Frage der Ehe oder der Ehelosigkeit nichts ist, was der Mensch ganz
ohne Gottes Gnade für sich allein entscheiden könnte.
Fragen und Anregungen zur praktischen Anwendung
- Bist Du - aus welchem Grund auch immer - versucht, die Ehe zu brechen?
- Willst Du nicht lieber mit Gottes Hilfe vergeben lernen, was zu vergeben ist?
- Wo Du Dich ganz Gottes Reich hingeben willst: bist Du von Gott dazu begabt?