Sonntag, 27. September 2015

Warum und wie Hochmut blind macht

Warum dieser Artikel?

Gerade heute wieder musste ich eine Erfahrung machen, die mich sehr schmerzte. Eine Erfahrung, die mich an bereits Bekanntes erinnerte und mich aufs Neue lehrte, was es mit den gesunden und auch ungesunden Formen der Kommunikation auf sich hat. Darüber, was die Grundvoraussetzungen für Kritikfähigkeit und damit für Buße und echte Umkehr sind. 

Diese Erfahrung möchte ich teilen. Denn es scheint mir grundlegend wichtig, die Mechanismen zu durchschauen, mit denen der Feind Gottes uns davon abhalten will, uns selbst im Lichte Gottes zu erkennen und das zu tun, was für den Erhalt Seiner allein lebensspendenden Gnade Grundvoraussetzung ist: Die Erkenntnis unserer Sünden. 

Ich möchte beleuchten, welches systematische Kommunikationsverhalten dazu geeignet ist, das Licht der Wahrheit - über die Wirklichkeit um uns herum aber auch über die Wirklichkeit unsere Fehler in uns selbst - von uns fern zu halten. Und zwar auf eine Weise, die es, zumindest für den Betroffenen, sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, macht, sie zu durchschauen. Weil sich alles so richtig anfühlt.

Doch der Reihe nach. Was war geschehen? Und welche Erkenntnisse ergeben sich aus dieser Begebenheit? Und inwiefern sind diese für uns alle von Belang?


Der Anlass

Der Anlass war simpel: der Inhaber einer frequentierten christlichen Facebookseite lehnte einen von mir angemeldeten Blogbeitrag ab. Dabei ging es um einen, in dem rennomierten "Tabletalk" Magazin erschienenen und von mir übersetzten Artikel von R.C. Sproul jr., dem Sohn des Gründers des weltweit operierenden Werkes 'Ligonier Ministries' und dem 'Reformation Bible College', welche es sich zum Ziel gesetzt haben, die Herrlichkeit Gottes möglichst vielen Menschen nahe zu bringen.

Warum mich das schmerzte? Wer nun glaubte es läge daran, weil der von mir - mit ach so viel Mühe übersetzte - Artikel nicht gepostet wurde, dem ginge es so, wie dem Inhaber der Facebookseite: er läge falsch.

In dem Artikel mit dem Titel "Von der Gefahr des Hochmuts in theologischer Rechthaberei" (nachzulesen hier) geht es um den Hochmut der Besserwisserei - gerade auch in der Theologie. Ich hatte ihn - mein erster Fehler - auf eben dieser Facebookseite posten wollen, weil mir der Inhaber durch sein von sich selbst in unguter Weise überzeugtes, rechthaberisches und allem Anschein nach unkorrigierbares Verhalten gegenüber anderen Mitgliedern dieses Forums aufgefallen war. 

Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass der Artikel nicht zur Veröffentlichung freigegeben werden würde. Doch hatte ich - mein zweiter Fehler - zumindest darauf gehofft, mit dem Betreiber der Seite daraufhin in einen Dialog treten zu können, der, wie ich mir wünschte, am Ende vielleicht doch dessen Einsicht, Reue, Umkehr und Busse, also seine Heiligung zum Ziel haben könnte.


Der Verlauf

Doch weit gefehlt: Was sich aus meiner Nachfrage nach der Begründung für die Ablehnung meines Posts ergab, war mehr als nur ernüchternd. Es war erhellend. Schmerzhaft, aber erhellend. 

Schmerzhaft, weil es mir erneut die Unmöglichkeit vor Augen hielt, einen Dialog zu führen, in dem die Kommunikation von den hier noch im Detail aufzuzeigenden Mängeln geprägt ist. Schmerzhaft, weil diese Mängel es mir unmöglich machten, einem Menschen zu einer gewinnbringenden Erkenntnis zu verhelfen; zu einer womöglich lebenswichtigen Erkenntis. Schmerzhaft auch, weil dieser Prozess von Unterstellungen, Beleidigungen und irrigen Behauptungen nur so strotzte. Und erhellend, weil mir - noch klarer als bisher - deutlich wurde, mit welchen Finten uns der Feind ins Bockshorn jagt und uns für die Erkenntnis der Wahrheit verblendet.

Dabei fing alles ganz harmlos an. In der initialen Antwort auf meine Frage, warum der Artikel nicht gepostet wurde, waren unter anderem folgende Aussagen zu lesen: "Der Artikel ist per se nicht schlecht. Das Problem ist nur. Mit dieser Argumentation kann man auch jegliche biblische Diskussion totschlagen und das erlebe ich seit Jahren regelmäßig sowohl im Internet als auch im realen Leben." Dann folgte die Begründung, dass "ich diese Argumentation nicht so übernehmen kann obwohl sicher richtige Aspekte dabei sind. ... Der Artikel könnte hier verunsichern weil es ohnehin schwer ist gesunde Lehre in der heutigen Zeit richtig rüberzubringen."

Wer den Artikel gelesen hat - und ich bitte meine Leser, dies zu tun - wird schnell feststellen, dass es in dem Artikel beileibe nichts gibt, was verunsichern könnte. Auch nichts, was einen etwa falschen Aspekt beinhalten würde, der dazu geeignet wäre, die gesunde Lehre zu trüben. Es wird ihn ihm lediglich sehr klar aufgezeigt, wie heimtückisch der Feind Gottes ist, indem er selbst noch unser Bemühen um theologische Korrektheit mit der Sünde des Hochmuts verdirbt. 

Ein sehr ernüchternder, demütigender und lehrreicher Artikel also.

Meine Rückfrage, was denn konkret an dem Artikel "verunsichernd" sei oder gar "falsche Aspekte" beinhalte, stellte ich dabei nicht "einfach so", sondern stellte, um eine gemeinsame Basis herzustellen, erst einmal unsere Gemeinsamkeiten heraus: die Liebe zum Wort Gottes, das Faktum, dass biblische Lehre heutzutage nicht mehr allerorten gern gehört wird und meine Bestätigung der Überzeugung meines Gegenübers, dass es zuweilen auch notwendig ist, Korrektur zu üben. Allein darauf wies ich hin, dass - meiner Erfahrung nach und auch im Einklang mit der Schrift - alle Korrektur in Liebe und Demut zu geschehen habe, nicht in besserwisserischem Hochmut, wie es ja auch der zur Veröffentlichung angefragte Artikel selbst es schon beinhaltete und wie ich es in seinen Antworten auf seiner Facebookseite schon zu lesen vermeint hatte.

Meine Fragen waren klar und bezogen sich dabei auf die Ermittlung von Fakten: Inwiefern der Betreiber der Seite in dem von mir geposteten Artikel eine Gefahr sehe? Und welche spezifischen Gedanken oder Aussagen des von mir übersetzten Artikels mein Gegenüber denn konkret als geeignet betrachte, Menschen zu verunsichern oder gar in eine unbiblische Irre zu leiten?

Die erste Antwort auf diese Fragen war noch sachlich, lenkte aber von den Fragen ab und suchte - mit der Frage, wer die Kirchenväter seien (die ich unter anderem mit dem Namen 'Augustin' beantwortete) - einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen. Ich blieb jedoch beständig und bat, im Sinne des Dialoges, nochmals höflich und herzlich um die Klärung der noch offenen Fragen. 

Was dann folgte war, gelinde gesagt, interessant: Das Spektrum der Antworten reichte von belehrenden Imperativen "Also wachse im Wort und lerne das was du gelernt hast zu behalten..." bis hin zu noch weiter vom Thema (wir erinnern uns an die eigentlichen Fragen: "Was konkret an dem Artikel ist verunsichernd?" "Oder gar zur Irreführung geeignet?") ablenkenden Behauptungen, wie "Augustin ist ein Irrlehrer und ... hat den Startschuss für satanische Irrlehren gegeben ... für mich ist er kein Kirchen Väter eher ein Irrlehrer des Teufels" und gipfelte in der daraus abgeleiteten Begründung "deswegen veröffentliche ich solche scheinheiligen Ausführungen nicht". Was also zu Anfang noch ein Artikel war, der "per se nicht schlecht" ist, war nun in den Augen meines Gegenübers bereits zu "scheinheiligen Ausführungen" mutiert. 

Nach einer kurzen Klarstellung meiner sehr hohen Sicht von Augustinus (mit dem Verweis auf die grundlegende Biblizität seiner Lehre und vor allem der Vorbildlichkeit seiner, Gott über alles liebenden, Frömmigkeit) machte ich nochmals auf meine Intention aufmerksam und wies darauf hin, dass meine Fragen nicht ohne Grund gestellt seien, sondern ich vielmehr überzeugt sei, dass sich in dem betreffenden Artikel nichts widerbiblisches finden lasse. Und bat nochmals höflich um Beweise anhand von Zitaten und diesen widersprechenden Belegen aus der Heiligen Schrift. Auch verlieh ich meiner zunehmenden Sorge um die Korrigierbarkeit der Ansichten meines Dialogpartners Ausdruck.

Nun wurde der Ton schärfer: Meine Worte wurden als "Unsinn" hingestellt und dieser "Unsinn" dann (obwohl ich gar nicht mehr danach gefragt hatte) als neueste Begründung für die Nichtveröffentlichung des Artikels verwendet. Inzwischen schien meinem Gegenüber klar, wer ich sei: Worte, wie "Oberlehrer", "Heuchelei" und "Lüge" kamen ins Spiel, gekrönt von dem Vorwurf, der "Gesetzlichkeit" vorschub leisten zu wollen.

Unter Gebet mühte ich mich weiter um Liebe, Demut und Wahrhaftigkeit und wies auf die Tatsache hin, dass meine Fragen noch immer nicht beanwortet seien und dass, neben immer neuen (und großteils unhaltbaren) Behauptungen, nun auch noch Beleidigungen und Unterstellungen hinzugekommen seien, gegen die ich mich - noch immer höflich und unter Hinweis auf mein wahres Wesen - verwehrte. 


Das Problem 

An dieser Stelle wurde mir klar, wo eigentlich das kommunikatorische Problem lag: Es lag nicht in unserem Willen zum Dialog. Auch nicht daran, dass der eine nicht hätte verstehen können, was der andere sagte. 

Das Problem lag tiefer: es lag in der dem Dialog zugrunde liegenden Systematik.

Aus Vermutungen, Hypothesen und Annahmen wurden - ohne weitere Prüfung - in den Augen meines Gegenübers Fakten. Statt konkreter Antworten kamen weitere Behauptungen. Und aus den Behauptungen wurden - wieder ohne weiteres Zutun - in den Augen meines Gegenübers Beweise. Und so wurde der Dialog quasi zum diadischen Monolog. Wir redeten aneinander vorbei. Jeder von uns am anderen.

Die Schwierigkeit scheint mir dabei eine epistemologische zu sein. Und genau hier setzt der Feind an: indem er uns die Wahrheit verdunkelt und damit die Erkenntnis. Und zwar nicht nur die Erkenntis des wahren Gegenstandes des Dialoges. Sondern auch und vor allem die Selbsterkenntnis darüber, dass mir eben diese Wahrheit verdunkelt ist. 

Unser Feind ist dabei so gerissen, dass er uns auch noch dieses Faktum, diese mangelnde Erkenntnis unserer Blindheit, mit einem Pseudo-Wissen verdeckt. Wir haben doch schließlich unsere eigenen Hypothesen klar erkannt? Schließlich haben wir doch allen Grund für unsere Behauptungen? Wozu noch Fragen beantworten, wenn alles so klar scheint?

Und hier liegt die Crux. Wie schon Wittgenstein sagte: "Wahrheit ist alles, was der Fall ist." Wahrheit ist immer kongruent mit der Realität. Wahrheit beruht auf Fakten, nicht allein auf Eindrücken oder Vermutungen. Wahrheit aber erschließt sich uns durch Fragen, auf die Antworten gefunden werden, nicht durch Eindrücke oder Meinungen, die als Fakten gesetzt werden.

Wo ein Dialog jedoch die Fragen des Gegenübers nicht mehr wahrnimmt, sondern sich in immer neuen Behauptungen ergeht, die in der jeweiligen Vorstellungswelt nur als Annahmen ihren Grund haben, nicht aber in der faktischen Realität, kann keine Erkenntnis mehr geschehen. Ja, nicht einmal mehr der Beweis dieses Mangels ist möglich - denn auch dieser müsste sich ja auf Fakten stützen. Fakten die - ob in Form von Fragen und Antworten oder in Form des Beweises von Behauptungen - sich dem Zugriff des Verblendeten entziehen: Wozu noch Antworten oder Beweise, wo doch die eigene Welt schon fertig scheint? 

Statt Frage und Antwort, Gegenfrage und Gegenantwort, statt These und Antithese und letztendlich Synthese, biegt der Dialog nach der Frage ab und ergießt sich in Behauptungen. Behauptungen, die sich aus der eigenen Vorstellungswelt speisen durch Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und Ideen. Behauptungen, die, nach dem Beweis ihrer Faktizität befragt, nur noch weitere Behauptungen zur Antwort bekommen. Der Dialog dreht sich nicht einmal mehr im Kreis sondern verhindert sich selbst.

Das Wesentlichste aber ist: auf diese Weise ist es unmöglich! zweierlei zu erkennen: die Fehlerhaftigkeit der eigenen Schlüsse als auch die Fehlerhaftigkeit der eigenen Annahmen. Und so ist der Mensch ausgeschlossen von der Erkenntnis der Wahrheit  des Gesprächsgegenstandes und von der Erkenntnis der Wahrheit, dass er von dieser Wahrheit ausgeschlossen ist - und hat doch den Eindruck, alles sei beim Besten.


Die Strategie

Somit ist die Strategie des Feindes, die er dazu benutzt, uns zu blenden und uns im Hochmut unserer vermeintlichen Besserwisserei gefangen zu halten, klar:

1. Halte Deine Annahmen, Ideen, Hypothesen und Vermutungen für Fakten
2. Halte Deine darauf basierenden Schlüsse und Behauptungen für Beweise
3. Halte Deine Beweise für Begründung genug, keine Fragen zu beantworten
4. Beantworte keine Fragen sondern stelle immer neue Behauptungen auf
5. Spicke alles (ad hominem!) mit Angriffen auf die Integrität Deines Gegenübers
6. Wenn Dein Gegenüber noch mmer nicht locker lässt: breche den Dialog ab

Ihnen allen zugrunde liegt die Wurzel des Hochmuts: zu meinen, bereits zu wissen, was Faktum ist und es nicht mehr nötig zu haben, sich einem fragenden Dialog zu stellen. Es nicht mehr nötig zu haben, nach der Wahrheit zu suchen. Wie unendlich grotesk solcher Hochmut ist, wird uns vielleicht erst dann klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass es Jesus Christus selbst war, der von sich sagte, Er sei die Wahrheit in Person (Joh 14,6). 


Fazit

Der Glaube daran also, die Wahrheit bereits so vollständig erkannt zu haben, dass ich mich keiner Frage oder Rückfrage mehr zu stellen brauche, keinem beständigen Suchen nach Fakten, um aus Hypothesen Wissen zu gewinnen, kommt dem Anspruch gleich, den allmächtigen, allweisen und unendlichen Gott selbst verstanden haben zu wollen.

Diese Annahme, dieser Hochmut, macht uns - auf die oben gezeigte Weise - blind. Gott bewahre uns in unseren Gesprächen vor dieser Strategie des Feindes. Gott gebe uns, dass wir demütig genug bleiben, die Fragen unserer Dialogpartner ernst zu nehmen und sie zu beantworten und unsere eigenen Ideen und Annahmen zu hinterfragen - anstatt zu glauben, wir wüssten alle Antworten schon. Denn eben dieser Glaube ist Hochmut und führt nicht ins Licht, sondern in die Finsternis. Er macht uns blind für unsere eigenen Irrtümer und Fehler; im Reich Gottes, das auf Umkehr und Gnade ruht, der folgenschwerste Fehler überhaupt.

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