Sonntag, 5. Januar 2014

Bittruf angesichts der menschlichen Vergänglichkeit (Ps 39:1-14)

Text

1 Ein Psalm Davids, vorzusingen, für Jedutun. 2 Ich habe mir vorgenommen: Ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge; ich will meinem Mund einen Zaum anlegen, solange ich den Gottlosen vor mir sehen muß. 3 Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muß mein Leid in mich fressen. 4 Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke, brennt es wie Feuer. So rede ich denn mit meiner Zunge: 5 »HERR, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß. 6 Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! SELA. 7 Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird. « 8 Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich. 9 Errette mich aus aller meiner Sünde und laß mich nicht den Narren zum Spott werden. 10 Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn du hast es getan. 11 Wende deine Plage von mir; ich vergehe, weil deine Hand nach mir greift. 12 Wenn du den Menschen züchtigst um der Sünde willen, so verzehrst du seine Schönheit wie Motten ein Kleid. Wie gar nichts sind doch alle Menschen. SELA. 13 Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen; denn ich bin ein Gast bei dir, ein Fremdling wie alle meine Väter. 14 Laß ab von mir, daß ich mich erquicke, ehe ich dahinfahre und nicht mehr bin.


Kommentar

Zusammenfassung

Umgeben von Gottlosen, dichtet David diesen Klagepsalm, in welchem er sich selbst trotz seiner Leiden zum Schweigen verpflichtet. Angesichts seiner eigenen Vergänglichkeit bittet er den Heiligen Gott darin um Einsicht in dessen gutes Ziel und um Dessen Hilfe, Trost und gnädiges Ende seiner Züchtigung zum Guten.

Struktur

1 David überreicht diesen von ihm komponierten Klagepsalm an Jedutun, einen der drei Dirigenten seines königlichen Meisterchores.

2-4 Er beschließt, trotz der dadurch verursachten seelischen Schmerzen, seine Zunge angesichts der Gottlosigkeit um ihn herum, im Zaum zu halten.

5-7 Und er bittet den Ewigen, angesichts der Vergänglichkeit seines kurzen Lebens, um die Einsicht, dass sein Leben -in Gottes Hand- Seinem guten Ziel zustrebt.

8-10 Seinen Trost schöpft David dabei aus Gott allein, den er um Vergebung für Seine Sünde bittet, und angesichts der ewigkeit von Gottes Plan und Tun, sowie der eigenen Nichtigkeit und Vergänglichkeit, um Dessen Hilfe vor dem Gespött der Gottlosen.

11-14 Wohl wissend, dass es Gottes Erziehung ist, die ihm im Leiden widerfährt, bittet David den Ewigen aufgrund seiner geschöpflichen Bedürftigkeit um Trost im Leiden und, um seiner Lebensfreude willen, um die gnädige Beendigung seiner Prüfung.


Inhalt

1 Dieses Lied Davids, dem Inhalt nach ein Klagepsalm, ist einer von drei an den Chormeister und Dirigenten Jedutun gewidmeten Psalmen (Psalmen 39, 62 und 77); je ein weiterer Psalm "für Jedutun" stammt von David, bzw. von Asaph.

Jedutun war, wie auch Asaf und Heman, ein Prophet, der von David und dessen Feldherren für den Gottesdienst ausgesondert worden war. Wie Asaph und Heman, sang er nach Davids Anweisung, zusammen mit seinen von ihm geleiteten Söhnen, zu Saiteninstrumenten und Schellen im zweihundertachtundachtzigköpfigen, königlichen Meisterchor (1Chr 25:1-7).

2-4 David beginnt diesen Psalm mit seinem Entschluss, sich angesichts der Gottlosigkeit um ihn her nicht mit Worten zu versündigen. Aus Psalm 73 wissen wir, wie ihm das gottlose Treiben um ihn her "wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren", ja, dass er sich fühlte, wie "ein Narr und ... wie ein [hilflos leidendes] Tier" (Ps 73,21-22). Und wir wissen, wie hart es ihn angegangen ist, sich nicht zu ereifern über das Prahlen und den Wohlstand der Gottlosen, ja dass ihn sein Zorn beinahe zu Fall gebracht hätte (Ps 73,2-3). Doch David weiß auch, dass Zorn, Grimm und Entrüstung nur Unrecht anrichten (Ps 37,8) und der Mund des Gerechten vielmehr Weisheit redet, und seine Zunge das Recht lehrt (Ps 37,30).

Nicht umsonst schreibt uns viele Jahrhunderte später der Apostel Jakobus "So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet's an! Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unsern Gliedern: sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet. ... aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel, voll tödlichen Giftes" (Jak 3,5-8).

So nimmt denn David all seine Entschlossenheit zusammen und legt seiner Zunge den Zaum an. Wohl hat er das gottlose Treiben noch immer vor Augen, doch entschlossen verstummt er und zwingt sich zu schweigen. Gleichwohl sein Herz schweigt nicht, vielmehr brennt es in ihm vor Leid, wie ein Feuer. Und so muss es hinaus: Einem muss er es klagen, auf dass er nicht innerlich verbrenne:

5-7 Und so betet er zum Ewigen und besinnt sich dabei auf seine Vergänglichkeit. Er bittet den Allmächtigen um Einsicht in die Tatsache, dass auch sein kleines Leben ein Ende haben muss und er von dieser Welt scheiden wird; wohl wissend, dass sein Leben ein gutes Ziel haben wird, denn: "du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an" (Ps 73,24).

Diese Einsicht zu gewinnen bleibt David jedoch nur wenig Zeit und so fleht er zu Gott und erinnert er den Ewigen daran, dass sein Leben vor Seinen Augen nicht länger währt "als ein kurzes Geschwätz" (vgl. Ps 90,9). Und darum drängt er den Herrn der Zeit, zu bedenken, dass Er "weiß, was für ein Gebilde wir sind; ... daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr" (Ps 103:14-16). Und so betet er mit Inbrunst und inniglich mit Mose: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden" (Ps 90,12).

Auch fragt David: "was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?" (Ps 8,5). Und antwortet hierauf gleich zweimal in diesem Psalm: "Wie gar nichts sind doch alle Menschen." (Verse 6 und 12). Selbst ganze Völker sind "geachtet wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waage" (Jes 40,15). Und doch dürfen sie dank Gottes Gnade in selbstvergessener Sicherheit leben. Doch wahr ist auch: "Der Mensch ... lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht" (Hi 14,1-2). Und zu alledem quält sich der Mensch auch rastlos mit der Frage, wer einmal nach ihm kommen wird, denn "es muss ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit, Verstand und Geschicklichkeit mühsam getan hat, es einem andern zum Erbteil überlassen, der sich nicht darum gemüht hat. Das ist auch eitel und ein großes Unglück." (Pred 2,21).

8-10 Angesichts der Gottlosigkeit um ihn her, angesichts des Brennens in seinem Herzen und seiner eigenen Vergänglichkeit fragt er sich nun: "Herr, wessen soll ich mich trösten?" und antwortet sogleich: "Ich hoffe auf dich". David hat es gelernt, dass "wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil" (Ps 73,26). Ja, vielmehr: "wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde." (Ps 73,25). Gott allein, Sein vollkommen gutes Wesen, Sein Plan der Herrlichkeit und Seine gütige, gnädige und barmherzige Fürsorge sind Zeit unseres Lebens unser letzter und oft wohl einziger Trost. Ja, "dem alleinigen Gott, unserm Heiland, sei durch Jesus Christus, unsern Herrn, Ehre und Majestät und Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen" (Jud 25).

Diesem, seinem gnädigen Gott vertraut David seine Bitten an: Er möge ihn aus seiner Sünde erretten und ihn nicht zum Gespött der gottlosen Narren werden lassen. Dem Grund für sein Schweigen -sich nicht zu versündigen- fügt David dabei einen weiteren und weitaus tieferen Grund hinzu: Er hat erkannt, das alles, was geschieht, sei es hell oder dunkel, fried- oder unheilvoll, letztlich Teil des großen göttlichen Plans und Handelns ist (Jes 45,7). Er hat, wie nach ihm Salomon, erkannt, dass "alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll" (Pred 3,14). Und er weiß, dass "was da ist, ist längst mit Namen genannt, und bestimmt ist, was ein Mensch sein wird. Darum kann er nicht hadern mit dem, der ihm zu mächtig ist" (Pred 6,10). Und so beschließt er, wie einst Hiob, "Ich will meine Hand auf meinen Mund legen" (Hi 40,4).

Doch nicht aus resigniertem Fatalismus handelt David, sondern er weiß: Gott tut das Gute und lässt auch das Böse zu, doch Letzteres nur aus einem Grunde: auf dass es denen, die Ihn lieben, zum Besten diene (Rö 8,28). Denn "Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende" (Pred 3,11).

11-14 Und auch angesichts seines Leidens bleibt David nicht tatenlos. Sondern er bittet den Allmächtigen, die Bürde Seiner Last von ihm zu nehmen; wohl wissend: "Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch" (Ps 68,20). So beten auch wir: "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]" (Mt 6,13). David ist klar, dass, auch wenn es äußerlich die Gottlosen zu sein scheinen, die ihn so sehr bedrängen, so dass er zu sterben fürchtet, es letztlich "deine Hand ist und du, HERR, das tust" (Ps 109,27). Ja, die Erziehung Gottes ist zu Zeiten hart, zerstört unsere Freude und damit das Strahlen unseres Antlitzes "wie Motten ein Kleid", "und wenn [die Züchtigung] da ist, scheint [sie] ... nicht Freude, sondern Leid zu sein; danach aber bringt sie als Frucht denen, die dadurch geübt sind, Frieden und Gerechtigkeit." (Hebr 12,11). Denn sie ist nichts weniger, als der Beweis unserer Sohnschaft und der göttlichen Liebe zu uns (Hebr. 12,6+7). Und sie erinnert uns an unsere geschöpfliche Bedürftigkeit und Nichtigkeit: noch einmal sagt David es aus: "Wie gar nichts sind doch alle Menschen" und ruft auch uns mit dem "SELA" zur Besinnung auf.

Gleichwohl lässt er nicht davon ab, Gott weiter zu bestürmen, Er möge doch sein Flehen erhören und seine Trauer nicht mit Schweigen strafen. Demütig anerkennt er die Hoheit Gottes und seine eigene Niedrigkeit und fleht Gott an, daran zu denken, dass er nicht mehr ist als nur ein Gast auf Erden (Heb 11,9.13). Und so bittet er Ihn, unseren wahren Tröster (Jes 51,12), seine Prüfung zu beenden, damit er vor seinem Tode noch einmal die die Freude des irdischen Lebens schmecke.


Praktische Anwendung
  • Trotz der Gottlosigkeit unserer Zeit "Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt" (1Petr 3,9).
  • Bete vielmehr mit David und Christus "In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott" (Ps 31,6).
  • Vor allem aber "Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!" (Phil 4,6).

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