Sonntag, 22. Juli 2012

Vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle (Mt 13:44-46)

Text

44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. 45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 46 und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.


Kommentar

Abermals vergleicht Jesus das Himmelreich. Diesmal, um seinen Wert in den Vordergrund zu stellen. In nur drei Versen verpackt Er zwei Gleichnisse und zeigt uns darin die einzig sinnvolle Reaktion auf die Chance, das Himmelreich zu erlangen.

44 Im ersten Beispiel vergleicht Jesus das Himmelreich mit einem in einem Acker vergrabenen Schatz. Der Mensch, der ihn fand, deckte ihn gleich wieder zu und kaufte zuerst den Acker, um so rechtmäßiger Besitzer dieses Schatzes zu werden. Allerdings war der Acker offensichtlich so teuer, dass der Finder sein gesamtes Hab und Gut verkaufen musste, um den Acker zu erwerben.

Und dennoch er tat es. Und er tat es mit Freuden!

Dieses Gleichnis zeigt uns den unermesslichen Wert unserer Erlösung: Einmal im Himmelreich sein zu dürfen, für immer und ewig, in der Gegenwart Christi und Gottes, wo "Gott abwischen [wird] alle Tränen von [unseren] Augen, und der Tod nicht mehr sein [wird], noch Leid noch Geschrei noch Schmerz" (Offb 21,4), das ist mehr wert, als alle Güter dieser Welt oder alles, was wir jemals besitzen könnten.

Von den irdischen Dingen jedoch sagte Jesus nur wenige Verse zuvor: "die Sorge der Welt und der betrügerische Reichtum ersticken das Wort" (Mt 13,22). Die irdischen Dinge also aufzugeben für das, was unendlich viel wertvoller ist, ist in Wirklichkeit, auch wenn es uns aufgrund unseres sündigen Wesens nicht so erscheinen mag, gar kein Opfer, sondern der beste Tausch unseres Lebens. Ein Tausch, über den wir uns von Herzen freuen können.

45-46 Im zweiten Beispiel vergleicht Jesus das Reich Seiner Liebe mit einer einzigen, kostbaren Perle. Auch in diesem Gleichnis kauft der Käufer das Gut um den Preis all seiner Habe.

Doch in diesem Beispiel ist es nicht irgendein Mensch, sondern ein Kaufmann. Und er findet den Schatz auch nicht zufällig, sondern er sucht überall danach.

Und auch, wenn in diesem Gleichnis von einem Kauf die Rede ist, so geht es dennoch nicht um einen Kauf gegen Geld, sondern vielmehr um einen Handel, bei dem wir geben, was kein Geld wert ist und dafür bekommen, was mehr wert ist, als alles Gold der Welt: die Weisheit der Erkenntnis der Gnade Gottes und den Glauben an Christus unseren Erlöser (vgl. Hi 28,12ff, Ps 19,10-11, Ps 119,72.127, Spr 3,13ff, 1Pe 1,7).

So wie es in Jesaja 55,1 heißt "Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben." (vgl. Offb 3,18)

Kurzum: Worum es geht ist unsere innere Einstellung zum Himmelreich: dass uns nämlich nichts auf dieser Welt wichtiger ist, als bei Jesus zu sein. Oder wie Paulus es sagte: "Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird" (Phil 3,7-9).

Freitag, 6. Juli 2012

Einzug in das Heiligtum (Psalm 24:1-10)


Text

1 Ein Psalm Davids. Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. 2 Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet. 3 Wer darf auf des HERRN Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? 4 Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug und nicht falsche Eide schwört: 5 der wird den Segen vom HERRN empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heiles. 6 Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt, das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs. SELA. 7 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehre einziehe! 8 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit. 9 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehre einziehe! 10 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre. SELA.


Kommentar

1a Dieses Psalmlied Davids besingt die Herrlichkeit Gottes und die Konsequenz die sich aus dieser Herrlichkeit für uns Menschen ergibt.

1b-2 Zum Ersten stellt David uns Gott als den Herrscher über alle Welt vor: die Erde, alle ihre Güter und alle ihre Bewohner sind Sein Eigentum - weil Er ihr Schöpfer und damit ihr rechtmäßiger Eigentümer ist. 


Diese Erde, das feste Land, hat Gott höher als die Meere gegründet, das weiß David aus der Genesis, in der Gott einst sprach: "Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so" (1Mo 1,9). Auch das Buch Hiob, eines der ältesten Bücher des Alten Testaments, war David sicher wohlbekannt. Dort heißt es unisono: "Wer hat das Meer mit Toren verschlossen [...] als ich ihm seine Grenze bestimmte mit meinem Damm und setzte ihm Riegel und Tore und sprach: »Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!«?" (Hi 38,8-11).

Es geht in diesem Psalm um den heiligen, ewigen und allmächtigen Gott. Um den, der uns gesagt hat: „[...] heiligt euch! und seid heilig!; denn ICH bin der HERR, euer Gott.“ (3Mo 20,7).


3-6 Ausgehend von dieser Stellung Gottes als Eigentümer und als heiliger Herrscher der Welt, fragt David sich und uns in Seinem Lied: Wer darf denn dann überhaupt in Gottes heilige Gegenwart kommen - das war damals: auf den heiligen Berg Horeb auf dem Sinai? Auf den Berg also, den ohne Erlaubnis zu betreten aufgrund der schieren Heiligkeit des Allmächtigen bei Todesstrafe verboten war (2Mo 19,12ff)? Der Berg, auf dem Gott dem Volk Israel und mit ihm der ganzen Menschheit die 10 Gebote gab?


Die Antwort ist heute die gleiche, wie damals (vgl. 1Tim 2,8, Jak 4,8): Wer die Gebote Gottes achtet, das ist, wer Gott liebt und deshalb seine Mitmenschen weder bestiehlt noch tötet, wer nicht lügt noch betrügt oder gar die Ehe bricht, oder vor Gericht Meineide schwört, wer nicht gierig ist und nicht neidisch. Kurz: wer ein reines Herz hat und nicht böse Dinge gegen seine Mitmenschen plant.

Doch solch ein Herz haben wir nicht aus uns selbst: wir sind Sünder, suchen von Natur aus nur unseren eigenen Vorteil und lehnen Gottes Worte ab (Rö 8,7, Rö 1:21ff, Joh 14,24). Wir sind sündhafte, gefallene Menschen (1Mo 8,21, Ps 51,7, Ps 19,14).

Gottes Wort lehrt uns vielmehr, dass ein Mensch nur dann so handelt, wenn er von Gott selbst ein neues Herz geschenkt bekommen hat (Hes 36:26), das aus Liebe zu Gott und Seinem Christus handelt: Joh 14,15.21: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. [...]  Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's, der mich liebt.

Solchen Menschen ist Gottes Segen verheißen: Die von Gott geschenkte Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt und nicht aus der Religiosität des Menschen (siehe 1Mo 15,6, Rö 3,22ff, Rö 4,11ff, Apg 13,38-39, Gal 2,16, Gal 3,11, Phil 3,9, Heb 11,1ff).

Für solche Menschen ist Gott keine Einbildung und kein abstraktes philosophisches Konstrukt. Sie wissen: Er ist real. Er ist ihr Retter und - durch Seine Geburt, Sein Erdenleben, Seine Kreuzigung, Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt und Seine heiligende Innewohnung in den Gläubigen durch den Heiligen Geist (Joh 14,16, Joh 16,13, 1Petr 1,2) - der Urheber ihres Heils, ihr Heiland. 

Nur solche Menschen sind es, die den Segen des Höchsten erhalten: Seine Gerechtigkeit, die sie niemals aus eigener Kraft und mit eigenen Taten bewirken könnten (Gal 2:16). Diese Gerechtigkeit wird uns von Gott allein durch den Glauben geschenkt (1Kor 2:12, Rö 4:13).

Solche Menschen sind durch Gott von der Macht der egozentrischen Sünde Erlöste, die nach Ihm fragen, die sich ihr Leben lang nach Seiner Gegenwart und Seinem Angesicht sehnen (
Ps 42,2-3). Sie sind das heilige Geschlecht von dem David hier singt (1Petr 2,9).


7-10 Nach dem SELA, einem instrumentalen Zwischenspiel im Psalm, das das bisher Gesungene tiefer sinken lässt, ruft Gott uns in diesem Psalm dazu auf, Ihn einzulassen in unsere Welt. Ihn, das ist: Christus, der das Wort Gottes ist, das Licht der Welt, Gott selbst (Joh 1,1-4). In Christus hat Gott selbst unsere Welt besucht (Joh 12,46, Joh 16,28) und unsere Leiblichkeit angenommen (Heb 10,5).
 

Ihn sollen wir, die wir in der Welt sind, annehmen. Ihm sollen wir die Türen und Tore der Welt unserer Herzen öffnen, damit Er, der allein, wegen Seines Wesens und Seines Erlösungswerkes, der allerhöchsten Ehre wert ist (Heb 3,3) zu uns kommen kann. Er, dessen Allmacht (Hi 42,2) das Universum schuf (Offb 4,11) und der selbst die größte Kriegsmacht auf Erden für Seine Kinder zu bezwingen vermag. (2Mo 15,4).

Zweimal fragt uns Gott durch David in seinem Psalm, ob wir wissen, wer dieser König sei. Zweimal antwortet er: der HERR, das ist: Christus unser König (Joh 18,37). Zweimal fordert er uns auf, Ihn hinein zu lassen in unsere Welt. Und das zweite Mal unterstreicht David noch einmal Seine Macht und Herrlichkeit und nennt Ihn den HERRN Zebaoth, das ist: den HERRN der Heerscharen.

Dieses "zweimal" samt dem Hinweis auf die unendliche Macht, Ehre und Größe Gottes zeigt uns an, wie herrlich unser Gott ist; und wie ernst Sein Ruf an uns Menschen, Ihn in Christus hinein zu lassen in unsere Welt, in unser Leben und in unsere Herzen. Umzukehren zu Ihm, der für uns starb (Joh 3,16) und der allein die Macht hat, unsere Sünden zu vergeben (Lk 5,21).

Aus der Geschichte kennen wir den traurigen Grund für den zweifachen Ruf, denn dort heißt es über die Reaktion Seines Volkes: "Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf" (Joh 1,11). Gott gebe uns Gnade, dass wir Ihn, der allein uns retten kann (Joh 14,6, Apg 4,12) in unsere Herzen hinein lassen - IHN, der zu uns spricht: "
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir." (Offb 3:20).

Der Psalm schließt, fast nachdenklich, mit einem instrumentalen SELA.


[Predigt als MP3]

Montag, 2. Juli 2012

Toleranz oder Wahrheit - 7 Aussagen

1. Die Behauptung “alle Wege führen zu Gott” ist eine absolute Aussage und somit nach den Regeln des Pluralismus eine Unverschämtheit.

2. Die Aussage Christi: “niemand kommt zum Vater, es sei denn durch mich” ist eine ebenso absolute Aussage. Nur sagt sie das absolute Gegenteil der ersten Behauptung aus.

3. Die Frage ist also nicht welche Aussage dem pluralistischen Wunschdenken am meisten widerspricht, denn das tun sie beide in gleicher Weise. Sondern es geht bei beiden Aussagen um Wahrheitsaussagen. Die eigentliche Frage ist also welche von beiden Aussagen wahr ist – nicht, welche uns besser in den Kram passt.

4. Die Heilige Schrift lehrt klar, dass wir Menschen von uns aus keinerlei Fähigkeit zur Gotteserkenntnis haben, nicht über die Sinne, noch die Gefühle oder den Verstand. Das lehren uns zu Recht auch Biologie, Philosophe, Psychologie und Physik. Insofern ist kein Christ klüger oder dümmer als ein Nichtchrist, denn unsere Voraussetzungen zur Gotteserkenntnis sind, weil wir alle begrenzte Menschen sind, weltweit die selben.

5. Die Heilige Schrift lehrt jedoch klar, dass Gott von sich aus die Kluft der Erkenntnis überbrückt hat, indem ER sich uns Menschen offenbart hat; in einer Weise, die für uns sowohl verständlich als auch historisch nachvollziehbar ist.

6. Wer die antiken Schriften aufrichtig und ohne Vorurteil auf die Korrektheit ihrer Überlieferung hin prüft, wird feststellen, dass sie das ungefälschte Zeugnis vieler Zeitzeugen enthält, die von einer historischen Figur mit einem absolut einwandfreien Charakterzeugnis berichten. Und davon, dass diese Person eine absolut ungeheuerliche Aussage machte.

7. Die Christen haben die Weisheit also nicht mit Löffeln gefressen und sind daher auch nicht klüger als alle anderen. Als Menschen, die erkannt haben, dass sie vor Gott Sünder sind, haben sie sogar noch viel weniger Grund zum Hochmut, als die gemeine Volksmeinung uns gerne glauben machen will. Vielmehr sind sie dankbare Empfänger der von Gott gegebenen Erkenntnis, dass allein in Jesus Christus, dem offenbarten Gott, die Wahrheit, der Weg zu Gott und damit ewiges Leben zu finden ist (Joh 14,6).

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siehe auch: http://goo.gl/P05U2, sowie: http://goo.gl/R9uyr

Sonntag, 1. Juli 2012

Das egozentrische Dilemma

Von Kelly M. Kapic - Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michael Künnemann


"Denn die Menschen werden viel von sich halten, 
geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, 
den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, 
unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild, 
dem Guten Feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. 
Sie lieben die Wollust mehr als Gott; 
sie haben den Schein der Frömmigkeit, 
aber deren Kraft verleugnen sie; 
solche Menschen meide!" 



Wer ist das Zentrum Deines Lebens? Ist Deine Antwort Jesus, oder sind es Deine Kinder, Deine Freunde oder Dein Ehepartner? Was wäre, wenn ich Dir sagen würde, dass die Antwort auf diese Frage "Du!" lautet? Und was wäre, wenn ich Dir sagen würde, dass das OK ist? Lasst uns klarstellen: die Frage ist nicht, ob Du das Zentrum Deines Universums bist - das bist Du. Das ist, was Philosophen und Psychologen manchmal das egozentrische Dilemma nennen. Einfach ausgedrückt, wir können uns selbst nicht entkommen. Was immer wir fühlen, denken, sprechen oder glauben, es sind wir, die das Fühlen, Denken, Sprechen oder Glauben besorgen. Wenn wir mit Gott, anderen und der Welt in Beziehung treten, ist unser Referenzpunkt unausweichlich unser Ego.

Nun, hier ist die 'Überraschung': Für diese Art der "Selbstzentriertheit" müssen wir nicht umkehren. Stattdessen müssen wir erkennen, wie sehr wir von einer schwachen Schöpfungslehre beeinflusst sind. Ein Geschöpf zu sein, einschließlich unserer Endlichkeit und Besonderheit, ist ein Geschenk Gottes. Zu versuchen, uns selbst zu "entkommen" und irgendein anderes "Zentrum" zu haben, kann leicht in eine abstrakte Form der Spiritualität abgleiten, die unsere Geschöpflichkeit untergräbt. Das "Ich" vollständig zu verleugnen bedeutet aufzuhören zu existieren. Lasst uns vorsichtig sein mit unserem fromm-klingenden Gerede, das unsere Menschlichkeit untergräbt, denn sobald dies geschieht, wird aller Rat über die Heiligung und Umgang mit Sünde schief und letztendlich selbst-zerstörerisch für einen Christen. Wir sind nicht gerufen, uns für unsere Menschlichkeit zu entschuldigen, oder von ihr umzukehren.

Doch es existiert eine andere Art von "Selbst-Zentriertheit" die zerstörerisch ist und von der wir ganz sicher umkehren müssen. Das ist, was wir Egozentrik nennen. Den Unterschied zwischen geschöpflicher Selbst-Zentriertheit und sündigem Egozentrik zu kennen, kann uns helfen in Gnade und Wahrheit zu wachsen. Und es mag dazu führen, dass wir die Spülmaschine für unseren Ehepartner etwas öfter leeren.

Sünde erzeugt eine Perversion unserer geschöpflichen Selbst-Zentriertheit, so dass wir annehmen, wir seien nicht allein das Zentrum unserer eigenen Welt, sondern wir wären tatsächlich das Zentrum der Welt aller anderen. Wir vergessen, dass wir Teil der majestätischen und miteinander verbundenen Schöpfung sind und engstirnige und zerstörerische Egozentrik ist das Ergebnis. Wir sind noble und glorreiche Geschöpfe, geschaffen nach Seinem Bilde, doch wir sind nur Teil dieser Schöpfung; wir sind nicht deren Gesamtsumme. Obwohl es wahr ist, dass wir unentrinnbar das Zentrum unserer eigenen Welt sind, ist es ein großer Unterschied zu sagen, wir seien das Zentrum der Welt. Nur der Dreieine Schöpfer wird zu Recht als das Zentrum des Universums angesehen, denn es ist Seine Schöpfung: Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. (Rö 11,36).

Hier ist also das Dilemma: Auf der einen Seite können - und sollen - wir es als Geschöpfe nicht darauf anlegen, unserem "Selbst" zu entkommen. Auf der anderen Seite, ist unser "Selbst" durch die Sünde verbogen worden und wir stehen nicht mehr in der richtigen Beziehung zu Gott oder dem Rest Seiner Schöpfung. Aufgrund unserer Sünde sind wir, mit in einem Wort gesagt, egozentrisch. Die Sünde hat beeinflusst, wie wir denken, fühlen und begehren. Infolgedessen versuchen wir das Werk der Hände Gottes zu verbiegen, um unserem eigenen egoistischen Verlangen zu dienen. Nehmen wir wenn wir autofahren nicht an, dass unser Zeitplan der Wichtigste ist in Gottes Welt? Wenn wir versäumen, andere zu sehen und zu wertschätzen, offenbaren wir eine verdorbene Selbst-Zentriertheit, die den Schöpfer und Seine Schöpfung unterminiert. Dabei frisst diese Selbstsucht unser eigenes Leben. Die ganze Schöpfung war darauf angelegt, die Güte des Schöpfers zu genießen, Ihn als Herrn und Schöpfer aller Dinge anzubeten. Konsequenterweise sollte jedes Teil alle anderen Teile schätzen und lieben. Eine unheimliche Seite der Sünde ist, dass sie uns in uns selbst gekehrt hat. In beunruhigender Weise handeln wir subtil so, als wären wir der Schöpfer, statt das Geschöpf, als ob alle Dinge allein für uns gemacht seien.

Doch hier entdecken wir auch die christliche Hoffnung. Wenn Gott Sein Volk befreit, beginnt Er auch uns Einklang mit dem zu bringen, wie Er uns ursprünglich für uns zu leben geplant hatte. Der Schöpfer-Gott ist auch der Neu-Schöpfer. Als solche, die durch Christus erlöst und in der Kraft Seines Geistes freigesetzt sind, sehen wir, wie unsere Welt beginnt, sich zu verändern. Während die Sünde uns fortwährend nach innen verbiegt, so dass wir von uns selbst verzehrt werden, zieht uns das Evangelium wieder zurück zu einer angemessenen Liebe für den Schöpfer und Seine Schöpfung.

Getränkt in der Liebe des Vaters, der Gnade des Sohnes und der starken Gemeinschaft des Heiligen Geistes, sind wir ermächtigt, uns in Gottes Vergebung zu sonnen. Wir sind befreit, andere zu lieben, nicht nur uns selbst. Während sündige Selbst-Zentriertheit dazu tendiert, das Individuum und Beziehungen zu unterminieren, schafft es die lebensspendende Kraft Gottes, das Individuum und Beziehungen wieder herzustellen. Wir hören auf, uns ausschließlich um unsere Welt zu sorgen und beginnen, uns um Gottes Welt zu kümmern, die Welt, die Er so liebte, dass Er seinen einzig geborenen Sohn für sie gab (Johannes 3,16).

Um biblisches Vokabular zu bemühen, ist die Frage nicht, ob Du ein "Selbst" hast, sondern ob es das "Neue Selbst" oder das "Alte Selbst" ist, das Dich regiert. (Eph 4,20, 1Kor 5,7). Wie Paulus an die Kirche in Kolossä schreibt, "belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen und den neuen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat." (Kol 3,9-10). Andere zu belügen ist nur annehmbar, wenn Du glaubst, dass Du mehr wert bist, als die anderen, was eine gefährliches Missverständnis der Schöpfung ist.

Wenn Gott uns ein neues Selbst gibt, sind wir dazu befreit, den Schöpfer als Allmächtigen Herrn anzubeten, was uns ermöglicht, das alte Selbst und seine von Eigeninteresse und Selbstschutz verunreinigten Gewohnheiten hinter uns zu lassen. Als die, die in Christus freigesetzt sind, sind wir frei, Gott und Nächsten zu lieben und das Gute der Anderen zu suchen, selbst wenn es uns selbst etwas kostet. Das alte Selbst praktiziert eine verdrehte Selbst-Liebe, die letztendlich zur Selbst-Zerstörung führt, wohingegen das neue Selbst eine kreuzförmiges Leben praktiziert, welches darauf abzielt, das Leben und die Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen, denen wir begegnen.

Paulus warnt in seinem zweiten Brief an Timotheus vor "den letzten Tagen", in denen diese pervertierte Selbst-Liebe sich immer mehr manifestieren wird: "Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild, dem Guten Feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. Sie lieben die Wollust mehr als Gott; sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie; solche Menschen meide!" (2Tim 3,2-5)

Indem wir diese Warnung umkehren, können wir aber auch sehen, wie Paulus sich Christen vorstellt, die für das Gute der Anderen leben. Gläubige sind dazu berufen, keine "Selbst-Liebhaber" zu sein, denn sie begreifen, dass sie zu Gott gehören und für Seine guten Absichten geschaffen wurden. In unserer sündigen Welt bedeutet das, dass wir von Christus dazu berufen sind, uns selbst für andere hinzugeben, auf dass sie die Kraft seiner Liebe durch uns erkennen mögen.

Wir gehören zu Gott und daher sind wir frei, den Schöpfer und Seine Schöpfung angemessen zu lieben. Denk noch einmal über die Kehrseite dessen nach, was Paulus oben sagt. Wir Christen sind frei, unser Geld an die wegzugeben, die in Not sind. Wir sind, sowohl unsere Endlichkeit, wie auch unsere sündigen Verdrehungen der Realität erkennend, frei, uns von der Arroganz zur Demut zu wenden. Wir sind frei dankbar zu sein, voller Respekt und Ehrerbietung für andere, weil wir anerkennen, dass alles was wir haben ein Geschenk von Gott ist. Wir sind frei, große Herzen zu haben, einen empathischen Sinn für andere zu kultivieren, deren Wohlergehen und Gutes zu suchen, wo wir an ihren Geschichten und Schmerzen teilhaben. Wir sind frei, Gott mehr zu lieben, als unser eigenes Vergnügen; darum sind wir befähigt, das Kreuz Christi aufzunehmen, Ihm zu folgen, unsere eigene Selbst-Sucht abzulegen und zuerst das Reich Gottes zu suchen und Seine Gerechtigkeit [siehe Mt 6,33 Anm. d. Üs.]. Wir sind frei von abstumpfender Religiosität (dem Schein der Frömmigkeit), welche oft in solcher Weise von Sünde spricht, dass wir zum Fokus werden, statt unseren Blick zu Christus und der verändernden Macht Seines Geistes zu erheben. Einfach gesagt, sind wir in Christus frei, den Schöpfer und Seine Schöpfung richtig zu lieben.

Frömmigkeit ruft uns nicht dazu auf, die Realität der des egozentrischen Dilemmas zu leugnen, sondern es ruft uns dazu auf, die Selbst-Sucht abzulegen. Gott widersteht den Hochmütigen. Wenn wir arrogant sind, vergessen wir, dass wir Geschöpfe sind und unsere Sünde macht uns anderen gegenüber "spöttisch" (Spr. 3,34). Doch Gott gibt den Demütigen Gnade, denn die Demütigen begreifen ihre Abhängigkeit von Ihm und anderen und sind daher aufmerksam und gnädig gegenüber denen, die sie umgeben (1Pe 5,5c, Jak 4,6). Wiewohl wir nicht in der Lage sein mögen, der geschöpflichen Realität des egozentrischen Dilemmas zu entkommen, können wir doch eine vom Geist bevollmächtigte Aufmerksamkeit und Nächstenliebe kultivieren. Lasst uns, während wir unseren Platz in Gottes Neu-Schöpfung einnehmen: schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn sein, das Gute der anderen noch vor uns selbst fördern und durch unsere Worte und Taten immer darauf abzielen, andere zum Dreieinen Schöpfer zurück zu ziehen, der allein uns von der dunklen Falle unserer Selbst-Sucht befreien kann (Jak 1,19, 1Pe 2,12). Also, auf geht's, lass den anderen Fahrer überholen und leere vielleicht sogar die Spülmaschine, wenn keiner hinschaut.

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Dr. Kelly M. Kapic ist Professor für Religionslehre am Covenant College in Lookout Mountain, Georgia. Er ist, zusammen mit Justin Borger, der Autor von God So Loved, He Gave: Entering the Movement of Divine Generosity.