Donnerstag, 22. März 2012

"Pfiffig" ist keine Frucht


TABLETALK FEBRUARY 2012, S. 26-27
Aus dem Amerikanischen von Michael Künnemann
 
Überlasse es den reformierten Menschen, den Punkt zu verfehlen. Wenn Paulus den Leib Christi als einen Körper beschreibt, der zum Teil aus Händen, Ohren und so weiter besteht, sind wir schnell dabei unser Revier abzustecken - wir sind das Gehirn der Kirche. Wir sind diejenigen die mit Fug und Recht so besorgt um unsere Theologie sind. 

Die großen Denker der Kirche waren reformiert und man könnte sicher behaupten, dass der größte Denker, in theologischer oder anderer Hinsicht, der jemals die Küsten Nordamerikas beehrte, Jonathan Edwards war.

Es steht außer Frage, dass dieser Mann einen überragenden Intellekt hatte. Wir wären gut beraten, uns zu seinen Füßen zu setzen und von ihm zu lernen. Edwards über den Willen ist unwiderlegbar genial. Edwards über die Trinität wird einen ganz wirr im Kopf machen. Edwards war ein gigantischer Geist, dessen Brillanz nur noch von seinem aufrichtigen und leidenschaftlichen Herzen überstrahlt wurde. Sollten wir uns die theologische Weisheit Edwards' zu eigen machen? Natürlich, auf jeden Fall. Es wäre jedoch noch besser, wenn wir von der Hingabe seiner Seele kosten würden.

Natürlich steigern wir die Inbrunst unserer Gefühle nicht, indem wir die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns dämpfen. Noch werden wir jemals die Frucht des Geistes tragen, wenn die Saat des Wortes [Gottes] nur auf den felsigen Boden unserer Gehirne, statt auf den fruchtbaren Boden unserer Herzen fällt. Sicher müssen wir Ihn kennen um Ihn zu lieben. Sicher müssen wir Ihn studieren, um Ihn zu kennen. Doch niemand hat Ihn gründlicher studiert, als der Teufel und es hat ihm nicht im Mindesten gut getan.

Erst vor einigen Wochen, während ich schreibe, öffnete das Reformation Bible College zum ersten Mal seine Türen. Der erste Kurs, den ich lehrte, hat einen ziemlich pompösen Namen: ST101 Theologische Prolegomena. Diese hochgestochene Überschrift bedeutet so ungefähr "Einführung in die Systematische Theologie". Es ist das Studium, welches wir betreiben, bevor wir unser Studium beginnen.

Geschichtlich gesehen würde ein solcher Kurs einleuchtender weise mit der Lehre der Offenbarung beginnen und untersuchen, wie Gott Sich Selbst in Seinem Wort und der Natur offenbart. Er würde Kernpunkte des Kanons berücksichtigen und verschiedene Theorien der Inspiration. Wir werden, letztendlich, zu diesen wichtigen Punkten kommen. In einem anderen Semester werden wir unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, was wir "Eigentliche Theologie" [das ist die Theologie vom Wesen Gottes, ein Teilbereich der Systematischen Theologie, Anm. d. ÜS.] nennen, dem effektiven Studium des Wesens und der Eigenschaften Gottes. Ungeachtet des Unterrichtsstoffes dieses künftigen Kurses, begannen wir diesen ersten Kurs mit einem klassischen Werk, The Holiness of God.

Meine Befürchtung, im Blick auf diesen ersten Kurs war, dass wir in die Falle gehen würden, in die schon so viele reformierte Menschen tappten. Ich befürchtete, dass wir, selbst mit den herrlichen Wahrheiten der Schrift, [schlussendlich] dabei landen würden, den Ohren zu schmeicheln. Ich wäre schuldig, den Ohren zu schmeicheln, wenn ich die Studenten durch meine Lehre dazu ermutigte zu dem Schluss zu gelangen, "Was für ein pfiffiger Mensch ich doch bin!" anstatt: "Was für ein herrliches Evangelium hat einen so elenden Sünder wie mich gerettet." Ich wollte uns durch das gemeinsame Studium dieses Buches ermöglichen, in den Spiegel Seines Charakters und Seiner Herrlichkeit zu sehen, um zu erkennen, wie gemein wir sind. Ich wünschte mir für uns alle, dass wir durch das Studium dieses Buches etwas vom Umfang Seiner Transzendenz verstünden, auf dass wir niemals versucht wären, zu dem Schluss zu kommen, dass unsere Studien in den Himmel reichten, wie der Turm zu Babel. Ich hatte Angst um meine Studenten, gerade weil ich mich erinnerte, wie ich als Student war. Mit was für einem cleveren Teufel wir doch kämpfen, der unser Studium einwandfreier Theologie in eine Gelegenheit zum Stolz verwandeln kann. 
Wir werden nicht gesund werden, bis wir diese offenkundige Wahrheit annehmen: Pfiffig zu sein ist keine der Früchte des Heiligen Geistes.  

Natürlich haben wir Gott mit unserem ganzen Verstand zu lieben. Doch wir sollen Gott mit all unserem Verstand lieben, nicht Ihn bloß verstehen. Wenn unser Wissen die Distanz von unseren Köpfen hinunter zu unseren Herzen nicht überbrücken kann, leiden wir unter geistlicher Leere. Wir werden nicht anfangen gesund zu werden, bis wir diese offenkundige Wahrheit annehmen: Wir kommen ins Königreich nicht als Wissenschaftler oder Studenten, sondern als Kinder.

Kurz: Wir werden nicht gesund werden wenn und bis wir nicht lernen aufzuhören, akademischem Respekt nachzulaufen, und zu beginnen, das Königreich Gottes und Seine Gerechtigkeit zu suchen. Wir sollen alle irdische Sorge hinter uns lassen. Wir sollen aufhören, zu suchen, was die Heiden suchen. Die Frucht der Liebe, ist letztendlich die Frucht des Geistes. Liebe zeugt Liebe. Liebe bringt Freude hervor. Liebe spendet Frieden. Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstdisziplin: all diese brechen hervor wie die großen Reben voll Trauben, welche die israelitischen Späher im Gelobten Land fanden. Keine von diesen kommt jedoch aus dem unfruchtbaren Boden unserer intellektuellen Neugier hervor, viel weniger noch aus der verbrannten Erde intellektuellen Stolzes.

Edwards war ein großer Mann Gottes. Das war er jedoch, weil er erstrebte, ein Mann Gottes zu sein, anstatt ein großer Mann zu sein. Dass seine Nachkommenschaft Senatoren und Gouverneure waren, Professoren und Universitäts-Rektoren, bedeutete ihm gar nichts. Dass sie demütig dem Sohn des Zimmermanns aus Galiläa folgten - das war es, was er hoffte und wofür er betete und arbeitete. Das ist die Frucht der Nächstenliebe.

Dr. R.C. Sproul Jr. ist Lehrbeauftragter bei Ligonier Ministries, Gründer von Highland Ministries und Autor von Bound for Glory: A Practical Handbook for Raising a Victorious Family. Folge ihm auf Twitter @RCSproulJr.

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