Dienstag, 6. Dezember 2011

„Ist die Bibel wirklich ‚Gottes Wort‘?“ – Teil 1: Glaubwürdigkeit aus literaturhistorischer Sicht

Die Frage: „Ist die Bibel wirklich von Gott inspiriert?“ ist eigentlich eine Frage, die selten in dieser Form gestellt wird. Vielmehr verbirgt sie sich hinter vielen Behauptungen, die in Gesprächen über den Christlichen Glauben und die Bibel immer wieder ausgesagt werden, wie z.B.: „Die Bibel ist schlecht überliefert.“, oder „Die Bibel ist Menschenwerk.“ und letztlich „Die Bibel ist eine Fabel.“.
Um der Frage des Titels nachzugehen, möchte ich sie mehreren Perspektiven betrachten:
  • aus der Perspektive der Literaturgeschichte (Teil 1) 
  • aus der Perspektive der Prophetie (Teil 2) und 
  • aus Perspektive der Archäologie (Teil 3)
Im Teil 1 gehe ich dabei der Frage nach, ob die Bibel wirklich so „schlecht überliefert“ ist, wie es ihr Ruf ist. Im Teil 2 gehe ich der Frage nach, ob die Bibel wirklich nur Menschenwerk ist und im letzten Teil, dem Teil 3, der Frage, ob die Bibel eine Fabel ist.
Vorab ist es mir wichtig festzustellen, dass ich alle genannten Fragen für gute Fragen halte. Denn es sind Fragen wissenschaftlichen Zweifelns. Mit ‚wissenschaftlichem Zweifel‘ meine ich dabei eine der Grundlagen wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens: Die Richtigkeit einer Behauptung so lange anzuzweifeln, bis sie durch Fakten bewiesen oder widerlegt ist.
Eine weitere Grundlage wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens ist Unvoreingenommenheit. Doch wirklich unvoreingenommen ist niemand. Jeder von uns hat einen (seinen) Standpunkt – und das ist auch gut so, denn ohne verschiedene Standpunkte gäbe es keinen Dialog, keine Kritik und damit auch keinen wissenschaftlichen Fortschritt.
Gleichwohl ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass wir manche Fakten gar nicht wahrnehmen, weil sie uns, z.B. aus dem Glauben heraus, wir „wüssten“ die – anderslautende – Wahrheit bereits, als nicht ernst zu nehmen vorkommen – ohne den eigenen Standpunkt jemals faktisch hinterfragt zu haben.
Mit Unvoreingenommenheit meine ich also nicht, keinen eigenen Standpunkt zu haben, sondern die Fähigkeit, den hier vorgetragenen Standpunkt zu erfassen und auf seinen faktischen Gehalt zu prüfen und allein das für wahr zu halten, was durch harte Fakten gesichert werden kann.

Um aus der ersten Perspektive zu klären, inwiefern die Bibel ein glaubwürdiges Dokument ist, ist ein Vergleich mit bekannten Schriften der Antike, allen voran der „Ilias“ des Homer und dem „De bello gallico“ des Cäsar nicht nur interessant, sondern vor allem aufschlussreich (siehe auch mein früherer Post): 


Genauigkeit der Überlieferung
Dabei fällt folgendes ins Auge: Die „Ilias“ beherbergt 764 fragliche Zeilen von insgesamt ~15.600, was einer „Fraglichkeit“ von 4,9%, bzw. einer Textgenauigkeit von 95,1% entspricht. Damit ist sie das am zweitbesten rekonstruierbare Dokument der Antike. Das Neue Testament enthält dem gegenüber ~20.000 Textzeilen. Allein 40 davon sind „fraglich“, entsprechend einer Ratio von 0,2% oder einer Textgenauigkeit von 99,8%. Damit ist das NT das am besten überlieferte Schriftstück der Antike.


Belege durch "Textzeugen"
Beim Vergleich der Anzahl erhaltener Abschriften dieser antiken Dokumente fällt weiter ins Auge: Von der „Ilias“ sind 643 Abschriften erhalten, von Cäsar’s „De bello gallico“ 10 und vom Neuen Testament 5.500 bis 5.600 überlieferten Handschriften und insgesamt 24.970 Manuskripte. Damit ist das NT nicht nur das am genauesten überlieferte, sondern auch das am besten „bezeugte“ Schriftstück der Antike.


Zeitliche Nähe der Abfassung
Vergleicht man weiter die Zeitspanne zwischen der Abfassung der Dokumente und ihrer ältesten Abschrift, so fällt ins Auge, dass hier bei der „Ilias“ ganze 400 Jahre dazwischen liegen. Beim NT sind es 40 Jahre, also eine 10x kürzere Zeitspanne. 
Das älteste Fragment des NT (genannt „P52“) wird dabei auf 130 n.Chr. datiert, wobei die Verfassung des Originals Johannesevangeliums an das traditionell akzeptierte Datum 90 n. Chr. herankommt, also ca. 57 Jahre nach Christi Tod und Auferstehung und damit noch zu Lebzeiten der Augenzeugen verfasst wurde.

Neuere Forschungen ergeben als früheste überlieferte Handschrift, den Papyrus "Magdalen GR 17", der auf die Zeit um 65 n. Chr. datiert wird, also 36 Jahre nach Christi Tod* (29 n.Chr.) und damit ebenfalls zu Lebzeiten der Augenzeugen: Der Apostel Johannes starb 101 in Ephesus.
Ob also "P52" oder "Magdalen GR 17": die handschriftliche Überlieferung der Bibel beginnt, entgegen der allgemeinen Annahme, bereits zu Lebzeiten der Augenzeugen.

Fazit

Wenn wir also glauben, dass es einen Cäsar gegeben hat, der „Veni, vidi, vici!“ ausrief und ein Verhältnis mit Cleopatra hatte, dann führt kein Weg daran vorbei, auch alle Aussagen des NT als glaubwürdig überliefert zu betrachten – ja als noch viel glaubwürdiger und genauer.
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Dieser Eintrag basiert auf einem Ausschnitt eines früheren Blog-Eintrages – er wurde an dieser Stelle noch einmal separat dargestellt, um die Glaubwürdigkeit der Bibel in einer zusammenhängenden Serie unter dem Titel «Fragen an den christlichen Glauben: „Ist die Bibel wirklich Gottes Wort?“» darstellen zu können.

2 Kommentare:

  1. Eine interessante Herangehensweise. Dazu erlaube ich mir ein paar Fragen und Anmerkungen:
    Genauigkeit der Überlieferung: Was sind "fragliche Zeilen"? Welche Kriterien muss eine Zeile erfüllen um fraglich zu sein? Woher stammen diese Zahlen? Ich halte den gesamten Absatz eher für fraglich.
    Belege durch Textzeugen: gemeint ist hier vereinfacht die Anzahl der Abschriften. Dabei wird ein historisch interessantes Dokument "De bello galico" mit der Bibel und einer dichterischen Buch verglichen. "De bello galico" ist eine Selbstbeweihräucherung Cäsars. Nicht gerade ein Megathema. Und die "Ilias" hat auch nicht so fasziniert. Die Bibel mit ihren Heilsversprechen und der dahinterliegenden industriellen Komplexes (Klöster, etc. , die von dem eingesammelten, ja teilweise eingetriebenen Geld der Bevölkerung lebten) hatte es da viel leichter.: Zum Teil durfte in den Klöstern nichts anderes abgeschrieben werden als die Bibel. Und der Bevölkerung wurde keine Bildung zu teil gebracht. Die Bibel ist eben nur deshalb meistzitiert, weil die Kirche alles andere unterdrückt hat.
    Zeitliche Nähe der Abfassung: "Das Neue Testament umfasste zur Zeit seiner Kanonisierung (um 180) 27 griechische Einzelschriften, davon vier Evangelien und 21 Briefe. Alle zusammen erreichen insgesamt nur ein Viertel des Umfangs des Alten Testaments." [Quelle: Wikipedia:Bibel]. Aber hier setzt eher meine Verwunderung ein. Über so etwas Herausragendes, wie Jesus in seinem Wirken gibt es genau 4 Jünger, die darüber berichten. Da diese 4 Nutznießer ihrer eigenen Erzählung waren und eher als Mitbegründer des industriellen Komplexes "Kirche" waren, halte ich diese für befangen. Um es vorweg zu nehmen: Jesus wird wohl existiert haben (s. a. http://de.wikipedia.org/wiki/Au%C3%9Ferchristliche_Notizen_zu_Jesus_von_Nazaret). Aber seine Wunder erscheinen gerade in der Überlieferung durch diese 4 Vorteilsnehmer (Apostel) eher dürftig belegt.
    Mithin reicht es völlig aus, wenn für so etwas Profanes wie Cäsars Notizen des gallischen Krieges nur 10 Abschriften existieren. Wenn es aber um so etwas Einschneidendes geht, wie eine Vorschrift, wie ich mein Leben auszurichten sollte, dann benötige ich etwas mehr Fundierung. "So gibt es beispielsweise einige Stellen im Evangelium nach Markus, die darauf hinweisen, dass der Verfasser nicht mit der jüdischen Gesellschaftsordnung, sondern mit der römischen vertraut war, und so einige Fehler machte, die einem jüdischen Autor nicht passiert wären. Im Vers Mk 10,12 EU sagt Jesus angeblich, eine Frau begehe Ehebruch, wenn sie ihren Mann verlässt und einen anderen heiratet. Das hätte ein Römer verstanden, denn dort hatte die Frau wie der Mann das Recht zur Scheidung, im jüdischen Recht war das aber dem Mann vorbehalten (5 Mos 24,1 EU). Man schließt daraus gemeinhin, dass Jesus den ihm zugeschriebenen Satz so nicht geäußert haben könne. Auch andere Stellen im Evangelium deuten darauf hin, dass der Verfasser die jüdischen Gepflogenheiten nicht gut kennen konnte."[Quelle: Wikipedia: Kontroversen_um_die_Bibel]
    Alles in allem überzeugt es mich als Agnostiker nicht, sich einem solchen Werk zu unterwerfen. Ich glaube eher, dass das dogmatische Festhalten an diesen einzelnen religiösen Ausprägungen uns als Menschen untereinander spaltet und uns von dem Einem (so er denn existiert) entfernt. Ich finde, der Vergleich der Bibel mit der Ilias ist gut gewählt. In beiden werden Freiheiten des Autors (der Autoren) mit historischen Elementen vermischt und zu Kernaussagen im Rahmen einer Erzählung verdichtet.

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  2. Interessante Fragen & Hinweise. Dazu habe ich viel zu antworten – mehr als es in einem simplen Kommentar möglich wäre, denn es ist mir wichtig, auf alle mir wesentlich erscheinenden Punkte einzugehen und wenn Möglich Quellenangaben und Querverweise samt Links dazu zu posten.
    Ich habe mich daher entschieden, meine Antwort auf Deinen Kommentar in ein eigenes Posting zu packen.

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