Freitag, 11. November 2011

'Kategorischer Imperativ' als Orientierung? Das 3.-10. Gebot als Richtschnur des Handelns?

Eine weitere Frage die in den Zusammenhang der allgemeineren Fragestellung nach den "Guten Werken" passt, ist die Frage, ob es nicht ausreicht, wenn wir uns an einer guten Richtschnur für unser Leben orientieren. Das führt mich zu folgenden Gedanken:
Der„Kategorische Imperativ“ von Kant, d.i.: nur das zur Maxime zu erheben, von dem ich wollen kann, dass es ein allgemeines Gesetz werde, ist sicher eine exzellente Richtschnur für alles menschliche Handeln. Es entspricht dem christlichen „Und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“ (Lukas 10:27) oder dem „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch für sie!“ (Matthäus 7:12).

Nur: die Sache hat zwei Haken:

Zum einen macht man im alleinigen Bezug auf Kant die Rechnung ohne den Wirt. Denn vor dem Gebot: „Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst“ steht das Gebot „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand.“ (Lukas 10:27).

Genau gegen dieses Gebot verstößt jedoch jeder unerlöste Mensch auf diesem Planeten – ohne Ausnahme. Oder wie Paulus es ausdrückt: „So steht es in der Schrift: "Keiner ist gerecht, auch nicht einer."“ (Römerbrief 3:10). „Alle haben sie den rechten Weg verlassen und sind unbrauchbar geworden. Niemand ist da, der [nach göttlichem Maßstab] Gutes tut, kein Einziger.“ (Römer 3:12).

Denn, es reicht aus Gottes Perspektive, der eine Liebesbeziehung zu uns möchte, einfach nicht aus – wie ich schon im Posting "Vom "Gutes tun"" versucht habe zu zeigen – wenn wir anderen Gutes tun, Demjenigen aber, der uns für die Liebe zu sich hin erschaffen hat, den Rücken kehren.

Genau an diesem Punkt tritt unsere für Gott so schmerzliche Seite unserer gefallenen Natur klar zu Tage: Wir denken, wir seien gut, alles sei gut und wir kämen in Gottes Himmel, wenn wir zumindest unseren Mitmenschen Gutes tun - und dabei eben diesen Gott, in dessen Himmel wir wollen, völlig vergessen.

Zum anderen muss man fragen, ob der Mensch denn wirklich in der Lage ist, (ohne Gottes Hilfe!) auch nur einen Tag so heilig zu leben, dass es Gottes Maßstab entspricht. Ob es einem Menschen möglich wäre, dass er z.B. die Gebote Christi in der Bergpredigt (Matthäus, Kapitel 5-7) einhielte ohne Gottes Gebote zu übertreten.

In der Bergpredigt steht: z.B. „Wer die Frau eines anderen [auch nur] begehrlich ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Matthäus 5:28). Sicher trifft das vornehmlich die Männer – aber ich denke, es macht die Sache schon einigermaßen klar.

Und um es mit den Worten des Apostels Paulus noch deutlicher zu machen: Der ungläubige Mensch ist im Herzen kein Freund Gottes und seiner Gebote (vor allem nicht der wichtigsten, der ersten drei): „Denn der menschliche Eigenwille steht dem Willen Gottes feindlich gegenüber, denn er unterstellt sich dem Gesetz Gottes nicht und kann das auch nicht.“ (Römer 8:7). Der ungläubige Mensch will diese Gebote nicht. Er will niemanden über sich, der ihm sagt, was er zu tun hat. Er ist sich selbst Legislative und Judikative – und im schlimmsten Falle, der Lynchjustiz, auch Exekutive.
Der Mensch bestimmt, wo's lang geht. Nicht mehr Gott. Das war das Angebot im Paradies: "Ihr werdet wissen, was Gut und Böse ist, und werdet sein wie Gott." (1. Mose 3:5).

Luther hat dem Thema des ‚freien Willens‘ in seiner Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam eine ganze Schrift gewidmet: „Vom unfreien Willen“. Grundsätzlich bezieht er sich dabei auf die Tatsache, dass dem Menschen mit dem Sündenfall etwas passiert ist, von dem er sich nicht aus eigener Kraft befreien kann: Der Verlust des göttlichen Lebens und damit eine Tendenz (ganz praktisch) Dinge zu tun (oder zu lassen), die er (theoretisch) für falsch erachtet.

Oder wie Paulus es formuliert: „...ich tue nicht das, was ich will, sondern gerade das, was ich hasse“ (Römer 7:15) und „Es fehlt mir nicht am Wollen, aber ich bringe es nicht fertig, das Gute zu tun. Ich tue nicht das Gute, das ich tun will, sondern das Böse, das ich nicht will.“ (Römer 7:18-19). Wer einmal wirklich aufrichtig versucht hat, Gottes Gebote zu halten, erst der wird erkennen, wie unfähig er im Grunde dazu ist.

Ich persönlich habe es versucht. 25 Jahre lang. Und ich bin gescheitert. Tag für Tag. Bis ich endlich begriffen habe, worum es geht: Gott will nicht meine guten Werke. Er will mich. Er will die Beziehung zu mir. Er liebt mich. Und was ich dabei auch begriffen habe ist: Ich schaffe es nicht. Ich bin nicht heilig. Ich versage wieder und wieder. Aber Gott stellt mich wieder auf die Füße und bringt mir, Schritt für Schritt, das Laufen bei - in seine Welt.

Zusammenfassung: Die„Goldene Regel“ und der „Kant’sche Imperativ“ sind zwar gute Wegweiser, wenn es darum geht, uns zu sagen, wie wir uns gegenüber unseren Mitmenschen verhalten sollten. Aber für sich allein genommen, greifen sie zu kurz, denn sie übersehen das Wesentliche: Das Gott den Menschen auf Sich hin bezogen geschaffen hat und dass damit die alleinige Liebe unseres Nächsten nicht ausreicht, weil sie die Gottesliebe außer Acht lässt. Und zum anderen, dass der gefallene Mensch, durch den Verlust des göttlichen Lebens, von sich aus nicht mehr in der Lage ist, zu tun, was er wirklich will, sondern das Gute immer nur annähernd erreicht und dabei ständig an der Vollkommenheit der göttlichen Gebote scheitert.

Was wir brauchen, ist also nicht noch ein „Guter Ratschlag“: wir brauchen „Hilfe von oben“.

Und die wird uns in Christus angeboten. Darum schreibt auch Paulus am Ende des 7. Kapitels seines Briefes an die Römer: "Ich unglückseliger Mensch! Gibt es denn niemand, der mich aus dieser tödlichen Verstrickung befreit? Doch! Und dafür danke ich Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn" (Römer 7:24-25).

Unsere einzige Hoffnung liegt in Christus, der uns unsere Schuld vergibt (weil er sie am Kreuz getragen hat), der uns mit dem Geist Gottes begaben will, damit wir wieder in die Lage versetzt werden, das göttlich Gute überhaupt zu wollen und dann auch zu tun, und der uns damit in die Gemeinschaft mit Gott zurück bringt.

Wer sich weiter mit diesem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich zwei Schriften:

Zum einen Martin Luther’s „Vom unfreien Willen“:


Und zum anderen C.S. Lewis „Pardon, ich bin Christ“ in dem sich Lewis, seines Zeichens Professor in Oxford und früherer Atheist auf humorvolle und sehr geistreiche Weise mit den wesentlichen Fragen des Christlichen Glaubens auseinandersetzt – darunter auch die Frage nach der Willensfreiheit:

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